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Neugierig, wie ich bin, griff ich am Stand von Ulisses auf der RPC 2013 zum Schnellstarter von Iron Kingdoms, dem sogenannten Vollmetall Fantasy Rollenspiel. Ein ziemlich reißerischer Untertitel, wenn ich ehrlich bin und muss mich fragen, ob man wirklich jedes Wort übersetzen muss.

Iron Kingdoms ist das Rollenspiel zum bekannten Warmachine/Hordes Tabletop (Warmahordes) und erschien bereits im Juli 2004 bei Privateer Press im allgemeinen Strom der D20 Publikationen. Damals war es, wie leider auch für viele andere gute Rollenspiele aus dem Steampunk/Steamfantasy-Genre, keine gute Phase. Es gab zwar die eine oder andere Publikation, aber das System erlangte nie den Ruhm bei einer großen Spielerschaft wie andere Systeme dieser Zeit.

2012 nun, fast exakt acht Jahre nach Veröffentlichung der ersten Version, kommt eine neue Version auf den Markt. Mit einem komplett umgestalteten Regelsystem, das sich eng an den Regeln des genannten Tabletops orientiert, möchte man den Markt öffnen für eine Verknüpfung zwischen Tabletopper und Rollenspieler.

Die Optik

Dieser Ansatz wird auch klar, wenn man den ersten Blick in das Regelwerk wirft. Leider ist von einer Weltenbeschreibung, dem Kontinent West-Immoren, weit und breit kaum etwas zu sehen. Das beinhaltete Abenteuer – übrigens nicht das aus dem englischen Schnellstarter, sondern aus dem Systemmagazin No Quarter – liefert zwar einige wenige Informationen über die bespielte Gegend, auch bei den mitgelieferten Charakteren erfährt man dies und das, aber ein guter konzentrierter Überblick über die Welt fehlt schlichtweg.

MIronKingdoms_coverutmaßlich wurde auch hier der schnelle Weg zum Spiel gewählt, damit eben jene genannten Tabletopper sich nicht lange durch eine Weltenbeschreibung wühlen müssen. Ich selbst  bin sowohl Tabletopper als auch Rollenspieler und ich empfinde das Fehlen als ein Manko.

Wirft man einen Blick in die Regeln, wird die Verknüpfung auch deutlich. Bewegungs- und Angriffsreichweiten sind optional in Zoll angegeben (der führenden Maßeinheit bei Tabletops), die Verwendung von Schablonen wird besprochen und generell fühlt sich alles sehr strategisch an.

Optisch spricht mich der Schnellstarter sehr an, neben dem wirklich gefälligen Layout sind hübsch gezeichnete Charaktere enthalten und auch verkleinerte Versionen der Gefechtskarten (Battlemaps).

Die Regeln

Charaktere werden von einigen führenden Merkmalen gekennzeichnet, als da sind Rasse (Startwerte, Größe, Gewicht, Vor- und Nachteile), Archetyp (Rolle im Spiel und Karriere), Eigenschaften (je nach Karriere gibt es bestimmte Sonderfertigkeiten) und (genannte) Fertigkeiten (Wissen und Befähigungen).  Aktionen auf die Fertigkeiten werden wie gewohnt durch einen Würfelwurf geprüft.

Um das Ergebnis eines Würfelwurfs zu ermitteln, werden ein Attribut, eine Fertigkeit und das Ergebnis von 2D6 summiert. Zeigen alle Würfel eine 1, ist es ein automatischer Fehlschlag, zeigen alle Würfel eine 6, ist es ein automatischer Erfolg, zeigen zwei Würfel einen Pasch, tritt ein kritischer Effekt ein. Zwei Würfel? Ja, denn unter manchen Situationen ist es möglich, eine Aktion zu verstärken. Das bedeutet, dass ein dritter Würfel hinzugenommen wird, so z.B. beim Sturmangriff.

Dieses System zieht sich stringent durch das gesamte Spiel, was ich sehr begrüße. Nichts ist schlimmer als Regel-Medienbrüche.

Der Schnellstarter beschränkt sich maßgeblich auf die Regeln zum Kampf. Ich denke, dass man aufgrund der Nähe zum Tabletop hier nicht umhin kommt, mit zumindest skizzierten Gefechtskarten (Battlemaps) zu agieren. Für den Schnellstarter finden sich die Karten im Internet zum Download, sowohl auf der englischen Seite von Privateer Press als auch bei Ulisses Spiele.

Erkenntlich ist das vor allem auch durch Details, wie z.B., dass die Ausrichtung der Miniatur von Bedeutung ist, nicht nur um Angriffslinien zu bestimmen, sondern auch, um zu ermitteln, ob sich jemand in den Rücken schleichen kann.

