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4658 Unterstützer auf Kickstarter können nicht irren. So viele kamen zusammen, als Monte Cook, der bekannte Autor von Dungeons & Dragons, Pathfinder und dem Planescape Multiversum, ein neues Rollenspiel vorstellte – sein erstes ganz eigenes mit neuem Regelsystem und einer innovativen futuristischen Welt. Der Rest ist Kickstarter-Geschichte. Numenera übertraf das angesetzte Ziel von 20.000 USD um das 26-fache, hielt eine Weile den Rekord im Bereich Rollenspiele und wurde nebenbei von einem einzelnen Buch zu einer ganzen Serie von Publikationen. Nun ist der erste und wichtigste Teil des Spiels fertig: das Grundregelwerk.

Die Spielwelt: Fantasy mit modernem Anstrich

Numenera soll neue Wege im Bereich der Science-Fantasy beschreiten. Das Setting liegt nämlich eine Milliarde Jahre in der Zukunft (nein, das ist kein Tippfehler). Trotzdem ist das Rollenspiel ‚nur‘ auf der Ninth World angesiedelt, einer bizarren Version der Erde, deren Landmassen zurück zu einem Superkontinent gedriftet sind. Der Name der Welt kommt von den acht vorhergegangenen Hochzivilisationen, deren Überreste überall zu finden sind: Winzige Nanoroboter fegen als Materie verändernder Iron Wind über die Oberfläche, die noch immer sendende Datasphere entlädt sich in zufälligen Bildern und Informationen und im Orbit kreisen intelligente Satelliten und Raumstationen mit längst vergessenen Aufgaben. Die Menschheit lebt im Schatten all dieser Dinge, zurückentwickelt zu einer archaischen Gesellschaft, die die allgegenwärtige Hochtechnologie für Magie und Wunder hält.

Numenera ist Schauplatz des Computerspiels Torment: Tides of Numenera, das ebenfalls über Kickstarter finanziert wurde und gerade von InXile Entertainment entwickelt wird. Es gilt als Nachfolger von Planescape: Torment, eines der beliebtesten Computerrollenspiel-Klassiker. Erscheinungsdatum ist voraussichtlich Anfang 2015.
Numenera sieht fremdartiger aus, als das Setting eigentlich ist.
Numenera sieht fremdartiger aus, als das Setting eigentlich ist.

Die Ninth World sieht nur auf den ersten Blick fremd aus. Wer genau hinschaut, erkennt wohlvertraute Fantasy-Klischees von wilden Ziegenmenschen (Margr), über Werwölfe (Thuman) bis hin zu selbstgerechten Drachenreitern (Angulan Knights). Das Setting erweitert die Stereotypen um neue Aspekte, um sie interessanter zu machen. Monte Cook überlässt dabei jedoch viel der Fantasie des Spielleiters und baut in den Beschreibungen der Artefakten und Kreaturen gern ein „Vielleicht“ ein. Das gibt natürlich mehr Freiheiten beim Konstruieren einer Kampagne, lässt aber viele Fragen offen und den Hintergrund leicht schwammig wirken.

Etwas gewöhnungsbedürftig ist auch die Verwendung von Aliens (Visitants) und Paralelldimensionen als Erklärungen. So sind die geisterartigen Abykos in Wahrheit transdimensionale Wesen, und die Festung der Order of Truth existiert verschoben in einer Nebendimension. Doch so absurd Numenera manchmal wirkt, so erfrischend ist es als Fantasy-Setting, das Orks und Dunkelelfen für Mutanten (Abhumans) und uralte Kriegsmaschinen eintauscht. Gruppen, die mal etwas anderes sehen wollen, finden in Numenera sicher genug Abwechslung.

Dafür sorgen auch die sechs Fraktionen, denen sich die Spielercharaktere anschließen können. Sie sind eigenständig und stimmig, hätten aber etwas mehr Beschreibung vertragen können. Auch fehlen hier auffallend die geistergläubigen Gaians, die Feinde der Order of Truth, die interessante Verbündete abgegeben hätten.

