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Rollenspielverlage gibt es wie Sand am Meer, manche sind klein, manche groß, doch alle sind mit Herzblut dabei. Die Redaktion Phantastik hat neben einigen Rollenspielsystemen vor allem auch den Vertrieb von Fanzines im Programm. Wir haben die Damen getroffen und ihnen auf den Zahn gefühlt.,


 

Teilzeithelden: Bitte stellt Euch vor. Wer seid ihr? Wie kamt ihr zum Rollenspiel? 

Redaktion Phantastik: Die Redaktion Phantastik besteht aus zwei Frauen: Ulrike Pelchen und Sylvia Schlüter. Wir haben uns in der Ruhruniversität Bochum kennengelernt. Ulrike hat dort Germanistik und Geschichte studiert und ich Romanistik und Kunstgeschichte.

Unser phantastisches Leben fing mit den interessanten Leuten an, die wir dort in der Cafeteria im Juni 1988 trafen. Dort formierte sich die erste Rollenspielgruppe, an der wir teilnahmen. Wir hatten uns schon lange für Fantasy interessiert, aber D&D (das Original in der roten Box!) war eine neue, spannende Erfahrung. Und so schwangen Ulrike als Dorn, die Löwin von Krellburg, und ich als die Elfe Arylla unsere Waffen gegen allerlei übles Volk.

Noch heute spielen wir, wenn es die Zeit zulässt, gerne Midgard, Mers, Ruf des Warlock oder Castle Falkenstein.

Teilzeithelden: Was hat Euch dazu bewogen, einen Verlag zu gründen?

WolsungRedaktion Phantastik: Ulrike hat nach ihrem Studium ein Volontariat bei einem Schulbuchverlag gemacht, bei dem sie einen Taschenkalender für das Thema Bauchtanz herstellen sollte. Sofort kam ihr die Idee: Ein Taschenkalender für Rollenspieler, das wär‘s. Mit dieser Geschäftsidee kam sie zu mir und da ich mein Hobby auch gerne zu meinem Beruf machen wollte, stimmte ich begeistert zu und so entstand unser kleiner Verlag: Redaktion Phantastik. Der Taschenkalender Phantastik erschien mehrere Jahre, bis wir ihn dann doch aus finanziellen Gründen aufgeben mussten. Aber durch die redaktionellen Beiträge und Interviews für den Kalender hatten wir viele Leute aus der Rollenspiel-Szene kennengelernt und von Private Eye erfahren, das im Keller vor sich hin schlummerte. Die Autoren hatten aus beruflichen Gründen keine Zeit mehr, das Rollenspiel weiter zu verfolgen, und waren uns dankbar, als wir ihnen anboten, dieses schöne System wieder aufzulegen.

 Teilzeithelden: Mit Private Eye und Wolsung habt ihr zwei Rollenspiele im Programm, die einen kleinen, aber feinen Spielerstamm haben. Was könnt ihr uns über diese Spiele erzählen?

Redaktion Phantastik: Wir fanden es schon immer reizvoll, Rollenspiele zu spielen. Dieses Spielsystem auf Detektivgeschichten zu übertragen, um so Kriminalfälle selbst lösen zu können, erscheint uns als eine geniale Idee. Deshalb haben wir die Rechte an Private Eye erworben und legen nicht nur alte Abenteuer wieder auf, sondern schreiben auch neue Kriminalfälle dafür. Außerdem hat das viktorianische Zeitalter eine besondere Faszination, weil die Atmosphäre dieses Zeitalters geprägt ist von Neugier, Entdeckertum und technischem Enthusiasmus. Natürlich gibt es auch dunkle Seiten, wie Armut, schlechte Arbeitsbedingungen, Kinderarbeit und Umweltverschmutzung. Und diese Gegensätze stellen einen guten Nährboden für allerlei Verbrechen dar, die es gilt, zu verhindern oder aufzuklären.

