Geschätzte Lesezeit: 10 Minuten

Superman-Filme zu machen, kann nicht einfach sein. Im Gegensatz zu Batman (ein naheliegender Vergleich, sind die beiden doch die wichtigsten Helden im DC-Universum) bringt Superman keine Konflikte, keinen emotionalen Ballast mit. Der Man of Steel ist unverletzlich, überlegen, moralisch perfekt, das macht ihn aus. Und das macht ihn – als Protagonisten eines Blockbusters – oft auch langweilig. 

Im ersten Film der Superman-Reihe aus den 80er Jahren mit Christopher Reeve versuchte man dieses Problem zu umgehen, indem man die Menschen um ihn herum bedrohte (rettet Superman eine ganze Region oder seine Geliebte?). In Teil II griffen drei Super-Kriegsverbrecher von seiner Heimatwelt Krypton an, so dass ihm ebenbürtige Gegner gegenüberstanden. Und Bryan Singers späte Fortsetzung Superman Returns gab ihm gar einen Sohn, damit sich der übermenschliche Kal-El ganz menschlichen Vatergefühlen widmen durfte.

Auch Christopher Nolan und Zack Snyder versuchen nun, Konflikte zu schaffen. So ist Krypton diesmal keine utopische Vision eines anderen Planeten, die Vaterfiguren von Clark Kent alias Kal-El vertreten ganz unterschiedliche Ansichten darüber, wie sich ihr Sohn verhalten soll – und statt humoristischem Gelaber in der Daily-Planet-Redaktion sinniert der Held brütend über sein Schicksal. Ist Superman also der ernste, geerdete Film, der in einer Liga mit The Dark Knight oder zumindest Batman Begins spielt? Leider nein.

Eine Handlung aus den 80er Jahren

Wer Superman I und II gesehen hat, der wird in diesem Film vieles wiedererkennen. Erneut trifft Jor-El, diesmal gespielt von Russel Crowe, in den letzten Tagen Kryptons auf den Umstürzler General Zod (Michael Shannon) und hilft bei dessen Verbannung in die Phantomzone. Erneut wird der „letzte Sohn Kryptons“, Kal-El, auf die Erde geschickt um dort den Menschen ein Vorbild zu sein.

MOS_proflyAls General Zod schließlich aus der Phantomzone zurückkehrt, sucht er das Universum nach Kal-El ab. Denn dieser trägt nicht nur schwer an seiner Andersartigkeit, sondern erhielt von seinem Vater auch ein kryptonisches Artefakt von unschätzbarem Wert. Als der General mit Hilfe seiner fortschrittlichen Technologie die Erde bedroht, steht Superman vor einer schweren Wahl: Soll er sich offenbaren? Und wenn ja, auf wessen Seite wird er stehen?

(Klingt gut, oder? Aber der Ausgang der Entscheidung ist so absehbar, wie das Ende des Kampfes zwischen Sauron und einem Hobbit.)

Clevere Konflikte, großartige Schauspieler

Schauen wir also zunächst darauf, was der Film gut macht. Wer sich jetzt schon denkt, dass das ein schlechtes Zeichen ist, der sollte trotzdem weiterlesen. Denn der Ansatz von Man of Steel stimmt. Wie schon in Nolans Batman-Trilogie ist auch dieser Film düster und sinnierend, versucht, Superman zu erden (sofern das bei einem Alien vom Planeten Krypton möglich ist) und lässt Kal-El endlich die Superunterhosen unter dem Kostüm tragen.

Überhaupt, Henry Cavill als Kal-El/Clark Kent/Superman: Besser kann man den Helden wohl kaum verkörpern. Nachdenklich und mit einem Blick, den man wohl trotz allen Kitschs als edel bezeichnen muss. Und doch spürt man den Menschen unter der übermenschlichen Fassade, wenn er als Kind gehänselt wird, wenn als Erwachsener seine Lieben bedroht werden. Leider zwingt ihn das Skript gerade in Konfliktsituationen dazu, unbekümmert den richtigen Weg zu gehen. Ich hätte Superman gern wirklich leiden gesehen. Denn ich traue Cavill das zu.

