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Seit seinem Erscheinen im Jahre 2005 bildet das World of Darkness Rulebook die Grundlage der (neuen) WoD und erfüllt dabei zwei Funktionen für die Spiellinie. Einmal enthält das Buch die Basisregeln des Storytelling Systems, auf denen alle weiteren Bücher rund um Vampire, Werwölfe Magier und viele mehr aufbauen. Zum Zweiten präsentiert es einen rudimentären, universellen Horror-Hintergrund, der sich auf die Perspektive gewöhnlicher Menschen konzentriert, die mit den in den Schatten dieser Welt verborgenen Schrecken konfrontiert werden.

Neben den die WoD prägenden übernatürlichen Kreaturen wurde diese Spielausrichtung in den Folgejahren, wenngleich fragmentarisch, mit weiterem Material unterstützt, dessen Schwerpunkte sich grob bei Geistern und der Monsterjagd verorten lassen. Spätestens mit der separaten Veröffentlichung von Hunter: The Vigil und Geist: The Sin-Eaters aber wurde die thematische Ausblutung in andere Spiellinien hinein offensichtlich.

GMC_CoverInsoweit festigte sich der Eindruck, dass jene gemeinen Sterblichen neben den strahlenden übrigen Wesenheiten für Verlag wie Spielerschaft ein Schattendasein fristen und sich von gelegentlich hingeworfenen Tischresten wie urbanen Legenden nähren müssen („Mortals: The Suffering“). Zwar wird man nicht zum schlechten Imitat eines rumänischen Akzentes genötigt, doch besitzt so ein bibberndes Menschlein nun einmal nicht denselben Coole-Sau-Faktor wie der bleiche Graf Blutwurst mit dem langen Ledermantel.

The God-Machine Chronicle (GMC) nun bietet eine umfangreiche Ergänzung beider Ebenen des World of Darkness Rulebook. Beide Facetten des Buches stehen in nur indirektem Zusammenhang, also in erster Linie nebeneinander. Den Hauptteil macht mit 150 Seiten die God-Machine Chronicle aus, ein neuer, in erster Linie für gewöhnliche, sterbliche Charaktere gedachter Chronik-Rahmen. Der umfangreiche Appendix enthält Regelüberarbeitungen und -ergänzungen des Storytelling-Basissystems und soll der Ausgangspunkt für zukünftige WoD-Publikationen sein. Ein vergleichbares Buch für Vampire: The Requiem wird voraussichtlich im Juli erscheinen – Blood and Smoke: The Strix Chronicles. Dankenswerterweise hat man sich dafür entschieden, das God Machine Rules Update, also den immerhin 104 Seiten umfassenden Regelteil, kostenlos zum Download zur Verfügung zu stellen – Besitzer des WoD-Regelbuchs können beim „NWoD 2.0 Regelpatch“ also bedenkenlos zugreifen: KLICK.

Erscheinungsbild

Das GMC-PDF präsentiert sich gewohnt professionell und umfasst 252 im typischen WW-Layout engbeschriebene Seiten, deren Rahmen und Illustrationen in stimmungsvoll-düsterem Blau-Schwarz-Weiß gehalten sind. Verlinkte Seitenverweise innerhalb des Textes helfen dabei, die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Modulen für den Leser transparent zu halten. Die enthaltenen Bilder pendeln im Wesentlichen zwischen den Polen „unheimlich“ und „surreal“ und transportieren damit punktgenau die Atmosphäre des Buches.

Die harten Fakten:

  • Verlag: White Wolf/Onyx Path Publishing
  • Autor(en): Matthew McFarland ua
  • Erscheinungsjahr: 2013
  • Sprache: Englisch
  • Format: PDF
  • Seitenanzahl: 252
  • Preis: 17.99 USD
  • Bezugsquelle: DriveThruRPG.com (KLICK)
Die Engel der Gott-Maschine
Die Engel der Gott-Maschine

Inhalt

God-Machine Chronicle

Im kryptisch-mysteriösen Text Voice of the Angel (WoDRulebook, S. 26) liegt die Wurzel der God-Machine Chronicle. Die dort zum ersten Mal auftauchende Idee einer geheimnisvollen Gott-Maschine hat offenbar über die Jahre hinweg genug Neugier geweckt, um in einigen weiteren Büchern aufgegriffen und hier nun zu einem spielbaren Hintergrund ausgearbeitet zu werden. In der den Weg für das vorliegende Buch bereitenden God-Machine Chronicle Anthology sind diese Texte zusammengestellt und mit weiteren Kurzgeschichten rund um die Gott-Maschine ergänzt worden.

