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Als Redakteur Andreas im Dezember des Jahres 2011 eine Zusammenfassung niederschrieb, was in seinen Augen dazu gehört, ein guter Spieler zu sein, fand ich diese damals sehr umfassend. Vieles davon erschien mir logisch, nachvollziehbar und selbstverständlich. Vielleicht lest ihr den Artikel mal?

Wieder zurück? Großartig!

Natürlich – Pünktlichkeit, Höflichkeit, Kenntnis der Regeln und der Spielwelt. Dazu noch gesellig sein und Charakterbogen wie auch Würfel dabei haben. Alles in meinen Augen Selbstverständlichkeiten.

Aber dann möchte ich, nach fast zwanzig Monaten, doch noch einmal darauf eingehen und die Liste an einigen wenigen, aber entscheidenden Stellen erweitern. Und eine neue Aufforderung habe ich auch noch.

Andreas fordert Pünktlichkeit – ja, die fordere ich auch. Spielrunden am Wochenende haben meist ein breiteres Zeitfenster, da sind 15 Minuten zu spät kein Beinbruch. Oft sehen sich die SpielerInnen nur zu den Runden und so vergeht die erste halbe Stunde meist mit dem Austauschen der Neuigkeiten. Spielrunden in der Woche sehen da anders aus. Hier bleiben häufig  nur zwei bis drei Stunden Spielzeit und um 20 Uhr anzufangen, heißt um 20 Uhr anzufangen und nicht 20:30 Uhr und später.

Regelkenntnis ist obligatorisch. Nicht jedes Spezialmanöver, nicht jede Sonderkraft und auch nicht das Verführen eines doppelt gezackten Sumpfschweines. Aber die Basics müssen sitzen. Das „Würfele so und so viele Würfel gegen diesen Mindestwurf und mache deine Addition/Multiplikation“. SpielerInnen, die mir nach acht Spielabenden immer noch freudestrahlend eine 10 auf einem W10 entgegenhalten, weil diese zufällig in einem anderen System wichtig ist – aber eben in diesem nicht – werden mir lästig.

Charakterkenntnis –  Andreas bezieht diesen Punkt darauf, nicht immer den gleichen Archetypen zu spielen. Ich beziehe es eher auf den Charakter an sich. Kenne deine Werte, wisse, wo dieser Wert notfalls steht, kenne deinen Hintergrund. Kenne Dich auch aus mit der Position in der Spielwelt, die dein Alter Ego annimmt. Wenn Kriegern in deiner Spielwelt verboten ist, ein Freudenhaus zu betreten, dann wisse das. Informiere Dich über die offen zugänglichen Informationen deiner Spielwelt, kenne deine eigene Geschichte, kenne deine Werte. Ich empfinde die fünfte Nachfrage „Wo steht eigentlich mein Resistenz-Wert?“ als frech und egoistisch.

Wissen um die Geschehnisse – Niemand fordert, dass Spieler eine gespielte Geschichte im O-Ton rezitieren können, aber jeder in der Runde sollte wissen, was in groben Zügen passiert ist. Es sollte doch im gemeinsamen Interesse liegen, die Geschichte weiter zu erspielen. Und dafür muss man zumindest grundsätzlich wissen, was war und wo die nächsten Ansatzpunkte sind. Meine eigenen Runden nutzen dafür eine MediaWiki, in der die Geschehnisse nacherzählt werden. Dass dies eine Luxus-Variante ist, ist mir klar. Aber Zettel, Stift oder auch Tableau-PC wird jeder zur Verfügung haben. Besonders wichtig wird dieser Punkt, wenn die Spielrunde nur alle paar Wochen zum Spielen kommt.

Anderen ihre Szenen lassen – Ich persönlich ziehe viel meiner Spielerfahrung auch aus dem Spiel der anderen. Ich höre ihnen gerne zu, auch wenn ich nicht an der Szene beteiligt bin. Ich genieße es einfach, die Szene sich vor meinem inneren Auge entfalten zu sehen und mitzufiebern. Aber es gilt auch: Es ist dein volles Recht, den SL darauf hinzuweisen, wenn die Spotlights nicht gerecht verteilt werden. Vielleicht nicht mitten am Spielabend, aber spätestens am nächsten Tag. Gute Spieler geben konstruktives Feedback, gute SL nehmen sich die Kritik an.

