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Nachdem wir uns in den vergangenen Artikeln Obsidian Portal und Epic Words angesehen haben, möchten wir heute gemeinsam mit euch einen direkten Vergleich zwischen den beiden Systemen ziehen. Wir gehen im Folgenden vom jeweiligen Premium-Modell aus, um den kompletten Funktionsumfang zu bewerten. Bemerkungen zur Basisversion werden daher explizit angegeben.

 

Die Kontrahenten

Auf der einen Seite befindet sich Obsidian Portal, ein kampagnenbasiertes Managementsystem, dessen Paradedisziplin fraglos sein ausgereiftes Wiki-System ist. Die Fähigkeit, die Lesbarkeit der Inhalte bis hinunter zum einzelnen Seitenelement zu definieren, ist das Alleinstellungsmerkmal dieses Systems. Daneben verfügt das System noch über spezielle Inhaltstypen wie zum Beispiel Charaktere und Gegenstände. Darüber hinaus bietet es einen Terminkalender und ein Forum.  Zu jeder Kampagne können bis zu zehn Grafiken als Kartenmaterial ins System geladen werden, die dank Google Maps API auch mit Pins und Markern versehen werden können. Als soziale Features bietet Obsidian Portal eine Freundesliste, die Möglichkeit Kampagnen als Favoriten zu markieren und jegliche Elemente von der Kampagne bis zum Inhaltselement kommentieren zu können.

Auf der anderen Seite steht Epic Words, welches den Fokus auf die Spielgruppe und die einzelnen Charaktere legt.  Auch dieses System verfügt über unterschiedliche Inhaltstypen und ein eigenes Wiki. Außerdem über eine Dateiablage, einen XP-, sowie einen Loot-Tracker und ein eigenes Forum. Als Besonderheit bietet Epic Words ein eigenes Kampagnentagebuch für jeden Charakter an. Oberhalb des Kampagnenmanagements verfügt das System zusätzlich über die Einheit der Rollenspielgruppe, in welcher die einzelnen Spieler in einem eigenen Kalender ihre Termine vereinbaren können.

Die Einstiegsseite von Epic Words
Die Einstiegsseite von Epic Words

Benutzerfreundlichkeit

Ein klarer Punktgewinn für Obsidian Portal. Zwar verfügt keines der vorgestellten Systeme über einen echten WYSIWYG-Editor, aber der Einsatz der Formatierungssyntax ist in Obsidian Portal deutlich intuitiver gestaltet als in Epic Words, das vor allem durch einen forenähnlichen Formatierungsstil auffällt.  In der Anlage neuer Artikel wirkt Obsidian Portal daher deutlich runder.  Epic Words verwirrt den Benutzer leider an vielen Stellen. Zum Beispiel ist die Bezeichnung der Elemente eine echte Katastrophe: Eine Wiki-Seite wird „Wiki“ genannt. Definiert man bei der Erstellung eines Artikels gar ein Parent-Wiki, also ein übergeordnetes Element, wird der gerade eben geschriebene Artikel als Kommentar an den als Parent-Wiki  deklarierten Artikel gehängt. Absurd! Immerhin verfügt Epic Words über einen HTML-Uploader, der einfache Webseiten auch tatsächlich korrekt übernimmt. Auch die sofortige Vorschau auf der Bearbeitungsseite spricht für Epic Words.

Die Verlinkung und Verknüpfung der einzelnen Inhaltselemente geht bei Obsidian Portal leichter von der Hand. Es wird sogar ein eigener Dialog angeboten, in dem man komfortabel die gewünschte Seite auswählen kann. Dass Epic Words das kann, beweisen sie unter der Include-Option, also der Möglichkeit, den Inhalt einer Seite in eine zweite zu integrieren. Wieso man das gleiche System nicht bei den Verlinkungen verwendet hat, wird wahrscheinlich ein Mysterium bleiben.

Auch in der Benutzereinführung besteht bei Epic Words ein deutlicher Nachbesserungsbedarf. Während Obsidian Portal an den unmöglichsten Stellen noch Hilfevideos oder zumindest kurze Hilfetexte präsentiert und an jeder Wiki-Seite eine Kurzreferenz der wichtigsten Befehle liefert, sucht man diese bei Epic Words leider vergeblich.

Grundsätzlich gibt es bei beiden Systemen noch deutliches Verbesserungspotential. Gerade ein WYSIWYG-Editor würde beiden Portalen sehr gut tun. Obsidian Portal hat dennoch die Nase weit vorne, zu viele Baustellen ärgern den Epic Words Nutzer.