In den Nebenrollen brillieren Russel Crowe und Kevin Costner als Vaterfiguren. Jor-El (Crowe) versucht, seinen Sohn als Botschafter zwischen Menschen und Kryptoniern einzusetzen und ihm aufträgt, ein Vorbild zu sein, zu helfen. Dagegen befürchtet Jonathan Kent (Costner), dass die Welt nicht bereit für seinen Ziehsohn ist. Der Farmer weiß, was die Offenbarung außerirdischen Lebens bedeuten würde: Als Clark einen Schulbus rettet, dabei die Entdeckung riskiert und trotzig fragt: „Was hätte ich tun sollen? Sie sterben lassen?“, antwortet Jonathan mit einem nachdenklichen „Vielleicht.“ Denn für ihn geht es um mehr.

MOS_handcuff

Auch Amy Adams als Lois Lane wirkt sympathisch – und das, obwohl sie sich in ihrem Beruf als Journalistin oft aufdringlich gibt. Zudem recherchiert sie recht bald die wahre Identität von Clark Kent und wird damit ihrem Ruf als intelligente Topreporterin endlich gerecht. Wer Boardwalk Empire kennt, weiß, dass Michael Shannon allein durch sein Stirnrunzeln einschüchtern kann – und auch hier verleiht er General Zod die notwendige Bedrohlichkeit. Diane Lane ist eine glaubwürdige Martha Kent, die in einer Kindheitsszene den von seinen Sinneseindrücken überforderten Clark mit mütterlichen Worten vor dem Wahnsinn rettet. Und hätte der Daily Planet im Film eine wichtigere Rolle gespielt, wäre Laurence Fishburne als Chefredakteur Perry White (no pun intended) wohl groß herausgekommen.

Mein persönliches Highlight ist die neue Gesellschaft Kryptons: Keine perfekte Welt mehr, die nur durch das Zögern der Ältesten einer Katastrophe zum Opfer fällt. In Man of Steel erinnert die Gesellschaftsordnung an Huxleys Schöne neue Welt: Kinder werden nicht geboren, sondern gezüchtet – entsprechend ihrer Funktion in der Gesellschaft. Das führt zu Stagnation und Untergang. General Zod unternimmt seine Revolution nicht allein aus Machthunger: Er will den Ältestenrat stürzen und so Krypton retten, denn das ist als geborener Soldat seine Aufgabe.

Kal-El selbst wird jedoch auf natürlichem Wege geboren – für die Gesellschaft ein ketzerischer Akt, für ihn die Chance, sein Schicksal selbst zu bestimmen…

Verschenktes Potential

Leider begeht der Film den selben Fehler wie Prometheus – Dunkle Zeichen: Er verschenkt sein Potential. Zunächst einmal ist er mit 143 Minuten deutlich zu lang. Sowohl bei den Action-Sequenzen als auch bei den Selbstfindungs-Episoden hätte man deutlich kürzen können. Anfängliche Rückblenden funktionierten in Batman Begins – hier gehen sie furchtbar schief. Einerseits ist nicht klar, worauf die Haupthandlung hinausläuft (was soll die Bohrinsel-Episode?), andererseits laufen die Rückblenden alle ähnlich ab. So stellt sich nach dem Krypton-Prolog zunächst gepflegte Langeweile ein.

Das wird noch dadurch verschlimmert, dass Regisseur Snyder dem Zuschauer offenbar eine Gedächtnisstörung attestiert: Ständig müssen die Figuren wieder und wieder erklären, warum sie tun, was sie tun. Ob es Vater Jor-El ist, der seiner Frau, General Zod, dem Ältestenrat, seinem Sohn und sogar Lois Lane Vorträge hält, ob General Zod, der noch mitten im Endkampf diskutiert, warum sein Weg der bessere ist oder ob Jonathan Kent dem armen Clark zum x-ten Mal einbläut, dass dieser sich ja nicht offenbaren soll: Irgendwann hat es auch der letzte Depp verstanden und ist genervt.

JorElBesonders beklemmend wirkt jedoch, wie unbekümmert das Drehbuch mit Menschenleben umgeht. Da werden ganze Städte von den Alien-Kontrahenten in Schutt und Asche gelegt, mit Bildern, die unangenehm an 9/11 erinnern, Tausende müssen (ungesehen) dabei sterben – und niemanden interessiert es! Ich bin der letzte, der ein Kino-Tabu fordert, wenn sich eine reale Katastrophe wie am World-Trade-Center ereignet. Aber wenn ein Regisseur nicht begreift, was er mit seinen Bildern auslöst, stößt mir das sauer auf. Vor allem, weil es danach völlig albern wirkt, dass Superman ganz am Ende eine extrem drastische Tat begeht, nur um vier Menschen zu retten.

