Geschätzte Lesezeit: 14 Minuten

von Hans-Joachim Maier

Mit dem „Kodex“  liegt die 5. Edition des Midgard-Regelwerkes (M5 genannt) vor. Midgard ist das älteste Rollenspiel Deutschlands. Ursprünglich erschien es im Jahr 1981. Die letzte Inkarnation Midgard (M4) erschien im Jahre 2001. Es ist also schon eine Weile her. Midgard ist ein Fantasy-System, das relativ crunchig daherkommt und eine Charakterentwicklung über Jahre zulässt. Die Spielwelt selbst ist relativ magiearm (was die Normalbevölkerung betrifft) und eher im Low-Fantasy- Bereich angesiedelt.

Die Spielwelt

Die Kosmologie Midgards erlaubt es, andere Spielwelten problemlos einzubetten. Die Spielwelt, ebenfalls Midgard genannt, ist eine Welt auf der Ebene der Mittelwelten im Multiversum. Die Ebenen sind: die Elementarebene, die Urwelten, die Mittelwelten, die nahe Chaosebene und die Ebene der Finsternis.

Die Spielwelt setzt sich aus verschiedenen Kontinenten zusammen, auf denen diverse Kulturen beheimatet sind. Jedes der Länder hat ein Äquivalent in unserer realen Welt. Angereichert werden diese Kulturen durch phantastische Elemente.

Die einzelnen Kulturen werden im Regelwerk auf 10 Seiten kurz vorgestellt. Die Texte geben eine Übersicht über bestehende Kulturen und bieten einen ersten Eindruck von den dortigen Verhältnissen. Neben einer kurzen Beschreibung findet sich am Ende einer jeden Passage die Entsprechung in unserer Welt, eine Übersicht über den Glauben, eine Liste typischer Namen und eine Übersicht der dort gesprochenen Sprachen.

Die Länder Midgards decken einen weiten Bereich irdischer Kulturen ab. Neben den Standards wie einer normannisch-angelsächsisch-schottischen Kultur gibt es auch Exoten wie eine jungsteinzeitliche oder melanesische Kultur. Ausflüge in die Renaissance Italiens und Spanien sind genauso möglich wie Abenteuer aus tausend und einer Nacht. Wer es gerne fernöstlich möchte, findet in Kan-Thai-Pan genügend Spielfläche. Im hohen Norden kann man mit Waelingern auf große Fahrt gehen, tief unten im Süden durch bulugische Savannen streifen.

Alle Länder mit deren Spezialitäten hier aufzuführen würde den Rahmen dieser Rezension sprengen. Interessierten sei hier ein Blick in das Midgard-Wiki angeraten.

Die Karte von Midgard
Die Karte von Midgard

Die Regeln

Allgemeine Regeln:

Midgard verwendet hundertseitige (bzw. zwei zehnseitige), zwanzigseitige und sechsseitige Würfel.

Ein Midgard Charakter (Abenteurer genannt) setzt sich aus den Basiseigenschaften und den Fertigkeiten zusammen.

Die Basiseigenschaften sind: Stärke, Geschicklichkeit (Fingerfertigkeit), Gewandtheit (Körperbeherrschung), Konstitution, Intelligenz und Zaubertalent. Dazu kommen noch die Eigenschaften persönliche Ausstrahlung, Willenskraft und Aussehen. Auf Eigenschaften wird während dem Spiel mit einem W100 gewürfelt.

Midgard ist ein fertigkeitenbasiertes Rollenspielsystem. Fertigkeiten bewegen sich auf einer 20er Skala. Es gibt Erfolgswürfe und es gibt Widerstandswürfe. Für einen Erfolgswurf würfelt man einen W20 und zählt zu dem Ergebnis seinen Fertigkeitswert hinzu. Erreicht der Wert 20, so ist der Wurf erfolgreich. Eine erwürfelte 1 gilt als kritischer Fehler, eine 20 als kritischer Erfolg.

 Gibt es die Möglichkeit, dass jemand den erfolgreichen Einsatz der Fertigkeit verhindern kann (bei Angriffen mit einer Waffe z.B. oder auch wenn es darum geht Spuren zu lesen, die der Verfolgte aktiv versucht hat zu verwischen) wird dem Erfolgswurf ein Widerstandswurf mit der passenden Fertigkeit entgegengesetzt. Der Widerstandswurf muss den Wert des Erfolgswurf erreichen um erfolgreich zu sein.