Knapp jenseits unserer Wahrnehmung und unseres Begriffsvermögens verbirgt sich eine unbegreifliche Entität, deren Einfluss jeglichen Aspekt der Schöpfung durchdringt, vielleicht sogar Raum und Zeit transzendiert: die Gott-Maschine. Das göttliche, doch fremdartig-kalte Wesen verfolgt einen innerhalb der Grenzen des menschlichen Verstandes nicht begreifbaren Plan. Darin spielen Menschen und deren Lebenswirklichkeit nur als Zahnräder eine Rolle – die menschliche Selbstherrlichkeit wird zu einem kosmischen Aprilscherz. Die Welt gehorcht der klaren, kalten, aber unzugänglichen Logik der gewaltigen Maschine, die sie steuert. Doch zuweilen geschieht es, dass Menschen einen Blick auf das verborgene System erhaschen. Einige mögen sich, Kultisten nicht unähnlich, ihrer Verehrung verschreiben, andere versuchen verzweifelt, ihre Mechanik zu ergründen oder ihr Uhrwerk aufzuhalten…

Bereits die Einführung arbeitet den Umriss der zentralen inhaltlichen wie thematischen Aspekte einer Chronik, in der die Gott-Maschine eine definierende Rolle spielt, dicht und gehaltvoll heraus.

Die konzeptionelle Grundlage fühlt sich fast so an, als hätte H. P. Lovecrafts kosmischer Horror mit den Fringe-Autoren außerehelichen Nachwuchs gezeugt. Der Schrecken erwächst nicht aus der Präsenz blutrünstiger menschlicher oder nichtmenschlicher Monster, sondern wird, Lovecrafts Kosmizismus ähnlich, von subtilerem, allumfassendem Grauen abgelöst. Das Universum bietet weder die Nestwärme des Religiösen noch die Sicherheit wissenschaftlich-rationaler Erfassbarkeit. Die entsetzliche Bedeutungslosigkeit des Individuums manifestiert sich hier allerdings nicht im Kontrast zu den Großen Alten jenseits der Schwelle, sondern darin, mit dem Unerklärlichen als Teil eines verborgenen Mechanismus konfrontiert zu werden; Probleme also, die sich auch mit einem Zweitkatana nicht ohne weiteres lösen lassen. Nicht Tentakel, sondern Zahnräder („das Maschinelle“) prangen als kennzeichnende Symbole über dem Hintergrund. Das im Deutschen gern Mystery genannte Genre-Zweig steuert dazu Undurchsichtigkeit, Geheimgesellschaften, Verschwörungstheorien und grenz-/pseudowissenschaftliche Motive wie Zeitreisen bei; die Projekte der Gott-Maschine sind rätselhaft, die Muster, die ihr Plan hinterlässt, schwer zu entziffern – ungefähr so wie die europäische Fiskalpolitik. Endgültige Antworten und Wahrheiten verspricht das Buch nicht – Unerklärbarkeit und Ambivalenz sollen ein fester Bestandteil der Gott-Maschine bleiben.

Auch wenn diese Grundideen fraglos auf den Schultern prominenter Eltern stehen, wirken sie doch in der Aufbereitung hinreichend frisch und reizvoll, um zur Erkundung anzuspornen. GMC entfernt sich vom klassischen Kreaturen-Horror wie auch den bereits von anderen WoD-Büchern ausgetretenen Pfaden. Der Hintergrund verfügt meines Erachtens über genug Kraft und Flexibilität, um der Sterblichen-Spielvariante ein klares Profil und eigenständige Identität zu verleihen. Dabei zeigt das Einführungskapitel schon eine große Vielfalt von Richtungen auf, in die sich Geschichten entwickeln könnten, so dass eine beträchtliche Bandbreite erzählerischen Potentials sichergestellt ist.