  • Order of Truth: Die altruistische Quasi-Religion der Aeon Priests, die Technologie verehrt.

  • The Convergence: Eine lose Sekte, die Artefakte zum persönlichen Machtgewinn einsetzt.

  • Angulan Knights: Ein selbstgerechter Orden von bewaffneten Richtern und Monsterjägern.

  • The Jagged Dream: Ein gefährlicher Kult, der die Menschheit durch Krieg voranbringen will.

  • The Redfleets: Schatzsucher und Händler auf hoher See, die Technik fürchten.

  • Sarracenians: Wissenschaftler, die Pflanzen, Gifte und Mutation verehren und studieren.

Die Beschreibungen der bekannten Welt sind dafür ausführlich gestaltet. Numenera spielt in Standfast, einem Landstrich, der in ein neues Mittelalter zurückgefallen ist, samt Bauernhöfen, Analphabetismus, feudalem Klassendenken und Sklaven. Hier herrschen neun zerstrittene Reiche, die mit Landschaft, Ortschaften, Regierung und lokalen Legenden vorgestellt werden. Sie ähneln am ehesten typischen Fantasyländern, samt dem paradiesischen, aber intriganten Adelsreich (Iscobal) oder dem früheren Imperium, das versucht, an seine einstige Macht anzuknüpfen (Pytharon). Der deutlich interessantere Teil der Ninth World ist das ebenfalls ausgestaltete Beyond, jenseits der natürlichen Grenzen von Standfast, wo freie Städte und Kulte um verlassene Maschinen gedeihen.

Die Regeln: W20 in einfach

Fähigkeiten und Charaktertypen erinnern stark an Dungeons & Dragons.
Fähigkeiten und Charaktertypen erinnern stark an Dungeons & Dragons.

Auch beim Regelsystem geht Numenera eigene Wege. Das Cypher-System benutzt einen W20 für Tests, setzt sich aber vom ähnlichen d20-System von Wizards of the Coast ab. So werden Schwierigkeiten in Stufen gerechnet, wobei jede Stufe mal drei den tatsächlichen zu erwürfelnden Wert ergibt (Schwierigkeit 4 = Testergebnis 12 oder mehr). Diese Umrechnung ermöglicht fein abgestimmte Boni trotz kleiner Wertespannen. Dazu setzt Numenera auf eine Pool-Mechanik, aus dem der Spieler jederzeit Punkte ausgeben kann, um per Effort die Schwierigkeit eines Tests zu reduzieren.

Die Regeln sind dabei schnell und während des Spielens kaum im Weg. Gerade die Sonderfähigkeiten sind übersichtlich und intuitiv gestaltet. Wie in fast allen Fantasy-Systemen sind natürlich die Tricks der Magier (Nanos) deutlich spannender als der ewig langweilige Rundum-Angriff der Krieger (Glaives), was jedoch dadurch ausgeglichen wird, dass jeder Charakter über eine Spezialisierung (Focus) Zugriff auf besonders beeindruckende Abilities hat. An solchen Stellen merkt man, dass Monte Cook versucht hat, alte D&D-Gewohnheiten aufzubrechen. Doch eingefleischten Spielern von Dungeons & Dragons und Pathfinder dürften Numeneras Regeln nicht ausgefeilt genug sein und zu oft auf den Spielleiter verweisen.

 Charaktererschaffung: Descriptor, Type und Focus

Die Spieler übernehmen in Numenera die Rollen von Abenteurern, die alte Ruinen der vorherigen Zivilisationen erkunden und nach Artefakten der Vergangenheit suchen. Monte Cook setzt auf Einsteigerfreundlichkeit und stellt den Spielern dazu ein Baukastensystem zur Verfügung, das Charaktere mit Descriptor, Type und Focus beschreibt.