Ein Beispiel:

 Morkai, ein Krieger aus Buluga, schlägt mit seinem Schwert zu. Der Fertigkeitswert beträgt 15. Er würfelt eine 10. Das Ergebnis ist also 25. Sein Gegner, ein albischer Ordenskrieger, hat einen Fertigkeitswert von 17 auf Abwehr. Der Spielleiter würfelt für ihn ebenfalls eine 10. Das Ergebnis ist also 27. Der Hieb wurde erfolgreich abgewehrt.

Das Ablesen von Erfolgen ist also relativ einfach. 

Zu den einzelnen Würfen kommen noch situationsbedingte Zu- und Abschläge hinzu. Schlägt der Angreifer aus erhöhter Position zu? Oder ist der Waldboden feucht und Spuren zeichnen sich deutlich ab? Neu unter M5 ist eine übersichtliche Liste von Zuschlägen (+2: leicht, +4: sehr leicht, +6: besonders Leicht, +8: äußerst leicht) und Abzügen (-2: schwer, -4: sehr schwer, -6: besonders schwer, -8: äußerst schwer).

Die Beschwörung eines Dämonen
Die Beschwörung eines Dämonen

Spielbare Rassen

Neben den obligatorischen Menschen bietet das Grundregelwerk folgende spielbare Rassen an: Elfen, Gnome, Halblinge und Zwerge.

Spielbare Abenteurer

Die spielbaren Abenteurertypen sind:  Assassinen, Barbaren, Barden, Glücksritter, Händler, Hexer, Krieger, Magier, Priester, Spitzbuben (Dieb), Waldläufer, Druiden und Schamanen. Da Midgard über ein freies Lernsystem verfügt, können sich die einzelnen Charaktere auch bei der Charaktererschaffung deutlich unterscheiden.

Einige der unter M4 noch vorhandenen Abenteurertypen wie z.B. der Thaumaturg, der Beschwörer und der Heiler wurden gestrichen. Es wurde aber angekündigt, diese Klassen in einem eigenen Band nachzuliefern. Außerdem werden Regeln online gestellt, um alte Abenteurer sofort unter M5 weiterspielen zu können.

Fertigkeiten

Die Fertigkeiten selbst sind unterteilt in angeborene Fertigkeiten, allgemeine Fertigkeiten und Kampffertigkeiten. Zu den angeborenen Fertigkeiten gehören sowohl Sinne (Hören, Nachtsicht, Riechen, sechster Sinn und Sehen), als auch eine Reihe von besonderen Fertigkeiten, die man sich bei der Charaktererschaffung erwürfeln kann.

Die besonderen Fertigkeiten sind beispielsweise: Berserkergang, Einprägen (eine Art eidetisches Gedächtnis) und Wachgabe (zum schnellen Aufwachen bei Gefahren).

An die 60 Fertigkeiten warten darauf erlernt zu werden. Für jeden im Rollenspiel denkbaren Bereich ist etwas dabei. Es gibt Fertigkeiten für Überlandabenteuer, für Detektivgeschichten, für zünftige Kämpfe oder für Dungeoncrawl. Auch zwielichtige Professionen wie die der Assassinen und Spitzbuben (Diebe) finden Unterstützung durch Fertigkeiten. Selbst Spieler von Gelehrten können auf diverse Fertigkeiten zurückgreifen um ihre Charaktere zu bestücken. Die Fertigkeiten sind in Fertigkeitsgruppen eingeteilt (Freiland, Halbwelt. Sozial, Kampf usw.).

Das alles erlaubt eine recht differenzierte Charakterentwicklung – auch bei gleichem Abenteurertyp. Die Beschreibungen der Fertigkeiten wurden kürzer. Diverse Einschränkungen wurden fallen gelassen. Fertigkeiten wurden zusammengelegt. Das macht das Raster zwar gröber, erlaubt aber ein weitaus flüssigeres Spiel. Viele Fertigkeiten wurden in der Anwendung vereinfacht. Sonderbedingungen wurden entfernt und die teilweise recht umfangreichen Zu- und Abschlagslisten wurden durch das oben erwähnte Schema ersetzt.

Beim Lernen von Waffenfertigkeiten wird jetzt nicht mehr der einzelne Waffentyp (Langschwert, Säbel, Langbogen, Kurzbogen usw.), sondern gleich die ganze Waffengattung (z.B. Bögen) gelernt und gesteigert. Ein albischer Waldläufer, der gut mit seinem Langbogen umgehen kann, beherrscht jetzt auch die anderen Bogenarten mit dem gleichen Fertigkeitswert.

Abenteurer können sich aber auch bei der Charaktererschaffung auf einzelne Waffentypen spezialisieren. Unser albischer Waldläufer könnte sich also auf Langbogen spezialisieren und würde diesen um 2 Punkte besser beherrschen als die anderen Waffen aus der gleichen Waffengattung. Kämpfer werden dadurch flexibler und können variantenreicher gespielt werden.

