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Das 10-jährige Jubiläum von Freebooter Miniatures ist ein passender Anlass, das Tabletop Freebooter’s Fate vorzustellen. Hierbei handelt es sich um ein Skirmisher-System, das seit 2010 auf dem Markt ist und sich kontinuierlich weiterentwickelt.

Interessant dabei: Zuerst gab es die Figuren und dann das Spiel. Dieser Aspekt zeigt sich nicht nur in der Qualität der Figuren, sondern auch im Aufbau des Spiels.

Setting des Spiels

Das Setting ist bereits mit dem Namen gegeben: Es geht um die Welt der Piraten. Die Hafenstadt Longfall ist das Zentrum einer Inselgruppe. Sie entstand als Handels- und Garnisonsposten der Imperialen Armada. Da neue Schiffspassagen entdeckt wurden, hat Longfall an Bedeutung verloren. Hier kann man alle spielbaren Völker antreffen.

Mit der Stadt geht es bergab und die Piraten machen sich breit. Im Hintergrund versucht „die Bruderschaft“ die Ordnung aufrecht zu erhalten, mit den Mitteln von Assassinen. Die Goblins wurden zunächst als Sklaven des Imperiums gehalten. Aus unterschiedlichen Gründen kamen die Grünhäute frei und haben sich zu Piratenbanden zusammengerottet. Zudem halten einzelne Söldner die Hand auf.

Soweit der Stand nach dem Grundregelwerk. Denn die Situation von Longfall entwickelt sich von Regelwerk zu Regelwerk weiter. Mit der Erweiterung Deep Jungle vertreiben die Piraten die Imperialen aus Longfall in den umliegenden Dschungel. Nur wenig später tauchen exotische weibliche Schönheiten auf: Die Amazonen greifen in das Geschehen ein.

Mystic Spirits bringt den Kult und mystische Kräfte ins Spiel. Und alle Fraktionen gehen immer offener gegeneinander vor. Die Imperiale Armada beginnt mit den Vorbereitungen für die Rückeroberung von Longfall. Das Bündnis der Piratenkapitäne wird immer wackliger.

Die Fraktionen

Die Schlacht tobt auf Sandbänken
Die Schlacht tobt auf Sandbänken

Mit dem Grundregelwerk sind die Piraten, die Bruderschaft, die Imperiale Armada und die Goblinpiraten als Fraktionen verfügbar. Mit den beiden Erweiterungen kommen je eine weitere Fraktion und zusätzliche Figuren für die bestehenden Fraktionen hinzu. Dadurch kommt mehr Variation in das Spiel und die einzelnen Mannschaften bekommen mehr Möglichkeiten.

Die Piraten

Mit den Piraten kann man sehr ausgewogene Mannschaften aufstellen, die sowohl fern- als auch nahkampflastig sein können. Sie sind die Allrounder. Sie überzeugen durch die unterschiedlichsten Gefolgsleute und interessante Spezialisten.

Die Imperiale Armada

Die Imperiale Armada ist die disziplinierteste Truppe und viele Spezialisten können während des Spiels das Kommando übernehmen, wenn der Anführer ausfällt. Ihre Anführer besitzen die sehr nützliche Fähigkeit „Befehl“, die so beim Verlust des ursprünglichen Anführers nicht verloren geht. Die Soldaten der Imperialen werden besonders wegen der Vielzahl der Arkebusen im Fernkampf gefürchtet. Sie dürfen durchgehend denselben Typ Gefolgsmann wählen, während die anderen Fraktionen wechseln müssen.

Die Bruderschaft

Sie sind schnell und tödlich im Nahkampf. Im Fernkampf sind sie deutlich schwächer. Die Figuren haben viele Sonderfähigkeiten. Die Heuer für die einzelnen Figuren ist recht hoch, dafür dürfen sie für jeden Gefolgsmann gleich zwei Spezialisten aufstellen. Außerdem dürfen sie ein zusätzliches Geländestück platzieren.

Die Goblinpiraten

Die Goblins sind günstig. Meistens sind mehr Goblins auf dem Spielfeld als Einheiten der anderen Fraktionen. Das kann sich aber auch schnell ändern. Die feigen Goblins halten nämlich nicht so viel aus. Mannschaften der Goblins sind mehr als die anderen Fraktionen vom Glück abhängig. Sie haben Waffen, mit denen sie mehrere Figuren treffen können. Sowohl Gegner und eigene Figuren können getroffen werden, so dass alles passieren kann.

