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Neues Spiel, neues Glück. Im Gegensatz zu meinen meisten Vereinsrunden haben wir diesmal die Charaktere von Grund auf generiert und sind in gefährliche Dungeons gezogen, um ein bisschen Ruhm und Reichtum zu erringen.

Erscheinungbild

Nachdem ich mich entschlossen hatte, DCC in einer Oneshot-Runde im Verein anzubieten, bin ich dem Kaufrausch verfallen. Ich habe mir im örtlichen Rollenspielladen nicht nur einen ganzen Satz irrer Würfel zugelegt, sondern auch das Hardcover selbst. (Ich hatte ja schon das PDF.)

Ich wurde zum dicksten Buch der Neuheitensektion verwiesen. Außer Nova RPG ist mir noch nie ein solch großer Band in die Hände gefallen. Stattliche 480 Seiten auf einer Größe von grob geschätzt DIN A4.

Das Buch gefällt mir gut, es scheint solide gebunden zu sein. Ich habe es allein aufgrund seines Umfangs mit Einmerkern versehen. Das Inhaltsverzeichnis ist kaum der Rede wert. Beim Nachschlagen von Zaubern werde ich wohl auf das PDF zurückgreifen. Alternativ dazu habe ich mir die Tabelle mit den Zaubern ausgedruckt, damit meine Spieler das zum schnellen Nachschlagen verwenden können.

Die harten Fakten – DCC RPG:

  • Verlag: Goodman Games
  • Autor(en): Joseph Goodman
  • Erscheinungsjahr: 2012
  • Sprache: Englisch
  • Format: Hardcover
  • Seitenanzahl: 480
  • Preis: 34,95 EUR (Druck), 24,99 USD (pdf)
  • Bezugsquelle: Sphärenmeister (Klick), DriveThruRPG.com (Klick)

 

Die harten Fakten – Lair of the Mist Man:

  • Verlag: Purple Sorcerer Games
  • Autor(en): John Marr
  • Erscheinungsjahr: 2013
  • Sprache: Englisch
  • Format: PDF
  • Seitenanzahl: 15
  • Preis: 2,49 USD
  • Bezugsquelle: DriveThruRPG (Klick)

 

Auf den Trichter gekommen

In der ersten Runde ging es mit dem Level-0-Abenteuer The Portal Under The Stars aus dem Basisbuch los. Empfehlung sind 18-20 Level-0- bzw. 8-10 Level-1-Charaktere. Mit sechs Spielern am Start ging es ans Auswürfeln der Spielfiguren, drei pro Spieler, 18 an der Zahl.

Einige Tabellen gingen richtig flott, besonders viel Spaß kam beim Auswürfeln des Berufes (Occupation) auf, bei dem auch Startausrüstung ermittelt wird. Ein Karren voll Dreck, ein Huhn, ein Schaf, ein Esel, kiloweise obskure Kräuter und eine Ansammlung von Mistgabeln sorgten für Heiterkeit.

Als echte Verzögerung des Spielbeginns erwies sich das Auswürfeln der Sonderanwendung des Glücks-Modifikators, den jede Spielfigur ihr ganzes Leben behält, ob er Sinn ergibt oder nicht. Zwar gab’s hier auch den einen oder anderen Lacher, aber es ist in der Regel viel zu schreiben pro Charakter. Hinzu kommt, dass die meisten Charaktere einen Glücks-Modifikator von 0 haben, und da sich diese besondere Anwendung nur auf das Glück beim ersten Auswürfeln bezieht, ergibt es eigentlich gar keinen Sinn, für Charaktere mit einem Modifikator von +/- 0 zu würfeln, was die Generierung deutlich beschleunigt hätte.

Mit einem Glückswert von 9-12 hat man einen Modifikator von +/- 0, also keine Auswirkung. Attributswerte von 8 und weniger bewirken einen Abzug, von 13 oder besser einen Bonus. Erwürfelt werden sie mit 3W6.

Wie sich die Modifikatoren der einzelnen Attribute auf spielrelevante Werte (Attacke, Rüstungsklasse, Rettungswürfe, Trefferpunkte, usw.) auswirken, wäre als Tabelle besser dargestellt gewesen. Die betreffende Beschreibung im Buch war aber kurz genug, um schnell umgesetzt zu werden.

