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Selten hat eine Rundfrage auf unseren Präsenzen in den sozialen Netzwerken für mehr gegensätzliche Aussagen gesorgt. Wir wollten von Euch wissen, ob ihr Alkohol am Spieltisch toleriert oder nicht.

Von einem sehr strikten „Nein, keinesfalls“, über ein „Wieso nicht, wenn es nicht außer Kontrolle gerät“ bis hin zu einem „Klar gehört ein Weinchen/ein Whiskey dazu“ erhielten wir alles an Antworten. Eine klare Tendenz war nicht erkennbar.

Die meisten der kategorischen Ablehnungen waren wohl geboren aus schlechten Erfahrungen oder einer generellen Ablehnung zu Alkohol. Klar waren sich jedoch alle, dass eine leichte Beschwingtheit in Ordnung ist, mehr jedoch nicht.

Dieser Artikel soll keine Lobrede auf Alkohol sein, aber auch keine Hassrede. Ich bemühe mich herauszuarbeiten, wo Grenzen, Vor- und Nachteile liegen.

Alkohol löst den Geist und die Zunge das ist erwiesen, die Hemmschwelle wird herabgesetzt, stillere Spieler/innen können sich evtl. leichter einbringen. Zu viel Alkohol macht jedoch müde, manchmal albern und bringt vor allem Spielleiter auf sehr epische und übertriebene Gedanken, die Geschichte weiter zu führen.

Alkohol im Rachen des Spielleiters

Ich entsinne mich an einen Abend unserer einstigen und regelmäßigen Legend of the Five Rings Runde, an dem der SL auch ein wenig zu viel des guten Sake zu sich genommen hatte (wir aber auch). Am kommenden Abend, bat er uns wie immer, die Ereignisse zusammen zu fassen. Ihm entgleisten immer mehr die Gesichtszüge und er murmelte nur etwas davon, „dass das alles so gar nicht sein könnte, er das nun aber nicht zurücknehmen möchte und sich Gedanken machen müsste, wie er das einbaut“.

Nach einer halben Stunde jedoch waren die Geschehnisse eingebaut und in sich konsistent und logisch. Ähnliches ist mir auch schon selbst passiert. Aber auch ich habe genug Erfahrung, selbst sehr fantastische Ereignisse konsistent mit ein paar Anpassungen auf die Gesamtkampagne einzubauen. Was ist jedoch, wenn ein SL nicht derartige Improvisationsgaben besitzt?

Dann bringt ein angetrunkener Spielleiter im Epik-Wahn eine etablierte Spielrunde in echte Gefahr. Er erdenkt, Dinge, die so nicht gehen würden, er wird albern, er achtet nicht mehr auf die Atmosphäre und zerstört die Gesamterfahrung der Spielrunde. Kurzum – er macht den Abend nutzlos. Möglicherweise hat die Spielrunde auch nicht wenig Alkohol zu sich genommen und es wird beschlossen, nicht mehr zu spielen, sondern nur noch zu trinken und sich zu unterhalten.

Alkohol im Rachen des Spielers

Was für den SL gilt, gilt auch für den Spieler. Ein wenig Alkohol aus Genuss will niemandem verwehrt werden, zu viel Alkohol macht auch hier nichts Gutes aus.

Spieler/innen können müde werden und damit inaktiv, können albern werden oder gar schlimmer, stellen ihre Rolle gänzlich anders dar als angedacht und erzeugen so absolute Logikbrüche im Verhalten des Charakters.

Während der SL noch an der Welt und der Geschichte drehen kann, um alles wieder logisch werden zu lassen, hat der Spieler diese Chance nicht. Er muss mit den Konsequenzen seines Handelns im angetrunken Zustand leben.

Welche Chancen gibt es, diese mögliche Bedrohung abzuwenden? Die einfachste, aber auch drastischste Lösung wäre, Teile eines Spielabends oder gleich den ganzen Abend aus der fortlaufenden Handlung zu löschen. Das ist meist mehr als ärgerlich für den Rest der Spielrunde, vor allem für jene, die sich zurückhalten konnten, den Konsum betreffend.

Ein etwas weicherer Ansatz, ist in die Geschichte zu verbauen, dass der Charakter in dieser Zeit fremdgesteuert war und sich deswegen so anders verhielt. Das geht nicht in allen Settings und Abenteuern und ist eine reine, sehr unschöne, Schönheitskorrektur.

Weitere? Nur noch hanebüchenere Varianten eines schwachen Versuchs, den Charakter zu retten oder die Konsequenzen abzufedern.

