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Andreas Geiger ist ein Dokumentarfilmer, der sich nach eigenen Angaben gerne Themen zuwendet, die nicht so sehr im Hauptblickfeld der Leute liegen, welche seiner Meinung nach allerdings verdient hätten näher betrachtet zu werden. Nachdem er sich mit Metal auf dem Lande bereits der harten Gitarrenmusik widmete, hat er nun mit Wochenendkrieger eine Dokumentation über Liverollenspieler und ihre Rollen gedreht. Fünf Liverollenspieler begleitete er eine Saison lang durch ihr Hobby und ihr Privatleben abseits des Rollenspiels. Er gewährt Einblicke in die Person hinter der Rolle und zeichnet für den Zuschauer eine Geschichte, die sie alle miteinander verbindet. Wir von den Teilzeithelden haben uns diesen Film angesehen und dabei mit dem Regisseur über diesen und seine Erfahrungen gesprochen.

Wochenendkrieger16©NickPastucha
Orkhorden

LARP – komplexes Hobby in einer Geschichte eingebettet

Die Abkürzung LARP, sagt Andreas Geiger, habe er bewusst vermieden, als er Wochenendkrieger drehte. Den Anspruch, den er an seine Dokumentationen stellt, ist das jeder verstehen soll, ohne zu sehr mit Fachbegriffen konfrontiert zu werden. Sein neuer Film soll vor allem unterhalten und die Vielfalt des Liverollenspiels zeigen. Er soll Leute an dieses Hobby heranführen und ihr Interesse wecken. „Wenn selbst meine Mutter diesen Film verstehen würde, dann habe ich es richtig gemacht.“

Und unterhaltend ist der Film.

Im Laufe der 94 minütigen Dokumentation stellt der Filmemacher nicht nur die fünf Spieler in ihrem privaten Umfeld vor, sondern erzählt zugleich eine Geschichte, die ihre dargestellten Rollen miteinander erleben. Diese Geschichte ist in sich stimmig, wird jedoch erfahrene Liverollenspieler zumindest die Stirn runzeln lassen. Denn die meisten dieser Charaktere sind in der deutschen LARP-Szene bekannt.

Mehrere, zum Teil unabhängige, LARP-Cons mit komplett eigener Geschichte und Charakteren, welche nie etwas miteinander zu tun hatten, werden hier zu einem neuen Handlungsbogen verflochten. Aufnahmen von verschiedenen Veranstaltungen werden neu zusammengefügt und ergeben so, zusammen mit den Texten des Sprechers, eine ganz neue Geschichte. Diese ist allerdings gut erzählt und so kann ich auch den stirnrunzelnden LARPern nur raten, sich auf diese Geschichte einzulassen.

Dem unbedarften Zuschauer fällt dies alles aber nicht auf, zu gut ist dafür die handwerkliche Umsetzung des Films. Die Schnitte zeigen nur besonders aufmerksamen Zuschauern, dass an unterschiedlichen Orten gespielt wurde. Dies wird durch gutgemachte Überblendungen sowie eingefügtes Schwertgeklirr in den Kampfszenen verstärkt, welches zusätzliche Dynamik gibt. Und so kann man sich in der Tat in der nicht sehr komplexen, aber liebevoll erzählten Geschichte um die Elfenkönigin, die mit den Menschen und einem Erzmagier gegen eine finstere Macht kämpft, ein Stück weit verlieren.

Wochenendkrieger02©Axel Schneppat
Aniesha Fey – Herrscherin der Leere

Viel Rollenspiel, viel Themenvielfalt, aber wenig Tiefgang

Fast die Hälfte der Zeit nehmen, und darauf ist der Regisseur stolz, nicht gestellte Spielszenen ein. So bleiben allerdings auch gerade einmal 50 Minuten, um fünf Personen und ihre Ansichten zum Hobby Liverollenspiel zu portraitieren. Etwas wenig, das gibt auch der Regisseur zu. Das führt dazu, dass viele Themen maximal angerissen werden, ohne tiefgründig genug erläutert zu werden.

Allerdings ist das auch gar nicht der Anspruch, den Andreas Geiger an sein Machwerk stellt. Es soll nicht die Tiefen der einzelnen Thematiken ausloten, sondern eine grobe Übersicht bieten, womit sich Liverollenspieler beschäftigen, wie breit gefächert das Hobby sein kann.

Schade ist es dennoch, dass hierdurch einige Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen stehen bleiben. Zu leicht können uninformierte Zuschauer solche Meinungsäußerungen als Tatsachen wahrnehmen, ohne zu hinterfragen. Oftmals habe ich mich allerdings auch dabei erwischt, wie ich nicke und den Sprechern unumwunden zustimmend lächle. Präzise und auf den Punkt gebracht offenbaren sie viele positive Facetten des Liverollenspiels, sei es das Testen von Lebensentwürfen oder die Entwicklung von Selbstvertrauen, Gestik, Mimik oder das Akzeptieren und Einsetzen des eigenen Körpers.

