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Ich bin ein LARPer… habe ich gehört. Wenn ich meine Freunde frage, mein Auto oder meine Wohnung anschaue, bestätigt sich diese Aussage: Ich bin ein LARPer. Vor allen anderen Spielen und Spielmaterialien findet man bei mir LARP-Sachen. Ich habe Gewandungen, LARP-Waffen, Bücher über LARP-Theorie und  -praxis, Magie-Darstellungskomponenten, ein Zelt, Schlafsäcke, Feldbetten, eine LARP-SL-Ausrüstung und sogar das ein oder andere Rüstungsteil  rumliegen. Ja, man kann mit Fug und Recht behaupten: Ich bin ein LARPer!

Wenn ich nun jedoch meinen Besuch auf der Spielemesse Essen dieses Jahr einmal Revue passieren lasse, dann merke ich leider nicht mehr viel davon. „LARP? Was ist das?“ möchte man fast sagen. Im Gegensatz zu so ziemlich jeder anderen Spielart (abgesehen von Videospielen, welche dasselbe Los traf, was mir bei diesen wiederum nicht wirklich negativ auffiel), scheint LARP auf der Spielemesse mittlerweile fast gar nicht mehr vertreten zu sein.

Es gab eine Handvoll von Ständen, die im engeren Kreis als LARP-relevant zu betrachten sind. Natürlich: Mytholon war da, mit großem Stand wie immer, aber dieser interessierte zumindest mich überhaupt nicht. Mytholon ist Mytholon… wenig Innovationen und vor allem Massenware. Ansonsten fielen mir vor allem zwei italienische Stände auf: der Rüstungs-/LARP-Waffen-Hersteller Fucina del Drago, sowie die Gewandungsmanufaktur Narsilion. Beide konnten durch hochqualitative Arbeiten und dafür durchaus angemessenen Preisen aufwarten. Als kleines Schmankerl gab es hier für Kunden, welche für über 100€ Warenwert einkauften, ein Spielerticket für das italienische LARP Battle für Vilegis im Wert von 45 EUR gratis dazu.

Zwei bis drei weitere kleine Stände boten den üblichen Krimskrams an, den man von Mittelaltermärkten kennt. Zum Stöbern ganz in Ordnung, aber nicht wirklich bemerkenswert.

Etwas Schmuck, Lederarbeiten, Schulterdrachen etc. Etwas frischen Wind brachten noch Farmerownia, ein polnischer Rüstungshersteller, der vor allem durch ausgefallene Designs und Liebe zum Detail zu überzeugen weiß, sowie Blasterparts, die Neuigkeiten im Bereich der Nerf-Guns im Gepäck hatten. Aber das war’s dann auch schon.

Sieben, vielleicht acht Stände insgesamt gab es zum Thema LARP. Eventanbieter? Fehlanzeige. Weder Live-Adventure, noch Wyvern, noch Lost-Ideas  waren anzutreffen, von kleineren Orgas ganz zu schweigen. Nicht mehr als eine Hand voll Händler, ReSeller noch weniger und keine einzige Orga als Aussteller.

Freilich, mit ein wenig Umdenken konnte man als LARPer noch etwas Passendes finden. So hatte My Costumes das Material Worbla im Gepäck, das bisher vor allem für Cosplay-Ausrüstung genutzt wurde. Aber auch immer mehr LARPer beginnen, damit zu experimentieren. Sollte sich dieses Material durchsetzen und als praktikabel im Einsatz erweisen, werden weitaus detailliertere Rüstungen und Verzierungen die Folge sein und könnte den Qualitätsstandard ebendieser im LARP noch ein weiteres Mal anheben.

Ein weiterer Stand, welcher mit ein wenig Out-of-the-Box-Denken für LARPer interessant gewesen sein könnte, war vollgepackt mit Holz-Knobelspielen in allen Facetten. Besonders bemerkenswert: Rätsel- und Trickschlösser aus Holz und Metall, die in DKWDDK-Systemen sehr simpel, aber effektiv zur Darstellung von knackbaren Schlössern genutzt werden können. Die wirklich schönen Trickschlösser aus Metall fingen allerdings preislich auch erst bei 100 EUR an, was sie wiederum nicht mehr ganz so erschwinglich machten. Für den ein oder anderen sicherlich jedoch eine gute Anlaufstelle.

Warum hatte ich dennoch Spaß auf der SPIEL? Weil ich eben nicht nur LARPer bin. Ich habe Freunde getroffen, habe Kartenspiele und PnP-Bücher gekauft und sogar ein/zwei neue Spiele ausprobiert. Ich habe sogar zwei Gewandungsteile bei Narsilion erstanden und bin sehr glücklich darüber. Rundum: mein Bedürfnis nach Nerd-Sein wurde befriedigt; mein Bedürfnis nach sozialer Interaktion mit Freunden wurde befriedigt. Mein Bedürfnis nach LARPer sein wurde nicht befriedigt, aber da warte ich dann auf nächstes Jahr auf die RPC, denn dort finde ich all das, was ich hier vermisst habe.