Kampfregeln

Midgard arbeitet mit Lebenspunkten (LP) und Ausdauerpunkten (AP). Lebenspunkte spiegeln die Lebenskraft der Spielfigur wider. Sinken sie unter Null, stirbt der Abenteurer. Ausdauerpunkte sind das Maß dafür, wie viele Strapazen der Abenteurer auf sich nehmen kann, bevor er erschöpft ist.

Lebenspunkte erhöhen sich während des Lebens des Abenteurers nicht mehr. Sie sind knapp bemessen und bewegen sich ca. im Bereich von 10 bis 20 – je nach Konstitution des Abenteurers. Lebenspunkte können per Magie oder auf natürlichem Weg (1 Punkt pro Tag) regeneriert werden.

Ausdauerpunkte steigen bei jedem Gradanstieg an. Sie werden in Midgard hauptsächlich in Kämpfen und beim Zaubern benötigt. Eine hohe Anzahl von Ausdauerpunkten ist also für Kämpfer und Zauberer gleichermaßen wichtig. Ausdauerpunkte regenerieren sich bei ausreichend Schlaf vollständig über Nacht.

Kämpfe in Midgard werden in Runden zu je 10 Sekunden eingeteilt. Die Reihenfolge der Aktionen wird durch die Basiseigenschaft Gewandtheit bestimmt. Die Midgard -Kampfrunde ist in zwei Phasen unterteilt. Zuerst findet die Bewegungsphase statt, in der sich alle Beteiligten gemäß ihrer Bewegungsweite bewegen können. Die Reihenfolge, wer sich wann bewegen darf, wird über einen Wurf auf die Fertigkeit Anführen bestimmt (eine Art Initiativewurf).

Bewegung im Kampf ist in Midgard ausführlich geregelt. Es bietet sich also die Benutzung eines Bodenplans mit eingezeichneten quadratischen Feldern an. Wurde die Bewegungsphase beendet, beginnt die Handlungsphase, in der die Angriffe und Zauber abgewickelt werden.

Prinzipiell steht jedem Abenteurer nur ein Angriff oder Zauber pro Runde zu. Es gibt Fertigkeiten wie Fechten und beidhändiger Kampf und Zauber wie Beschleunigen, die mehrere Angriffe zulassen. Ein Abenteurer kann beliebig viele Angriffe pro Runde abwehren. Jeder abgewehrte Angriff kostet den Kämpfer Ausdauerpunkte, so dass Kämpfe nicht endlos ausgedehnt werden.

Vernichtende Blitze
Vernichtende Blitze

Eine Besonderheit bei Midgard ist der Kontrollbereich. Bei der Verwendung von Bodenplänen dient er dazu, dass z.B. ein Kämpfer nicht einfach an Gegnern vorbeilaufen kann, um den hinten stehenden Zauberer anzugreifen. Der Kontrollbereich ist in etwa die Waffenlänge der eingesetzten Waffe und entspricht in etwa dem Sichtfeld des Kämpfers. Die Möglichkeiten, den Kontrollbereich zu verlassen oder zu durchqueren, wurden verbessert. Hier hätte ich mir allerdings noch mehr Erleichterung für ein noch dynamischeres Kampfgeschehen gewünscht.

Eine 20 auf dem W20 bei Angriff oder Abwehr bedeutet einen kritischen Erfolg. Die Auswirkungen gehen von leichten Prellungen über gebrochene Arme, Beine und ausgestochenen Augen bis hin zum sofortigen Tod. Unter M5 wurden kritische Treffer entschärft. Ein kritischer Treffer bedeutet zwar noch immer mit hoher Wahrscheinlichkeit das Aus des Abenteurers für diesen Kampf, aber nachdem die Verletzung versorgt wurde, kann er wieder aktiv mitspielen. Er erhält lediglich einen Abzug von 4 auf Handlungen, die das verletzte Körperteil in Anspruch nehmen. Der Zauber Heilen Schwerer Wunden kann unter M5 gegen kritische Verletzungen eingesetzt werden. 

In Midgard wird zwischen leichten und schweren Treffern unterschieden. Ein schwerer Treffer erfolgt, wenn ein erfolgreicher Angriff nicht abgewehrt werden kann. Der Schaden wird von Lebenspunkten (abzüglich Rüstung) und Ausdauerpunkten abgezogen. Wird ein Angriff erfolgreich abgewehrt, so gilt er als leichter Treffer. Der Angegriffene hat zwar abgewehrt, verliert aber trotzdem Ausdauerpunkte.