Die Amazonen

Die Kriegerinnen der Amazonen stehen unter den Aspekten von Totemtieren. Dies zeigt sich bei Kleidung und Kampfstil. Die Amazonen brauchen Geländestücke, bevorzugt Wald, da sie dort deutliche Vorteile haben. Sie profitieren von höherer Bewegung, Deckung und weiteren Sichtlinien im Wald. Die Bögen und Blasrohre haben eine hohe Schussrate und auch die Nahkämpferinnen sind nicht zu verachten. Sie sollten sich aber keinem Beschuss im offenen Gelände aussetzen. Die Amazonen dürfen zu Spielbeginn ein Geländestück durch einen Wald ersetzen.

Der Kult

Mit dem Kult kommt der Voodoo ins Spiel. Die einzelnen Mannschaftsmitglieder unterstützen die Mystiker und deren Loas. Gleichzeitig gibt es Sansâmes; Zombies, die über einen eigenen Aktionspool gesteuert werden. Bei dem Kult muss man zwei Gefolgsleute für einen Spezialisten aufstellen. Diese Fraktion ist nicht unbedingt etwas für Systemneulinge. Aber wem die Figuren gefallen und wer Spaß an Mystik hat, der kann sich auch für den Kult entscheiden. Die ersten Schritte sind nur etwas aufwendiger.

Die Ost Leonerische Handelsgesellschaft

Die Handelsgesellschaft entstammt zwar dem Imperium, aber verfolgt eigene Ziele. Da sie auf keine eigenen Truppen zugreifen kann, werden Söldner angeheuert. Hierdurch werden die Söldner als eigene Fraktion spielbar 

Wie funktioniert  Freebooter’s Fate ?

Ihr verfehlt den Ton, Sire!
Ihr verfehlt den Ton, Sire!

Als erstes müssen die Mannschaften aufgestellt werden. Ein normales Spiel wird mit 500 Dublonen auf einem Spielfeld von 120×120 cm gespielt. Da es ein deutsches System ist, sind alle Entfernungsangaben in Zentimetern und nicht in Zoll angegeben, wie durch die englischen Systeme verbreitet. Für Tabletop-Veteranen kann das am Anfang gewöhnungsbedürftig sein.

Von den Dublonen heuert man die einzelnen Mannschaftsmitglieder an.

Alle Fraktionen brauchen zunächst einen Anführer. Die Mannschaft besteht dann zusätzlich aus Gefolgsleuten und Spezialisten. Gefolgsleute sind die einfachen Mannschaftsmitglieder. Sie kosten recht wenige Dublonen. Die Spezialisten haben eine höhere Heuer, haben dafür aber auch mehr Spezialfähigkeiten und sind stärker. Bei den meisten Fraktionen muss man einen Gefolgsmann aufstellen, um anschließend einen Spezialisten aufstellen zu dürfen.

Je nach Fraktion stellt man etwa 7 bis 9 Figuren; bei der Bruderschaft etwas weniger und bei den Goblins und dem Kult eher etwas mehr.

Zu jeder Figur gibt es eine Charakterkarte mit 6 verschiedenen Attributen, die den Körperzonen zugeordnet sind. Außerdem stehen auf den Karten auch die Sonderfähigkeiten der entsprechenden Figur und die Heuer.

Das Spielfeld wird abwechselnd mit Geländestücken (maximal 20x20x20 cm) bestückt. Diese sollten einen Abstand von 5-10 cm voneinander haben. Die Anzahl ist je Szenario angegeben, liegt aber im Schnitt bei 6 bis 10 Stück.

Soweit die Ausgangssituation. Und ja, Freebooter’s Fate kommt ganz ohne Würfeln aus. Dies wird durch das Kartendeck erreicht. Hier wird bei vergleichenden Proben von den Schicksalskarten gezogen, die Werte von 1 bis 10 aufweisen. Bei einer gezogenen Eins erhält man eine Ereigniskarte, mit der man das Spielgeschehen an unterschiedlichen Punkten beeinflussen kann.

Im Spielverlauf selber aktivieren die Spieler jeweils abwechselnd eine Figur und können ihre Aktionen ansagen. An dieser Stelle muss erst angesagt werden, dann gemessen. So manches Spiel wurde entschieden, weil der Feind außerhalb der Reichweite stand.

Auch wenn die Reichweite stimmt, werden bei einem Angriff nicht stumpf Werte und Zahlen miteinander verglichen. Jetzt beginnt eine Art Pokerspiel. Mit den Trefferzonenkarten (je 6 Körperzonen bei Angreifer und Verteidiger) versucht der Angriff an den Verteidigungskarten des Gegners vorbei zu kommen. Die Trefferzonen sind: Kopf, Torso, Unterleib, Beine, linker und rechter Arm.