Schade eigentlich, verschenkten die Veranstalter doch somit sehr viel Potential. „Entweder ganz oder gar nicht!“ wäre meine Forderung da gewesen. So fühlt man sich ein wenig stiefmütterlich behandelt als LARPer und sucht die Erfüllung dieses Bedürfnisses dann halt eben anderswo. 

Für mich persönlich – aufgrund obengenannter Dinge – weniger ein Problem, kann dies allerdings für andere potentielle Besucher durchaus zum Grund werden, die Spielemesse in Zukunft zu meiden und doch eher nur noch auf die RPC nach Köln zu fahren.

Vielleicht lernen die Veranstalter ja daraus und gehen einen der beiden Wege zu Ende, anstatt zu versuchen, auf beiden Halb zu gehen. 

Eine Übersicht über die Neuerungen im Tischrollenspiel-Sektor findet ihr hier.

Artikelbild: meltingdog auf sxc.hu
Logo: Merz Verlag

 

9 Kommentare

  1. Letzteres ist leider eher unwahrscheinlich, da die Veranstalter offenbar gar kein Interesse daran haben, den Rollenspielbereich zu forcieren, der Anteil an LARP, P&P und Verwandtem geht seit Jahren kontinuierlich zurück. Gespräche mit Händlern aus diesem Bereich brachten zutage, dass diese vom Merz-Verlag seit Jahren mehr und mehr den Eindruck vermittelt bekommen, eigentlich unerwünscht zu sein.

  2. Diese Entwicklung der Spiel weg Larp und wieder zu den Ursprüngen der Brettspielen ist ja nun schon seit einigen Jahren zu beobachten aber wohl mit Steigenden Messekosten und mehr Internet Kundschaft der Larphändler zu erklären.

    Was mich an dem Bericht interessiert ist das ominöse Material Worbla das man aus Bastelblock von Cosplayern kenn wo aber auch noch kein Cosplayer mal zu sagen konnte ob Worbla zu mehr als zum Posen zu gebrauchen ist.
    Vielleicht macht Teilzeithelden mal einen Härtetest ob Worbla Larp tauglich ist, Larpwaffen Schläge aushält, Chargen aushält, Zusammenstöße aushält etc.

    • Ich habe in einem Nähforum ein Worbla-WIP gesehen und nachgefragt und derjenige antwortete, als Larp-Rüstung wäre das Material nicht stabil genug.

  3. Es ist meiner Meinung nach etwas schwierig, von allen Larp-Händlern und Veranstaltern zu erwarten, in eine gemeinschaftliche Richtung zu gehen. Ich habe auch mitbekommen, dass das Verhältnis der Kosten für die SPIEL im Gegensatz zum Umsatz in den letzten Jahren immer weniger lohnend war, daher ist wohl eher ein weiterer Rückgang zu erwarten – es macht aber dann natürlich dennoch für ein paar vereinzelte Händler Sinn, die Konkurrenzfreiheit zu nutzen um diejenigen Kunden anzulocken, die eben nicht nur Larper, sondern auch Brettspielfans sind, oder die vielleicht auch gar nichts mit Larp zu tun haben, aber gern ein paar coole Fantasysachen kaufen würden.

  4. Ich würde mir eher wünschen, dass auf dem LARP mehr „echte Materialien“ verwendet würden im Kostümbau und nicht noch mehr Plastik. Sicher ist das toll für fantastische Kreaturen aber gerade die Stoffauswahl – lackiertes Kunstleder, Lack, Pannesamt, glattgebügelte Baumwolle in teils absureden Farben und ja.. ganz, ganz, ganz viel Rüstungsgewandung, lässt imho Raum für Verbesserung offen. Man muss sich nur mal die großartigen „Computerspielkostüme“ von The Witcher anschauen. So viel Vielfalt, Farbenspiel, Fantasy und fast alle sind so in echt umsetzbar. Auf dem LARP sieht man aber weiterhin vor allem Rüstungsgewandung und Standardkost: Tunika + Lederhose + Kettenhemd. Voila. Schade finde ich. Ein Glück gibt es noch die Orgas und Orkdarsteller, die für viel Abwechslung sorgen.

  5. Für Larper lohnt sich die Messe schon seit Jahren nicht mehr. Dafür gibt es mittlerweile die RPC und die Reenactmentmesse in Minden – letztere hat zwar wenig Fantasykram (aber es gibt welchen! Grandiose Blättermasken aus Leder fallen mir spontan ein), aber ein sehr vielfältiges Angebot und der Preis (5 €, Parken gratis) ist unschlagbar :D

    Ich gehe wegen der Brettspiele auf die Messe – wäre ich keine Brettspielerin, ginge ich gar nicht hin. Aber ich bin trotzdem GEGEN „Ganz oder gar nicht“ – denn auch wenn ich finde, dass Mytholon viel Ramsch verkauft, gibt es dort doch ab und an interessante Sachen für mich, z.B. Helme, bei denen es von Vorteil ist, sie live anprobieren zu können ohne großes Hin- und Herschicken. Und die RPC ist für mich bisschen weit weg.

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