Aufmerksamkeit – Ich sehe das wie Andreas. Ich beschreibe eine Szene eingehend und angemessen detailreich und plötzlich fragt der Spieler, der unbedingt seine Mails eben auf dem Smartphone prüfen musste, ob dort das und das wäre. Das und das habe ich aber gerade in zwei Sätzen beschrieben. Ich werde da zur Wildsau! Aufmerksamkeit heißt hier, aufmerksam gegenüber den Geschehnissen, den Beschreibungen, aber auch den Aktionen der Spieler zu sein. Alles andere ist schlicht respektlos und würdigt SL wie Spieler herab. Es vermittelt den Eindruck, dass die erbrachte Leistung nicht geschätzt wird.

Ausgerüstet sein – Dazu gehört nicht nur, eigene Würfel  zu haben, sondern auch diese parat auf den Tisch zu legen. Auch stört wenig mehr als das lange Kramen nach dem Charakterbogen, wenn bereits eine Stunde gespielt wurde. Ein Stift und etwas Papier für Notizen ist auch gut. Ihr braucht Zählsteine für irgendeinen Wert? Ab auf den Tisch damit!

Soweit zu Andreas Worten. Ich habe aber auch noch das eine oder andere dazu anzubringen.

Genügsamkeit – Jeder Spieler erwartet einen tollen Abend mit Freunden. Manchmal will das aber nicht gelingen. Manchmal ist der Wurm drin. Der SL hat einen schlechten Tag, jemand hat eine niederschmetternde Neuigkeit am Tag erfahren und spielt trotzdem. Der Nachwuchs nölt und schreit dauernd. Dann ist es an allen Beteiligten am Tisch, dennoch das Beste draus zu machen. Rollenspiel ist eine Gruppenerfahrung und so ist es an jedem Beteiligten, diese Erfahrung zum Besten zu mehren.

Die Meta-Ebene ist böse! – Hier werden sich sicher die meisten Spieler polarisieren. Ich persönlich bevorzuge stark immersives Spiel. Ich will die Atmosphäre spüren, ich will mein eigenes Kopfkino einen wilden Tanz aufführen sehen. Natürlich kommen manchmal Regelfragen auf. Natürlich gibt es manchmal Unklarheiten, wie die virtuelle Umgebung genau aussieht. All diese Fragen haben ihre Berechtigung und müssen sein. Was aber nicht sein muss, ist zum Beispiel die Planung für den Einbruch in ein Laboratorium außerhalb der Rolle durchzuführen. Um wie viel intensiver wird das Spiel doch, wenn man aus der Rolle heraus argumentiert, plant, einschätzt und vielleicht sogar einen rollenbasierten Konflikt ausspielt?! Wenn ich merke, dass meine Spieler sich nur widerwillig aus der Rolle bewegen und tief immersiert sind, habe ich ein gutes Gefühl als SL. Es zeigt mir, dass ich sie erfolgreich mit meinen Worten und Ideen in eine fremde Welt entführt habe. Aber – so offen will ich sein – ich bin Method Actor, wenn ich selbst spiele. Für mich ist die Meta-Ebene ein notwendiges Übel. Jede Runde ist da anders. Und das führt uns zum …

… Gruppenvertrag – fürchterliches Wort, nicht?  Wer nun an ein langes Stück Papier denkt, welches mit Blut unterschrieben wird, liegt nur auf abstrakter Ebene falsch. Was steht hinter diesem Wort? Doch eigentlich nur der gemeinsame Konsens, wie die an der Runde Beteiligten spielen wollen. Das umfasst die Tiefe der Immersion, den Inhalt der Stories auf einer abstrakten Ebene (welches Genre soll’s denn sein? Horror, Action, Thriller, Mystik, etc.), aber auch, ob zusammen vorher gekocht wird, wer für die Getränke zuständig ist, ob Alkohol am Spieltisch erlaubt ist und und und. Gute Spieler setzen sich kurz zusammen und klären das gemeinsam mit der SL. So kommen alle auf den Punkt, der den kollektiven Erwartungen am Nächsten ist. Und das ist gut, denn es ist ein Muss. Der Vertrag ist also mit Herzblut unterschrieben. Immerhin wollen doch alle Spaß haben, nicht?

Dazu gehört auch Ich habe Rechte! Spieler, egal ob gut oder nicht, haben Rechte. Sie haben das Recht, ihre Rolle so einbringen zu dürfen, wie sie es unter den Gesetzmäßigkeiten von Welt und Regeln können. Sie haben das Recht, Fragen zu stellen. Sie haben das Recht, konstruktive Kritik zu üben. Sie haben das Recht, zu betonen, „auch mal“ dran sein zu wollen, wenn die Spotlights ungerecht verteilt werden. Ein Spielleiter ist ein Moderator und Regisseur zugleich. Er ist aber nicht über die Spieler emporgehoben auf einen goldenen Sockel. Er ist ein Mensch, wie jeder andere am Tisch und hat daher die Verpflichtung, die Rechte der Spieler zu wahren.