Eine Variante, die man benutzen kann, die auch nicht nötig macht, dass man Szenen ein zweites Mal spielen muss, ist „….und ihr wacht auf“. Die SC haben geträumt, seit der letzten Schlafpause war alles nur ein Traum.  Wieso alle das Gleiche geträumt haben? Schon ist wieder der SL gefordert, die gemeinsam er- und gespielte Geschichte zu evolutionieren. So wird aus etwas Schlechtem möglicherweise etwas wirklich Gutes.

Was, wenn es passiert?

Dann hilft nur miteinander reden und sicher ist sinnvoll, auf die Zurückspul-Taste zu drücken und die Ereignisse soweit zu löschen, bis sie außer Kontrolle gerieten.

Durch unachtsamen Alkoholkonsum kann, wie überall im Leben, auch viel beim Rollenspiel zerstört werden. Dazu kommt es sowohl beim klassischen Pen&Paper als auch im LARP. Vor allem beim letzten Fall kann es auch zu gewalttätigen Momenten kommen, da die aktionistische Komponente per Definition deutlich höher ist. Es kann zu Unflätigkeiten kommen oder auch einfach zu Lethargie. All das ist nicht gewollt.

Ich selbst trinke gerne über eine mehrstündige Spielesession am Wochenende mehrere Gläser Wein als SL. Ich achte dabei jedoch auf meinen „Beduselungsgrad“ und schalte vermehrt Wasser und Kaffee dazwischen, wenn ich merke, dass sich ein Schwips anberaumt.

Das war eine Lektion, die ich lernen musste. Eine Lektion, die ich auch anderen ersparen möchte.

Ich verstehe vollkommen, dass es verärgerte Spieler/innen gibt, die von einem durch Alkohol angeregten desaströsen Ende eines Spielabends kategorisch jede Promille am Spieltisch verbieten.

Das sollte respektiert werden! Für alle anderen, die gern ein Gläschen trinken, gilt auch hier: Achtet auf Eure Mitspieler. Bittet sie, etwas langsamer zu treten, wenn Dinge aus dem Ruder zu laufen drohen.

Wegwerf-Runden

Was ist aber mit dem Bier& Bretzel-Spielstil? Einfach nur etwas spielen, viel Spaß haben und nichts mehr ernst nehmen? Meist finden wir diese Art des Spiels in sogenannten OneShots, also Spielrunden, deren Geschichte nur einen Abend andauert. Ist es hier wichtig, was passiert? Natürlich ist es das.

Aber – und das will betont werden – es gibt einen Unterschied zwischen einer spannenden Geschichte, die durchaus ernst und atmosphärisch sein kann und beispielsweise einer Runde Kobolds Ate my Baby (DriveThruRPG.com: Klick). Das Spiel will nicht ernst sein, es will laut, lustig und skurril sein.

Klar, das Argument „Ich kann auch ohne Alkohol lustig sein“ ist vollkommen wahr und jederzeit gültig. Dennoch schadet es, und so schließe ich den Bogen zu meinen vorherigen Ausführungen,  so einer Runde nicht, wenn sie im Alkohol versinkt. Der Tag danach ist Rache genug für den rollenspielerischen Exzess im Suff.

Auch hier gilt: Was will die Runde? Was wollen die Spieler? Zerstört es die Spielerfahrung, wenn Dinge abgleiten? Oder ist es einfach nur egal?

Das Stichwort so vieler Dinge, wie Spielstil, narrativ oder crunchy, Detailausarbeitung bei den Charakteren und auch Alkohol am Spieltisch ist der Gruppenvertrag. Wenn auch quasi nie wirklich schriftlich aufgesetzt, gibt es einen Konsens am Spieltisch, was gewollt ist und was nicht.

Haltet das immer im Hinterkopf.

Und jetzt Du

Wie geht ihr vor? Ist Alkohol am Spieltisch in Ordnung? Nicht? Was für Erfahrungen habt ihr gemacht?

 

 

Artikelbild: Korry_B auf sxc.hu

12 Kommentare

  1. Warum sollte ich nicht. nicht selten steigert es die befähigung von Spielern sich in die Welt zu versetzen. Ich selbst trink an sehr Ambiente lastigen abenden auch gerne mal 3-4 Gläser Wein. Wichtig ist bei der ganzen Geschichte nur das selbe was im Umgang mit jederform von rauschmittel wichtig ist. Ein respektvolles umgehen mit dem selbigen.

    Jemand der sich absichtlich oder regelmäßig BE-trinkt der Trinkt bei mir nit. immerhin kommen wir zusammen um zu Spielen nit zum saufen.