Unergründliche Mysterien gepaart mit Hilf- und Orientierungslosigkeit sind aber ein brisantes Thema für Rollenspiele, deren Geschichten ja gerade von den Aktivitäten der handelnden Charaktere ausgestaltet und mit Leben erfüllt werden. Cthulhu allerdings demonstriert seit mehr als 30 Jahren trotz geringer Charakterhalbwertzeit das Potential eines die Leidensfähigkeit austestenden Hintergrundes. Die TV-Serie Lost andererseits hat anschaulich gezeigt, wie frustrierend es sich gestalten kann, wenn Geheimnisse um ihrer selbst willen und ohne befriedigende Auflösung in den Raum geworfen werden. Die von der Gott-Maschine entworfenen Infrastrukturen haben der Natur der Sache nach Schwachpunkte und Sollbruchstellen, die zum Einfallstor spielerischer Aktivität werden können und sollen. Wie lassen sich diese Grundgedanken in interessanten Chroniken umsetzen?

Das folgende Kapitel, Building the God-Machine Chronicle, ist bei der Antwort auf diese Frage leider nur begrenzt hilfreich. Als wären die Autoren plötzlich vom thematischen Fokus zwei Schritte zurückgetreten, landet der Leser erst einmal in einem seichten Teich aus nebulösen Wortschwaden. Trotz vieler interessanter Beispiele, aus denen Handlungselemente entstehen können, backen die einrahmenden Texte so viele Allgemeinplätzchen, dass sie oftmals die Grenze zum Selbstverständlichen überschreiten.

Erst mit den Chronicle Tracks, die den Abschnitt abschließenden, beginnt das Buch, das Versprechen der imposanten Einführung einzulösen und den Hintergrund mit spielerischer Lebendigkeit auszufüllen. Sie verweisen nach vorn, zu den folgenden Kapiteln Tales of the God-Machine und The Cogs in the Machine. Diese Tales bestehen aus 20 offenen gehaltenen, aber in allen wesentlichen Aspekten skizzierten Geschichten. Die zugehörigen NSC-Beschreibungen (und einige mehr) finden sich bei den Cogs – insbesondere die Engel der Gott-Maschine, über die hier nichts weiter verraten werden soll. Die bereits erwähnten Chronicle Tracks knüpfen als konkrete Handreichung oder Beispiel umfangreiche Handlungsfäden durch die Szenarien.

Mit diesem Komplex von Erzählbausteinen spielt GMC seine Stärke aus. Wer die Rückkehr des aus Classic WoD Zeiten berüchtigten kanonischen Metaplots befürchtet hat, wird – hoffentlich angenehm – enttäuscht; ebenso, wer letztlich einen ins Allgemeine fliehenden Kampagnenhintergrund erwartet hat. GMC bietet einen überaus greifbaren, modular gestalteten Chronik-Baukasten, der die ganze Fülle des  abgedeckten Themenkreises nutzt. Der besondere Wert der Einzelgeschichten liegt weniger darin, sie einzeln zu erspielen, auch wenn sie alle einen einfachen Einstieg ermöglichen. Erzähler und Spielrunden erhalten vielmehr einen breit ausgestatteten Baukasten kosmischen Horrors. Handlungsstränge, NSC – die Chronicle Tracks zeigen vielfältige Wege auf, um verschiedenen Präferenzen gerecht zu werden und aus den flexiblen Einzelelementen eine individuelle God Machine Chronicle zusammenzufügen.

Nur ein Rädchen?
Nur ein Rädchen?

World of Darkness Rules Update

Die World of Darkness Rules Revisions sind umfang- und detailreich geraten; vieles darin scheint mir eher zu knapp als zu elegisch erörtert. In einigem lassen sich zwar Gedanken und Weiterführungen aus der jüngeren WoD-Publikationsgeschichte wiedererkennen. Angesichts der Vielzahl bisher schon veröffentlichter Optionen finde ich es aber fast erstaunlich, dass das Update in weiten Teilen recht eigenständig wurde. Dass viele der neuen Regelelemente zusammenhängend und ineinandergreifend konstruiert sind, macht es schwieriger (aber keineswegs unmöglich), einzelne davon nach Gusto den Hausregeln hinzuzufügen. Andererseits zeugt das auch von der beträchtlichen Menge an Gehirnschmalz, die in das Gesamtpaket geflossen ist. Da das Update frei erhältlich ist, werde ich hier nur kurz die wichtigsten bzw. meiner Ansicht nach interessantesten Modifikationen hervorheben. Eine schlichte Aufzählung der Änderungen erscheint mir sinnfrei, und eine extensive Analyse würde den Rahmen dieses Artikels sprengen.

Die umfassende Bearbeitung und Ergänzung der Merits wie der Regeln zu Geistern auf der Grundlage zahlreicher, seit Erscheinen der Originalregeln veröffentlichter Bücher bildet nur die Spitze des Eisbergs. Innerhalb der Kampfregeln sind viele wichtige Stellschrauben des Systems betroffen. Waffen erhalten nun einen Initiativmodifikator, der die Schwierigkeit der Handhabung simuliert. Abgesehen von vielen anderen Details besteht ein weiterer, wesentlicher Schritt darin, Waffenschaden zu senken, aus dem Angriffswürfelpool zu entfernen und im Falle eines Treffers zu zusätzlichen automatischen Erfolgen zu machen. Es bleibt auszutesten, ob der von Waffen verursachte Schaden nun befriedigender erfasst wird.

Die grundlegenden Überarbeitungen des Regelsystems beginnen bereits bei der Erschaffung des Charakters. Charaktere wählen nun von Beginn an drei Aspirations (den Motivations aus WoD: Mirrors ähnlich), in die Zukunft gerichtete Charakterziele: eine hilfreiche Stütze, um den Charakter nicht nur statisch, sondern auch im Hinblick auf seine weitere Entwicklung auszuformen. Das weniger an der Psychologie als vielmehr der biblischen Vorlage orientierte Korsett von Tugenden und Lastern fällt der Schere zum Opfer. Spieler (und Spielleiter) sind gehalten, diese Charaktermerkmale individuell frei zu bestimmen und dabei den Rückfluss von Willenskraft im Auge zu behalten.

Sowohl die Moral wie auch die dazugehörige Hierarchie der Sünden müssen ihren Abschied nehmen; an ihre Stelle tritt die neue Schlüsseleigenschaft Integrity. Wo Moral den Maßstab universell gedachter Wertvorstellungen an Hand einer Gut-Böse-Dichotomie anlegte, repräsentiert Integrity in etwa geistige Stabilität, also die Verarbeitung potentiell traumatisierender Handlungen und Geschehnisse. Eine ähnliche Idee ergänzte Morality bereits in WoD: Dogs of War. Mit Hilfe von fünf Fragen ermitteln die Spieler während der Charaktererschaffung persönliche Breaking Points und definieren so ihre Belastungsgrenze. Das Erreichen dieses Punktes führt nicht mehr zu den allseits beliebten Geistesstörungen, sondern kann in sog. Conditions münden.

Das Spielkonzept Conditions formalisiert bestimmte Zustände, in denen sich Charaktere befinden können, mit dessen Auswirkungen und den Bedingungen, unter denen er endet. Permanente Zustände ersetzen die bisherigen Flaws; vorübergehende Zustände können durch den Verlust von Integrity, aber auch außergewöhnliche Erfolge und übernatürliche Kräfte ins Spiel kommen.

Darauf aufbauend findet im Bereich der Erfahrung ein Paradigmenwechsel statt. Abgesehen davon, dass die Erfahrungspunktekosten linear geworden sind, also nicht mehr progressiv steigen, werden Erfahrungsgewinn und persönliche Dramatik eng miteinander verbunden. Die Erfüllung einer Aspiration, die Auflösung einer Condition, selbstgewählte dramatische Fehlschläge – dies alles zahlt sich nun in Erfahrungspunkten aus. Weder ein Lernerfolg noch eine wie auch immer definierte Leistung, sondern die persönliche Geschichte eines Charakters rückt weiter in den Mittelpunkt. 

Erfreulich erscheinen mir die Signale, Spielercharaktere weniger unter die Knute strikter Kategorien zu zwingen, als vielmehr Möglichkeiten zur Individualisierung fördernd ins System einzubinden. Zugleich ist eine deutliche Tendenz hin zu Systemen erkennbar, die abseits klassischer Regeltechnik dramatische Situationen und individuelle Charakterentwicklung abbilden. So sehr ich diese Fortentwicklung einerseits begrüße: ich habe Bedenken, dass das so gestaltete Regelkostüm auch an Stellen ins Spielgeschehen übergreift, wo die Formalisierung eher stört als dem Spiel nutzt.

Wo es beispielsweise um den Erfahrungsgewinn aus konkreten Spielsituationen oder Conditions geht, könnte der plötzliche Schwenk aus einer dichten Szene auf ein abstraktes Regelniveau manches Mal den Spielfluss auseinanderreißen. Sicherlich ist es auch eine Frage des Spielstiles, ob man auch dramatische Elemente geregelt wissen oder aber ganz dem rein rollenspielerischen Bereich überlassen möchte. Ganz grundsätzlich aber finde ich die neuen Spieloptionen spannend und erprobenswert – ich hatte eher ein erratierendes Reförmchen erwartet. Freilich war bisher nicht jede mutige Entscheidung aus dem Hause White Wolf auch notwendigerweise gut (Mage 3rd Edition, ich meine Dich). Endgültige Aussagen über Gewinn und Probleme durch die neuen Regeln werden sich erst am Spieltisch treffen lassen. Zumindest der Hausregelfundus dürfte um einige Optionen bereichert werden.

Preis-/Leistungsverhältnis

Berücksichtigt man, dass der kostenpflichtige Teil des Buches nur ca. 150 Seiten umfasst, stellt sich schon die Frage, ob der Preis für das nicht immer inhaltsreich aufbereitete Kampagnenmaterial gerechtfertigt ist. Andererseits fällt es mir schwer, dem Verlag faktisch einen Vorwurf dafür zu machen, einen wichtigen Teil des Buches zugleich gratis zur Verfügung gestellt zu haben. Daher möchte ich mich an dieser Stelle einer weiteren Wertung enthalten und das Urteil dem Leser überlassen.

Bonus/Downloadcontent

Nochmal, weil´s so schön ist – das God Machine Rules Update:  KLICK

Fazit

God-Machine Chronicle bietet einerseits einen neuen, für gewöhnliche, sterbliche Charaktere gedachten Chronik-Rahmen und andererseits allgemeine Regelüberarbeitungen und -ergänzungen des Storytelling-Basissystems. Der von kosmischem Horror durchzogene Hintergrund zeigt eine Welt, die auf der Grundlage eines kryptischen Planes vom verborgenen Uhrwerk einer quasi-göttlichen Maschine gesteuert wird. Ambivalenz, Geheimgesellschaften und pseudowissenschaftliche Motive a la Fringe ergänzen die Plattform mit einer Dosis typischen Mystery-Zubehörs. Breites erzählerisches Potential ist daher sichergestellt.

Trotz der durchscheinenden Genre-Vorbilder verfügt der Hintergrund meines Erachtens über genug Energie und Flexibilität, um der Sterblichen-Spielvariante ein klares Profil und eigenständige Identität zu verleihen. Mit der God-Machine Chronicle hat die World of Darkness als Horror-Setting für mehr oder weniger gewöhnliche Menschen erheblich zu den paranormalen Wesenheiten aufgeschlossen und einen deutlichen Schritt nach vorn getan.

Chronicle Tracks knüpfen als Hilfestellung oder Beispiel Handlungsfäden durch 20 offen gehaltene, aber in allen wesentlichen Aspekten umrissene Stories und eine Vielzahl von NSC. Die Erzählkomponenten formen einen modular gestalteten Chronik-Baukasten, in dem sich die gesamte Breite des abgedeckten Genre-Territoriums widerspiegelt. Erzähler und Spielrunden erhalten somit ein mit flexiblen Ideen/Einzelbestandteilen ausgestattetes Kombinationssystem kosmischen Horrors. Bei der Erschaffung einer individuellen God Machine Chronicle können verschiedenste Präferenzen Raum finden.

Die umfangreichen World of Darkness Rules Revisions führen zahlreiche neue oder abgewandelte Regelkomponenten ein, die häufig ineinandergreifend konstruiert sind. Dabei rücken dem Eindruck nach die personalisierte Entwicklung eines Charakters und der dramatische Fluss der Geschichte weiter in den Mittelpunkt. Das System müht sich, jenseits klassischer Regeltechnik dramatische Situationen und individuelle Charakterentwicklung besser abzubilden. Spielercharaktere finden sich weniger im Korsett strikter Kategorien; Möglichkeiten zur Individualisierung werden stärker eingebunden und gefördert. Ein abrupter Schritt aus einer dichten Szene zurück auf die abstrakte Regelebene könnte allerdings den Spielfluss mehr behindern als ihm zu dienen. Diese Regelkomponenten haben daher meiner Ansicht nach auch das Potential, mit ihrer nach Beachtung verlangenden Formalisierung das Spielgeschehen zu stören. 

Daumen4Maennlich  

Artikelbilder: Onyx Path Publishing

31 Kommentare

  1. Eine Schande dass die nwod hierzulande keine Chance hatte, nachdem die Übersetzung so kurzlebig war….

  2. Ebenso, ich habe nur die Erfahrung gemacht, dass ohne die Übersetzung die Nwod hierzulande total verhasst und verbrannt war. Was imho bis heute extrem negative Spuren hinterlassen hat, wie bei keinem anderen System.

  3. Die Unkenntnis und Vorteile die die meisten Spieler hierzulande gegen die Nwod haben sind extremst. Selbst bei den jüngeren, die nichtmal die OWod gespielt haben, hat der hassmob ganze Arbeit geleistet. Das finde ich extrem schade…..

  4. Ich hab über die Jahre die Regelbücher der nWoD zusammengesammelt, weil ich die einfach gut finde. Die deutschen Versionen, englische lese ich einfach nicht gerne. Daher wäre ich ehrlich gesagt froh, wenn es da mehr auf deutsch geben würde ;-)

  5. Ich empfinde es nicht als Vorurteil. Ich habe intensiv owod gespielt, mir die nwod regelwerke gekauft und entschieden, das ich es Mist finde. Das hat nichts mit Hassmob zu tun, sondern mit unterschiedlichen Meinungen und Ansprüchen.

  6. BTW, ich gehöre auch zu denen, die deutsche regelwerke bevorzugen und nicht auf dem Standpunkt stehen, nur weils englisch ist, ist es besser :-)

  7. Nein. Englisch ist nicht gleich besser. Ich lese Regelwerke auch lieber auf deutsch aber das was Feder & Schwert teilweise „verbrochen“ hat bezüglich der oWoD ringt mir massives Verständnis für alle ab die es lieber in englisch gekauft haben.

    Teilweise wurden Regeln verdreht, Sätze zu Regelverweisen eingebaut die es gar nicht gibt (Demon:The Fallen, mein Liebling: „Für Attributspush Regeln sehen sie Seite x“. Und da ist nichts…weil es eine solche Regel gar nicht gibt).

    Um auf einem breiten Markt Erfolg zu haben muss man Lokalisieren.
    F&S hat die neue WoD durch blinden Glauben daran, dass sich das aufgrund der Fanbase der oWoD schon verkaufen wird selbst „versaut“. Ich erinnere mich noch an die alten Diskussionen und Entscheidungen.

    WW hat, um die Spieler in die neue Welt einzuführen, Taschenbücher publiziert. F&S verkündete sofort, dass es die in deutsch nicht geben werde. Zu teuer.
    Sichtschirme aus Pappe wurden von WW vertrieben. Selbes Spiel: Wirds nicht geben, zu teuer.

    Meiner Ansicht nach hat man alles unterlassen was Spieler hätte anlocken können. Die oWoD Spieler waren skeptisch. Die Skepsis ist vielen nie genommen worden und so kauften sie auch nicht.

    In meinen Augen war die nWoD, ist sie, ein Schritt nach vorne. Die Regeln gefallen mir x mal besser, sind transparenter, widersprechen sich in Teilbereichen nicht in jedem dritten Quellenband.
    Der „Horror“ kam wieder zurück in die Welt, der zum „alten Ende“ der oWoD nur noch darin bestand, dass die Welt bald unter geht. Persönlicher Horror fehlte mir da.
    Und abschliessend gab es endlich einheitliche Regeln für Crossover Spiel zwischen den Spezies. Was war das in der oWoD immer ein Poser Drama.