Sherlock Holmes als unser großes Vorbild hat das bis zur Perfektion gebracht und wir eifern ihm ein bisschen nach…

Wolsung, als Steampunk-System, ist im Gegensatz zu Private Eye kein historisches Rollenspiel, sondern spielt in einer Parallelwelt mit Zwergen, Elfen, Gnomen und anderen Rassen und betont damit das Fantastische, aber eben in einer technischen und mechanisch ambitionierten Welt. Das Energieproblem wird mit Dampf gelöst, was die Maschinen groß und laut macht und manches Mal ist auch Magie im Spiel. Überhaupt erfreuen sich Steampunk-Welten gerade in der letzten Zeit großer Beliebtheit. Wir hoffen deshalb mit Wolsung ein Rollenspiel auf den deutschen Spielemarkt zu bringen, das bald noch mehr Anhänger finden wird.

Unsere Rezension zu Wolsung: KLICK

Teilzeithelden: Euer Private Eye ist eine eigene Weiterentwicklung der dritten Version von 1998 von B&B Productions, wenn ich nicht irre. Nun ist detektivisches Rollenspiel seit Call of Cthulhu nichts Neues mehr. Was hat Euch dazu bewogen, das Spiel im England des großen Meisterdetektivs in euer Programm zu übernehmen? 

Redaktion Phantastik: Es ist das einzige historische Rollenspiel in Deutschland. Hier gibt es keinen Mythos und keine Magie wie bei Cthulhu, was gerade den Reiz des Spieles ausmacht. Alles hat eine natürliche Erklärung. Unter unseren Fans gibt es einige Cthulhu-Spielleiter, die ihre Spieler gerne mal mit einem Private-Eye-Abenteuer konfrontieren, weil es die Spieler überrascht, dass sie sich auch ohne die „Großen Alten“ gruseln können und knackige Rätsel lösen müssen. Auch andere Rollenspieler reizt es, mal ganz ohne Fantasy auszukommen, und dann sind da noch die vielen Krimifans, die gerne einmal selbst dem großen Detektiv nacheifern möchten.

Teilzeithelden: Beeinflusst Euch die Serie Sherlock in aktuellen und kommenden Erweiterungsbänden? Wenn ja, in wie weit?

Redaktion Phantastik: Die Serie Sherlock ist wirklich genial und wir sind große Fans. Sie adaptiert allerdings die Conan-Doyle-Romane in die heutige Zeit, was sie wirklich hervorragend macht. Aber wir möchten mit Private Eye in der viktorianischen Zeit bleiben. Zumindestens im Moment noch…

Private EyeTeilzeithelden: Ist das Spiel rein realweltlich/realhistorisch oder spielt Mythologie auch eine Rolle?

Redaktion Phantastik: Mythologie spielt nur insofern eine Rolle, wie es auch realhistorisch eine Rolle gespielt hat. Das viktorianische Zeitalter ist geprägt von Geheimgesellschaften und merkwürdigen esoterischen Theorien. Es wurden die ersten Seancen durchgeführt und man traf sich zu okkulten Ritualen. Und natürlich war die englische Gesellschaft vom christlichen Glauben geprägt. Wenn also ein Geist auftritt, hat er auch im klassischen Gespensterland eine natürliche Ursache.

Teilzeithelden: Wie stark schätzt ihr den Spielerstamm ein?

Redaktion Phantastik: Das kann man schlecht einschätzen und wir haben uns ehrlich gesagt auch noch keine Gedanken darüber gemacht, solange die Bücher gekauft werden. Allerdings haben wir einen Aufwärtstrend bemerkt, denn die Auflagen der Abenteuer verkaufen sich heute schneller als in den Anfängen unseres Verlages. Nach jeder Con, auf der wir Spielrunden angeboten haben, kommen wieder neue Spieler dazu…

Teilzeithelden: Welche anderen Produkte gehören zu eurem Portfolio? Was ist das Master’s Survival Pack ?