  2. :
    – was beim Spiel eines Alkoholikers aber auf Dauer gesundheitliche Probleme nach sich ziehen dürfte.
    – und wenn ich als SL jedes mal für meine NSCs mittrinke ist das quasi Dinner for one…

  3. Ich denke, es ist eine Frage des Konsenzes am Spieltisch. Ich selbst brauche absolut keinen Alkohol, um mit meiner derzeitgen Runde sehr netter Verrückter eine Menge Spaß zu haben. Würde die Mehrheit einen Wein oder ein Bier trinken wollen, würde ich das so lange tolerieren, bis die Leute eindeutig zu angetrunken sind, um noch zu spielen. Besoffen spielen muss ich nicht haben, denn dabei kommt in der Regel auch nichts brauchbares mehr ‚rum …

  4. Ich trinke beim Zocken so gut wie nie. Zocken macht soviel Spaß, das kann durch Alkohol auch nicht mehr besser werden. Höchstens schlechter und sei es erst durch den dicken Kopp am nächsten Morgen.

    Bei Mitspielern ist es mir ziemlich egal, solange sie noch normal mitspielen.

    Meine erste längere Gruppe hatte mit einem SL und seinem Bier schlechte Erfahrungen gemacht. Er fing an, es persönlich zu nehmen, wenn seine NSC starben – und das in einer Hack & Slay-Truppe. Darum war das da nie Thema und für mich hat sich das absolut bewährt.

  5. Ja oder Nein? Nein. Selten so mit einem eurer Artikel einer Meinung gewesen. Zumindest mit einer Hälfte. Vorteile sehe ich gar keine. Wir haben ein Bier oder ein Weinchen vor dem Spiel beim Essen und lassen es auch entsprechend ausklingen. Aber am Spieltisch?

    Nein.

  6. Ich finde das der Artikel das Ziel Alkohol nicht zu verharmlosen absolut verfehlt.
    So findet sich letztlich kein kritisches Wort gegenüber dem „gemäßigten“ trinken, es wird eher im Gegenteil in den buntesten Farben gemalt.

    Die Position jener die keinen Alkohol trinken wird auf ein „Ja, man kann auch ohne Alkohol Spaß haben.“ verkürzt und abgefertigt. Anschließend wird auch noch der totale Exsess verharmlost. Es schadet ja nicht wenn man im Suff versinkt und der Morgen danach sei Rache genug?
    o_O;
    Autsch.

  7. Alk/Alkohol macht auch an Zock-Abenden schaden. ^^;
    Gerade wenn es dann in dem Artikel heißt:
    „Den­noch scha­det es, und so schließe ich den Bogen zu mei­nen vor­he­ri­gen Aus­füh­run­gen, so einer Runde nicht, wenn sie im Alko­hol ver­sinkt. Der Tag danach ist Rache genug für den rol­len­spie­le­ri­schen Exzess im Suff.“

    Und das nicht trinken als Option eher knapp behandelt wird. So wirkt es mehr wie eine langer Versuch es zu rechtfertigen und irgendwo auch es zu marginalisieren.
    Gerade wenn der „gemäßigte“ Alkoholkonsum nur in den besten Farben gezeichnet wird.

  8. Bier & Co sind ständiger Begleiter meiner seit über 10 Jahre festen Rollenspielgruppe. Konsum variert natürlich von Spieler zu Spieler. In all der Zeit lief es zwar manchmal aus dem Ruder, in der Regel sorgte es aber für einen geselligen und lockeren Abend unter alten Freunden(wir spielen meist selten und dafür 6-8 Stunden).
    Ich als Spielleiter halte mich dabei natürlich entsprechend zurück, meist gibt es ein Bier zum Anstoßen und das war es.
    Bei größeren Runden mit langer Spieldauer braucht man als Spielleiter aber auch einen klaren Kopf, selbst wenn die Sonne bereits aufgeht.

  9. Wir haben eigentlich an jedem Abend ein paar Gläser Wein auf dem Tisch stehen, sich zu BE-trinken ist natürlich nicht Sinn der Sache… Ich erinnere mich allerdings auch zwei Abende an denen der Alkoholkonsum deutlich höher war. Das machte sich vor allem darin bemerkbar, das wir häufiger in „OT-Gespräche“ abgedriftet sind. Einen der Abende haben wir trotzdem ganz gut zu Ende gebracht, den anderen haben wir im gegenseitigen Einverständnis irgendwann abgebrochen und komplett wiederholt. Das war für uns OK, wir hatten ja trotzdem einen schönen Abend, sollte aber definitiv eine Ausnahme bleiben.

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