  8. Leider scheint es schon so zu sein, daß ein Rollenspiel ohne deutsche Präsenz keine Chance auf einen einigermaßen hohen Verbreitungsgrad hat. Das ist hier sehr schade; andererseits stehe ich noch immer auf dem Standpunkt, daß 2005 eine vollständig neue WoD unnötig war, so sehr ich sie mag und trotz der konzeptionellen Fortschritte. Damit ein lebendiges, detailreiches und sehr beliebtes Spieluniversum abzuservieren, hat wohl gerade in Deutschland viele Spieler vergrätzt und dürfte ein erheblicher ökonomischer Fehler gewesen sein.

  9. Ich war oWoD und nWoD Spieler und muss sagen das die Fassung besser ist als die Alte, außer es fehlt einem der Metaplot. Inzwischen gibts ja die nWoD auch nur noch als PDF oder POD. Deutsche Übersetzung haben zwei Probleme, Qualität und Quantität. Neben CoC, SR und DSA ein weiteres großes RPG auf dem dt. Markt zu etablieren halte ich für äußerst schwer. Kleine Auflagen für F2G oder Fiasko gehen, aber etwas um davon eine richtige Redaktion zu ernähren? Ich bewundere den Mut von Prometheus mit ihrem SW Projekt und hoffe sie können sich beweisen.

  10. Der hassmob war sofort auf den ganzen Foren unterwegs iirc. Und n Fehler war die nwod für WW für den Us-markt wohl überhaupt nicht. Nur der deutsche Markt akzeptiert tausende editionen von D&D oder anderen, aber nicht einer wod….

  11. Und wie ich das sehe, hing die OWod mit dem undurchsichtigsten metaplot und unkompatiblen regeln eh nur auf hausregeln der Gruppen..soweit meine Erfahrung. Ich bleibe wohl dabei: die nwod wurde durch den dt.Verlag und konservative fanboys in den Müll gehauen, leider.

  12. Und der Horror ging bei der OWod doch spätestens mit Atombomben und Tentakelvampiren unter new york unter :D oder ?

  13. Meiner Erfahrung nach wurde der Metaplot der OWoD im Live oder am Spieltisch nur sandbox-y, also stark selektiv genutzt (warum auch nicht?) – Spirit Nukes blieben üblicherweise als erstes im Filter hängen :) Andererseits wird man bereits aus den Absatzzahlen der Romane schlußfolgern können, daß die Handlungsstränge des Metaplots auf sehr großes Interesse stießen; auch hat der Metaplot Quellenbücher besser „verkauft“, als es der Sache nach interessante, aber Metaplot-freie Inhalte konnten. Meiner Einschätzung nach verfolgten viele die Handlung – skurrilerweise aber, ohne daß das viel mit dem tatsächlichen Rollenspiel zu tun gehabt hätte. Wie zugkräftig die IPs der OWoD waren/sind, merkt man an der erfolgreichen Wiederbelebung trotz mehrjährigen Komas. Ich würde spekulieren, daß WW die P&P-Krise mit deren klingenden Namen wohl etwas besser überstanden hätte.
    Gleichwohl hatte sich WW damit seinerzeit in gewisser Hinsicht in eine Sackgasse hineindesignt – daß es einen „offiziellen Canon“ gab, stand der Weiterentwicklung der Linien merklich im Wege.
    Was die OWoD-Regeln angeht: nun, entgegen anderslautenden Gerüchten waren sie keineswegs ein internationaler Feldtest, um die äußeren Grenzen spielerischer Schmerztoleranz festzustellen :) In etlichen Runden galt der Griff zu den Würfeln bereits als spielleiterische Verzweiflungstat an der Grenze zur Kapitulationserklärung.
    Aber: als Requiem erschien (und ich denke, es ging in erster Linie um Requiem vs. Maskerade), waren viele enttäuscht. Anstelle eines Befreiungsschlages a la SR4 gab es ein neues Vampire, daß zwar sehr viel reifer und cleverer entwickelt war, aber kein Maskerade-Reboot. Andererseits erschien es nicht eigenständig genug, um sich selbst als hinreichend attraktive Alternative darzustellen. So haben meiner damaligen Erfahrung nach viele einfach gar kein Interesse daran gehabt, sich damit näher zu beschäftigen – es gab gar keinen spielerischen Bedarf. Ähnlich übrigens D&D 4E – lief international nicht sonderlich beeindruckend und war in good ol´Germany offenbar ein ausgewachsener Flop.