Rollenspiel ist eine Gruppenaktivität und jeder Teilnehmer hat die Verpflichtung, das Erlebnis für alle anderen Beteiligten so angenehm wie möglich zu machen.


 

Logo_RSPKarneval_500pxDie­ser Arti­kel ent­stand im Rah­men des Kar­ne­vals der Rol­len­spiel­blogs und –web­sites „Rollenspieltipps“, der von der Zeitzeugin orga­ni­siert wird. Den eröff­nen­den Bei­trag zum Umzug fin­det man auf ihrem Blog.

 

 

Bisherige Beiträge (Stand 29.10.2013):

 

Artikelbild: kaeska  auf sxc.hu

15 Kommentare

  1. „Infor­miere Dich über die offen zugäng­li­chen Infor­ma­tio­nen dei­ner Spiel­welt“ und „Jeder in der Runde sollte wis­sen, was in gro­ben Zügen pas­siert ist“ sehe ich komplett anders. Beides verstehe ich als Aufgabe des Spielleiters. Wie ein guter Drehbuchautor dafür sorgt, dass alle wichtigen Informationen für eine Serienfolge in derselben Folge vorher zur Verfügung gestellt werden, muss ein guter Spielleiter auch dafür sorgen, dass alle wichtigen Informationen für eine Session auch in der selben Session vorher zur Verfügung stehen. Wenn die Spieler dann nicht aufmerksam sind, ist das allerdings ein Problem.

    • @Bjorn: Was für ein Unfug. Der Spielleiter soll jeden Spielabend nochmal den Plot zusammenfassen und den Spielern alle Informationen aufzählen, die sie für ihre Rolle brauchen? Nein danke. Etwas Eigeninitiative dürfte ja wohl auch verlangt werden. Der Spielleit hat eh schon die meiste Arbeit, warum soll er den Spielern auch noch ihre abnehmen?

    • Ich stimme insoweit zu, dass das erste Transportieren des Wissens um die Welt von der SL ausgehend erfolgen muss: „Lass uns Shadowrun spielen! Da geht es um das und das“

      In meiner privaten Erfahrungswelt jedoch hat sich das danach stark verselbstständigt. Die SpielerInnen wollten mehr wissen über die Welt und ihre Rolle. Ein Aufnehmen der Informationen muss ja nicht zwingend durch Lektüre erfolgen, sondern kann auch durch gezielte Fragen von SpielerIn an SL geschehen. Nur müssen die Fragen auch formuliert werden.

      Zu den Geschehnissen: Nein, sehe ich nicht so. Die SpielerInnen sind die Haupterlebenden der Geschehnisse. Natürlich weiß auch der SL, was passierte und kann und soll einspringen, wenn bei der Zusammenfassung der vorherigen Geschehnisse fehler oder Lücken aufkommen. Ich selbst lasse meine Spieler das immer zum Auftakt des Abends machen. Mit einem Lächeln lehne ich mich zurück, nippe einen Schluck Wein und fordere mit „The Story so far?“ auf.

      Das klappt hervorragend.

      • Rekapitulation der bisherigen Geschehnisse klappt bei meinem Spielern nicht und wenn ich spiele (statt leite), dann klappt es bei mir auch nicht. Da kann der Spielleiter soviel lächeln wie er will. Da aber die Session nicht funktioniert, wenn die relevanten Informationen nicht parat sind, sehe ich es als notwendig an, dass sich der Spielleiter darum kümmert – und sei es, dass er es an Spieler delegiert und überwacht, dass nichts fehlt.
        Man kann auch Serienfolgen produzieren, die nicht wiederholen, was zum Verständnis wichtig ist – die floppen dann aber, weil nur ein Bruchteil der Zuschauer bei der Stange bleibt.

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    […] Die Teilzeithelden diskutieren einen alten Artikel zum Thema neu […]

  3. So ähnlich hätte ich das 1850 sicherlich auch mal formuliert. Himmel, die Meta-Ebene ist böse, wie kann man sowas in Zeiten von Fiasco ernsthaft noch als allgemeingültigen Tipp geben?

  4. Ich kann mit dem Artikel ganz gut leben, insbesondere weil er die Rechte von Spielern mitbetont. Das wäre 1850 noch anders gewesen ;)

    Beim Rekapitulieren gibt es unterschiedliche Wege, wir nutzen oft kurze und abwechselns geführte Tagebücher bzw. bei Sandboxen wie Kingmaker mach ich danach immer kurze NSC-Übersichten, wie sich der Status verändert hat (als SL). Generell ist es wichtig, dies vor der Sitzung zu machen, egal ob SL-sitig, Spieler-seitig oder (auch gut!) beidseitig.

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