Die Mechanik der leichten und schweren Treffer und die kritischen Treffer mit teils drastischen Auswirkungen sorgen dafür, dass auch überlegene Kämpfer sich nicht freiwillig in jeden Kampf stürzen sollten. Das sorgt für Spannung auch gegen eigentlich unterlegene Gegner, ist aber nichts für Spieler, die sich einen eher epischen Spielstil wünschen.

Das Kampfsystem kennt zudem noch diverse Optionen.Gezielte Angriffe, Gegner zu Fall bringen, Rundumschläge usw. Das alles macht den Kampf spannend, muss vom jeweiligen Spieler allerdings auch beherrscht werden.

Bögen machen im Vergleich zu anderen Waffen nur wenig Schaden, da kein Schadensbonus wie bei Nahkampfwaffen hinzugerechnet wird. MIDGARD ist also eher kein System für Fernkampffans.

Um nicht allzu abhängig vom Würfelglück zu sein, kennt MIDGARD drei Kompensationsmechanismen:

Ein Abenteurer sammelt göttliche Gnade, wenn er sich gemäß der vom Spieler gewählten Gottheit verhält. Sie kommt also nicht automatisch, sondern wird vom Spielleiter als Reaktion auf die Taten des Abenteurers vergeben.

Schicksalsgunst erhöht sich bei Gradanstiegen. Schicksalsgunst kann ausgegeben werden um Würfelwürfe zu wiederholen und Schaden neu zu würfeln.

Glückspunkte sind bei M5 neu. Wünscht sich die Spielrunde einen epischeren Spielstil, so kann der Spielleiter zu Beginn der Spielsitzung Glückspunkte vergeben. Diese Glückspunkte können verwendet werden um eigene Würfe zu wiederholen oder sich beim Würfeln einen Bonus zu verschaffen.

Lernen und Erfahrungspunkte

Midgard mischt Grade und freies Lernen durch das Ausgeben von Erfahrungspunkten. Jeder Abenteurer kann prinzipiell alles lernen. Die Grade sind für diverse Grenzen verantwortlich (z.B. Abwehr, Resistenz, Ausdauer) Das Lernen von Fertigkeiten und Zaubern erfolgt durch die Ausgabe von Erfahrungspunkten.

Die Lernregeln wurden stark überarbeitet. Die alte Aufteilung nach Kampferfahrungspunkten, Zaubererfahrungspunkten und allgemeinen Erfahrungspunkten ist verschwunden. Die Grade sind feiner gestaffelt und nach oben nicht begrenzt.

Die Vergabe von Erfahrungspunkten kann nach zwei Systemen erfolgen. Entweder pauschal nach Anzahl der Spielstunden oder individuell nach eingesetzten Fähigkeiten. Mit Ausnahme von sehr kampflastigen Abenteuern müssten beide Verfahren zu ähnlichen Ergebnissen führen.

Neben den Erfahrungspunkten kann man für eingesetzte Fertigkeiten auch noch Praxispunkte sammeln. Diese können zum Steigern von Fertigkeiten verwendet werden.

Fazit des Regelteils

Midgard ist kein Regelleichtgewicht. Trotzdem erschließen sich die grundlegenden Mechanismen schnell. Die Fertigkeiten sind plausibel benannt und durch die vereinheitlichte Skala von Zuschlägen und Abzügen kann auch ohne groß zu blättern eine Entscheidung getroffen werden. Im Vergleich zu M4 wurde viel Regelballast über Bord geworfen, der von vielen Gruppen sowieso nicht verwendet wurde. Der Erfolg einer Aktion lässt sich schnell ablesen.

Wenn man alle möglichen Manöver ausnutzen möchte, sind die Kampfregeln sehr komplex. Ein Spieler, der seinen Kämpfer effektiv spielen möchte muss sich einlesen. Ich persönlich mag komplexe Kampfsysteme. Variation macht mir Spass.

Zusammen mit dem kurzen, ca 15-Seitigen Bestiarium, das auch auf menschliche Nichtspielerfiguren und deren Erschaffung eingeht, bildet der Regelteil eine runde Sache.

Charaktererschaffung

Kämpfe bleiben gefährlich!
Kämpfe bleiben gefährlich!

Hatte M4 eine rein auf Würfelglück basierende Charaktererschaffung, wurde das in M5 grundlegend geändert. Die Basisattribute werden noch immer ausgewürfelt, den Fertigkeiten wurde aber jedes Zufallselement genommen. Pro Abenteurertyp gibt es eine feste Anzahl von Lernpunkten, die für jede Fertigkeitengruppe beliebig ausgegeben werden können. So hat z.B. ein Waldläufer mehr Punkte für Freilandfertigkeiten zur Verfügung als ein Spitzbube oder Assassine.

