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Nach der Veröffentlichung der Revised 3rd Edition des Rollenspielklassikers Earthdawn (KLICK) macht sich FASA nun an die Anpassung alter Abenteuerbände an das aktuelle Regelwerk. Den Anfang macht Mists of Betrayal, das schon 1993 zu Zeiten der 1. Edition das erste Kaufabenteuer zu Earthdawn war und als Nebel über dem Blutwald auch auf Deutsch veröffentlicht wurde.

Erscheinungsbild

Das englische Abenteuer Mists of Betrayal ist sowohl als PDF als auch als Softcover erhältlich, diese Rezension basiert auf ersterem. Der Band beeindruckt zuerst mit einem Umfang von 106 Seiten. Im Vergleich zum Grundregelwerk, das leider sehr trocken und gedrängt wirkte, ist das Abenteuer wesentlich großzügiger gesetzt: Sämtliche Kapitel sind übersichtlich strukturiert und bieten zusätzliche Hinweise zu Szenenaufbau, Stimmung oder Problembehebung.

Das Cover von Mists of BetrayalNeben einem netten Zierrand und marmoriertem Farbhintergrund sorgt allerdings ein aufdringliches Rot für die Kapitelüberschriften für ein wenig Irritation. Das Dokument ist ausgiebig in schwarz/weiß illustriert, die Zeichnungen entstammen der originalen Veröffentlichung. Insgesamt ist das Abenteuer sehr gut und flüssig lesbar, gewinnt für seine Optik aber auch keine Preise.

Der Index beschränkt sich lediglich auf die diversen NSCs, wegen der großzügigen Kapitelaufteilung ist das aber kein Problem. Das PDF ist mit Kapitellesezeichen ausgestattet; zusätzlich kann über Ebenen zumindest der marmorierte Hintergrund ausgeschaltet werden.

Die harten Fakten:

  • Verlag: FASA
  • Autoren: Robert Cruz, Diane Piron-Gelman, Louis J. Prosperi, John Terra (Original), James Sutton (Revision auf 3rd Edition)
  • Erscheinungsjahr: 2013
  • Sprache: englisch
  • Format: Pdf / Softcover 152,4 x 228,6mm (6 x 9 Zoll)
  • Seitenanzahl: 106
  • ISBN: n/a
  • Preis: PDF 14,99 USD (reduziert), Softcover 24,99 USD
  • Bezugsquelle: DriveThruRPG.com (KLICK)

Inhalt

 

Mists of Betrayal ist für drei bis fünf Adepten des zweiten oder dritten Erfahrungskreises angelegt. Nach einer obligatorischen Kurzgeschichte und Zusammenfassung der Gesamthandlung erstreckt sich das eigentliche Abenteuer sehr großzügig über 19 Kapitel, die für eine Spieldauer von etwa drei Sitzungen vorgesehen sind. Separate Kapitel für die offenen Enden, zu findenden Gegenstände und NSCs schließen den Band ab.

Das Abenteuer beginnt dabei sehr klassisch: Damit der Magier Hiermon aus Haven den Adepten ein magisches Beutestück identifiziert, verlangt er von ihnen einen Botengang in den sagenumwobenen Blutwald, in dem Fremde eigentlich nicht willkommen sind, um eine Portion Blutefeu abzuholen.

Die folgenden Ausführungen enthalten Spoiler.

Spoiler

Im Blutwald allerdings werden die Adepten unwissend in eine Intrige hineingezogen: Grenzwächter Takaris verdächtigt seinen Kameraden Kalourin der Kollaborationen mit theranischen Sklavenjägern und hält der Gruppe das Blutefeu vor. Erst wenn die Abenteurer den Anführer der Sklavenjäger – und damit hoffentlich Hinweise auf Kalourins Verrat – auftreiben, sollen sie Hiermons Pflanze erhalten.

Dabei zeigt sich jedoch, dass Kalourin einer noch abscheulicheren Wesenheit dient: Einem Schrecken, der im Austausch für Macht die herangeschaffen Sklaven verschlingt. Das geöffnete Kaer, in dem er haust, verbirgt er durch undurchdringlichen Nebel, während er sich gleichzeitig am Leid der Bewohner labt, denen er seit hundert Jahren das Altern und den ersehnten Tod vorenthält. Schaffen es die Adepten schließlich, den Schrecken in dem Kaer aufzuspüren und zu vernichten, so haben sie sich natürlich in Kalourin einen mächtigen Feind gemacht. Sie können aber auch auf eine Belohnung der Herrscherin des Blutwalds, Königin Alachia, hoffen.

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Durch den BlutwaldMists of Betrayal wendet sich merklich an Rollenspieleinsteiger und Neulinge in der Welt von Earthdawn. Der Spielleiter erhält in jedem Kapitel ausführliche Hinweise zum Aufbau der Spielszene, zu Geschehnissen im Hintergrund oder auch dazu, wie er das Abenteuer gegebenenfalls wieder auf die vorgesehene Bahn lenkt.