Der erste Charaktertod ereilte die Party dann auch schon ungefähr eine Minute nach meiner Einführung an der ersten Falle. Nicht, dass das so hätte sein müssen – unbedachtes Rollenspiel ist hier eher tödlich. Will heißen: Man sollte eher Vorsicht als schiere Goldgier walten lassen, wenn man überleben will.

Genauso ging es weiter – unvorsichtige Spieler büßten schnell eine oder zwei ihrer Spielfiguren ein, während umsichtigere Spieler sogar gar keinen Charakter verloren – wohl auch, weil die Spieler den Aufbau des Kerkers richtig errieten und den wohl größten Kampf des Abenteuers komplett umgingen. Vielleicht war ich da auch zu gnädig – schließlich starb ein zu neugieriger Zwerg an der richtigen Stelle, aber eine Verfolgung der restlichen Recken wollte ich daraus nicht ableiten.

Was besonders auffiel, war der Ehrgeiz, mit dem manche Spieler versuchten, jedes verfügbare oder scheinbar verfügbare Ausrüstungsstück auf ihre Helden draufzupacken. Ein einzelner verfluchter Gegenstand hätte hier sicher Wunder gewirkt. Getreu des Klappentexts des Hauptbandes handelte es sich um den reinsten Trupp Plünderer, was ja kein Fehler sein muss.

Nach dem Abenteuer haben wir uns noch die Zeit genommen, alle verbleibenden Abenteurer auf Stufe 1 zu steigern. Das ging für die meisten Klassen recht zügig, es mussten hauptsächlich Werte angepasst werden. Nur die Magier erforderten deutlich mehr Zeit:

Wie in meiner Rezension beschrieben, gibt es in DCC Mercurial Magic – d.h. jeder Magierzauber wirkt etwas anders. Wie anders wird durch einen W100-Wurf ermittelt. Nachdem also einer der vier in der ersten Stufe gelernten Zauber per Zufall ermittelt wurde, wird gleich nochmal gewürfelt. Das Aufschreiben der abweichenden Wirkung nimmt viel Zeit in Anspruch, aber immerhin machen die teilweise absurden oder übermächtigen Effekte Spaß.

Ein Magier erwürfelte beim Ermitteln seiner Zauber den Spruch Cantrips (Zaubertricks), also einen eher harmlosen Zauber zum Beeindrucken ignoranter Bauern oder Erzeugen kleiner Effekte. Beim Ermitteln der Mercurial Magic warf er eine 80 – Dimensional Schism. Wann immer der Zauberer nun einen harmlosen Trick aufführen will, tauchen 1W7+1 Duplikate seiner selbst auf. Schlimmer noch – es besteht eine Chance von 1% (Spell Level 1), dass der Zauberer selbst nach dem Verschwinden der Trugbilder nicht mehr auftaucht! Na, wenn das kein Trick ist…

Und wie geht’s weiter?

Das Abenteuer aus dem Grundbuch lässt offen, wie es weitergeht. Tatsächlich nimmt sich kein bisher von Goodman Games veröffentlichtes Buch dieses offenen Storyfadens an.

Was mich viel mehr erstaunte, war der Mangel an Level-1-Modulen. Zwar gibt es ein paar von verschiedenen Verlagen, aber die Mehrzahl der Module ist entweder für Level 0 oder für höhere Level. Hierbei stellte ich auch fest, dass mir ein Fehler in meiner Rezension unterlaufen war: Goodman Games hat inzwischen knapp 80 Module in der Linie Dungeon Crawl Classics herausgegeben, aber nur das letzte Dutzend ist auch für die verlagseigenen Regeln geschrieben. Die meisten sind für D&D der ersten, dritten und vierten Edition geschrieben worden. Zwar ist eine Konversion sicherlich möglich, aber sofortiges problemloses Losspielen sieht anders aus.

Was mir weiterhin an den verfügbaren Abenteuern auffiel, war, dass viele den im Hauptband vertretenen Grundgedanken verletzten: Sie waren für Möchtegernhelden geschrieben, nicht für gierige Kleingeister, die sich zuerst mal um ihre eigene Haut Sorgen machen. Ob da jetzt kleinen Mädchen geholfen wird oder Dörfer in Not vom Bösen befreit werden – zur Idee, sich aus der Armut zu erheben und sein Glück unter der Erde und in finsteren Verliessen zu suchen, passt das so gar nicht.

