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Es gibt immer wieder jemanden in Rollenspiel-Runden, der nicht zwingend aktiv gegen die Runde spielt, aber so in seinem Credo gefangen ist, ein einsamer Wolf zu sein, dass es den flüssigen Spielablauf hemmt.

Disclaimer: Eventuelle Bezüge zum Rollenspiel Einsamer Wolf sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Ich gebe einige Beispiele, um klar zu machen, was ich meine:

  • Ein Spieler in der Runde ist sehr oft dagegen, dem Strang zu folgen, den die anderen Spieler beschlossen haben. Er muss immer wieder in- wie offgame überzeugt werden, mitzukommen.
  • Ein Spieler hält sich häufig im Hintergrund und kritisiert jede Aktion der anderen Spieler.
  • Ein Spieler beteiligt sich gar nicht am Geschehen, sondern benötigt fortwährend eine besondere Behandlung.
  • Ein Spieler spielt aktiv gegen die anderen Spieler, wirft Ihnen Stöcke zwischen die Beine und ist kein von der SL konzipierter Antagonist, der sich eingeschlichen hat.

 

So ein Verhalten ist mehr als nur störend und birgt für Runde und Spielleiter massiven Gegenwind. Dass dies zudem auch höchst frustrierend für alle Beteiligten ist, braucht man nicht weiter darzulegen. Rollenspiel, in jeder Form, ist eine Gruppenleistung.

Abgrenzung

Um Lösungsansätze zu bieten, müssen wir zunächst abgrenzen, ob es Rollenspiel-Systeme gibt, die den Ansatz des einsamen Wolfes sogar unterstützen. Ja, die gibt es – vornehmlich ist an dieser Stelle Vampire: The Masquerade zu nennen. In diesem Horror-Rollenspiel stellen die Spieler – zumeist junge – Vampire dar, die nur deswegen zusammenstehen müssen, um von der Allmacht der uralten nächtlichen Jäger nicht erdrückt zu werden. Eines der grundlegenden Themen dieses Rollenspielsettings ist jedoch die Intrige. Diese findet auch zwischen den SC statt, ist hier gewünscht und jeder Spieler sollte im Normalfall wissen, was auf ihn zukommt.

Ein „gegen die Runde spielen“ kann auch dann stattfinden, wenn ein SC die Aktionen eines anderen SC eskalieren lässt, nicht nur durch die eigenen Handlungen, sondern auch durch die Spielmechanik. In den FATE-Systemen ist das durchaus gewünscht. Hier haben SC (und Orte, Gegenstände, etc.) sogenannte Aspekte. Diese sind prosaische Umschreibungen besonderer Eigenschaften, die positiv wie negativ be- und ausgenutzt werden können. Aber – auch in FATE wissen die Spieler, dass andere Spieler die Aspekte ihrer Charaktere ausnutzen/negativ aktivieren können und werden. Ergo: Auch hier wissen die Spieler, was auf sie zukommt.

Ganz anders sieht es bei vielen klassischen Fantasy-Rollenspielen aus. Hier lebt die gemeinsam erspielte Geschichte davon, dass alle an einem Strang ziehen. Zwar gibt es Sticheleien zwischen den Charakteren (beispielsweise Elfen und Zwerge), aber letztendlich stehen alle zusammen, um dem großen Übel den Garaus zu machen.

Aber auch in Systemen, die in der Moderne spielen, gibt es das Miteinander. In Werewolf: The Apocalypse spielen die Spieler Werwölfe, die miteinander in einem Rudel laufen. Jeder von ihnen hat seine Aufgaben und seinen Daseinszweck. Sie bilden ein Rudel, weil sie sich gegenseitig brauchen, weil sie gesellige Wesen sind, weil ein Rudel nur funktioniert, wenn jeder seine Rolle einnimmt.

Andere Beispiele sind Superhelden-Teams. Auch diese brauchen einander, auch wenn von den Verlagen großartige Geschichten gesponnen wurden, wenn einer aus der Mitte sich gegen die anderen gewandt hat. Aber auch dann wurde der aus der Reihe Scherende meist in einer epischen und erinnerungswürdigen Geschichte zurück zur Familie gebracht.

Lösungen

Wie also sehen Lösungen aus, die Geisterfahrer-Spieler handhabbar machen?

Die einfachste Lösung ist natürlich, den Störenfried aus der Spielrunde zu befördern, aber dieser Weg bietet sich nicht immer an. Man ist vielleicht gut befreundet und will ihn nicht vor den Kopf stoßen? Es sind einfach zu wenige Spieler im Freundeskreis und man braucht jeden einzelnen?