Auch unter M5 starten Midgard-Charaktere eher schwach. Der Gradanstieg geht in unteren Graden recht schnell. Der Abenteurer hat eine recht ansehnliche Anzahl von Fertigkeiten, Waffen und Zaubern zur Verfügung, die Erfolgswerte wurden in M5 angehoben. Der gesamte Prozess der Charaktererschaffung wurde auf zwei Seiten am Ende des Kapitels übersichtlich zusammengefasst.

Ich habe für die Charaktererschaffung ca. eine halbe Stunde benötigt. Für einen neuen Spieler würde ich in etwa eine Stunde ansetzen, für Spieler eines Zauberers etwa anderthalb – die ganzen Beschreibungen der wählbaren Fertigkeiten und Zauber wollen erstmal gelesen werden.

Spielbarkeit aus Spielleitersicht

Als Spielleiter wird man von Midgard gut unterstützt. Nachdem die ganzen Sonderregeln aus den Fertigkeitsbeschreibungen rausgefallen sind und einer übersichtlichen, für alle Fertigkeiten geltenden Zu- und Abschlagstabelle gewichen sind, fällt es leichter Entscheidungen aufgrund der Regeln zu treffen. Blättern muss man eigentlich nur noch in Sonderfällen (z.B. was bei einem kritischen Erfolg oder Fehler bei einer bestimmten Fertigkeit passiert) und natürlich bei der Anwendung von Magie.

Je nachdem, welches Punktevergabesystem der Spielleiter bevorzugt, wird er mehr oder weniger Arbeit haben. Mir gefällt, dass es jetzt eine Auswahl gibt. Wer kompetatives Spiel mag, wird auf die individuelle Vergabe der Erfahrungspunkte setzen, andere werden eher die pauschale Vergabe bevorzugen.

Spielbarkeit aus Spielersicht

Gewürfelt wird in Midgard nur, wenn es auch tatsächlich eine Herausforderung gibt. Niemand muss würfeln, wenn er nur einen Baum hochklettern möchte, der genügend Halt bietet und er nicht in Eile ist.

Durch die vielen Fertigkeiten und Zauber können Abenteurer bereits ab der Charaktererschaffung individualisiert werden. Die Regeln selbst sind leicht erlernbar. Es dauert natürlich etwas länger, bis man die diversen Kampfoptionen durchschaut hat und seine Zauber gut kennt.

Preis-/Leistungsverhältnis

Die beiden Bände „Der Kodex“ und „Das Arkanum“ werden zum Spielen benötigt. Das heißt: Man muss von Anschaffungskosten von knapp 60.- EUR ausgehen. Das ist, verglichen mit dem gebotenen Material, preiswert. Zum Regelwerk gibt es kostenlos die beiden PDFs dazu. Am Ende der jeweiligen Bände gibt es einen Downloadcode, mit dem man Zugang zu einem Onlinebereich bekommt, in dem zusätzliches Material zum Herunterladen angeboten wird (unter anderem die angesprochenen PDF).

Erscheinungsbild

cover_Kodex

Die Regelbücher kommen als Hardcover im üblichen Midgardformat (etwas kürzer als A4). Sie sind fadengeheftet und haben wieder zwei Lesebändchen. Der Inhalt ist komplett in Farbe. Die PDFs kommen im gleichen Format. Das Inhaltsverzeichnis ist verlinkt, der gut strukturierte Index leider nicht.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Verlag für F&SF Spiele
  • Autor(en): Jürgen E. Franke
  • Erscheinungsjahr: 2013
  • Sprache: Deutsch
  • Format: 21x28cm Print und PDF (wird als Bundle verkauft)
  • Seitenanzahl: 214
  • ISBN: ISBN 978-3-924714-95-6
  • Preis: 29,95 EUR 
  • BezugsquelleAmazon

 

Bonus/Downloadcontent

Jeder Band enthält einen Code, mit dem man Zugang zu einem geschützten Bereich auf der Midgard-Online Homepage erhält. Dort werden diverse Zusatzmaterialen angeboten:

  • PDF-Version des Kodex
  • Datenblätter / Charakterblatt
  • Anleitung zum Spielen der gestrichenen Abenteurertypen
  • Eine Zusammenfassung der Tabellen
  • Drei Startabenteuer (Die Kinder des Ogers, Das Hügelgrab bei Clydach, Blutmond (letzteres ist für den November angekündigt)
  • Die Beschreibung der Stadt Thame
  • Zusammenstellung der Abenteurerbilder (Kämpfer) 

 

Fazit

Midgard bietet in seiner 5. Edition eine gut durchdachte Evolution. Alte Quellenbücher, alte Abenteuer bleiben uneingeschränkt nutzbar. Das hat mir bei Midgard immer gut gefallen.

Jürgen E. Franke hat es geschafft die Regeln zeitgemäß zu überarbeiten und dennoch das Midgard -Flair zu erhalten. Regeln wurden zu Gunsten einer besseren Spielbarkeit vereinfacht. Nach wie vor ist Midgard ein komplexes Regelwerk, das eine detaillierte Spielwelt und Charakterentwicklung zulässt. Abenteurer können über Jahre hinweg gespielt werden ohne am oberen Ende anzukommen.

Midgard halte ich für die beste und abwechslungsreichste Spielwelt auf dem Markt. Es gibt zwar diverse Quellenbände zu den einzelnen Regionen, da aber Midgard-Kulturen immer eine Entsprechung in der realen Welt haben, kann man sich im Internet mit genügend Quellenmaterial versorgen. Bei Letzterem muss man natürlich selbst für den notwendigen Schuss Fantasy sorgen.

Leider wurde in M5 der Kontrollbereich nur marginal abgeschwächt. Ich hatte hier auf eine Regelung gehofft, die mehr Bewegung auf dem Spielfeld ermöglicht.

Die Einführung der Glückspunkte erlaubt interessierten Gruppen einen etwas „rasanteren“ Spielstil. Meine Gruppe wird das zu schätzen wissen.

Die für mich herausragende Änderung in M5 betrifft die Entschärfung von kritischen Treffen. Sie sind nach wie vor kampfentscheidend und bedeuten eine starke Einschränkung für den Abenteurer, allerdings setzen sie den betreffenden Abenteurer nicht mehr tagelang völlig außer Gefecht.

Daumen4Maennlich

Über den Autor

HJ_MaierHans-Joachim ist freier Redakteur bei teilzeithelden.de. Der langjährige Rollenspieler unterstützt das Team mit Rezen­sio­nen im Bereich MHR, Shado­wrun und ande­ren, vorzugsweise deutschen,  Rol­len­spie­len. Er ist Midgard-Veteran, Administator des deutschen Midgard-Forums und setzt sich seit Langem kritisch mit dem System auseinander.

 

 

 

Artikelbilder: Verlag für F&SF Spiele

 

26 Kommentare

  1. Hallo H-J,

    magst du ein wenig noch was zu den Fertigkeiten sagen? Ich spielte Midgard seit Din-A5 Zeiten, aber irgendwann habe ich es aufgegeben.
    Musste man eine Fertigkeit anwenden war es immer ne kritische Geschichte. Entweder du konntest es gut, oder schlecht. Dazwischen gab es irgendwie fast nichts. Wie ist es nun? Wie stellen sich die Fertigkeiten dar, und auf welcher Stufe kann man sie?
    Sind Stufe 1. Charaktere immer noch so Würste, und wie verändert sich dies mit Stufenanstiegen?
    Ich hatte Midgard fast aufgegeben, und bin kurz davor es zu entsorgen. Ich warte gezielt auf eben diese Version.
    Danke für deine Zusammenfassung, ich könnte mir nun vorstellen es nochmal mit ihm zu probieren.

    • Die Abenteurer wurden stärker gemacht. Man startet (wenn ich alles richtig überblickt habe) überall mit 8. Dazu kommt noch ein Bonus für hohen Eigenschaftswerte. Gefühlt würde ich sagen, dass neue Charaktere nach M5 irgendwo bei Grad 2 oder 3 nach alten Regeln angesiedelt sind. Aber dazu muss ich mal einen Spieletest abwarten um genaueres zu sagen.

      Abenteurer starten immer noch recht schwach, aber es ist nicht mehr Not gegen Elend wir unter M4… Ich hab unter M4 meine Abenteurer normalerweise auf Grad 3 angefangen. M5 landet da recht genau bei meinen Vorlieben.

  2. Hmm… eine schöne Produktvorstellung Aber ein Artikel, die in Midgard keinen einziges Manko erkennt oder nennt und dann noch von dem admin des midgard-forums stammt, würde Ich kaum als Rezi bezeichnen. Für mich persönlich ist es nicht mehr als ein Werbetext und leider keine Rezension, die mich zu einer Kaufentscheidung bewegen kann… schade.

    @Teilzeithelden: Wie wäre es mit einer Kategorie Produktvorstellung / Werbung?

    Dies soll nicht als Vorwurf Dir gegenüber verstanden werden, Hans-Joachim, Ich würde für meine Fanboy Systeme nicht anders vorstellen ( nur mit wesentlich schlechterem Deutsch :D ), doch wüsste Ich das mein Text das Prädikat „Rezension“ niemals verdienen würde, ohne das Ich mich schämen müsste.

    • Würde es Werbung sein, würde der Daumen senkrecht nach oben sein. Ich schätze die kritische Meinung eines Fans mehr als die Einschätzung von jemandem, der sich neu einarbeiten muss. Wäre es Werbung, würde zudem im Text stehen, dass man sich das Buch am Besten sofort auf der SPIEL kauft.

      Ich muss deinen Kommentar daher entschieden & entkräftend ablehnen.

  3. Midgard ist super, aber ein wenig frisches Blut könnte dort helfen. Leider scheint die alte Riege unkaputtbar zu sein- nicht, dass ich ihnen was schlechtes Wünsche, sie haben mir schliesslich unendlich viele schöne Stunden beschert.

  4. Ballast abgeworfen? Ist dann denn überhaupt noch was übrig? Mein letzter Kontakt mit dem Midgard-Konzept war das Perry Rhodan-Rollenspiel. Und es war immer noch ein unerträgliches Regelwerk voller Aküfi und bürokratischem Micromanagement. Wenn ich ein System nicht leiden kann, dann Midgard. :)

    • Perry Rhodan halte ich für unspielbar ohne Hausregeln. Hat mich ja letztendlich auch dazu gebracht meine Savage Worlds Conversion zu schreiben.

      Wie ich geschrieben hab: MIDGARD ist nach wie vor ein komplexes Regelwerk. Das kommt (hoffentlich) in der Rezi auch entsprechend rüber.

  5. „Wäre es Wer­bung, würde zudem im Text ste­hen, dass man sich das Buch am Bes­ten sofort auf der SPIEL kauft.“

    Gut, dass Du das nachgeholt hast Roger *facepalm*.

  6. Zumal ich M4 ziemlich deutlich kritisiert habe in der Vergangenheit… Was ich kritisiert habe wurde aber aller gelöst – bis auf den blöden Kontrollbereich…

    Aber in meiner Autorenbox sollte tatsächlich was vom Midgard-Forum stehen… Sonst hat es in der Tat ein G’schmäckle…

  7. Ich habe damals selbst jahrelang midgard gespielt und viele schöne Stunden verbracht, aber inzwischen frage ich mich, inwieweit grenzt es sich von DSA ab ? Abgesehen davon , dass DSA bedeutend detaillierter sein kann.

    • Puh… Ich hab so Ende der 80er Jahre das letzte mal DSA gespielt (2. Auflage war das glaube ich – als die 3w20 eingeführt wurden)). Ich kenn DSA nur aus Diskussionen die ich am Rande mitbekomme.

      Ich würde MIDGARD als weniger detailverliebt mit flüssigeren Regeln bezeichnen und die Spielwelt aus plausibler. Aber wie gesagt, meine DSA-Erinnerungen sind über 20 Jahre alt. Das kann vermutlich jemand anderes besser beurteilen.

  8. Hallo,

    leider ist der Kontrollbereich keine Besonderheit von Midgard.

    Bei DSA4.1 zum Beispiel gibt es den Passierschlag, wenn man an einem Kämpfenden vorbei läuft. Der Begriff Kontrollbereich wird nicht ausdrücklich benannt, die Wirkung ist aber die selbe.