Aber was wird verteidigt? Die wichtigen Körperzonen der Figur? Oder rechnet der andere damit, dass man die wichtigen Körperzonen verteidigt hat und verteidigt doch die unwichtigeren?

Und das Ganze funktioniert natürlich auch umgekehrt. Dieses kleine „Poker-Spiel“ muss man mögen, um Freebooter’s Fate zu mögen, da es ein Kernelement des Spiels ist.

Wenn der Angreifer durchkommt, entscheiden die Werte und Schicksalskarten über die Höhe des Schadens. Jede Figur hat eine Anzahl von Lebenspunkten, die abgestrichen werden. Sobald die Figur als schwer verwundet gilt, muss sie auf ihre Moral testen. Liegt die Schicksalskarte über ihrem Wert, flieht die Figur. Verlässt die Figur das Spielfeld oder hat sie keine Lebenspunkte mehr, scheidet sie aus dem Spiel aus. Meistens braucht es mehr als einen erfolgreichen Angriff, um eine Figur auszuschalten. Es kommt dennoch immer wieder vor, dass der Lucky Punch gelingt und die Figur nach einem Treffer ausscheidet.

Die Funktionen von Ausrüstungskarten, Spezialfähigkeiten oder mit der „Mystic Spirits“-Erweiterung auch die Loa-Anrufungen im Detail auszuführen, würde mehr Platz brauchen, als hier zur Verfügung steht. Es bleibt nur zu erwähnen, dass sowohl Ausrüstungen als auch Loas das Spielgleichgewicht nicht verändern. Sie fügen sich harmonisch ein und sind rein optional nutzbar.

In jedem Regelbuch stehen am Ende auch viele spaßige und interessante Szenarien. Gerade diese Szenarien machen das Spiel rund. Zum einen sorgen sie für ein zusätzliches Balancing in den unterschiedlichen Fraktionen, da einige erst im Szenario voll zur Entfaltung kommen. Zum anderen erwachen das Flair und der Stil von Freebooter’s Fate erst richtig zum Leben, wenn man auf die Schatzsuche oder auf Rattenjagd geht oder eines der anderen Szenarien zu bewältigen hat.

Freebooter’s Fate legt den Schwerpunkt auf das Ambiente des Spiels. Die Regeln wurden bewusst einfach gehalten. Natürlich führen die richtige Taktik, Spielverständnis und auch das Glück zum Sieg. Doch wer auf hochkomplexe Taktiken Wert legt und mehrere Züge im Voraus plant, wird hier nicht auf seine Kosten kommen.

Qualität und Ausssehen

Ich entreiße Dir deine Geheimnisse!
Ich entreiße Dir deine Geheimnisse!

Die Softcover-Bücher sind hochwertig gestaltet, überzeugen durch Farbdruck und Papierqualität. Die Regeln und der Fluff harmonieren und tragen zum Ambiente des Spiels bei. Besonders die Anmerkungen unter dem Titel „Mit Blut geschrieben“ verdeutlichen die Regeln und lockern den Regelteil auf. Mit den 112 Seiten des Grundregelwerkes hat man alle Regeln in der Hand, um das Spiel zu beginnen. Für die neueren Fraktionen und Figuren braucht man jeweils die Erweiterungen, um auch die neuen Fähigkeiten und Eigenschaften zu kennen.

Jedes dieser Regelwerke glänzt mit seinen farbigen Seiten, schönen Illustrationen und Fotos der fertigen Figuren. Auch die Regeln bauen aufeinander auf. So benötigt man zum Spielen das Grundbuch. Die Erweiterungen braucht man nur, wenn man diese auch verwenden möchte.

Allerdings kann man mit einer Erweiterung alleine nicht viel anfangen.

Die Regelwerke haben zudem den Nachteil, dass leider nicht alle Regeln an der gleichen Stelle stehen. Manche Regeln muss man suchen; z.B. steht die Sonderregel Feige nur im Grundregelwerk bei den Sonderregeln der Goblinpiraten, aber nicht bei den anderen Sonderregeln. In den Erweiterungen sind natürlich auch nicht alle Regeln aus dem Grundregelwerk aufgegriffen. Schade ist vor allem, dass der gute Ansatz eines Index im „Deep Jungle“ über Erweiterung und Grundregeln im neusten Werk „Mystic Spirits“ nicht mehr vorhanden ist.