  • Descriptor ist ein Adjektiv, das einen Vorzug des Charakters betont, etwa charming, clever oder stealthy. Es gewährt bestimmte Wertevorteile und Skills.

  • Types entsprechen Klassen, die Grundwerte vorgeben und den Fortschritt des Charakters über Abilities und Enablers ermöglichen, die er erlernen kann. Es existieren drei Types: Glaives sind Krieger, Jacks Diebe und Alleskönner und Nanos Priester und Techno-Magier.

  • Focus ist quasi eine Spezialisierung des Charakters, die ihm Zugriff auf besondere Abilities verleiht, etwa die Manipulation von Metall, Gedankenlesen oder das Formwandeln.

Die Charaktererstellung geht dabei schnell von der Hand. Charakterentwicklung findet hauptsächlich über zusätzliche Fähigkeiten statt, die (je nach gewähltem Type oder Focus) aus insgesamt sechs Machtstufen erlernt werden können. Tiers, Enabler, Type … hier zeigt sich eine unangenehme Eigenart von Numenera, nämlich das Neubenennen von so ziemlich jedem Systembegriff. Level, Klasse und Spezialisierung hätten es auch getan, zumal sich die einzelnen Elemente genau so verhalten.

Eine positive Eigenart von Numenera ist die Verbindung der Charaktererschaffung mit dem persönlichen Hintergrund. Bei der Wahl des Types muss sich der Spieler aus drei Vorschlägen Gedanken darüber machen, woher die Fähigkeiten seines ‚Helden‘ eigentlich kommen (z.B. Mutation, Training oder Naniten). Dazu legt die Wahl des Focus gleichzeitig persönlichen Hintergrund, Motivation und die Verbindung zur Gruppe fest. Das erleichtert unerfahrenen Spielern den Einstieg und stärkt die Identifikation mit dem Charakter.

Spielbarkeit aus Spielersicht

Nur für das Entdecken alter Artefakte und Geheimnisse gibt es Erfahrung.
Nur für das Entdecken alter Artefakte und Geheimnisse gibt es Erfahrung.

Die Regeln sind denkbar simpel, flexibel und schnell erlernt. Anfänger freuen sich über den über Tabellen generierten Hintergrund, der sogleich Verbindungen innerhalb der Gruppe und eine Motivation des Charakters miterstellt. Damit ist Numenera gut geeignet für Cons und One-Shot-Abende; nur erfahrene Rollenspieler werden dadurch aber eher eingeschränkt. Vielen Spielern kommt es auch entgegen, dass die Startcharaktere in Numenera schon fähig sind, gefährliche Abenteuer zu bestreiten. Die abwechslungsreichen Abilities und die Effort-Mechanik geben dabei das Gefühl, jederzeit eine Wahl bei den Handlungen zu haben.

Für Unmut in der Spielgruppe dürfte hingegen die Vergabe von Erfahrungspunkten (XP) sorgen. Diese gibt es nämlich nur für Entdeckungen von Numenera, den namensgebenden Überbleibseln der früheren Zivilisationen. Diese Verbindung ergibt zwar innerhalb des Hintergrundes Sinn, doch Dungeoncrawler wollen lieber Erfahrung für Kämpfe abstauben und Storyteller Fortschritte in der Geschichte belohnt sehen.

Auch die alternative Art des XP-Gewinns ist problematisch: GM Intrusion. Dabei kann der Spielleiter jederzeit negative Ereignisse eintreffen lassen, muss dem betroffenen Spieler dann aber 2 XP für seinen Charakter verleihen. Nimmt dieser an, gibt er sofort einen XP an einen anderen Charakter weiter. Der Spieler kann auch ablehnen und muss dann selbst einen Erfahrungspunkt ausgeben. Diese und andere Mechaniken, erinnern an erzähllastige Rollenspiele wie Fate, sind in Numenera aber weniger ausgereift. So können missgünstige Spielleiter etwa durch häufiges Eingreifen an kritischen Stellen Spielern Erfahrungspunkte abluchsen und deren Fortschritt behindern.