    Gruß

    Christoph

  9. Oh, welch lebhafte Diskussion ;-)

    Ich will gleich mal vorausschicken, dass ich großer Midgard-Fan und gespannt auf die neue M5-Version bin (und mich für völlig neutral halte, da nirgendwo mit den offiziellen Vertretern irgendwie verbandelt). Da ich alle Versionen schon gespielt habe, hab ich auch ein wenig Übersicht über das Gesamtwerk und in der Tat war es meiner Meinung nach mit der M4 so, dass zuviel hineingepackt wurde. Der Ausfluss waren komplexere Regeln (was meist längeranhaltenden Spielspaß bedeutet), der Nachteil natürlich, dass man öfters das Abenteuer unterbrechen musste und sich einen Absatz durchlesen musste. Zudem wurden neue Spieler sicherlich davon abgeschreckt. Diese Entwicklung kann man aber sämtlichen Rollenspiel-Systemen zuordnen, die länger auf dem Markt sind (als Beispiel möchte ich DSA nennen, dass ich nebenher spiele und ich mich immer noch nicht in der Lage fühle, ohne Software einen Charakter zu erstellen, von den überladenen Kampf-Spezialfertigkeiten ganz zu schweigen, puuuh). So ist wohl auch Midgard nun einen Schritt zurückgerudert, aber von der Entwicklung her wieder nach vorne und wird dadurch hoffentlich auch wieder für Einsteiger und schnelleres Spiel attraktiver, grundlegende Dinge wurden (auch abgeschwächt) beibehalten, die für mich die Vorliebe zu diesem System ausmachen:
    – die WELT: überaus stimmig und leicht umzusetzen (ich kann Hajo
    nur beipflichten, bei dem Land Alba beispielsweise denke ich
    an Schottland und kann den Spielern sofort eine schlüssige
    Umgebung in die Köpfe zaubern)
    – die HERAUSFORDERUNG: jene ist ständig vorhanden! Die Aben-
    teurer sind keine Superhelden, weder am Anfang noch nach
    jahrelangem
    Spiel. Bei jeder schwierigeren Aktion (egal ob Kampf oder
    Ausübung einer Fertigkeit muss man auch mit unangenehmen
    Konsequenzen rechnen)
    –> so sind „Rummsbummsfatz-Allesniedermetzel-
    EgalWasIchtuEswirdschonAllesGut“-Spieler in Midgard
    fehl am Platze, bei solchen Spielsituationen muss durchaus
    überlegt zu Werke gegangen werden, um durchzukommen.
    Dass man am Anfang sehr niedrig anfängt, hat mich noch
    nie gestört, man ist schließlich eine Art Hanswurst, wenn man
    als Abenteurer beginnt, aber die schnellere Steigerung zum
    „Teilzeit“-Helden (schmunzel) wurde ja wohl integriert.
    – die LANGFRISTIGE MOTIVATION:
    durch die vielerlei Fertigkeiten und Zauber gegeben, der langsa-
    mere Aufstieg als in anderen Systemen sorgt für anhaltenden
    Spielspaß und viele Regeln sind optional, bzw. man kann sie als
    Spielleiter dazu erklären. Als Zauberer kann ich auch das Kämpfen
    gut lernen (und umgekehrt), es ist halt nur 5mal so teuer ;-)

    Fazit: ich freu mich, die neue Version bald auszuprobieren und hoffe, dass Midgard viele neue Spieler hinzugewinnen wird.

    • Es gab Verzögerungen durch private Umstände. Soweit wir informiert sind, soll das Buch Montag in den Handel gehen. Ob es heute schon auf der SPIEL verfügbar ist, kann ich derzeit noch nicht sagen.

  10. Schöne „Rezession“, aber wird auch hier das wohl größte Manko nicht angesprochen, aber belegt durch die Frage meines Vorredners, sollte auch dies beachtet werden, wenn man sich für oder gegen Midgard entscheidet.
    Die Organisation, die PR und das Management von den Midgard Verlegern ist, entschuldigt meine Wortwahl, unter aller Sau.

    Wir spielen in einer Recht aktiven Gruppen nun schon weit über 5 Jahre, einige auch weitaus länger – und seit dieser Zeit versuchen wir verzweifelt an uns fehlende Materialien und Quellen zu kommen und auch nach Schriftwechsel mit dem „Verleger“ persönlich, war es nicht möglich – im Zeitalter von Scannern, OCR, und anderem Schnickschnack – unsere Gier zu befriedigen.

    Nun M5 – und wir dachten: „Juhu ein neues Regelwerk ein neues Zeitalter und Sie werden es sicherlich besser machen als die letzte Dekade“. Und was war !? PUSTEKUCHEN !

    – Wage Ankündigungen zu Terminen,
    – wage Ankündigungen zu Inhalten,
    – Termin auf der Spielemesse in Essen – nichts da – nicht ein Stand,
    – ein Tag später Veröffentlichungsstart per offizieller Mail – Linkcrypt verwendet welcher von sämtlichen Maildiensten und Portalen als Pishingversuch gewertet wird und im Spam verschwindet.
    – Amazon Status direkt auf „Derzeit nicht Lieferbar“
    – KaufPDFs nicht freigegeben sondern nur um Gutscheincodes.

    Eine FARCE !!!. Während ich dies schreibe, merke ich wie sehr es mich aufregt, dass ein wirklich gutes Regelwerk und ein wahrlich gelungenes P&P soviel Geduld und Abwarten von seinen Spielern verlangt – nur weil es an anderer Stelle zu fehlen scheint.

    Jeder der mit Midgard anfängt, weil es – zurecht – überall gepriesen wird sollte sich diesen Dingen bewusst sein.

    Mit freundlichen Grüßen
    Siri

  11. Ein sehr sehr guter Bericht, der flüssig zu lesen und übersichtlich eingeteilt ist.
    Die Beschreibungen und Erläuterungen haben mir beinahe Lust gemacht, mich mal richtig auf dieses System einzulassen.

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