Wieder die Nähe zum Tabletop: Die Gefechtsrunden sind in drei Phasen unterteilt: Statusphase, Kontrollphase und Handlungsphase. Liegen aufrechterhaltene Effekte auf den Charakteren? Wollen sie Zauber vorbereiten? Oder wollen sie, abschließend, sich nur bewegen und dann attackieren? Der Schnellstarter erklärt eingängig und gut nachvollziehbar die einzelnen Möglichkeiten, im Gefecht aktiv zu werden und betont auch hier wiederum die Nähe zum strategischen Spiel.

Ein Alleinstellungsmerkmal von IK sind die Steamjacks – übergroße dampfbetriebene humanoide Automaten für den Kampfeinsatz, aber auch oft in Benutzung in industriellen Gegenden.

Dem Trend, eine Meta-Spielwährung im Einsatz zu haben, folgt auch Iron Kingdoms. Hier Talentpunkte genannt, werden sie durch besondere Würfelerfolge oder dem Gutdünken des SL verdient und können eingesetzt werden, um besonders cineastische Aktionen mit dem Charakter zu vollziehen.

In vielen anderen Systemen ist es Usus, dass die Punkte durch das eigene „schlechte“ Agieren verdient werden, hier wird aus Kraft noch mehr Kraft. Damit ist klar, dass hier Charaktere auch von Anfang an zu großen Taten fähig sind und sich nicht erst ihre Sporen verdienen müssen. Echte (Anti-)Helden sozusagen!

Das Abenteuer

Bei so viel taktischer Brettspiel/Tabletop-Tiefe sah ich die Gefahr, dass das Einführungsabenteuer letztendlich nur aus Kämpfen besteht. Doch ich wurde sehr positiv überrascht.

Mit “Der Geist aus Stahl” von Aerynn Rudel fand ein Abenteuer aus dem Systemmagazin No Quarter seinen Weg in den Schnellstarter. Die Verknüpfung von ermittelnden Tätigkeiten, finsterer Magie und Action wirkt charmant  und lässt sich auch in einem ersten kleinen Test sehr gut spielen.

Ich für meinen Teil bin neugierig genug geworden und habe mich mit Redakteur Michael Mingers getroffen.

Michael, im Internet auch als Scorpio oder Scorp bekannt und für DORP aktiv, kam wie viele andere auch zum Rollenspiel während der Schulzeit im Gymnasium. Seitdem hat er sich sehr aktiv daran beteiligt, das Hobby zu praktizieren und zu mehren. Für die DORP hat er fünf Jahre als Interviewer agiert und zu Ulisses Spiele kam er, als das Unternehmen einen Redakteur ausgeschrieben hatte. Bereits vorhandene Kontakte nutzend, bewarb er sich klassisch mit einer Vita und wurde angenommen.  Seit etwas über einem Jahr ist er bei Ulisses Spiele als Assistent der Verlagsleitung und Redakteur für alles außer DSA.

Interview

Teilzeithelden: Sprechen wir über Iron Kingdoms. Bereits vor einigen Jahren war eine D20 Version auf dem Markt, die aber wieder in der Versenkung verschwand. Was hat Euch dazu bewogen, Privateers neue Version in den deutschen Raum zu bringen?

Michael: Wir arbeiten eng mit Privateer Press zusammen und sind von dem Produkt überzeugt, weswegen wir eine deutsche Fassung davon veröffentlichen werden. Zum einen sollen damit die vielen Tabletopper, die Warmachine und Hordes in Deutschland spielen, auch die Möglichkeit bekommen, ihre eigenen Geschichten nicht nur mit den etablierten Figuren des Tabletops auf dem Spielfeld zu erzählen, sondern auch eigene Charaktere zu kreieren, mit denen sie Abenteuer in dem Setting erleben können, das sie seit Jahren lieben und bespielen.

Zum anderen sprechen wir damit natürlich auch die bereits bestehenden Rollenspielgemeinschaften an, da die Eisernen Königreiche als Setting durch die Industrialisierung einer Fantasywelt und zahlreicher bewaffneter Konflikte der Nationalstaaten ein größeres Spektrum an Abenteuermöglichkeiten bieten, als das viele andere Spiele tun.

Arbeiteraufstände gegen tyrannische Fabrikbesitzer in den Großstädten, Spionage an den Höfen der Reichen und Mächtigen für den Geheimdienst des Landes, eine Söldnerkompanie, die für alle Seiten kämpft, Erkundungstrupps eines magischen Ordens, der alte Artefakte untersucht oder natürlich auch die herumziehenden Abenteurer, die zwischen alle Stühle sitzen.