Wiederum dem Fokus auf der erzählten Geschichte ist geschuldet, dass fast gar nicht weiter auf andere Rollen eingegangen wird, welche die fünf Hauptdarsteller in ihrem Hobby spielen. Einmal wird erwähnt, dass Chris bereits über 20 Rollen gespielt hat; einmal gezeigt, dass Sven auch eine andere Rolle darstellt. Auch andere Settings als Fantasy fallen fast komplett hintenüber. Vielleicht, so Andreas Geiger, bieten sich diese aber für einen zweiten Teil von Wochenendkrieger an. Interesse daran hätte er auf jeden Fall.

Spieler bei der Premiere
Spieler und Regisseur bei der Premiere

Das Portrait der Menschen hinter der Rolle

Mit der Darstellung der Lebensumstände der einzelnen Liverollenspieler möchte Geiger vor allen Dingen zeigen, dass im LARP die „Mitte der Gesellschaft“ zu finden sei.

Doch gelingt das dem Regisseur nicht besonders gut. Er schafft keinen umfassenden Blick auf die Personen, sondern beleuchtet nur einzelne Facetten. Nicole wird als früher oft kränkliche, unselbstständige Person dargestellt. Sven kommt schon fast als eigenbrötlerischer Sonderling rüber, der es vorzieht, allein in seiner Wohnung Warhammer-Figuren zu bemalen. Zudem wird er dann noch ca. 1 Minute lang frontal gezeigt, wie er ein Wanderlied singt, welches er, wie er selbst zugibt, gerne ab und an während der Arbeit singt, nur um seine Kollegen zu ärgern. Gregor wiederum wird vor allen Dingen auf seine Sexualität beschränkt.

Das ist nicht die Mitte der Gesellschaft, das ist das, was immer noch von der Mitte der Gesellschaft ausgegrenzt wird.

Generell scheint hier noch einiges im Argen zu liegen. So erreichten uns zumindest bisher einige Berichte über verzerrte Darstellungen und Unzufriedenheit mit der persönlichen Darstellung innerhalb der Dokumentation.

Wir werden an dieser Stelle weiter recherchieren und versuchen, mit allen Beteiligten zu sprechen, um unsere Leser dann auf dem Laufenden zu halten.

Untotes Fleisch
Untotes Fleisch

Fazit

Wochenendkrieger ist ein Dokumentarfilm, der mehr Unterhaltung als Informationen bietet. Für ein sanftes Heranführen an das Hobby Liverollenspiel bietet er eine gute Grundlage, doch sollte man nicht davon ausgehen, dass jemand genug Informationen aus dem Film ziehen kann, um dieses Hobby zu begreifen. Hierfür sind weitere Erklärungen nötig.

Handwerklich auf hohem Niveau gestaltet, mit ruhiger Kameraführung und schönen Soundeffekten, konzentriert sich der Film inhaltlich zu sehr auf die Geschichte, die der Regisseur erzählen möchte und lässt daher eine Menge interessanter Informationen wegfallen. Die gezeichneten Portraits der begleiteten Personen sind unvollständig und teilweise verzerrt, beinhalten allerdings auch viele gute und richtige Aussagen über das Thema Liverollenspiel.

Ein Film für Leute, die Hemmungen vor dem Hobby Liverollenspiel verlieren wollen oder eine leichte Fantasy-Geschichte suchen. Erfahrene LARPer werden vor allem bekannte und unbekannte Gesichter, schöne Bilder und Kämpfe sehen, aber nicht wirklich etwas Neues erfahren.

Daumen4Maennlich

Die zweite Meinung

von Holger Christiansen

Die wohl wichtigste Frage bei einer Dokumentation über ein relativ unbekanntes Hobby ist die nach der Zielgruppe. Während Die Herren der Spiele ohne Vorkenntnisse oder Begleitung durch Kenner der Materie kaum zu verstehen ist, richtet sich Wochenendkrieger eindeutig und auch gewollt an Menschen, die bisher wenig Berührung mit dem Thema hatten.

Und das tut der Film auch recht gut. Er überfordert nicht, bietet Einblick in die Lebensrealitäten von fünf völlig unterschiedlichen Menschen, die Liverollenspiel betreiben. Auch wenn die Szenen alle durchaus echt wirkten, sie zeigen nicht immer ein positives Bild der beteiligten Personen. Inwieweit hier Szenen so geschnitten wurden, dass ein verfälschtes Bild entsteht, werden wir auf jeden Fall prüfen.