Also müssen andere Wege zumindest in Betracht gezogen werden. Sinnvoll erscheint hier, das Verhalten des Spielers zu erfragen. Wieso handelt er so, wie er handelt?

Der Gelangweilte

Dieser Fall wird zumeist durch starke Passivität oder häufiges Nörgeln am Spiel und den Aktionen der anderen offensichtlich.

Langweilt ihn möglicherweise der Handlungsfaden? Sieht er vielleicht seinen Charakter fehlplatziert und sieht keinen Weg, sich einzubringen – ist sein Verhalten also vielleicht aus Frust heraus geboren?

Langweilt ihn der Handlungsfaden, so ist es Aufgabe des Spielleiters, die Geschichte so anzupassen, dass der Störenfried mit seiner Rolle einen Platz in der Handlung findet. Sieht er nur keinen Weg, sich einzubringen, kann ein SL durchaus auch mehrere Vorschläge machen. Menschen sind manchmal blind für das Offensichtliche, ergo auch Spieler. Vielleicht hat er aber auch nur nicht die Spielwelt und seinen Charakter verstanden? Auch hier kann und soll die SL helfen.

Lösungen, die man dadurch erreichen kann, dass man die externen Rahmenparameter ändert, sind leicht herbeizuführen.

Der Ängstliche

Der ängstliche Spieler wird alle Pläne der Runde, die nur ein Quäntchen von Gefahr in sich bergen, ablehnen und muss oft mit minutiöser Feinarbeit dazu überzeugt werden, sich einem Risiko mit seinem Charakter auszusetzen.

Was ist hier falsch gelaufen? Hat sich der Spieler vielleicht zu stark in seine Rolle hineinversetzt, spürt das Leid und die Verletzungen quasi wirklich, oder verliert er nur ungern?

Ich habe sehr gute Erfahrungen damit gemacht, solchen Spielern zu erklären, dass er doch auch kein Buch lesen würde, in dem der Protagonist dauernd ängstlich in einer Ecke hockt und nichts macht.

Große Geschichten werden durch große Taten und die Bereitschaft, ein Risiko einzugehen, erst geboren. Und sie werden erst dadurch spannend.

Die Extrawurst

Schwerer wird es, wenn man einen Mitspieler erwischt hat, der grundsätzlich (sic!) immer eine Extrawurst haben möchte.

Durch Ansprechen des Problems erreicht man in meinen Augen hier nur eines: Offenlegung des Problems. Das wird aber am Spiel des Verursachers nicht viel ändern.

Eine Lösung kann die Nutzung von Spotlights sein. Durch die speziellen, nur auf diesen einen Charakter zugeschnittenen Spezialszenen kann das Bedürfnis des Spielers, „wichtig“ zu sein, erfüllt werden.

Aber hier ist Vorsicht geboten; aus offensichtlichen Gründen der Gerechtigkeit müssen auch die anderen Charaktere der Runde ebenso viele Spotlights erhalten. Sonst kann das Problem bald auf die anderen, bislang „gut“ spielenden Spieler übergreifen  und die Störung wechselt nur den Mund, aus dem sie kommt.

Der „Dagegen!“

Noch eine Ecke schwerer wird es mit Spielern, die generell gegen alles sind, was der Rest der Runde beschließt.

Wieso handeln sie so? Eine logische Erklärung hört man oft nicht und nicht selten ziehen sich solche Spieler auf die Erklärung „Mein Charakter ist eben so!“ zurück. Tut mir leid, mein Freund – das ist kein Verhalten, was in einer Runde aufkommen sollte. Ich selbst gehöre zu den Leuten, die konsequentes, klares und in sich stimmiges Charakterspiel sehr hoch favorisieren, aber dafür gibt es Grenzen.

Ist der Charakter tatsächlich so konzipiert, dass er beständig aus Grundsatz gegen alles ist, was die anderen beschließen, liegt hier in meinen Augen ein Versagen von sowohl SL als auch Spieler vor. Die SL hätte niemals ein solches Konzept genehmigen dürfen und der Spieler hat nicht verstanden, dass er so systematisch den Spaß der anderen an der Runde zerstört.

Lösen kann man diesen Fall nur schwer. Ein beständiges Erinnern an das Gruppenspiel kann helfen. Menschen machen im realen Leben auch Kompromisse, wieso also nicht auch Charaktere? Vielleicht sieht der „Dagegen!“ auch ein echtes Problem, das die anderen nicht gesehen haben? Nur wird er das nicht jedes Mal machen. Eine Lösung ist sicherlich, die Konzepte der Charaktere vorher gemeinsam mit den Spielern aufeinander maßzuschneidern.