Gerade hier jedoch zeigt der Band seine Schwächen: Viele Ereignisse sind stark eingeschränkt und sehen nur einen Lösungsweg vor, den der Spielleiter denn auch tunlichst ebnen soll. Selbst vor dem Tipp, zur Not im Kampf tödliche Würfelergebnisse der NSCs zu ignorieren, schrecken die Kapitel nicht zurück. Diese von vielen Rollenspielern verdammte „Eisenbahnfahrt“ verwundert, gibt Mists of Betrayal dem Spielleiter doch zahlreiche Hintergrundinformationen, die zu einem vielschichtigen Abenteuer mit umfangreichem Spielraum für die Gruppe hätten ausgebaut werden können.

So aber lässt der Band immer wieder nur die Ansätze netter Ideen aufblitzen, ohne auch nur das Geringste aus ihnen zu machen. NSCs, die etwa für einen neugierigen Händler der Gruppe hinterher spionieren sollen, werden letztlich nur als Kampfunterstützung verheizt, ohne dass auch nur ansatzweise vorgesehen wäre, dass die Abenteurer ihrer Verfolger gewahr werden. Auch die Intrigen am Hofe des Blutwalds entfalten sich letztlich nur für den Spielleiter; von den Adepten wird gar nicht erwartet, dass sie vor dem geplanten Zeitpunkt die Verschwörung aufdecken oder gar untersuchen.

Und obwohl die Grausamkeiten des Schreckens im Kern der Geschichte herrlich perfide sind, so entpuppt sich seine Heimstatt im Herzen eines offenen Kaers schließlich doch nur als ein dürftiges Verlies mit diversen abstrusen Rätseln.

Zwar gibt das vorletzte Kapitel „Lose Enden“ noch diverse Vorschläge, wie die mannigfaltigen Andeutungen in fortführenden Abenteuern weitergesponnen werden können; dennoch hätten all diese Ideen meiner Meinung nach in das Hauptabenteuer gehört. Auch das Umschreiben des Bandes auf eigene Faust halte ich für wenig sinnvoll – der Aufwand für die nötige Aufbereitung würde wahrscheinlich ähnlich viel Arbeit verlangen, wie das Schreiben eines neuen eigenen Abenteuers, in dem man einfach die wenigen netten Ideen oder Beschreibungen aus Mists of Betrayal unterbringt.

Preis-/Leistungsverhältnis

Zwar bekommt man mit Mists of Betrayal sehr viel Material in ordentlicher Aufmachung und Strukturierung in die Hände, dennoch ist die Qualität des Gebotenen sehr oberflächlich.

Gerade Earthdawn bietet in seinen verschiedenen Editionen wesentlich bessere Abenteuer zu einem vergleichbaren Preis.

Fazit

Irgendwo in Mists of Betrayal ist ein komplexes und vielschichtiges Abenteuer versteckt, das die Autoren leider nicht aus dem Band herauskitzeln konnten. Erfahrene Rollenspieler werden zu sehr gegängelt; interessante Elemente wie etwa die Intrige im Blutwald wurden gar nicht erst ausgearbeitet.

Neulinge, die ihre ersten Schritte in die Welt von Earthdawn setzen oder ihre ersten Erfahrungen als Spielleiter sammeln wollen, werden von dem Band zwar lobenswert an die Hand genommen, aber dies kann über die Oberflächlichkeit des Abenteuers kaum hinwegtäuschen. Solche Einsteiger finden beispielsweise in dem Abenteuer Infected eine bessere Alternative, welches in der Fassung für ED1 auf DTRPG erhältlich ist.(KLICK)

Wen die nötige Mehrarbeit (siehe oben) oder die rigide Gängelung nicht stört, der mag vielleicht trotzdem einen näheren Blick auf Mists of Betrayal werfen – er sei hiermit jedenfalls gewarnt.

Daumen2maennlich

Artikelbilder: FASA

 

1 Kommentar

  1. Hmmm, ich habe nur die alte Version von dem Abenteuer gelesen, nicht die neue, aber für mich klingt es, als würde hier die alte Version beschrieben werden. Mists of Betrayal war doch nie mehr als eine Eisenbahnfahrt.
    Anfang der 90er mag das auch noch ok gewesen sein, zumal die Autoren damals auch mehr an Storytelling interessiert waren, als an einem Sandkastenkonzept.

    Mich würde interessieren, wie die neue Version im Vergleich zur alten ist, also haben die Autoren nur die Statistiken der NSC und Bösewichter an die 3ED angepasst, oder tatsächlich auch was am Abenteuer verändert?

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