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Früher reichten Bleistift, Papier und Würfel zum Spielen. Atmosphäre wurde durch gute Beschreibungen erzeugt und die einzigen Geräusche waren das Kratzen beim Ausradieren der Lebenspunkte und das leise Kichern des Dungeonmasters hinter seinem Sichtschirm. Doch heutzutage passen Tablet-PCs in jede Spielleitertasche, besitzen mehr Rechenleistung als mancher Heimcomputer und unterstützen die Spielerfahrung. Der größte Vorteil ist dabei der Soundtrack! Stimmige Hintergrundmusik ist angenehm und unterstützt das Einfühlen in die Spielwelt. Doch das ist nur ein Bruchteil der Möglichkeiten, die einem Spielleiter zur Verfügung stehen …

Der Intro-Song

Concerning Hobbits
Concerning Hobbits – Reinhören

Jede Fernsehserie, die etwas auf sich hält, hat eine Titelmelodie, ein kurzes Musikstück, das Wiedererkennungswert hat und den Zuschauer einstimmt. Im Rollenspiel funktioniert das nicht anders. Konsequent zu Beginn jedes Spielabends eingespielt, markiert es deutlich den „bitte Gequatsche einstellen;  wir fangen jetzt an!“-Zeitpunkt. Dazu hilft es Spielern, den Alltag hinter sich zu lassen, sich auf die eigene Rolle einzustimmen und sich an die Ereignisse der letzten Spielsitzung zu erinnern. Songs mit prägnantem Anfang sind besonders effektiv und rufen stärker Erinnerungen und Grundstimmung des Spiels ins Gedächtnis. Nur auf musikalische Klassiker sollte man verzichten (also nicht gerade Concerning Hobbits, wenn das Setting nicht Mittelerde und Auenland heißt).

Thematischer Soundtrack

Dass viele Rollenspiele sich bekannten Settings bedienen, ist ja kein Geheimnis – etwa A Song of Ice and Fire (Game of Thrones), The One Ring (Herr der Ringe) oder Edge of the Empire (Star Wars). Diese Verbindung sollte man sich auch musikalisch zu Nutze machen, indem man die originalen Soundtracks verwendet. Keine andere Musik stimmt so gut auf ein Setting ein, wie die Songs, die die Spieler aus Kinofilmen und Fernsehserien im Kopf haben. Acht Akkorde aus John Williams legendärem Star Wars Main Theme und die Spielgruppe ist zu 100 Prozent im Krieg der Sterne. Ergänzt werden können die Soundtracks aus Film und Fernsehen durch Videospielmusik, die es zu so gut wie jedem namhaften Setting gibt. Der Vorteil liegt auf der Hand: Soundtracks sind für die Stimmung geschrieben, die das Setting transportieren möchte und bestechen durch hohen Wiedererkennungswert. Das Problem ist nur, dass ein Album aus einem guten Dutzend Tracks kaum für jede Szene am Spieltisch passt, selbst, wenn der Spielleiter die einzelnen Tracks gezielt auswählt.

Die Hintergrundmusik-Bibliothek

Während bekannte Soundtracks perfekt für Intro-Songs und epische Momente des Rollenspiels sind, besteht ein Großteil eines Spielabends aus Gesprächen, alltäglichen Abenteuern oder Kämpfen. Hier lohnt es sich, als Spielleiter eine Reihe unscheinbarer Songs zu suchen, die auf diese Situationen passen. Sie sollen im Hintergrund zu hören sein und die Stimmung untermalen, ohne zu aufdringlich zu wirken. Gleichmäßige Lieder ohne Gesang sind hier am besten geeignet und sollten sich gut in Dauerschleife wiederholen lassen, da einzelne Szenen im Rollenspiel recht lange dauern können.

Besonders lohnend ist Hintergrundmusik in Situationen, in denen die Spielercharaktere stark involviert sind, etwa dem Kampf oder einem romantischen Augenblick.

Erdenstern - Reinhören
Erdenstern – Reinhören

Natürlich ist Sammeln angesagt, bis man ausreichend Musik zusammen hat um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein. Hier kann auch ein Blick in speziell für Rollenspiel geschriebene Instrumentalstücke nicht schaden, etwa die Erdenstern-Alben, deren Alben nach Themen sortiert und deren Titel bereits mit assoziierten Stimmungen und Szenen benannt sind.

Am Ende der Arbeit steht eine Stimmungs-Bibliothek, mit der man auch unvorbereitet Rollenspiele untermalen kann. Spätestens jetzt sollte der CD-Player gegen einen Laptop eintauscht werden, auf dem die Songs der eigenen Bibliothek jederzeit aufrufbar sind. Eine gute Benennung und Sortierung sind hierbei das A und O, denn wer eine Spielpause einlegt, um das „eine Lied, das hier irgendwo sein muss“ zu finden, schadet der Stimmung mehr, als die Musik geholfen hätte.