Die Wanderer über dem Nebelmeer

Als zweites Abenteuer kam ein Abenteuer von einem Drittanbieter zum Einsatz – Lair of the Mist Men von Purple Sorcerer Games. (Die gleiche Spieleschmiede hat übrigens auch ein paar Generatoren auf der Webseite, damit man noch schneller losspielen kann.) Hierbei wurde der Einstieg ins Abenteuer von mir so umgebogen, dass er zum Ende des Abenteuers aus dem Basisbuch passt. Auf der Suche nach weiteren Teilen ihres mystischen Artefakts mussten sich die Helden mit den merkwürdigen Nebelmännern (Mist Men) anlegen, und dabei eine Art Zauberberg inmitten nebliger Sümpfe erforschen.

Das Modul selbst war spaßiger angelegt als andere Module, worauf die Autoren explizit hingewiesen haben. Die Spieler sind ein bisschen, aber nicht voll darauf eingestiegen. Eine nette Kleinigkeit war es, dass die Charaktere oft Rettungswürfe auf Willpower machen mussten, um aufkommenden Wahnsinn im Zaum zu halten. Das hat ein bisschen was von einem Cthulhu-Abenteuer, ohne das Regelsystem zu verlassen.

Der relativ verworrene Dungeon mit seinen vielen Querverbindungen wurde von der Gruppe gut aufgenommen, das Abenteuer an sich macht einen ganz soliden Eindruck mit einem gelungenen Finale. Es ist aber leider auch eher kampflastig, was vor allem Gruppen niedriger Stufe – alle hatten ja jetzt Stufe 1 – große Probleme bereitet.

Ein Charakter erster Stufe stirbt nicht gleich, sondern verblutet eine Runde lang. Laut Regeln kann er aber nur durch einen Kleriker durch Handauflegen geheilt werden. Auf eine Gruppe von acht kam genau ein Kleriker, der ständig alle Hände damit voll hatte, irgendwelche Charaktere vor dem Tod zu bewahren. Als Antwort darauf habe ich einfach das Ableben verhausregelt. Ich bin daher so verfahren, dass ein Charakter seine Kampfrunde aufgeben kann, um jemand zu verbinden. Der bleibt dann ohmächtig, blutet aber auch nicht mehr aus. Die eigentlichen Regeln sind ja eher dämlich: Jemand gleich heilen bedeutet einen Spell Check und das Aufgeben der Aktion, aber wenn jemand tot liegengelassen wird, kriegt er bei Bergung einen Luck-Wurf und mit etwas Glück einen Lebenspunkt umsonst. Naja.

Selbst dann war es mühsam. Ein Kleriker kann zwar durch Handauflegen heilen, aber es gilt die gleiche Regeleinschränkung wie bei anderen Zaubern göttlicher Magie: Versagt der Kleriker beim Spell Check, steigt die Wahrscheinlichkeit, bei seiner Gottheit in Ungnade zu fallen. Normalerweise tritt das nur bei einer echten 1 auf einem W20 ein. Bei jedem Versagen geht dieser Wert um 1 hoch – also dann bei 1 und 2, usw. Die stieg nach einigen Begegnungen flott auf 5, was dem Kleriker zu heiß wurde. Deity Disapproval wird umso gefährlicher, je höher dieser Wert steigt. Steigt das Limit auf 5, muss man schon mit 5W4 auf der Tabelle würfeln, höhere Ergebnisse sind gefährlicher.

Um das ganze auszugleichen, und den einzigen Kleriker nicht aus dem Spiel zu nehmen, wies ich darauf hin, dass man auch durch Opfer wieder die Gnade der Götter erreichen kann. Die Grenzen sind etwas hoch und unflexibel für Anfängercharaktere, aber nach einigen Verhandlungen mit dem SL kam ein schöner Scheiterhaufen voller Opfergaben zustande. (Dass das Muli-Reittier eines Knappen sein Ende im Sumpf nahm, wollte ich nun wirklich nicht gelten lassen.)

Diese Entlastung war auch dringend nötig – bei jedem Kampf gingen im Schnitt 2 – 5 Charaktere zu Boden und brauchten Heilung. Gleich im ersten standen wir kurz vor einem Total Party Kill, wobei natürlich das extreme Würfelglück der Gegner beim Initiativewurf ganz enorme Auswirkungen haben kann. Der Halbling der Gruppe war dank seiner Zweiwaffenkampftechnik der reinste Berserker, aber mit 2 HP nur ein Papiertiger.