Zudem konnten wir an den Verkaufszahlen der englischen Ausgabe erkennen, dass es auch in Deutschland ein großes Interesse an dem Spiel gibt. Ein Eindruck, der durch das bisherige Feedback und die Reaktionen zum Einsteigerset durchaus noch mal gestärkt wurde. Und da ich seit der d20-Zeit ein großer Fan des Settings bin, haben meine ständigen Bitten an die Verlagsleitung, dass wir Iron Kingdoms doch bitte in deutscher Sprache veröffentlichen sollen, sicher auch ihren Teil beigetragen.

Teilzeithelden: Du bist also mit Herzblut dabei. Deiner Andeutung folgend, dass auch Tabletopper die Chance erhalten sollen, ihre eigene Geschichte zu erspielen – sind denn tiefere Verbindungen zwischen Rollenspiel und Tabletop angedacht? So z.B. die Konvertierung von Charakteren auf Miniaturen und umgekehrt?

Michael: Iron Kingdoms hat sich in seiner aktuellen Inkarnation ja komplett von seinen d20-Wurzeln getrennt, was ich begrüße, da das dynamische Settings mit seinen wilden Sturmangriffen und vielen Fernkampfwaffen nicht so recht zu dem Regelsystem passen wollte. Das neue System ist eine Fortführung der Tabletopregeln, so dass man die Werte der Tabletop-Miniaturen direkt im Rollenspiel verwenden kann. Eine Konvertierung ist also nicht oder nur teilweise notwendig.

Die Kampfwerte sind bereits vorhanden, nur einige Regelaspekte wie Aufmerksamkeit für Wachen oder weitere Fertigkeiten müssen ergänzt werden, wie es passend für den NSC erscheint. Umgekehrt kann man dann natürlich auch seine Heldentruppe aufs Schlachtfeld schicken, um mal auszuprobieren, wie sich der eigene Held gegen ikonische Anführer des Tabletops schlägt.

Teilzeithelden:  IK reiht sich ein in die große Welle der (Wieder/Neu)Veröffentlichungen von Steampunk/Steamfantasy-Rollenspielen. Wie grenzt es sich ab von anderen Systemen des Genres und was denkst Du, hat den neuen Aufwind im Dampfgenre erzeugt?

Michael:  Ich denke, dass der größte Unterschied tatsächlich die industrialisierte Fantasywelt ist, die nur sehr bedingt auf viktorianische Elemente zurückgreift, die viele andere Settings kennzeichnet. Interessant finde ich auch, dass in West-Immoren der Krieg mal heißer, mal kälter tobt und die Spieler oftmals darin verwickelt werden. In vielen anderen Settings ist ein großer Krieg oder ein umwälzendes Ereignis vor Spielbeginn eingetreten, und man lebt in den Nachwirkungen. Bei Iron Kingdoms ist man noch voll dabei. Das ist eh ein gutes Stichwort, denn Iron Kingdoms belohnt aktive Spieler sehr stark. Wer viel tut, erhält auch viele Talentpunkte und kann dadurch noch coolere Aktionen reißen. Es ist ein actionorientiertes Rollenspiel, was aber nicht heißt, dass es nur um Kämpfe gehen würde. Der Spielleiter sollte aber darauf achten, dass es ständig etwas für die Gruppe zu tun gibt.

Das Genre Steampunk im Rollenspiel hatte ich vor einigen Jahren bereits in einem Artikel im Printmagazin Greifenklaue thematisiert und dann ist das meines Erachtens eingeschlafen. Woher die neu entfachte Liebe zu Steampunk im Phantastik-Bereich kommt, kann ich mir auch nicht erklären.

Teilzeithelden:  Im Englischen sind bereits einige weiterführende Quellenbücher erschienen. Wie sieht Eure Roadmap aus? Wird es Veröffentlichungen geben, die originär Deutsch sind?

Michael:  Wir arbeiten aktuell noch am Grundregelwerk und ich lege da besonderen Wert darauf, dass der Glossar dazu sehr gut gepflegt wird, um uns die Arbeit an zukünftigen Werken einfacher zu machen, bzw. anderen Übersetzern umfangreiches Werkzeug zur Verfügung zu stellen. Sobald ich mit dem Glossar zufrieden bin, werden sofort die nächsten Bände in Übersetzung gegeben.

Neben dem Grundregelwerk wird im September das Spielleiterset für Iron Kingdoms veröffentlicht. Bis Ende des Jahres sollte dann auch noch die deutsche Version von „Urban Adventure“ mit viel neuem Material erscheinen, inklusive neuer Karrieren, Szenarien, Ausrüstung, Stadtbeschreibungen, Kulten, etc. pp. Anfang nächsten Jahres erscheint dann mit „Könige, Nationen und Götter“ der mächtige Hintergrundband, der die fünf großen Nationen West-Immorens detailliert vorstellt, inklusive passender neuer Karrieren, Karriereanpassungen und den bekanntesten Warjacks der Streitkräfte.

Hoffentlich auch noch bis Ende des Jahres wird dann das No Quarter-Kompendium 1 erscheinen. Darin sammeln wir alle Texte aus dem offiziellen Magazin von Privateer Press, die für das Rollenspiel relevant sind. Das ist ein eigenständiges deutsches Produkt, das wir aus den Magazinbeiträgen erstellen werden, weil sonst sehr viel sehr gutes Material auf Deutsch nicht erscheinen könnte.

Privateer Press veröffentlicht auch jeden Freitag kostenloses Material für Iron Kingdoms auf ihrer Homepage. Wir werden diese Full Metal Fridays von PIP in deutscher Sprache bringen und ebenfalls kostenlos auf unserer Seite veröffentlichen. Da es bei diesen Veröffentlichungen immer eine Thema über mehrere Wochen gibt, werden wir allerdings erst am Ende ein Sammel-PDF zum Thema anbieten und nicht jede Woche die kurzen Beiträge veröffentlichen.

Teilzeithelden:   Damit hast Du meine nächste Frage vorhergesehen. Gut, dass Ihr Euch auch dem No Quarter zuwendet. Wieso eigentlich habt ihr ein Abenteuer aus dem No Quarter genommen statt des Abenteuers aus dem englischen Quickstarter für Euren Schnellstarter?

 Michael:  „Fools Rush In“, das eigentliche Abenteuer, ist sehr darauf fokussiert, den Spielern die Regeln zu vermitteln und ihnen viele Gelegenheiten zu geben, ihre zahlreichen Kampffertigkeiten einzusetzen. Das mag für eine actionorientierte Demo-Runde auf einer Convention gut klappen, ist aber nicht dass was ich ein Einsteigerset packen wollte, dass die Leute zu Hause in heimischer Runde einmal ausprobieren können.

Da ich „Der Geist aus Stahl“ aus dem No Quarter bereits geleitet hatte und es bei mir und den Spielern gut ankam, haben wir bei PIP angefragt, ob wir es verwenden konnten. Die Mischung aus investigativem Arbeiten, Interaktion mit NSCs, einem Kampf und einer moralischen Entscheidung erschien mir viel passender und zudem erfährt man weit mehr bestimmende Elemente des Settings in diesem Abenteuer, als bei „Fools Rush In“.

Teilzeithelden:   Vervollständige diesen Satz: „Ich spiele Iron Kingdoms gern und würde es auch als Nicht-Redakteur empfehlen, weil……“

Michael:  Man mal so richtig Ärsche treten kann! Die Charaktere starten bereits sehr kompetent und können direkt richtig in die Welt einsteigen und sie formen. Aktive Spieler werden belohnt, das Regelsystem ist extrem schnell und effizient, Kämpfe mit vielen Beteiligten sind schnell abzuwickeln und jede Runde ist geil, weil jeder so richtig fetzt.

Teilzeithelden:   Damit kommen wir dann auch zum Ende dieses Interviews. Haben wir etwas noch nicht angesprochen, was Dir wichtig ist und möchtest Du noch Worte an unsere Leser richten?

Michael:  Ich möchte alle einladen, sich einmal das Einsteigerset von Iron Kingdoms anzusehen und in der eigenen Runde auszuprobieren. Es ist schnell, spaßig und einfach, bietet aber dennoch genug Crunch, um Spieler auch lange Zeit bei der Stange zu halten. Wenn ihr das erste Mal Zombies mit eurem trollblütigen Leibwächter auseinandergenommen, feindliche Agenten mit eurem Dozenten der Corvis Universität aufgedeckt habt oder einen mächtigen Steamjack als Warcaster in die Schlacht führt, dann werdet ihr wissen, was ich meine.

Teilzeithelden:   Dem möchten wir und anschließen – vielen Dank für deine Zeit und gutes Gelingen auf dem deutschen Markt mit Iron Kingdoms.

Zum Download des Schnellstarters für Iron Kingdoms geht es hier: KLICK

 

Artikelbild: Schnellstarter Iron Kingdoms, Ulisses Spiele

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