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Peter und Julia, aktive Liverollenspieler die eine eigene Spielergruppierung (die Legio III) geschaffen haben und auch Cons organisieren, sind unzufrieden. Unzufrieden, weil in ihrem Hobby eine schlechte Angewohnheit überhandnimmt. Immer wieder beobachten sie, wie sich Teilnehmer auf LARP-Veranstaltungen betrinken und massiv das Spiel der anderen Mitspieler stören. Das hat für die beiden nichts mehr mit LARP zu tun, sondern mit Langeweile.

Wir sehen den Alkohol nicht als die Ursache, sondern als Symptom. Das Problem ist, dass den Spielern langweilig ist, und immer mehr scheinbar dann nichts Besseres zu tun haben, als sich zu betrinken.“

Peter möchte erreichen, dass Spieler wieder auf Cons fahren, weswegen sie ursprünglich erdacht wurden: zum Spielen, zum Charakter darstellen, zum LARPen. „Mehr LARP – weniger Saufen“ sagt dabei allerdings nicht, dass alle oder viele Leute zum Alkohol neigen auf LARPs, sondern nur, dass es zu viele sind. Dabei reicht schon eine kleine Anzahl an Leuten aus, solange sie es laut genug und am falschen Ort tun. Denn so stören sie das Spiel der anderen, ziehen sie in ihren Kreis hinein und aus dem Spiel heraus, selbst wenn sie es nicht einmal forcieren.

Dabei geht es den beiden noch nicht einmal darum, Alkohol komplett zu verbieten.

Niemand sagt, dass man nicht feiern darf auf Cons. Erst recht am letzten Abend, nachdem die große Schlacht geschlagen und der Feind besiegt ist. Wir wollen nur dafür sorgen, dass solch ein Verhalten nicht ausartet.“

Es gibt viele Leute, die noch IT-Dinge zu klären haben oder einfach nur weiterspielen wollen. Oftmals jedoch, das haben die beiden am eigenen Leib zu spüren bekommen, ist es einfach nicht möglich dies zu tun. Zu groß und laut sind die OT-Blasen, zu weit weg von Charakterspiel ist das Verhalten der Leute, um es zu ignorieren oder sich noch effizient Charakterdarstellungsspiel zu suchen.

Den Feiernden fällt dies meist nicht einmal auf, da um sie herum eine große Blase ist, in denen alle im selben Zustand sind. So bestätigt man sich gegenseitig und Außenstehende werden nicht wahrgenommen, oder mit einem „dann ignorier‘ uns doch“ abgefertigt. Wenn solch ein Level erst einmal erreicht ist, ist es allerdings nicht mehr möglich, diese Gruppe als Außenstehender zu ignorieren, da sie sich (meist unbeabsichtigt) penetrant in den Vordergrund schiebt.

Eine andere Variante negativ aufzufallen ist, wenn man tagsüber und/oder aus Langeweile trinkt. Kritisch wird dies, wenn man es an zentralen Orten des Con-Geländes tut, etwa auf dem Dorfplatz. Auch hier nimmt man Mitspielern die Möglichkeit, sich dem Ganzen zu entziehen und zwingt ihnen quasi die OT-Blase auf.

Was tun, wenn’s brennt?

Peter und Julia haben verschiedene Ansätze ausgearbeitet, welche helfen sollen, das Problem zu lösen.

Vor allem hängen diese damit zusammen, die Mentalität der Spieler zu ändern und ihnen bewusst zu machen, welche Auswirkungen ihr Verhalten hat. Sie wollen LARP als soziales Miteinander verstehen, dass auf mehreren Ebenen funktioniert.

Das Verhalten auf einer Con ist ein Mikrokosmos, der das Sozialgefüge auf einen sehr engen Raum presst. Es geht nicht nur darum, wie unsere Charaktere mit den Charakteren der anderen Teilnehmer umgehen, sondern auch, wie wir als Menschen mit den anderen Menschen vor Ort (irrelevant hierbei, ob es sich um SC, NSC, SL oder ORGA handelt) umgehen.

Sich diesen Konstrukts bewusst zu sein, ist eine der Grundvoraussetzungen, gut miteinander umzugehen. „Meine Taten beeinflussen andere und ihren Spielspaß“ ist eine der grundlegenden Erkenntnisse, die ein LARPer haben sollte. Um dieses Bewusstsein zu schärfen, gehen Peter und Julia auf verschiedenen Wegen vor. Sie machen die Aktion bekannter, um mehr Menschen darüber zu informieren und zum Nachdenken anzuregen. Hierfür basteln sie zum Beispiel Leder-Patches, welche sie auf Cons verteilen.

Sie wurden uns förmlich aus den Händen gerissen. Etwa 40 hatten wir gemacht, und die waren auch sehr schnell verteilt.“

Außerdem versuchen sie über ihre Facebook-Seite der Legio III  auf das Problem aufmerksam zu machen. Artikel wie dieser oder beim Live-Adventure-Blog (dort in Verbindung mit der Live Adventure-Aktion „LARP mit!“ laufend) tun das Übrige.

Oftmals sprechen sie auch mit Orgas und anderen Spielergruppen, um dort Aufklärungsarbeit zu leisten.

Denn wenn die Spieler nichts mit sich anzufangen wissen, liegt das an zwei Variablen: zum einen sorgt die Orga nicht für genug Beschäftigung in Form von Plots oder Geschichten. Dies kann durch eine ausgeklügeltere Planung verbessert werden. Da sie selbst Organisatoren von Liverollenspielen sind, haben Peter und Julia einige Erfahrung, die sie gerne mit Orgas teilen, wenn diese das wünschen.

Bei den Spielern ist es kniffliger. Vor allem geht es hier um das Selbstverständnis und Konsumverhalten. Wenn Spieler sich nicht selbst unterhalten können läuft einiges falsch. Spieler sollen sich nicht nur als Konsumenten der Orga verstehen, sondern auch merken, dass sie selbst Verantwortung für ihre Unterhaltung und die der anderen Mitspieler tragen. So müssen und sollen sie auch selbst aktiv werden und sich Beschäftigungen und Aufgaben suchen, wenn ihnen gerade kein Plot für die Füße fällt.

Die andere Seite der Medaille

Dass es auch anders geht, verschweigen die beiden natürlich auch nicht. Verantwortungsvoller Umgang mit Alkohol steht an immer mehr Orten auf dem Programm.

Eines der besten Beispiele mag das blaue Lager auf dem Drachenfest sein. Früher verschrien als eines der schäbigsten und betrunkensten Lager überhaupt, hat es sich in den letzten Jahren sogar bis zum Siegerlager gemausert. Da gibt die Regelung, dass man betrunken nicht mehr kämpft, die mit Argusaugen überwacht und eingehalten wird. Zu schnell fällt ein OT-betrunkener Seefahrer auf das gesamte Lager zurück.

Mit dem Alkohol-Image wird allerdings auch IT gespielt. IT sind viele betrunken (Stichwort: Klischees im LARP), doch veranstalten die Blaulageristen sogar jährlich ein Ritual, das ihren Charakteren in Kampfsituationen die Trunkenheit nimmt. So kann sich jeder Spieler in Kampfsituationen sicher sein, ob ein Blaulagerist wirklich betrunken ist oder eben nicht.

Ich selbst habe letztes Wochenende ein weiteres positives Beispiel kennengelernt. Die Matoi sind eine Gruppierung, welche asiatische Charaktere nach DSA-Hintergrund spielen. Die gesamte Nacht auf Sonntag waren sie IT und haben gefeiert, waren aber immer erkennbar anspielbar und haben sich nicht zu offensiv betrunken. Sie haben sogar andere darauf hingewiesen, als diese ihr IT-Spiel gestört haben, dies doch bitte sein zu lassen. (Ich entschuldige mich hiermit nochmals dafür, dass meine Funksprüche als SL zu laut war.)

Auch in ihrer eigenen Gruppe greifen Peter und Julia durch und gehen so mit gutem Beispiel voran. Die Gruppe steht voll hinter der Aktion, und wenn jemand von ihnen beim gemeinsamen Zusammensitzen merkt, dass einer der Anwesenden den ein oder anderen zu viel getrunken hat, wird dieser ins Bett geschickt, um andere nicht zu stören.

Dies wird von den Gruppenmitgliedern auch ohne Einwände befolgt, sind sie sich doch bewusst, dass sie das Spiel anderer stören würden und in umgekehrter Position genau dasselbe erwarten.

Hier zeigt sich also auf mehrfache Weise, wie passend Alkohol und LARP zusammengebracht werden kann, ohne andere übermäßig zu stören. Alkohol kann ein Element sein, welches das Gesamtbild abrundet und uns mehr in die fremde Welt hineinziehen kann, wenn es richtig eingesetzt wird.

Was die Zukunft bringt

Die Vergangenheit hat gezeigt, wie gut die Aktion angenommen wurde. Innerhalb von 3 Wochen nach dem Start der Aktion schnellten die Besucherzahlen der Seite in die Höhe. Die selbstgefertigten Batches wurden ihnen quasi aus der Hand gerissen und die Artikel verbreiteten sich wie ein Lauffeuer.

Und tatsächlich stellten sich auch erste Erfolge bereits ein. Seit sie im November letzten Jahres die Aktion gestartet haben, fiel ihnen auf, dass der störende Alkoholkonsum auf einigen Veranstaltungen spürbar zurückgegangen ist. Doch noch ist viel Verbesserungspotential spürbar, und um den ersten Erfolgen Rechnung zu tragen, muss die Aktion fortgeführt werden.

Für die Zukunft haben sie daher vor, mit gutem Beispiel voranzugehen und mehr Leuten einen Denkanstoß zu versetzen sich über ihr eigenes Verhalten und das ihrer Mitmenschen Gedanken zu machen. Außerdem basteln sie zurzeit wieder an einer weiteren Fuhre Batches, welche, wie zu erwarten ist, wieder schnell verbraucht sein wird.

Fazit

Alkoholkonsum auf LARP ist nichts Schlimmes, sondern kann sogar etwas Immersion– und Rollenspielförderndes sein, solange es verantwortungsvoll und in Maßen geschieht.

Die Verantwortung tragen wir hierbei nicht nur für uns selbst, sondern auch für alle anderen. LARP ist eine soziale Interaktion und als solche liegt die Verantwortung für die positiven Erfahrungen innerhalb dessen bei jedem einzelnen Teilnehmer gleichermaßen.

Vielleicht sollten wir uns öfter mal von eingeschliffenen Verhaltensweisen abwenden und darüber nachdenken, was wir tun, warum wir es tun, und was der eigentliche Sinn von Liverollenspiel ist.

Vielleicht entdecken wir dann noch sehr viel mehr Überflüssiges oder Störendes und schaffen so im Endeffekt ein schöneres LARP für jeden Einzelnen von uns. Wenn wir saufen wollen, können wir das auch in der Eckkneipe oder auf unserem Sofa. Aber wenn wir LARP spielen wollen, können wir das nur auf Cons.

Von daher unterstützen auch wir Teilzeithelden die Aktion „Mehr LARP – weniger Saufen“ und fordern euch hiermit auf, euer Verhalten zu überdenken und mit anderen darüber zu reden. Denkt nach! Sprecht darüber! Habt mehr Spaß auf LARP! Sauft nicht, spielt!

 Artikelbild: nkzs  auf sxc.hu

 

2 Kommentare

  1. […] doch eher absurd. Die Teilzeithelden veröffentlichen einen wirklich guten Beitrag zum Thema “Alkoholkonsum im LARP“. Eine der Thesen ist, dass Spieler trinken (und das schon Tagsüber) weil sie sich […]

  2. Ich und ein paar Freunde spielen mit 6-7 Leuten eine Studentenverbindung, wobei sich unser Ritus sehr eng an dem von modernen Verbindungen orientiert und wir bewusst und gezielt einen Haufen faule, teils arrogante Nichtsnutze mit reichen Eltern spielen. Gerade auf unseren eigenen kleinen Veranstaltungen kann es so schon mal passieren, dass der Alkoholkonsum ein verantworungsvolles Maß deutlich überschreitet.Als wir dieses Konzept zu spielen begannen, waren der Großteil von uns noch (z.T. blutige) Anfänger, denen es ansonsten schwer fiel über lange Zeit ohne Plot IT zu bleiben. Doch seit wir als Studenten unterwegs sind, hatten wir so gut wie nie wieder OT Blasen und bekamen, größtenteils, positives Feedback für unser Spiel.
    Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es absolut möglich ist auch betrunken noch zu spielen. Ich denke der Trick ist, dass man sich mit seinem eigenen Konsumverhalten an das des Charakters hält und selbstverständlich sich auch betrunken noch um ein schönes Spiel bemüht.

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