Spielbarkeit aus Spielleitersicht

Die fünf Abenteuer, die sich im Grundregelwerk finden, sind gut für Anfänger vorbereitet und ermöglichen Spielleitern einen bequemen Einstieg. Wer aber eine längere Kampagne plant, wird Arbeit und Zeit investieren müssen, um aus dem Spiels mehr als ein „Jäger der verlorenen Numenera“ zu machen. Immerhin bietet die Ninth World viele Ansatzpunkte und interessante Schauplätze. Der schwierigste Punkt ist dabei wohl, den richtigen Ton zu finden. In Numenera ist nämlich von düsterer Postapokalypse mit Horror-Elementen bis zum hoffnungsvollen Future-Fantasy um die Zukunft der Menschheit fast alles möglich. Zumindest Spielleiter, die Abwechslung mögen, wird das freuen.

Durch die vielen offenen Fragen und den fehlenden Metaplot steht und fällt eine Kampagne mit der Arbeit des Spielleiters. Numenera unterstürzt diese dabei immerhin durch das Kapitel Running the Game. Hier finden sich nützliche Tipps zur Verwendung von Regeln, Gestaltung von Abenteuern und Beschreibungen von Szenen. Besonders lesenswert ist der Überblick über die diversen Technologien des Settings, von Genetic Engineering bis Stellar Technology. Dazu verrät Monte Cook an dieser Stelle, warum die vergangenen Zivilisationen nicht beschrieben und ausgestaltet wurden. Sie sollen nur als Hintergrund dienen, aber stets mysteriös und fremd bleiben. Das klingt prima, ist aber nur noch mehr Arbeit für Spielleiter, die einen konsistenten Hintergrund wollen. Spielleiterwechsel werden damit verkompliziert.

„… The Ninth World […] is a strange place, not meant to be fully understood. The feel of the setting—the dark mood, the unsolvable mysteries, the unexpected turns, the unanswerable questions, and the enormous dangers—are far more important than the details.“ – Monte Cook

Erscheinungsbild

Numenera_CoverNumenera erscheint sowohl als Hardcover als auch als PDF auf stolzen 417 Seiten in Farbe. Es gibt kaum eine Seite, auf der nicht irgendwo eine Illustration, eine Skizze oder eine Charakterzeichnung zu finden wäre. Besonders lobenswert sind die Karten zur Weltbeschreibung sowie die Bilder zu fast allen vorgestellten Kreaturen. Trotzdem vermitteln die zahlreichen Illustrationen keine einheitliche Stimmung des Settings. Barbarenkrieger, Techno-Magier und blinde Dämonen mit Runenklingen wirken wie aus verschiedenen Systemen zusammengeklaubt und das Grundregelwerk ist damit vor allem eins: bunt.

Dank Farbcodierung der Kapitel, doppelten Spalten pro Seite und gefetteten Schlagwörtern lässt sich Numenera immerhin gut lesen. Ein breiter Rand liefert zusätzliche kurze Erklärungen und schlägt bei vielen Schlüsselbegriffen andere Seiten zur weiteren Lektüre vor – im PDF auch per direktem Link. Das ist bei dem Umfang des Rollenspiels auch nötig und wird durch einen soliden Index ergänzt.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Monte Cook Games
  • Autor: Monte Cook
  • Erscheinungsjahr: 2013
  • Sprache: Englisch
  • Format: PDF und Print
  • Seitenanzahl: 417
  • ISBN: 1939979005
  • Preis: 19,99 USD (PDF)
  • Bezugsquelle: DriveThruRPG (Klick)

 

Bonus/Downloadcontent

Ein Besuch auf der offiziellen Website lohnt sich. Hier stehen Charakterbögen, Hilfen zur Charaktererstellung und die Kurzgeschichte The Amber Monolith zum kostenlosen Download bereit.