Leider bleiben einige Aussagen, die selbst in dem recht spärlich besetzten Kino, in dem wir waren, für viel Verwunderung sorgten, einfach im Raum stehen. Sie kommen zwar fast alle von der gleichen der fünf Personen, aber es werden nicht direkt andere Aussagen der anderen Protagonisten entgegengestellt. Hierdurch kann durchaus ein falscher Eindruck erzeugt werden.

Auch die Tatsache, dass die erzählte Geschichte so in keiner der gezeigten Welten stattgefunden hat, stößt mir immer noch sauer auf. Ich hatte während des Filmes immer wieder einen Widerstand in meinem Kopf, der mich daran hindern wollte, das Geschehen für voll zu nehmen, einfach weil ich wusste, dass es so nicht war. Für die intendierte Zielgruppe ist das sicherlich kein Problem, aber auch diesen wird nirgendwo mitgeteilt, dass es sich nicht um eine „wahre“ Geschichte handelt.

Bei der Auswahl der Protagonisten fiel mir auf, dass es sich in mindestens vier der fünf Fälle um reine NSC-Rollen handelt. Und auch die Rolle, bei der ich es nicht sicher weiß (Lenora, Königin der Elfen), ist etwas eher Großes, Mächtiges, Geachtetes. Auch das wird aber nirgendwo erwähnt, so dass Einsteiger ein falsches Bild davon bekommen, was denn im Spiel anfänglich möglich ist. Auf Rollen, die nicht direkt etwas Großes sind, wird gar nicht erst eingegangen. Das verstärkt tendenziell das „zu viele Häuptlinge, zu wenige Indianer“-Problem, das im LARP sowieso bereits existiert.

Trotz dieser Mängel fand ich den Film insgesamt unterhaltsam und für die gedachte Zielgruppe auch gut gemacht. Wer schon immer seinen Eltern zeigen wollte, was Liverollenspiel eigentlich ist, der hat hier sicher einen brauchbaren Weg vor Augen.

Trailer

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Artikelbilder: Titelbild – Axel Schneppat, weitere: Nick Pastucha, Axel Schneppat (mit freundlicher Genehmigung der Gebrüder Beetz Filmproduktion Berlin GmbH & Co. KG), Fotografien der Premiere: teilzeithelden.de

5 Kommentare

  1. Ich hab zwar nun ein paar Jahre LARP-Pause hinter mir, aber der Trailer gefällt. Ich glaube ich muss mal ins Kino und meiner Freundin zeigen, dass sowas richtig Spaß machen kann *staubt die Orkrüstung ab* :)

  2. Nachdem ich gestern Wochenendkrieger gesehen habe, muss ich jetzt doch mal ein paar Worte dazu los lassen.

    Leider wurde es wieder einmal versäumt über unser schönes Hobby ein seriöse Dokumentation zu produzieren. Lieber wurde versucht mit reißerischen Elementen große Wellen zu schlagen anstatt vernünftig zu zeigen, wie vielschichtig unser Hobby ist. Im Vergleich zu „Die Herren der Spiele“, welches die Vielschichtigkeit sehr gut einfing, versucht „Wochenendkrieger“ rote Fäden zu spinnen, wo keine sind. So werden Bilder vom Utopion gezeigt und bis in den Abspann hinein behauptet, diese wären aus Brokeloh. Ohne weitere Bedenken werden zwei grundlegend unterschiedliche Cons wie das Epic Empires und das Conquest of Mythodea vermischt.
    Positiv finde ich, dass auf die Menschen hinter den Rollen eingegangen wird, dass wirklich schöne Portraits der Personen entstehen, auch wenn dies nicht unbedingt für jeden der fünf vorteilhaft war.
    Eine Dokumentation ist nicht dafür da um dem Zuschauer einen sanften Kinogenuss zu ermöglichen wie in einer Jennifer-Aniston-Liebeskomödie, sondern ein Bild von etwas zu zeigen, was einem unbekannt ist. Als involvierter Larper muss ich sagen, dass das hier gezeigte Bild gravierend abweicht von meiner eigenen Vorstellung über Larp und von dem Larp, welches ich spiele. Die Meinungen die teilweise von den Personen über Larp vertreten werden („In Führungspositionen sind nur Leute, die es im echten Leben zu nichts bringen“; „Larp muss schwarz-weiß sein, die Realität ist komplex genug, dafür brauch ich Rollenspiel“ o.ä.) sind absolut konträr zu meinen Gedanken und Erfahrungen über und mit Larp. Es werden immer wieder nicht hinterfragte Parolen raus gehauen, die dem mit Larp möglicherweise erfahrungslosen Zuschauen fertig serviert werden und so ein vollkommen falsches Bild von Larp zeigen. Ja, natürlich, dieses Larp gibt es auch, aber es ist nicht mein Spiel. Larp ist vielseitig, und das ist auch gut so, denn wäre Larp so wie in Wochenendkrieger gezeigt, würde ich es vermutlich nicht spielen.

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