Mit Stimmungsmusik lässt sich dabei aber nicht nur eine Szene untermalen, sondern auch gezielt Stimmung erzeugen. So kann der Spielleiter etwa schon vor einer Szene ein gruseliges Lied einspielen, um den Spielern ganz ohne Worte zu vermitteln, dass an diesem ansonsten unscheinbaren Ort etwas nicht stimmt. Dabei ist auch Stille eine wichtige Option. Spielszenen, in denen der ansonsten gewohnte Rollenspiel-Soundtrack wegfällt, wirken auf Spieler oft intensiver.

Szenen-Musik

Während ein Spielleiter mit einer gut sortierten Stimmungs-Bibliothek einen Großteil der Rollenspielabende bestreitet, gewöhnen sich Spieler natürlich an „das Tavernenlied“ oder „das Kampflied“. Hier helfen regelmäßiger Wechsel und alternative Songs für dieselben Stimmungen. Besonders schwer wird es trotzdem, wenn man an einem Wendepunkt einer Kampagne ein herausragendes Ereignis untermalen möchte. Dankbarerweise sind solche wichtigen Szenen (meist) im Voraus geplant und der Spielleiter hat so Zeit, sich nach einem passenden Lied umzusehen. Diese Szenen-Musik sollte auffälliger sein als Hintergrundmusik und – natürlich – möglichst gut zur beschriebenen Szene passen. Anders als bei Stimmungsmusik ist hier Gesang von Vorteil, da er im Kontrast zur ansonsten gespielten Instrumentalmusik den besonderen Charakter des Geschehens betont. Erfahrene Spielleiter können hier sogar bekannte Songs benutzen, um über Assoziationen einer Szene einen unausgesprochenen Unterton zu geben; etwa die unfreiwillige Komik einer Verfolgungsszene durch das Indiana Jones Theme. Dabei besteht nur das Risiko, das die Spieler aus der Rolle fallen und die Immersion leidet.

Das Heldenlied

malukah
Das Heldenliend – Malukah – Reinhören

Nicht nur das Rollenspiel oder die Szenen können mit speziellen Musikstücken bedacht werden, sondern auch die Charaktere. Gerade im Fantasyrollenspiel ist das Heldenlied beliebt, das immer dann eingespielt wird, wenn das eigene Alter Ego etwas besonders heldenhaftes tut. Viele Spieler haben großen Spaß daran, sich das eigene Heldenlied herauszusuchen und dieses dann im Spiel zu hören – sind aber entsprechend enttäuscht, wenn eben dies nicht passiert. Hier geht der Spielleiter also eine gewisse Verpflichtung ein, wenn er mit dieser Art der Musik spielt.

Auch für wichtige Nichtspielercharaktere lassen sich Heldenlieder finden, die dann bei einer Begegnung einen Wiedererkennungswert geben. Doch sollten Spielleiter gerade hier sparsam mit Musik umgehen. Nicht jeder Hufschmied braucht ein eigenes Thema und das hektische Anspielen von Songs bei jeder zweiten Begegnung kann tatsächlich nervig sein.

Soundeffekte

Wie Musik, so können auch Soundeffekte ein Rollenspiel bereichern. Anstatt Stille oder Hintergrundmusik bei einer Rast der Abenteuergruppe, könnte etwa ein Gewitter eingespielt werden. Leider sind diese Hintergrundsounds umso schwerer zu finden, je spezieller eine Szene ist. Tavernengeräusche bei Gewitter mit zwei bellenden Hunden? Keine Chance. Natürlich könnte man hier durch spezielle Programme die gewünschte Soundkulisse selbst zusammenmischen. Doch diese Arbeit kostet einen Spielleiter für gewöhnlich zu viel Aufmerksamkeit, worunter dann Beschreibungen oder Dialoge der NSCs leiden.

Ein guter Einsatz von Soundeffekten sind aber besondere Momente, in denen diese Geräusche wichtig sind, etwa ein Schuss in völliger Stille oder der Schrei eines Drachens bei seinem ersten Erscheinen. Besonders Horrorrollenspiele profitieren von solchen Sounds, da konstanter Musikeinsatz hier das Gruseln stören kann. Auch muss nicht jedes Geräusch elektronisch erzeugt werden – auch das laute Klopfen des Spielleiters auf Holz kann im richtigen Moment Gänsehaut erzeugen.

Grenzen der Musik

Wer heutzutage Boxen mit an den Spieltisch bringt, trifft mit Sicherheit auf Mitspieler, die über Computerspiele und Kinofilme längst gewohnt ist, Musik zur Unterhaltung zu genießen.

Dabei lenkt man natürlich einen Teil der Aufmerksamkeit der Spielrunde auf das, was es zu hören gibt. Und das kann auch nach hinten losgehen. Steht der Spieltisch in einem Raum mit dünnen Wänden, neben dem laut ein Fernseher läuft, sollte man auf Musik und Sound lieber verzichten.