Numenera Charakterbogen
Numenera Charakterbogen

Fazit

Numenera ähnelt dem Charakterbogen am Ende des Grundregelwerks – eigenwillig, etwas unübersichtlich und voller gut gemeinter Ideen. Als Storyteller gefallen mir die Möglichkeiten und Schauplätze verfallener Zivilisationen und die Geheimnisse der Numenera. Dabei wird das Bizarre und Fremdartige zum Thema erhoben. Eine einheitliche Stimmung und eine weniger absurde Ninth World hätten dem Spiel aber gut getan. Genetisch gezüchtete Kriegsmotten und Pseudo-Dinosaurier wirken einfach nur kitschig.

Wer ansonsten große Überraschungen von Numenera erwartet hat, oder auf ein zweites Planescape gehofft hat, wird enttäuscht werden. Viele Elemente sind nur Science-Fantasy-Übertragungen bekannter Sonderfähigkeiten, Klassen, Klischees und Stereotypen. Besonders die Länder von Standfast hätten abwechslungsreicher gehalten und die Fraktionen mehr ausgestaltet werden können.

Je öfter ich Numenera lese, desto mehr muss ich mir eingestehen, dass mich nur die Idee des Settings begeistert hat. Ich möchte mit einem Nano in alten Ruinen nach verborgenen Artefakten suchen, Cypher aus rostigen Maschinen stehlen und eine kleine Ahnung der untergegangenen Zivilisationen erhaschen. Doch genau hier gibt mir Numenera zu wenig an Informationen und Metaplot. Weit besser funktioniert es als bizarrer Hintergrund für Spielleiter mit eigenen Ideen, als Fantasy-Setting mit Zukunftsanstrich und für Spieler mit Sehnsucht nach Abwechslung.

Daumen4Maennlich

Artikelbilder: Monte Cook Games

 

 

 

27 Kommentare

  1. Eine interessante, gute Beschreibung.
    Mal abwarten, inwieweit sich das Rollenspiel über die Zahl derjenigen, die es im Kickstarter forcierten, hinaus durchsetzt.
    Momentan liest es sich etwas chaotisch, beinahe zwanghaft extravagant.

  2. Ich war einer dieser Kickstarter-Supporter. Und die Rezension gibt genau wieder, was ich über das Game denke. Endlich mal ehrliche Kritik anstatt nur Fanboyism sonst im Netz. Hoffentlich legt Cook mit Erweiterungsbänden nach. Das Grundregelwerk ist einfach nur meh.

  3. Wer mit missgünstigen Spielleitern spielt gehört mit Erfahrungspunkteabzug bestraft.

    Ich bin auch froh keine wirklichen historischen Abhandlungen zu lesen, da so jede Kampagne neu herausfinden kann warum etwas im aktuellen Zustand ist und wie es dazu kommen konnte.

  4. Das Rumgemäkel an der Intrusion mit missliebigen Spielleitern zu begründen finde ich etwas befremdlich. Dann könnte man auch eine Schadensmechanik mit dem gleichen Argument bemängeln. An Intrusion gibt es sicherlich genug zu kritisieren, aber das?
    Dagegen hilft ja wohl immer die goldene Regel, oder? Spiel nicht mit Arschlöchern!
    Ich sehe auch nicht das Argument mit den „erfahrenen Rollenspielern“ ein. Wer nicht mit den gegebenen Resourcen auskommt ( hier den Vorgaben der Charaktererschaffungsregeln), der ist ein wahrlich schlechter Rollenspieler. Sich blödige Charakterkonzepte aus dem Arsch zu ziehen hat nichts mit Erfahrung zu tun.
    Um jetzt aber nicht zu negativ zu werden: es ist ein knapper aber ganz anschaulicher Überblick über Numenera geworden.

