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Einen mutigen Schritt wagten die Organisatoren des Broken Crown 1: die geborstene Krone (BC 1), als sie sich dazu entschlossen, etwas Neues auszuprobieren. Dabei waren die Grundzutaten, die sie nutzten, gar nicht mal so fremd: Verschiedene SC-Lager, die mit- oder gegeneinander arbeiteten und vom Hintergrund her für jeden etwas boten, ein toter König und Fürsten, die nach der Macht griffen. Dazu ein paar Intrigen und Verschwörungen und fertig scheint das Rezept zu sein. Einfach erklärt, kennt man alles, oder?

Doch hier hören die Gemeinsamkeiten mit Bekanntem auch schon auf. Denn die Mixtur wurde zu etwas komplett eigenem und vor allem ein Element des Konzeptes machte diese Con einzigartig: das Sandboxing.

Doch der Reihe nach.

Lagergespräche
Lagergespräche

Der König ist tot, es lebe der…. Ja, wer eigentlich?

Vom 04. bis zum 07. Juli fand dieses Jahr auf dem Utopion-Gelände in Bexbach (SAR) das BC 1 statt. Das Utopion-Gelände ist bekannt dafür, eine wunderbar vielfältige Natur zu bieten, die perfekt für LARP jeder Größe ist. Bereits fest installierte Sanitäranlagen sowie komplett bespielbare Häuser gehören zum Gelände dazu und machen es, abgesehen von seiner nicht gerade zentralen Lage, zu einem der schönsten und beliebtesten LARP-Gelände Deutschlands. Auf ebendiesem Gelände wurde für vier Tage das Land Ulshar erschaffen.

Ulshar ist aufgeteilt in einzelne Fürstentümer, welchen jeweils ein bestimmtes kulturelles Thema zugeordnet ist. Während Ulshar und Tulenin sich eher dem typischen Fäntelalter-Rittertum zuwenden, ist Aquilien sehr stark geprägt von Prunk und Kaufleuten, wie man sie im Venedig der Renaissance finden konnte. Im rauen Kalden sind ebenso raue Nordmänner beheimatet und in Makrabar findet man alles, was mit Asien zu tun hat. Zuletzt sei noch das Khanat Hassar zu erwähnen, das zwar kein Fürstentum Ulshars ist, aber eine eigenständige Fraktion, welche an Reitervölker wie die Mongolen angelehnt ist. Mit viel Kreativität und Liebe zum Detail arbeiteten die einzelnen Lager-Orgas im Vorfeld die Hintergründe ihrer Fürstentümer und wie man diese am besten an den Mann oder die Frau bringen könnte aus. Das alles resultierte am Ende in unterschiedlich großen Lagern, welche alle eine eigene Identität besitzen – sei es die große Tafel bei den Kalden, der Nudelwagen der Makrabari oder das Maskenfest in Aquilien.

Als Spieler konnte man sich nun einerseits einen Gastcharakter spielen – also einen bereits bestehenden Spielercharakter, der das Land besucht und sich aus eigenen Gründen einem der Fürstentümer anschließt. Die Alternative war, einen Hauscharakter zu bespielen. Einen Hauscharakter zu spielen heißt, sich in Zusammenarbeit mit der Orga einen Charakter zu erschaffen, der aus dem Land Ulshar stammt und so dieses geschaffene Land sehr viel lebendiger erleben lässt. Insgesamt kamen über 320 Haus- und Gastspieler dem Aufruf der Fürsten Ulshars nach, ihnen zu folgen.

Der Anlass, der sie alle zusammenkommen ließ, war der Tod des Königs. Es folgten die feierliche Verbrennung seines Leichnams und die Untersuchungen bezüglich seines Todes beziehungsweise Verhandlungen, wie es nun weitergehe. Es galt also ein Machtvakuum zu füllen, und jeder der Fürsten hatte seine eigenen Pläne, die es umzusetzen galt.

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So weit, so gut. Nun jedoch kommt der Twist der Sache: Anstatt den Leuten, wie sonst üblich, einen Haufen an größeren und kleineren Plots zu geben, die es zu lösen gilt und auf ein geplantes Ende hinzuarbeiten, waren die Spieler größtenteils sich selbst überlassen. Was sie taten, wem sie halfen, welche Intrigen sie sponnen, das alles lag bei Ihnen. Sandboxing heißt das Ganze, und das BC 1 war die erste Con, die dieses Konzept bei einer Größe von mehreren hundert Spielern umgesetzt hat.

Ich baue einen Sandkasten

Wie Sandboxing im Tischrollenspiel funktioniert, was für Vor- und Nachteile es hat, das haben wir Teilzeithelden bereits hier einmal beleuchtet.

Im LARP gewinnt das Ganze noch an Tiefgang, da hier nicht nur eine Spielergruppe im Sandkasten spielt, sondern ALLE Spieler miteinander agieren. Sehr viel direkter nimmt man so Einfluss auf die Welt, kann nun wirklich eine einzelne Aktion die Zukunft aller im Spiel beeinflussen.