Der Aggressive

Der aggressive Geisterfahrer agiert grundsätzlich gegen die anderen Spieler. Er wirft ihnen Stöcke zwischen die Beine, zerredet ihre Erfolge und erweist sich generell nicht als guter Teamplayer. Er will immer im Vordergrund sein, will immer die Lösung selbst erbringen und lässt den anderen keinen Freiraum. Nur er kennt die Wahrheit, nur er handelt richtig und alle anderen sind auf dem Holzweg.

Hier hilft nicht viel. Das Bewusstmachen des Verhaltens kann etwas bewirken, ich sehe die Chance, dadurch zum Erfolg zu kommen, als eher niedrig an.

So leid es vielleicht allen tut, aber es verbleibt hier meist nur, dem Störenfried die Tür zu weisen.

Fazit

Problemspieler gibt es viele, die meisten kann man in die „richtige“ Position bringen oder ihnen ihr Fehlverhalten offenkundig machen. Geisterfahrer gehören mit zu den schwersten Problemfällen im Tischrollenspiel, Fälle, die ganze Runde zerstören können. Sowohl Spieler als auch Spielleitung haben irgendwann keine Freude mehr an der Runde. Dieser Zeitpunkt kommt unweigerlich.

Es gilt also, früh einzugreifen. Ich selbst hatte nur einen einzigen Fall, bei dem ich das Handtuch geworfen habe, weil ich keine Chance mehr sah. Ich hatte das Konzept falsch verstanden und es daher genehmigt. Seitdem habe ich meine Lehren daraus gezogen und mich bewusst mit dem Problem auf einer generellen Ebene auseinander gesetzt.

Wer von Euch hatte bereits Geisterfahrer in der Runde? Und wie habt ihr sie wieder auf die richtige Fahrbahn gelenkt?

Artikelbild: skate49 auf sxc.hu

 

 

15 Kommentare

  1. Gibt es da in einer Runde irgendein Traumata das jetzt innerhalb von nur zwei Tagen gleichen zwei Beiträge kommen die sich damit beschäftigen auf (vermeintlich) fiese Spieler (Problemspieler, Geisterfahrer etc.) einzudreschen? @.@;

    Irgendwie wirkt das, gerade in der Dichte, als wäre da abseits des eigenen Spielstil kein Handschlag breit Platz für andere Sichtweisen.

    • Reiner Zufall, dass sich zwei Redakteure gleichzeitig mit ähnlichen Gedanken beschäftigt haben. Während der Artikel vom Samstag sich dem Thema eher humoristisch nähert, versucht dieser echte Lösungen zu bieten.

      Nein, gerade kein Trauma ;) Die Zeit haben wir lange hinter uns verlassen, da wir unsere Spieler/innen handselektieren.

      Desweiteren bitte ich zu bedenken, dass teilzeithelden.de eine Multimeinungsplattform ist. Bei 22 Beitragenden wird es sicher den einen oder anderen geben, der Dinge anders sieht. Sollte jemand der Beitragenden seine Meinung schriftlich fixieren und als Beitrag zur Verfügung stellen, wird dieser auch sicherlich publiziert, so er unseren qualitativen Anforderungen entspricht.

  2. In einer früheren Runde gab es immer einen Spieler, der sich oberflächlich betrachtet als der oben gezeichnete „Dagegen“ Typ klassifizieren ließe. Mit dem Abstand, den ich nun dazu habe, glaube ich erkannt zu haben, dass es seine Art von aktiver Mitwirkung war. Meine Vermutung ist, das er sich vielen anderen Spielern unterlegen fühlte – sozial und/oder geistig (Handwerker unter Studenten/Studierten, Dauersingle unter beziehungstechnisch recht aktiven Mitspielern, …). Es mangelte ihm oft an kreativen Ideen, die das Spiel voran brachten. Aber er war präsent und zwar durch seine konsequent stark übertriebene „advocatus diaboli“ Art. Im Lichte dessen erscheint mir auch klar, dass es schwer bis unmöglich gewesen wäre, das offen mit ihm zu thematisieren. Wir waren (und sind) gut befreundet und die Runde hat sein Spiel toleriert und eben als seinen Beitrag zu dem ganzen akzeptiert, also war es nie ernsthaft problematisch (allerdings dauerhaft störend).