  5. Ich finde schon, das das stimmt. Als Pathfinderspieler sind mir die Optionen in der Charaktererstellung zu eng und nicht flexibel genug. Ein schlechter RPler bin ich deswegen noch lange nicht!!!! Und die GM-Intrusion ist grauenhaft. Nein Danke. Ansonsten, schöne Rezension. Thx.

  6. Ich finde die Intrusion stellt das Konzept, von dem sie abgeleitet ist, auf den Kopf. Ein Spieler kann ja dem SL nicht anbieten, sich selbst eine Erschwernis zu geben, was ich schwach finde. Der GM hingegen ist ja dazu da, Spielern Herausforderungen zu bieten. Aber halt stimmige!

    Das Beispiel aus dem Buch zeigt, wie schwach das Konzept ist: „For example, in the middle of combat, the GM might inform the player that he drops his weapon. However, to intrude in this manner, the GM must award the player 2 XP.“

    Mit Fate hat das gar nichts zu tun. Will der GM in Fate einen Compel ausführen, so muss er sich auf einen Aspekt beziehen. Wenn der Charakter oder die Szene dann nicht einen Aspekt hat, dann wäre das an den Haaren herbeigezogen. Ja, man kann einen Fate-Punkt einsetzen, um einen missliebigen Compel abzuwehren, aber das Beispiel oben ist ja aus dem Buch und ist eigentlich nur „Mir ist grad was Fieses eingefallen, willste ’nen XP dafür?“ Und warum sollte ein anderer Spieler einen XP dafür erhalten, dass mir das Schwert aus der Hand fällt?

    Gute Rezi, man kann sich gut ein Bild verschaffen.

  7. Danke für Eure Kommentare. Einige Themen würde ich gern noch einmal aufgreifen.

    @Stefan: In Numenera ist eigentlich nicht vorgesehen, tatsächlich Wissen über die Vergangenheit zu sammeln. Im Spielleiterkapitel wird sogar empfohlen: „As soon as the players seem to understand something about the past, change it.“ (S.364).

    @Msch: Natürlich sorgt das Spielen mit missgünstigen Spielleitern an sich schon für Unmut. Umso schlimmer, wenn die Regeln solchen Spielleitern dann noch dabei helfen, die Spieler zu ärgern. Im Kapitel über Erfahrungspunkte findet sich folgender Abschnitt: „Experience points are meant to be used. […] if a player ever accumulates more than 10 XP at once, the GM can require her to spend some of them.“ (S.110). Das kann man natürlich auf mehrere Weisen lesen und muss nicht direkt auf Intrusion bezogen werden. Im schlimmsten Fall ermutigt es aber auch weniger missgünstige Spielleiter, die Erfahrungspunkte über starke Intrusion gering zu halten.

    • @Stefan:

      Den Spielern von Numenera wird durch den immer wiederkehrenden Verweis auf die Vergangenheit (Artefakte, Cipher, Ninth World etc.) suggeriert, sie könnten tatsächlich Informationen über vergangene Epochen erhalten; genau wie Calval, der Protagonist aus der einleitenden Geschichte „The Amber Monolith“. Aber anstatt einen konsistenten Hintergrund zu bieten, wird Spielleitern empfohlen, diese (selbstgeschaffene) Erwartungshaltung zu enttäuschen und dadurch die Vergangenheit der Ninth World von einem spannenden Element des Spiels zu einem willkürlichen Hintergrund des Science-Future-Settings abzuwerten.

      Hier hätte Numenera mehr leisten können, wenn schon nicht mit einem konsistenten Hintergrund, dann mit konkreten Vorschlägen / Varianten für den Spielleiter um ihn bei der Entwicklung eben jenes Hintergrundes zu unterstützen, den die Spieler sowieso einfordern.

    • Ich hätte auch lieber mehr Hintergrund gehabt. Wenigstens irgendwas über die vier vorhergegangenen Zeiten. Hoffentlich legen ja die Erweiterungsbände da nach.

  8. >> Im Spiel­lei­ter­ka­pi­tel wird sogar emp­foh­len: „As soon as the play­ers seem to under­stand some­thing about the past, change it.“ (S.364).