Oftmals habe ich gehört, dass dadurch die Orga doch viel weniger zu tun hätte. So müsse man sich keine großen Plots ausdenken, keine epischen Geschichten schreiben, sondern könne alles in Ruhe den Spielern überlassen. Ich selbst sehe das Ganze etwas anders. Durch meine Arbeit als Spielleitung auf der Veranstaltung habe ich einen guten Einblick bekommen, was genau an Anforderungen an eine Orga auf einem Sandbox-LARP gestellt wird. Zum einen muss man sehr viel flexibler sein und eine sehr viel intensivere Kommunikation untereinander pflegen. Man kann nicht vorausplanen, wie Spieler reagieren werden, was sie tun werden und muss so sich selbst, sein Vorgehen und damit auch die NSC immer wieder an das Geschehen anpassen. Einer der kritischsten Punkte ist hier vor allem die Vorplanung des Settings. Das Bild des Sandkastens verdeutlicht es sehr gut. Als Orga baue ich den Sandkasten, schütte den Sand hinein und platziere vor allen Dingen die Förmchen. Welche Förmchen ich aber wie am Anfang platziere, damit alle Spieler im Sandkasten möglichst viel Spaß haben, ist eine sehr schwierige Sache – gerade dadurch, dass sich die Anordnung sehr schnell ändern kann und ich nur begrenzt Einfluss nehmen kann, ohne das offene Setting eines Sandkastens zu gefährden und wieder in die Linearität von plotgeführten Abenteuer-Cons abzurutschen.

Was hier wohl geplant wird?
Was hier wohl geplant wird?

Wenn sich nichts bewegt

Hiermit kommen wir auch zeitgleich zu einem der größten Risiken, die solch ein Konzept mit sich bringt: die Stagnation. Das Konzept ist fast komplett spielergesteuert. Es gibt weitaus weniger spieltreibende Mittel, die die Spieler dazu zwingen, etwas zu tun. Es kommt kein Dämon, der die Welt vernichten will, keine NSC-Armee von Untoten, die das kleine Dorf zu überrennen droht. Wenn die Spieler einfach nichts tun, passiert genau das: nichts. Auf dem Broken Crown 1 war genau dies anfänglich der Fall, was auch zu einem der größten Kritikpunkte von Seiten der Spieler wurde: Es passierte nichts. Hierbei hatten die Spieler allerdings nur nicht begriffen, dass sie nicht durch Plots zu ihrer Bespaßung geführt wurden, sondern selbst für diese verantwortlich waren. Zu fest waren in den Köpfen der LARPer die starren Strukturen von Abenteuer-Cons verankert, zu wenig Eigeninitiative wurde gezeigt … zumindest am Anfang. Ein Sandbox-LARP braucht also reifere Spieler, die sich ihrer Verantwortung für den eigenen Spielspaß und den der anderen bewusst sind. Ein solches LARP zu veranstalten ist daher, besonders in der Größenordnung des Broken Crown, ein Tanz auf dem Vulkan. Es kann sehr gut funktionieren, es kann aber auch sehr leicht schief gehen. Die BC-Orga hat diesen Tanz zwar mit einigen Macken, aber dennoch gut gemeistert. Nachdem die Erkenntnis bei den Spielern durchgesickert war, dass man frei agieren kann, kamen sie in Schwung. Dann gab es gestohlene Kronen, Intrigen, Feindschaften. Später kamen Doppelagenten ins Spiel, folgten Attentate und Entführungen kurz nacheinander. Kurzum all das, was man schon von Anfang an erwartet hatte.

Zudem nutzte die Orga noch einige Drehschrauben, mit denen sie neue Informationen zu taktischen Augenblicken ins Spiel brachte, die die Spieler anregten, aktiv zu werden.

Auf dem Rücken von edlen Reittieren
Auf dem Rücken von edlen Reittieren

Was die Zukunft bringt

Am Ende hatte Ulshar zwar keinen neuen König, aber wurde zumindest der Mord am alten König aufgeklärt (oder doch nicht?) und ein Königsrat gebildet, der im Laufe von einem Jahr einen neuen König ernennen sollte. Dies alles war nicht geplant, dies alles ist nur durch das entstanden, wofür die Spieler sich entschieden haben, durch das, was sie getan haben. Und sie wurden angefixt. Und dementsprechend ist es auch nicht verwunderlich, dass es nächsten Juni das Broken Crown 2 – Das zerborstene Land geben wird und bis dahin sogar mehrere „Vorcons“ der einzelnen Fürstentümer geplant sind.

Fazit

Sandboxing ist ein Werkzeug, das ein LARP vor ganz neue Herausforderungen stellt und die Spieler stark fordert. Vielen wird dies anfänglich zu viel bzw. zu wenig sein, sind sie es doch gewöhnt, zumindest weitestgehend geführt zu werden. Hier müssen sie komplett selbst aktiv werden. Doch wenn man sich darauf eingelassen hat, dann entdeckt man ganz neue Möglichkeiten. So hat man wirklich das Gefühl, nicht Teil einer Geschichte zu sein, sondern die Geschichte selbst zu schreiben. Dessen muss man sich vor allem als Orga bewusst sein. Wenn man jedoch die Kontrolle aus der Hand geben kann, wird man überrascht werden, was die Spieler mit den ihnen gereichten Förmchen doch für tolle Figuren in den Sand bauen können. So wird im Endeffekt aus dem Sandkasten der Orga und der Kreativität der Spieler zusammen genommen etwas ganz Neues und Größeres geboren. Man braucht nur Mut!

Artikelbilder: Michael Burandt, 04.-07.07. 2013 , Bexbach, Utopion-Gelände 

 

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