Redaktion Phantastik: Wir haben noch einen kleinen Vertrieb. Aus eigener Herstellung stammt neben Private Eye noch das Master’s Survival Pack. Das ist eine Reihe mit schnell einsetzbaren Spielhilfen für den Rollenspielmaster. Mittlerweile gibt es sieben Mappen zu den unterschiedlichsten Themen. Es gibt Grundrisse von großen Gebäuden wie Burgen und Tempelanlagen, Dörfergrundrisse, Grundrisse für Schiffe, aber auch für moderne Zeiten mit Bahnhöfen, Einkaufszentren etc. Eine Mappe beschäftigt sich mit Raumstationen und mit einer anderen kann der Master ein unterirdisches Labyrinth oder Dungeon selbst aufbauen. Die letzte Mappe ist speziell für die Gaslight-Epoche entworfen mit Gebäudegrundrissen von viktorianischen Häusern, einer Ziegelei oder auch Villen. Außerdem gibt es in allen Mappen jede Menge Abenteuervorschläge. Allen gemeinsam ist ihre Systemunabhängigkeit und dass es sie als Mappe für Kopiervorlagen und inhaltsgleich als CD zum Selbstausdrucken gibt.

Teilzeithelden: Was ist euer Zugpferd zur Zeit?

Redaktion Phantastik: Unser Zugpferd ist natürlich Private Eye, und wir arbeiten auch schon an einem neuen Abenteuerband, das wieder zur Spielemesse in Essen im Oktober 2013 erscheinen soll.

Teilzeithelden: Wie kam es zum Kontakt zu den polnischen Machern von Wolsung?

Redaktion Phantastik: Das Rollenspiel selbst haben wir auf der Spielemesse in Essen entdeckt. Allerdings war es da nur auf Polnisch erschienen und wir fragten nach einer englischen Ausgabe. Zu unserer Überraschung hieß es, dass man schon daran arbeite. Seitdem gehen die Mails hin und her, in denen wir über die neuesten Entwicklungen informiert werden.

Und ein Jahr später hatten wir die englische Ausgabe an unserem Stand auf der Spielemesse Essen, sogar noch bevor es die polnischen Macher hatten, weil ihre Lieferung noch im polnischen Zoll hängengeblieben war.

Teilzeithelden: Im Polnischen gibt es weiteres Material zum Spiel Wolsung. Wird das auch bei uns erscheinen?

Redaktion Phantastik: Die Jungs sind unglaublich kreativ und es erscheinen laufend neue Sachen. Wir fangen hier ja erst an, aber wir glauben, dass Wolsung in Deutschland Potenzial hat und werden deshalb das Rollenspiel weiter verfolgen und supporten. Und je nach Verkaufszahlen würden wir gern das Rollenspiel auch auf Deutsch herausbringen.

Teilzeithelden: Habt ihr angedacht, komplett selbsterdachtes Material von jungen Autoren im Form gänzlich neuer Rollenspielsysteme zu veröffentlichen?

Redaktion Phantastik: Mit Private Eye und Wolsung als komplette Rollenspiele sind wir zu zweit schon sehr gut ausgelastet. Man muss ja auch bedenken, dass wir den Verlag im Nebenberuf betreiben und beide noch einen Vollzeitberuf haben. Außerdem müssen wir als kleiner Verlag auch vorsichtig sein mit der Auswahl solcher völlig neuen Rollenspiele. Natürlich ist es besser, wenn man dann schon auf eine gewisse Fangemeinde zurückgreifen kann.

Deshalb haben wir in nächster Zeit nicht vor, noch weitere Rollenspiele herauszubringen.

Teilzeithelden: Ihr habt ein Herz für Fanzines, was man leicht erkennen kann, wenn man euch auf Messen und Cons besucht. Welche vertreibt ihr?

Redaktion Phantastik: Wir haben durch den Phantastik-Kalender viele Fanzine-Macher kennengelernt, zudem ist Ulrike ein großer Fanzine-Fan. Deshalb hatten wir immer welche im Vertrieb, auch weil wir meinen, dass diese engagierten Fan-Produkte jede Unterstützung brauchen. Inzwischen gibt es aber leider fast keine Fanzines mehr. Wir vertreiben den Trodox, das Sherlock Holmes Magazin und den Baker Street Chronicle, das Zunftblatt, Dausend Dode Drolle und seit Neuesten auch den Gildenbrief. Alle außer dem Trodox sind streng genommen aber eher als Magazine zu sehen.

Die Verkäufe vom Sammelsurium haben stark nachgelassen, deshalb haben wir es nicht mehr im Programm. Das RZ-Journal wird leider nicht mehr produziert und ist auch bei uns nun ausverkauft.