Allerdings sind die Regeln sehr eingängig und schnell erklärt, auch wenn sie im Regelwerk an einigen wenigen Punkten umständlich formuliert sind. Wenn man eine gute Einführung bekommt, sind die Regelwerke zweitrangig. Schön zu besitzen und alles nachschlagen zu können, aber nicht zwingend notwendig.

Zusätzlich zum Grundregelwerk braucht man noch die Spielkarten. Schicksalskarten, Trefferzonenkarten und Ereigniskarten sind in einem Satz erhältlich. Die hochwertigen Karten sind fest und durch die glatte Oberfläche angenehm anzufassen.

Ausrüstungskarten und Anrufungs-/ Loa-Karten erweitern das Spiel, sind aber weder für den Spielfluss noch für den Spaßfaktor notwendig.

Die 28mm-Figuren sind durchweg aus Zinn und mit einem sehr hohen Detailgrad. Bei allen Figuren gibt es etwas zu entdecken, ob es der kleine Tintenfisch auf dem Kopf des Goblinpiraten Revlugg ist oder die einzelnen Schnallen des Stelzenläufers der Bruderschaft. Obwohl mittlerweile die neuen Regelwerke zuerst erscheinen und die abgebildeten Figuren erst nach und nach dazukommen, schafft es das Team von Freebooter’s um Werner Klocke, den Schwerpunkt immer noch auf die Qualität der Figuren zu legen.

Zusammen mit den Figuren erhält man auch die dazugehörigen Charakterkarten. Von der Machart entsprechen diese den Spielkarten. Auf der Vorderseite stehen alle Werte und Sonderfähigkeiten der Figur. Auf der Rückseite sind Heuerkosten in Dublonen angegeben und die wichtigsten Sonderfähigkeiten werden zusätzlich erklärt. Dadurch wird der Einsatz des Regelwerks im laufenden Spiel minimiert.

In der Praxis haben sich Kartenhüllen (oder Laminierung) als sinnvoll erwiesen, damit der Schaden und kritische Treffer mit Folienstift notiert werden können.

Preise

Freebooter’s Fate ist auch für Einsteiger von den Preisen recht überschaubar. Die Starter Deals sind für 60 bis 70 Euro zu haben und beinhalten Grundregelwerk, die Spielkarten und die Starter Box einer Fraktion mit 4 bis 6 Figuren.

Für volle 500 Dublonen braucht man noch 2 bis 4 weitere Figuren; wobei diese durchschnittlich zwischen 8,90 und 11,50 Euro liegen. Gefolgsleute im Doppelpack und besondere Figuren können bei bis zu 14,90 Euro liegen.

Fazit

Freebooter’s Fate ist definitiv ein gelungenes Skirmisher-Tabletop-System. Das ganze System ist schnell und entspannt zu spielen. Der Spaß steht definitiv im Vordergrund.

Die Regeln können innerhalb von 10 bis 15 Minuten erklärt werden und man kann schnell loslegen. Allein mit den Regelwerken dauert es etwas länger, da einige Regeln umständlich formuliert und andere an unerwarteten Stellen aufgeführt sind. Trotzdem bleiben die Regeln im ganzen leicht verständlich. Im Gegensatz zu vielen anderen Systemen kann man so auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch entspannt eine Runde spielen.

Trotz dieser Leichtigkeit des Spiels können Neuspieler und alte Hasen gegeneinander antreten und beide haben dauerhaft Spaß. Durch die kontinuierlichen Neuerscheinungen kann man die eigene Mannschaft immer wieder erweitern und verändern. Kann man machen, muss man aber nicht.

Um mit Freebooter’s Fate langfristig Spaß zu haben, muss man aber das Poker-Spiel um die Trefferzonen mögen. Wem das nicht zusagt, sollte sich nach einem anderen System umsehen. Ebenso sollte man bedenken, dass dieses System schon von den Regeln her sehr leicht ist. Wer ein taktisch sehr anspruchsvolles Spiel sucht, wird hier nicht fündig.

Das Spiel stellt eindeutig Ambiente, Spaß und ein gemeinsames Spielerlebnis vor Komplexität und Regelungetüme. Das Spielziel wurde erreicht. Das Konzept Regelleichtigkeit und einem lockeren Spielchen zieht immer mehr Interessierte an. 

Bleibt nur zu sagen: Für Ru(h)m und gute Spiele!

 

Hinter Kisten und über Felsen
Hinter Kisten und über Felsen!

Artikelbilder: Freebooter Miniatures

 

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