    Zusammen mit dem oben aufgeführten Zitat von Monte Cook hat das Spiel damit für mich schon einiges an Grundsympathie verloren. Ich hab mich nach der Orkenspalter-Videorezension fast geärgert, das Spiel nicht gefundet zu haben, jetzt bin ich eigentlich ganz froh drum.

    Es ist genau, wie Dirk sagt:
    >> Den Spie­lern von Nume­nera wird durch den immer wie­der­keh­ren­den Ver­weis auf die Ver­gan­gen­heit (Arte­fakte, Cipher, Ninth World etc.) sug­ge­riert, sie könn­ten tat­säch­lich Infor­ma­tio­nen über ver­gan­gene Epo­chen erhal­ten

    Den Eindruck hatte ich zunächst auch. Aber wie soll man denn coole Numenéra erfinden, wenn man nicht weiß, von wem sie stammen könnten? Das wirkt eher so, als hätte der Autor keine Lust gehabt, sich Gedanken über seine Hintergrundwelt zu machen, und es stattdessen mit dem Nimbus des Mystischen zu umhüllen. Ist ja auch leichter.

    Erinnert mich ein wenig an DSA, wo „unerklärliche“ Artefakte auch immer „aus der Zeit der Hochelfen/Magierkriege/Dunklen Zeiten“ (wobei, letzteres seit der Box nicht mehr so) stammen … ;)

  9. Ich habe nun anderthalb Abenteuer in einer Con-Runde mit dem Blechpiraten hinter mir. Das waren zehn sehr kurzweilige Stunden. Die Regeln waren dabei nicht das Problem, und die GM Intrusion mag für einige aus der Ferne wie ein Schreckgespenst wirken, in der Anwendung aber ist sie völlig unproblematisch. Unfaires SL-Spiel haben wir mit 16 Jahren zu den Akten gelegt. Da macht es also nichts, wenn die Intrusionregel nicht FATE-artig durchgestylt ist. Tatsächlich war es immer ein Ereignis, wenn mal wieder die 1 gewürfelt wurde – das ist der Moment, in dem die Intrusion greift, ohne dass der SL 2XP ausgeben muss. Für die

    Was mich persönlich am Hintergrund gestört hat, ist meine Schwierigkeit damit, mir konkret vorzustellen, wie zur Hölle 1W6 Cypher, die bis gerade eben noch völlig fremdartig wirkten, nach einer gelungenen Identifizierungsprobe plötzlich en detail bestimmt werden können. Die Teile gelten als Magie und Wunder, eigtl weil sie nicht verstanden werden können. Wie man dann mit einem Mal von einem „glasartigen Behältnis mit einer durchsichtigen Flüssigkeit“ auf „In die Blutbahn injiziert, bildet das Mittel Sprengstoff aus. Das Opfer wird in bälde explodieren.“ (frei zitiert) wird, erschließt sich mir einfach nicht. (Vor Ort hat man mir übrigens mehrfach widersprochen. Das sei doch gar nicht so schlimm. Daraus schließe ich, dass das Konzept nicht zweifelsfrei kritisch ist.) Ich hätte hier gern eine Verschwammisierung der Analysemöglichkeiten, die mir das System aber auch in Zukunft nicht geben wird. Alternativ hätte ich gern eine bessere Erläuterung, wie es zu solchen Informationssprüngen kommt, und vielleicht wird mir dies das System in Form des Technologiebands ja bieten?

    Davon abgesehen mag ich den Hintergrund allerdings. Gerade unter der Beachtung dessen, dass wir hier ein GRW vorliegen haben, ist die Welt mE sehr gut beschrieben. Näheres gibt es dann im Hintergrundband.

    Ich freue mich sehr auf weitere Numenéra-Runden!

    Im Übrigen kann man mich mit Kickstartern jagen. Ich habe auch hier nicht teilgenommen und falle damit nicht unter Renes „Fanboyism“.

  10. Ich sehe offen gestanden nicht wo ich als Spielleiter sonderlich viel Arbeit zu investieren hätte. Numenéra ist genau für das Gegenteil geschrieben worden. Du hast nahezu keine Vorarbeit zu leisten. Lediglich ein paar Notizen, etwas Fantasie und es kann los gehen. Wer die entsprechende Vorstellungskraft nicht mitbringt, oder gar nach einem Metaplot verlangt, hat sich hier deutlich im Spiel vergriffen. Das Numenéra Einsteiger ansprechen möchte, halte ich daher stark für ein Gerücht.

    • Ich hab Numenera gebackt und stimme nach Lesen des Regelwerks dem Artikel zu. Kein einheitliches Wort zu den vergangenen Epochen; ein Artefakt hier, eine Andeutung da und dann dieser grässliche Satz als Aufforderung seine eigenen Spieler zu verallbern – für einen Rollenspieler wie mich eine totale enttäuschung. Als bizarrer Sandkasten ganz nett, aber dafür brauche ich Numenera echt nicht. Das machen andere Rollenspiele deutlich besser.

  11. Ja genau diese Welt mach keinen Sinn. Wo kommen denn bitte die Ruinen her? Ich würd mir die von der letzten Civilisation grad noch gefallen lassen, weil die ja grad mal 1000 Jahre her sein könnte. Menschliche aktuelle Geschichtsschreibung ist bei etwa 900 Jahren in Numenera. Aber Ruinen die hunderte Millionen Jahre alt sein sollen? Also bitte… Die Erde wurde mehrmals geterraformed, im Weltall verschoben und warcheinlich durch irgendwelche Parallelwelten geballert und da sollen dann Ruinen übrig bleiben? Also entweder Dinge vergammeln oder eben nicht. Aber eine Ruine ist es dann nicht.

    Numenera soll die Spieler in Ruinen rumkraxeln lassen, die von Wesen hinterlassen wurden die 1000 mal intelligenter waren als alles was wir uns jetzt vorstellen können. Also vergleichbar mit einer Gruppe Kühe die in einer seit 20000 Jahren verlassenen heutigen Stadt rumlaufen. Eine Kuh hat auch nicht den Horizont vom Bauer. ( Spielleiter so: „Um eure kleine Herde sind seltsame Steinformationen aus seltsamen Materialien. Rumkauen könnt ihr nur auf dieser Platiktütete. Intervention! Speedcheck oder du trittst in die Glasscherben…“)
    Ist eine lustige Idee, nur dann wäre ein Mechanismus im Regelwerk nötig der uns dieses simulieren lässt. Der fehlt aber.
    Das wäre auch eine richtige künstlerische Leistung!

  12. Numenéra dreht sich weniger darum, wie die Vergangenheit war und sich deren millionenjahrealten Überbleibsel im Kontext zueinander verhalten, sondern darum, was die Spieler mit den gefundenen und entdeckten Wundern aus ihrer Gegenwart oder Zukunft machen.
    Ferner: es ist Science-Fantasy. Sich darüber zu mokieren, daß ja nach so vielen Zeitaltern nix mehr an Ruinen übrig wäre, ist ebenso fehl am Platze wie sich über die physikalischen Unhaltbarkeiten der D&D-Magie aufzuregen.
    Jeder SL kann seine Ideen über mögliche Zusammenhänge früherer Epochen selbst gestalten. Nur so kann auch ein Tenor des Geheimnisvollen und „Unvorstellbaren“ bewahrt werden. Ein einmal festgelegter Kanon wird am Ende ein Spiel wie dieses töten.
    Für mich war und ist Numenéra ein warmer Regen auf die ausgedörrten Ork-Elben-Zwerge-Trampelpfade pseudoeuropäischer Mittelalter-Fantasy-Gebilde. Nicht der einzige, ein aber ein besonders schöner.

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