Optische Gestaltung

Die generelle Gestaltung beider Portale zeigt sich ähnlich: Im oberen Bereich ist  eine Navigation platziert, die durch die unterschiedlichen Features führt.  Weitere Informationen werden auf der rechten Seite dargestellt. Dieses Layout zieht sich durch sämtliche Seiten und Kampagnen der Systeme. Beide Seiten können durch CSS-versierte Benutzer allerdings der Kampagne entsprechend grafisch aufgepeppt werden. Epic Words punktet hier durch halbtransparente Hintergründe, lässt die rechte Sidebar aber leider unverändert. Obsidian Portal erlaubt die komplette Umgestaltung der Seite, eine Änderung der grundsätzlichen Inhaltselemente wie z.B. das Loginfenster, der Spielerliste oder der Übersicht der letzten Änderungen ist aber leider nicht möglich.

Die Gestaltungsmöglichkeiten sind bei beiden Systemen sehr vielfältig, benötigen zum Teil aber fortgeschrittene CSS Kenntnisse. Die Bedienung zeigt sich aber bei Epic Words ein bisschen hakeliger und die Optionen nicht ganz so umfassend wie bei der Konkurrenz, daher geht auch dieser Punkt knapp an das Obsidian Portal.

Grundfunktionalität

Die Grundfunktionalität einer Kampagnensoftware ist die Aufzeichnung relevanter Informationen die Kampagne betreffend. Beide Systeme verfügen über diese Funktion, setzen diese aber unterschiedlich um. Doch bleiben wir zunächst bei den Gemeinsamkeiten: Beide Kampagnenmodelle verfügen über eine Spieler-, bzw. Charakterübersicht. Diese ist bei Obsidian Portal optional, d.h. man kann sich hier zunächst für eine Kampagne anmelden, ohne einen Charakter zu hinterlegen. Bei Epic Words auf der anderen Seite gehören Spieler in das Konstrukt der Spielgruppe, während man Kampagnen nur mit einem bereits erstellten Charakter betreten kann.

Beide Möglichkeiten haben ihren Charme. Während Obsidian Portal die Kampagne als einheitliches Element verwendet, um Kampagne und Spielergruppe zu vereinen, sorgt die stringente Trennung bei Epic Words dafür, dass jeder Spieler auch tatsächlich einen Charakter angelegt hat, vorherige Erschaffung vorausgesetzt.

Das zweite gemeinsame Inhaltselement sind Gegenstände oder Beute. Obsidian Portal fährt auch hier den liberaleren Ansatz. Gegenstände können angelegt, beschrieben und sogar mit Geheiminformationen versehen werden und arbeiten auch sonst wie ein normaler Wiki-

Epic Words verwendet auf der anderen Seite einen Loot-Tracker, der sämtliche von der Gruppe erbeuteten Gegenstände dokumentieren soll. Die Zuordnung zur Gruppe oder einem Charakter in der Gruppe ist hier leider zwingend erforderlich, man hat aber die Möglichkeit mittels Transaktionen die Besitzverhältnisse hin- und her zu verschieben. Auf diese Art erhält man ein umfassendes System, dass den Besitz der Gruppe dokumentiert und auch Ein- und Ausgänge nachvollziehbar gestaltet. Für Spiele und Spieler die eine genaue Buchhaltung verlangen oder gar voraussetzen ist die Funktionalität von Epic Words die bessere Alternative.

Der Einstieg zu Obsidian Portal
Der Einstieg zu Obsidian Portal

Der Kern der Systeme ist aber in jedem Fall das Wiki, inklusive des zugehörigen Abenteuertagebuchs. Während Obsidian Portal mehrere Elemente definiert, die sich grundsätzlich die gleiche Syntax teilen, sind die Elemente bei Epic Words klar getrennt. Beute gehört in den Loot-Tracker, Erfahrungspunkte in den XP-Tracker und alles andere ins Wiki. Interessant ist hierbei, dass zwar Spielercharaktere vom jeweiligen Spieler erstellt werden können, Spielleitercharaktere sich aber mit einfachen Wiki-Seiten begnügen müssen. Immerhin gibt es hierfür aber einen eigenen Reiter. Wie bereits in der Einleitung beschrieben, ist die Wiki-Lösung von Epic Words ungemein minimalistisch. Eine Strukturierung der Inhalte kann nur durch Kategorien vorgenommen werden, die nicht weiter unterteilt werden können. Die vorgegebene Übersichtsseite ist leider nur eine kurze Linksammlung und eine eigene Startseite kann nicht definiert werden. Weitere Verknüpfungsmöglichkeiten existieren darüber hinaus nicht.