  3. Danke, daß ihr hier gleich sagt, daß man drüber sprechen muß und nicht mit verblödeten Tipps auffahrt, wie man solche Spieler „in game“ an die Kandarre nimmt.
    Danke.
    Ein noch: wer sich in einer sozialen Aktivität, wie dem Rollenspiel, als widerwärtiges, destruktives Arschloch erweist, _kann_ auch sonst kein guter Freund sein. Das halte ich für Schönrednerei und Selbstbetrug.

    • Destruktives Verhalten im Rollenspiel kann auch aus Frustration entstehen. Bevor man also eine Freundschaft wegen temporärer Rollenspielinkompatibilität beendet, sollte man erst einmal im direkten Gespräch nach dem Grund suchen. Und nein, ‚erziehen‘ innerhalb einer Spielrunde über das Rollenspiel funktioniert nur in unter fünf Prozent aller Fälle, macht aber häufig die Sache schlimmer.

      • Ich denke schon, dass man sich Leute erziehen kann, denn oftmals ist den Spielern das Fehlverhalten gar nicht bewusst. Verdammt wenige Leute betreiben Selbstreflektion, leider. Auf den Frust-Punkt bin ich oben eingegangen.

  4. @Rene: Nope, nicht erwischt.
    Eher müde die gleiche imho einseitigen (die anderen) und eingeschränkten (natürlich nur Spieler, nicht Spielleiter) Schuldzuweisungen in einseitiger Betrachtung immer wieder zu lesen.

    • Ich postuliere mal, dass Du den Artikel nicht genau gelesen hast? Es wird mehrfach deutlich erwähnt, dass auch die SL schuld sein kann an dem Verhalten und auch da werden Lösungsansätze gegeben.

    • @Teylen:
      Rogar hat voll recht. dir entgeht total die Ironie von Dirks Artikel und das Thema von Rogers. Die Artikel haben einen Blickwinkel und sind keine wissenschaftliche Abhandlung! Deinen Reaktionen nach identifizierst du dich also mit einem angesprochenen Problemspielertypus und fühlst Dich deshalb angegriffen. Steh einfach drüber oder lies halt nicht.

      Aber das mit den Problemspielleitern find ich super liebe Teilzeithelden! Könnt ihr dazu den nächsten Artikel machen?

    • @Rene
      Nicht direkt auf sowas schließen. Aber Du hast Recht. Das sind pointierte Artikel, keine Abhandlungen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, alle Seiten zu beleuchten. Was Teylen nur nicht so ganz versteht: Es geht gar nicht um Schuld oder Schuldzuweisung. ‚Problemspieler‘ exisiteren nur in der Wahrnehmung:

      1. Der Spieler/Spielleiter versteht Rollenspiel (noch) nicht.
      Keiner hat Schuld. Das Problem wird sich mit der Zeit von alleine geben, wenn er mehr Erfahrung hat.

      2. Der Spieler/Spielleiter versteht Rollenspiel, aber nicht die Spielweise der Runde
      Keiner hat Schuld, aber es besteht Vermittlungsbedarf. Die Mehrheit der Gruppe bestimmt logischerweise die Spielweise. Der Rest passt sich an, oder setzt sich für einen Kompromiss ein. Richtig oder falsch gibt es dabei eigentlich nicht. Zuckerbäcker mit Zuckerbäckern können viel Spaß haben.

      3. Der Spieler/Spielleiter versteht die gewünschte Spielweise der Gruppe, ignoriert sie aber und spielt, wie er möchte.
      Dass der Spieler/Spielleiter den Mehrheitsentscheid ignoriert ist unschön, aber seine Sache. Wenn er sich nicht im Gespräch überzeugen lässt, muss sich die Gruppe von ihm trennen.

  5. Ich habe den Artikel, respektive beide Artikel, sorgfältig gelesen.
    Der Spielleiter wird nur sehr wenig beziehungs am Rande erwähnt, in gerade mal in zwei von fünf vermeintlichen Geisterfahrern bzw. Problemspielern.
    Da von mehrfach im Sinne von deutlich zu sprechen kommt meines Erachtens nicht hin. Auch nicht angesichts des Umstands das hinsichtlich der Geisterfahrer nur Spieler betrachtet werden.

    • Statt nur zu bemängeln, was dem Artikel fehlt, könntest du auch konkret schreiben, welche Typen von Spielleitern dich stören und wie man ihnen deiner Meinung nach begegnen kann. Wäre vielleicht auch Mal ganz interessant.

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