Solche Störgeräusche lassen sich besser ignorieren, wenn sich die Spieler ganz auf das Gesagte am Spieltisch verlassen können. Sie dauerhaft ins Rollenspiel einzubinden („ihr hört nebenan einen lauten Fernseher“) wird für einen ganzen Spielabend kaum gelingen. Auch auf Conventions ist Musikeinsatz vergebene Mühe. Hier stehen die Spieltische oft so gedrängt beieinander, dass man eh kaum sein eigenes Wort hört und mit den eigenen Boxen nur die Gruppe am Nebentisch ärgert. Auch die Stromzufuhr für den Laptop ist alles andere als gesichert. Da heißt es dann zurück zu den Wurzeln von Bleistift, Papier und Würfeln.

Dass Spielen ohne Musik und Sound regelmäßig auf Cons rund um den Globus funktioniert, beweist, dass beides zwar nettes Beiwerk ist und zusätzliche Spielmöglichkeiten eröffnet, dass man im Zweifelsfall auch darauf verzichten kann.

Auch im Jahr 2013 entsteht Rollenspiel aus der Fantasie und dem Zusammenspiel von Spielern und Spielleiter. Nur ist das manchmal eben doch mit dem passenden Lied schöner.

 

 

Artikelbild: Stefanie Blum

11 Kommentare

  1. Sehr schöner Artikel. :)
    Danke Herr Kollege.
    Ich habe die Ehre Roger beim Versuch das Beschriebene umzusetzen beobachten zu dürfen ;)

  2. Soundtracks aus Spielen funktionieren meiner Erfahrung nach am besten.

    Die meisten filmbasierten Lieder sind oft aufgrund ihrer Stimmungsschwankungen und Diversität denkbar ungeeignet als Ambience, werden oft von den Spielern erkannt und reißen so ständig aus dem Spiel.

    Mit den deutschen Rollenspielmusikprodukten werde ich nicht warm. So leid es mir tut, aber die Meisten – und da ist Erdenstern sehr weit vorne mit dabei – klingen einfach nur extrem billig. Mir kräuseln sich da oft genug die Fußnägel und solcherlei Gedudel zerstört bei mir alle Atmosphäre.

    Die meisten Spieler sind da erfahrungsgemäß nicht so empfindlich.

    • Bei uns ist es genau umgekehrt. Genug Zocker hier, die fallen bei Spielmusik raus. Filmmusik ist denen egal.
      Und WTF hast du gegen Erdenstern? Fußnägelkräuseln? Das krieg ich bei vielen billigen Game-Soundtracks. Aber Erdenstern? Echt jetzt.

    • Stefan ist wohl einfach tatsächlich empfindlich. Wir spielen auch gern mit Filmmusik und Erdenstern. Jedem das, was er mag. Ich mag jedenfalls die Übersicht. Thx.

    • Stefan, kennst Du eigentlich Schneideprogramme? Was einem an Filmmusik nicht passt, kann man selbst wegschneiden. Aber das wäre ja natürlich Arbeit. Wir jedenfalls haben tolle Rollenspiele mit Gladiator OST gehabt. Erdenstern kenn ich nicht, werd aber mal reinhören.

  3. 5 years: Ralf Kurtsiefer has been drawn to fantasy music since five years. Through films, audiobooks,roleplays…. His enchanting sounds take the listener on a journey into the world of imagination. Meanwhile he convinced well-known publishers and authors of his musical talent. A true highlight was the Radio Rivendell award as „Best Independent Artist“ in the year 2013. His journey started with the soundtrack of „Leuenklinge“, with „MusicaMyrana“ and „Ätherklänge“ from Space 1889 and won’t end yet. Further projects will come. Let him surprise you and follow the Orkpack on the facinating tour through the worlds.
    5 worlds: Past, present or future – music is boundless.The Orkpack has its pockets full of magical sounds, that will take you to Aventurien, Myranor, Caera, Lorakis, well even to Mars! You can not only encounter lizards in a wild jungle. You can also revel in a tavern, dance at court, listen to the prophecy of a true Sphinx, or loose your way in the deep dark forest. Take care in the garden of evil and flee with the airship! So shall you escape the darkness and enjoy the hustle and bustle. Lean back, close your eyes. Your journey begins here and now…

    https://soundcloud.com/ralfkurtsiefer/medley-fantasy-ambience-new-record-from-orkpack

    https://www.youtube.com/watch?v=OKQ9TSngq0U

    https://orkpack-public.sharepoint.com/

  4. Mich würden Beispiele für Programme interessieren, welche sich gut eignen um Hintergrundmusik und Effekte (Wetter, Tavernengeräusche, einzelne Dinge wie ein eingespielter Schrei oder ähnliches) leicht und übersichtlich verwalten und parallel bzw. in Loop oder nacheinander abspielen lassen.

    Hat da jemand Erfahrung?
    Gerne (zusätzlich) auch auf anderen Plattformen als Windows

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