Obsidian Portal auf der anderen Seite bietet keine vorgegebene Startseite, sondern zwingt den Benutzer dazu, sich eine eigene Seite zu definieren; es existiert lediglich eine unstrukturierte Linkliste aller vorhandenen Seiten. Der Vorteil gegenüber Epic Words liegt in der einheitlichen Struktur der einzelnen Inhaltselemente und der Möglichkeit, Inhalte zu verschlagworten. Auf diese Weise erhält man schnell zusammenhängende Filterungen und kann automatische Übersichtsseiten aufrufen, die alle relevanten Seiten auflisten. Eine Seite kann selbstverständlich mehreren Tags zugeordnet werden und wird dann entsprechend angezeigt. Auch die Gestaltung der eigenen Wiki-Seite ist vollkommen offen. So ist es auch möglich, komplette grafische Menüs wie z.B. bei der Dresden Files Dallas Kampagne zu erstellen.

Das Abenteuertagebuch ist sowohl bei Epic Words als auch bei Obsidian Portal vorhanden. Die Stärke von Epic Words ist die Möglichkeit, neben dem Kampagnentagebuch auch ein Charaktertagebuch zu betreiben um die Geschehnisse aus der Sicht des Charakters zu beschreiben. Als Spielleiter hat man sogar die Möglichkeit im Kampagnentagebuch als NPC zu schreiben. Auf diese Art könnte man einen besonderen NPC oder Chronisten etablieren. Bei Obsidian Portal ist ein Eintrag im Abenteuerlog genauso ein Wiki-Artikel wie die meisten anderen Elemente auch – lediglich das Erstellungsdatum kann frei gewählt werden.

Die Inhalte können bei Epic Words mit unterschiedlichen Leseberechtigungen versehen werden. Es existieren die Stufen Spielleiter, Spielleiter und Spielgruppe und Öffentlich. Es gibt leider keine Möglichkeit, Inhalte für einzelne Spieler zu aktivieren. Dafür kann man die Rechte zur Bearbeitung separat zur Leseberechtigung einstellen. Einem Artikel Geheiminformationen anzuhängen ist leider nur an Gegenständen möglich und hier nur für den Spielleiter sichtbar. Um dies bei einer Wiki-Seite bewerkstelligen zu können, muss ein weiterer Artikel angelegt, nur für den Spielleiter freigeschaltet und inline in den ursprünglichen Artikel integriert werden. Ein sehr unschöner Workaround für ein so praktisches Feature.

Ob eine Kampagne der Öffentlichkeit zur Verfügung steht oder nicht, wird bei Obsidian Portal direkt in den Kampagneneinstellungen vorgenommen. Die Möglichkeit, eine Kampagne nur den eigenen Freunden, bzw. nur der Spielergruppe zugänglich zu machen, steht allerdings nur in der Premium-Version zur Verfügung. Eine Wiki-Seite selbst steht wahlweise jedem mit Leseberechtigung der Kampagne zur Verfügung oder nur der Spielleitung, welche bei Obsidian Portal auch aus mehreren Personen bestehen kann. Das besondere Feature, das hier implementiert wurde, ist die Möglichkeit, geheime Informationen für den Spielleiter und einzelne Spieler direkt am Artikel zu hinterlegen. Während die Spielleiter-Info bereits in der Basisversion zur Verfügung steht sind die geheimen Spielerinformationen leider Bestandteil der Premiumversion.

In den Grundfunktionalitäten verliert Epic Words erneut gegen Obsidian Portal. Die Aggregation von Informationen funktioniert leider nur sehr schlecht und eine übersichtliche Aufbereitung ist praktisch nur unter großer Mühe zu bewerkstelligen. Wichtige Funktionen, wie z.B. das Hinterlegen von Spielleiterinformationen sind nur über Workarounds zu bewerkstelligen und verschlechtern die Übersichtlichkeit des Wikis noch weiter. Einzig die Idee des Abenteuertagebuchs schlägt das offene Konzept von Obsidian Portal. Dieses glänzt wiederum durch ein detailliertes Rechtekonzept auf Seitenelemente. Die übersichtliche Aufbereitung der Inhalte obliegt zwar vollumfänglich beim Benutzer, aber immerhin versucht Obsidian Portal nicht, den Benutzer in unausgegorene Konzepte zu pressen. Das Verschlagworten von Inhalten ist ein guter erster Schritt, leider ist eine Auflistung verschlagworteter Artikel innerhalb anderer Artikel noch nicht möglich.

Zusätzliche Funktionen

Die zusätzlichen Funktionen sind bei beiden Systemen stiefmütterlich integriert. Beide verfügen zwar über die Möglichkeit, Termine in einen Kalender einzutragen aber keines der Systeme erlaubt wiederkehrende Termine. Während Epic Words gestattet, Dateien an der Kampagne abzulegen, ermöglicht Obsidian Portal dies nur für Grafiken und Kartenmaterial, dieses bekommt aber die Google API spendiert und ist dieser zum Dank multimedial einsetzbar. Eine Schaltfläche am Artikeleditor erlaubt es, direkt die Medienbibliothek zu öffnen und komfortabel Bilder zu verlinken bzw. direkt hochzuladen.

In den Premium-Versionen steht dem Epic Words User 1 GB für Dateien zur Verfügung, der Obsidian Portal Benutzer freut sich hingegen über 5 GB Platz für Grafiken und die Möglichkeit bis zu zehn Karten in die API zu laden. Pro Kampagne wohlgemerkt, während der Speicherplatz bei Epic  Words accountgebunden ist. Als großzügiger Spielleiter darf man den so erhaltenen Platz aber immerhin mit seinen Mitspielern teilen. Ein weiteres erwähnenswertes Feature sind die Kampagnenforen. Bei Obsidian Portal nur in der Premium-Version vorhanden, bei Epic Words ein Standard jeder Kampagne.

Leider sind diese Forensysteme sehr stark am jeweiligen System orientiert und sind daher in erster Linie unpraktisch, unschön und vor allem unübersichtlich. Für Spielergruppen, die keine weitere Software verwenden möchten oder nur einen moderaten Bedarf für ein Forum haben, kann die jeweilige Lösung aber ausreichen.

Fazit

Aus dem direkten Vergleich geht Obsidian Portal als klarer Sieger hervor. Obsidian Portal hat zwar auch seine Schwierigkeiten, diese verblassen aber im direkten Vergleich mit Epic Words, welches sich leider durch sein unausgereiftes Konzept und mangelnde Hilfefunktion selbst im Wege steht.

Auch die Eigenwerbung deutet in diese Richtung: Während Obsidian Portal erst vor kurzer Zeit einen erfolgreichen Kickstarter zur Weiterentwicklung beenden konnte (angestrebt war eine Summe von 5.000 USD, die Community hat schlussendlich eine Gesamtsumme von stolzen 86.000 USD finanziert), ist der letzte offizielle Newsbeitrag von Epic Words aus dem Jahr 2010.

Zwar läuft die weitere Kommunikation über das Forum, einen guten Eindruck erweckt das jedoch nicht. Das Einzige, was letztlich scheinbar für Epic Words spricht, ist das Preismodell. 

Epic Words verlangt faire 12 USD im Jahr für seine Premium-Version,  demgegenüber schlägt eine Ascendant-Mitgliedschaft bei Obsidian Portal mit mindestens 40 USD zu Buche – diese muss aber auch nur vom Spielleiter entrichtet werden.

 Teilt sich die Gruppe den Betrag also auf, ist es ab vier Mitgliedern der Spielgruppe sogar möglich, noch unter den Betrag von Epic Words zu kommen. Den Gnadenstoß gibt sich Epic Words in letzter Konsequenz dann selbst: Auch als zahlendes Mitglied darf ich nicht sämtliche Funktionen uneingeschränkt nutzen, es existiert ein (zugegebenermaßen großzügiges) Limit von 10 Kampagnen und 15 Charakteren, die ich insgesamt erstellen darf. Nutzerservice sieht anders aus.

 

1 Kommentar

  1. Dass die Gebühren bei OP nur vom SL entrichtet werden sollen, sollte man eigentlich als negativen Punkt auslegen. Mal wieder zahlt der SL und die Spieler sind die Nutznießer. Aber natürlich vereinfacht es die Nutzung, weil SLs dafür eher bereit sind und Spielern oft das Einstellen der Zahlungsinformationen zu viel ist, auch wenn es nur ein Dollar im Jahr wäre.

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