Teilzeithelden: Wie hat sich der Kontakt zu den Machern ergeben?

Redaktion Phantastik: Der Grundstein zu den Kontakten wurde durch unsere Arbeit zu dem Phantastik-Kalender gelegt. In den redaktionellen Beiträgen wollten wir einen Überblick über die gesamte Rollenspiel-Szene bieten. So haben wir den Kontakt zu vielen Machern gesucht, die dort ihre Projekte vorstellen konnten. Viele – eigentlich die meisten – dieser Macher sind heute noch aktiv. Also, wer sich einmal mit Rollenspiel beschäftigt, den lässt das Thema nicht wieder los…

Teilzeithelden: Sind Print-Magazine eine aussterbende Gattung?

Redaktion Phantastik: Das wollen wir nicht hoffen. Wir arbeiten gegen diesen Trend und bekommen auch viel positives Feedback. Es gibt noch viele Leute, die ein gut gemachtes, schönes Buch einem E-Book vorziehen. Ein E-Book ist meiner Meinung nach gut, um sich über den Inhalt eines Buches zu informieren, es unterwegs zu lesen. Aber wenn ich begeistert von einem Buch bin, dann möchte ich es besitzen, es anfassen, Lieblingsstellen mehrfach lesen, es öfters mal einfach durchblättern und es stolz in meinem Bücherregal betrachten. Der Mensch ist nun mal ein haptisches Wesen. Zudem sind Bücher auch praktischer, wenn man mehrere Textstellen vergleichen oder markieren möchte, was gerade beim Spielleiten ja öfter passiert.

Teilzeithelden: Eure Website trägt den Namen http://www.phantastik-kalender.de/. Was war zuerst unter dem Projektnamen angedacht?

Redaktion Phantastik: Wir haben ja schon erwähnt, dass unser aller erstes Projekt ein Taschenkalender für Rollenspieler war, der „Phantastik Kalender“ hieß, weshalb wir uns diese Domäne auch gesichert haben. Natürlich besitzen wir nun auch die Domäne www.redaktion-phantastik.de, die auch auf unsere Homepage führt. 

Teilzeithelden: Die Website macht generell einen veralteten Eindruck – ist ein Redesign angedacht, um im 21. Jahrhundert den Zugang zu erleichtern?

Redaktion Phantastik: Ja, das ist angedacht und ist auch schon in Arbeit. Gut Ding will Weile haben…

Teilzeithelden: Soziale Netzwerke sind der Boom unserer Zeit. Findet man euch auf Google+, Facebook und Twitter? Vor allem erstes hat eine sehr aktive Rollenspieler-Community.

Redaktion Phantastik: Wir haben seit einigen Monaten eine Facebook-Seite: KLICK.  Dort ist jeder eingeladen, seine Erfahrungen mit Private Eye zu posten.

Teilzeithelden: Wie tritt man generell mit euch in Kontakt? Gibt es ein den Fans offenes Verlagsforum?

Redaktion Phantastik: Wir haben kein eigenes Forum, aber es gibt ein Fan-Forum in Deutschland (KLICK) und sogar eins in Österreich (KLICK), beide Foren werden gerade überarbeitet und aktualisiert.

Ansonsten kann man uns einfach eine Email schreiben.

Teilzeithelden: Wo hat man eine Chance, eure Spiele auszutesten? Auf Cons? Bietet ihr auch virtuelle Rollenspielrunden an?

Redaktion Phantastik: Wir leiten auf allen großen Conventions Spielrunden. Eine Liste der Cons, auf denen wir vertreten sind, findet ihr auf unserer Homepage unter Termine. Außerdem haben wir einen kleinen, aber feinen Supporterstab organisiert. Unsere Supporter sind deutschlandweit unterwegs und bieten auch auf Anfrage Spielrunden an. Wenn jemand noch in unserem Supporter-Team mitmachen möchte, kann er sich gerne bei uns melden.

Teilzeithelden: Abschließende Worte für unsere Leserschaft?

Redaktion Phantastik: Wir sehen uns auf der nächsten Convention!

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