  14. Den „Hassmob“ gab es in beide Richtungen.
    Es hat dem Ansehen und Verkaufszahlen der nWoD nicht gut getan das die nWoD-Jünger gebetmühlenartig wiederholten was für eine unwürdige, dumme Scheiße den die cWoD sei. Das die cWoD nur von zurückgebliebenen, reaktionären Idioten gespielt wird. Was hier ja wieder durch klingt.
    Da wundert man sich *ernsthaft* das die so angefahrenen, beleidigten einen nicht mögen und keine nWoD spielen? Bei der cWoD bleiben oder sich einem gänzlich anderen System zugewandt haben?

    Auch nicht das es White Wolf damals für eine gute Idee hielt sich bei dieser Hass-Polemik einzuklinken und nebenbei effektiv den Vertrieb der Bücher einzustellen.

    Anstelle das man hingegangen wäre, und wie es nun gehandhabt wird, beide Fassungen gleichberechtigt nebeneinander stehen lässt.

  15. Vermutlich wäre es allerdings auch problematisch gewesen, seinerzeit parallel zur cWoD eine neue, alternative WoD zu vermarkten. Ich würde spekulieren, daß WW, nachdem die 3rd Editions allmählich das Ende des Produktzyklus erreicht hatten, die nWoD anstelle wiederum neuer Editionen plazieren wollte – auch und insbesondere, um den (damals) hohen monatlichen Publikationsausstoß zu halten.
    Insofern überlege ich gerade, ob es nicht vom Ergebnis her eine glückliche Fügung ist, daß nun beide (jedenfalls für den englischen Sprachraum) nebeneinander stehen :)

  16. Es hätte nicht unbedingt eine aktiven Vermarktung gebraucht. Aus Sicht der cWoD Fans hätte es gereicht nach den letzten Veröffentlichungen die Foren aktiv zu halten, die Sachen im Druck zu lassen und freundlich zu bleiben.
    Das die Foren abgeschaltet, die Sachen aus dem Handel und Druck genommen wurden und letztlich man seitens damals noch White Wolf geäußert hat wie schlecht man von dem alten denkt führte dazu das ein Teil der cWoD Fans entsprechend schlecht auf die nWoD zu sprechen war.

    Meiner Spekulation nach wäre die nWoD in Deutschland -In den US läuft sie ja scheinbar okay – ein größerer Erfolg geworden wenn man nicht einen Teil des Fandoms entfremdet hätte in dem man probierte diesen das (Lieblings-)Spielzeug madig zu machen und abzuholen. Die cWoD wäre dann imho vermutlich tatsächlich eher normal ausgelaufen und gestorben.

    Insofern bin ich als Fan der cWoD schon im Endeffekt zufrieden damit wie’s gelaufen ist. :D

  17. Nun ja, wir sollten ja seinerzeit nicht etwa die cWoD weiterspielen, sondern die nWoD kaufen ;) Daß diese von WW in der damals typischen Art ex cathedra getroffenen Entscheidungen auch Abwehrverhalten provozieren würden, war im Plan nicht vorgesehen. F&S dürfte als deutscher Lizenznehmer ohnehin keine Wahl gehabt haben, als da komplett mitzuziehen.

  18. Der Quickstarter für das bald erscheinende Demon – The Descent ist nunmehr auf Drivethru erhältlich; im Hintergrund spielt die God-Machine auch eine tragende Rolle. Die Sterblichen werden also im God-Machine Sandkasten nicht lang alleine bleiben; die Backstory beginnt, sich über weitere Bücher bzw. Spiellinien auszudehnen…
    Wie Rich Thomas im Interview schon umrissen hat, geht die Tendenz wohl dahin, die nWoD mit einem „stärkeren“, markanteren Setting (oder Settings) auszustatten.

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