Dazu kommen kleinere Schönheitsfehler – die Protagonisten starren sich an, als wollten sie Twilight Konkurrenz machen, die Liebesgeschichte mit Lois Lane wirkt aufgesetzt. Auch die Clark-Kent-Brille täuscht am Ende wieder alle (außer Lois, dankenswerterweise). Dazu kommen Fragen zum neuen Krypton: Warum ist der genetische Codex ein Schädel? Warum reitet Jor-El einen Flugdrachen? Und warum kämpfen Kryptonier mit Strahlenwaffen, verteidigen ihre wertvollste Technologie aber mit seltsamen, langsamen Techno-Tentakeln?

Richtig enttäuschend für Superman-Fans ist zu guter Letzt der Tod von Jonathan Kent.

Spoiler

Der Mann, der einen Schulbus voller Kinder opfern würde, um seinen Sohn zu schützen, stirbt in einem Tornado – weil er unbedingt noch den Familienhund retten will. Ein unwürdiges Ende, nur um ein letztes Mal zu demonstrieren wie besessen dieser Mann davon ist, dass Clark sich nicht offenbaren darf: Jonathan stirbt glücklich, weil sein Sohn ihm gehorcht und den eigenen Vater nicht rettet. Der sich für einen Hund in den Tod stürzt. Unnötigerweise. Und den Clark liebt.

[Einklappen]

Da war Jonathans Tod durch Herzinfarkt in Superman deutlich angemessener: Der Sohn, mit all seinen Kräften, konnte seinen Vater nicht davor bewahren. Und lernte so seine Grenzen kennen.

Der Justice-League-Film lässt grüßen

Viele der Schwächen kann man dem Drehbuch von David S. Goyer anlasten. Die verteilten Rückblenden, zum Beispiel, die in einer langen Sequenz besser funktioniert hätten. Oder dass der Film nach zwei ausgesprochen ruhigen Dritteln plötzlich jegliche Figurenzeichnung über Bord wirft und in einem überlauten, viel zu langen Action-Finale endet. Die überflüssigen Szenen, wie die Bohrinsel-Sequenz oder das Schicksal der Daily-Planet-Mitarbeiter im Finale.

Aber genau so deutlich ist Zack Snyders Handschrift zu erkennen: Für den Regisseur geht Ästhetik über Story und Logik. Das kann in einem sinnbefreiten Spektakel wie 300 funktionieren, in dem man nichts anderes erwartet. Aber sobald es um ernste Themen wie Misshandlung (Sucker Punch) oder den massenhaften Tod von Menschen (wie in diesem Film) geht, versagt Snyder.

Wenn Superman ein Erfolg wird, dann bleibt nur zu hoffen, dass die Fortsetzung jemand anders anvertraut wird. Dass Lex Luthor als Gegenspieler einen ähnlich brillanten Mindfuck für den unangreifbaren Helden liefern kann, wie der Joker in The Dark Knight. Und dass der (unausweichliche) Justice-League-Film ähnlich kompetent zusammenführt, wie Joss Whedon es in Avengers geschafft hat.

Fazit

Der Film ist mittelmäßig, was deswegen so frustrierend ist, weil sein Potential deutlich erkennbar ist. Man wird das Gefühl nicht los, dass die Macher guten Willens waren – und heillos überfordert. Die Special Effekts sind solide, die Ansätze spannend und die Schauspieler gut. Aber die völlig überzogene Laufzeit und unnötigen Szenen, die unbeantworteten Fragen und die Sorglosigkeit im Umgang mit (filmischen) Menschenleben ruinieren das Erlebnis. Der Film ist nicht so mies wie Prometheus, aber lange nicht das Meisterwerk, auf das Superheldenfans gehofft haben.

Daumen3maennlich

Die zweite Meinung – Holger sagt:

Mein generelles Fazit stimmt mit dem von Anton überein: Mittelmäßiger Film, der sehr viel Potential verschenkt.