Genauso versiebte ein Magier alle seine halbwegs brauchbaren Sprüche, und konnte dann nur noch im Nahkampf agieren. Und auch der zweite Magier hatte keinen wirklich nützlichen Spruch im Sortiment. Das Handbuch empfiehlt hier dem Spielleiter ein neues Auswürfeln, sollten die Magier allzu schmächtig geraten. (Die Sprüche werden ja per Zufall vergeben.) Eine auffällige Abweichung vom Grundprinzip „May the dice fall where they may.“ Anscheinend versauen schmächtige Magier dann doch einigen den Spielspaß…

Von der Unterhaltung war auch diese Runde wirklich gut, aber das Verständnis für stetiges Charaktersterben sinkt im zweiten Abenteuer zumindest gefühlt sehr schnell. Im Nachhinein habe ich das System wohl zu sehr entschärft, aber die jetzige Gruppe könnte allein dadurch völlig ausgeschaltet werden, dass sich Angreifer auf den Kleriker konzentrieren. Allzu taktisch zu spielen als SL kann bei DCC ultratödlich wirken, da es keine Wurfwiederholung gibt, keine Bennies, usw. Die Regeln für das Verbrennen von Luck-Punkten scheinen ein nachträgliches Verbrennen zu gestatten, aber bei besonders schlechten Würfen hilft das auch nicht. Und Glück regeneriert sich für fast alle Klassen nicht von selbst.

Ich ziehe für mich aus dieser Runde den Schluss, keine allzu großen Gruppen von Gegnern mehr zu bilden. Zwar waren im Abenteuerband die zehn Krieger in eine Gruppe gefasst, aber das Risiko besteht, dass der SL besser als die ganze Gruppe Spieler wirft, und dann plötzlich so viele Attacken auf die Spieler einregnen, dass die Party schon vor ihrer ersten Aktion verblutet. Splittet man solche großen Gegnergruppe in zwei kleinere, erhöht sich zwar die Wahrscheinlichkeit, dass eine Gruppe vor den meisten Spielern drankommt, aber das Risiko, die halbe Party vor ihrem Zug niederzumähen, sinkt deutlich. Zumal es ja auch nicht sonderlich realistisch ist, dass ohne Überraschungsmoment alle Gegner vor der Gruppe drankommen.

Fazit

Zwei Abende DCC haben gezeigt, dass das System gut und kurzweilig unterhalten kann. Mir selbst ist aber die Basisvariante zu tödlich, zumal mir stellenweise die Abenteuer keinerlei Wahl ließen, um mal flugs eine neue Runde Charaktere einzuführen, wenn die alten hopps gehen. Wie ich aus Reviews und Kommentaren im Netz wusste, ist Kampf immer sehr risikoreich für Charaktere auf dem ersten Level. Dass Lair of the Mist Men fast ausschließlich auf Kampf setzte, erwies sich daher als besonders problematisch.

Ich werde das Anschlussabenteuer wohl selbst schreiben müssen, weil Purple Sorcerer Games das passende Modul Against the Vortex Temple noch nicht veröffentlicht hat. Mit ein bisschen Fantasie sollte es nicht schwer sein, ein Modul selber aus dem Hut zu zaubern. Zumindest die vorhandenen Module für Level-1-Abenteurer passen nicht unbedingt in meine Kampagne.

Ich fand, dass die Spieler das System sehr schnell angenommen haben, auch die Zauberei mit Tabellen ging flott von der Hand und sorgte zuweilen für Heiterkeit. Nur Sprüche mit langfristigen Wirkungen wie Find Familiar und Patron Bond gehen eher zäh von der Hand, weil man dafür separat im Meisterteil des Bandes nachschlagen muss. Druckt man die Seitenzahlverweise aus dem Buch aus und hat ein paar kleine Einmerkklebezettel im Band, läuft das Spiel flüssig. Die Tabellen beleben mit den fast unvorhersehbaren Effekten das Spiel, und individualisieren auch frisch zusammengewürfelte Runden sehr schnell.

Ich werde DCC sicher nicht zu meinem Hauptsystem machen, aber für Minikampagnen und zum Anbieten auf Cons ist es prädestiniert. Ich werde auch mal sehen, ob sich ein altes D&D-Abenteuer damit schnell mal spielen lässt – entweder aus dem Hause Goodman Games oder eine der Wiederveröffentlichungen von Wizards of the Coast. Es gibt noch viel auszuprobieren mit diesem nett gestalteten System.

 

 

 

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