Aber meine großen Kritikpunkte sind doch ein wenig anders gewichtet: Ich bin der Ansicht, dass der Film nicht genug den Superman darstellt, wie man ihn kennt und sehen will: Nach der oben erwähnten Bohrinsel-Episode gibt es nur eine einzige Szene, in der Clark jemand anders als Lois Lane rettet (die auch in diesen Film ein halbes Dutzend Mal gerettet werden muss, woran sie aber meist glücklicherweise nicht selbst Schuld trägt)… er schickt einen Mann in Sicherheit in ein Kaufhaus… in das er dann nur wenige Augenblicke später Zod hineinschleudert und damit vermutlich alle darin befindlichen Personen tötet. Überhaupt hat man, abgesehen von den Rückblenden, nie das Gefühl, dass er in irgend einer Form Rücksicht nimmt auf Menschenleben.

Erst in der letzten Szene des Kampfes gegen Zod wieder, als dieser eine Familie bedroht, sieht man den Superman, den man kennt, der sich damit bedrohen lässt, dass sein Gegner Unschuldige in Gefahr bringt. Nur, dass er auch hier wieder komplett aus der Rolle fällt und etwas tut, was für mich ein absolutes No-Go für den Mann aus Stahl ist!

Der Film nimmt sich insgesamt zu ernst und versucht, eine Figur „realistisch“ wirken zu lassen, deren Identität durch Überzeichnung definiert wird. Und damit zerbricht für mich die Figur auch!

Abgesehen von diesem Punkt hat der Plot auch noch extrem viele Löcher und die Motivationen, auch wenn sie immer wieder erklärt werden, wirken nicht gerade glaubwürdig.

Und ja, zu lang ist der Film auf jeden Fall! Insbesondere die Actionsequenz gegen Ende – irgendwann hat man einfach oft genug gesehen, wie jemand durch ein Gebäude geprügelt wird!

Trailer

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

PGlmcmFtZSBsb2FkaW5nPSJsYXp5IiBjbGFzcz0ieW91dHViZS1wbGF5ZXIiIHdpZHRoPSI3MDAiIGhlaWdodD0iMzk0IiBzcmM9Imh0dHBzOi8vd3d3LnlvdXR1YmUtbm9jb29raWUuY29tL2VtYmVkL2dLNURsSDFPUkhvP3ZlcnNpb249MyYjMDM4O3JlbD0xJiMwMzg7c2hvd3NlYXJjaD0wJiMwMzg7c2hvd2luZm89MSYjMDM4O2l2X2xvYWRfcG9saWN5PTEmIzAzODtmcz0xJiMwMzg7aGw9ZGUtREUmIzAzODthdXRvaGlkZT0yJiMwMzg7d21vZGU9dHJhbnNwYXJlbnQiIGFsbG93ZnVsbHNjcmVlbj0idHJ1ZSIgc3R5bGU9ImJvcmRlcjowOyIgc2FuZGJveD0iYWxsb3ctc2NyaXB0cyBhbGxvdy1zYW1lLW9yaWdpbiBhbGxvdy1wb3B1cHMgYWxsb3ctcHJlc2VudGF0aW9uIGFsbG93LXBvcHVwcy10by1lc2NhcGUtc2FuZGJveCI+PC9pZnJhbWU+

Artikelbilder: Warner Bros

 

 

5 Kommentare

  1. Kann mich da Anton und Holger nur anschließen:

    Der Film hat sein Potential verschenkt! Überraschend viele bekanntere Schauspielgesichter mit überwiegend solider Leistung und ein ordentliches Budget samt CGI-Action machen am Ende leider noch keinen gelungenen Film.
    Mir war der Streifen an vielen Stellen unnötigerweise zu lang. Die Szenen sprangen im Plot hin und her und wirkten teilweise lieblos anneinander gebastelt, als wüßte man nicht, wie man mit dem ganzen abgefilmten Material eine schöne Geschichte erzählt.
    Ich habe auch nichts gegen wuchtige CGI-Action einzuwenden, aber das was Regisseur Zack Snyder im Finale auftürmte, war mir und meinen Begleitern zu viel. Ewig lang kracht und rumst es, eine Zerstörrungsorgie vom Feinsten, die aber ohne jegliche „Schönheit“ (wie etwa in Avengers) Gewalt und Chaos auf der Leinwand zelebriert. Hier wäre weniger wirklich mehr gewesen und hätte nicht dafür gesorgt, dass das Gehirn des geneigten Zuschauers irgendwann übersättigt abschaltet.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein