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Weird Wars, schon seit ewigen Zeiten eine von Pinnacle Entertainment eher stiefmütterlich behandelte Serie, erhält mit Weird Wars Rome seinen neuesten Ableger im Savage Worlds System. Wenig überraschend behandelt dieser Settingband die militärischen Aktionen des Römischen Reiches.

Es unterscheidet sich von anderen Weird Wars Settings insofern, dass es für sich in Anspruch nimmt, einen Zeitraum von ungefähr vierhundert Jahren abzudecken. Der erste beschriebene Konflikt sind die Punischen Kriege 200 vor Christus und die letzte militärische Auseinandersetzung sind die Germanischen Kriege, die 200 nach Christus ausgefochten wurden. Wird der mit 99 Seiten etwas schmalbrüstig geratene Settingband alle Erwartungen erfüllen können?

Inhalt

Allein der Titel des Bandes lässt bei Kennern der Serie schon Bilder im Kopf entstehen: eine einsame Gruppe Legionäre, die sich in irgendeinem europäischen Wald schlagen und Barbaren sowie Werwölfen die Stirn bieten. Eine Legion, die eine nordafrikanische Stadt belagert und dabei auch dunkler Magie ausgesetzt ist oder ein grausiges Menschenopfer, das finstere Kräfte erweckt – Weird Wars Rome klingt nach Spaß.

Doch vor der Kür kommt zunächst der Pflichtteil: die Charaktererschaffung. Wie in Savage Worlds üblich wird diese sehr schlank gehalten. Im Falle dieses Settingbandes noch minimalistischer als gewohnt: Der Spieler wählt einen Truppentyp aus, sorgt für die nötigen Attribute und Fähigkeiten, nimmt sich einige allgemeine oder dem Setting angepasste Vor- und Nachteile und erhält je nachdem einen Satz an Standardausrüstung.

Die Auswahl an unterschiedlichen Truppen reicht von normalen Legionären, Kavalleristen (Equites) bis hin zu Hilfstruppen (Auxilia). Wer in der militärischen Hackordnung etwas höher stehen möchte, dem steht die Möglichkeit offen, das Spiel als Decanus oder Tribun zu beginnen. Während der Decanus der Kommandant eines Contubernium, also einer achtköpfigen Kampfgruppe darstellt, ist der Tribun ein Rangträger, der sowohl kommandierende Aufgaben als auch Stabsaufgaben übernehmen kann. Was diese im Einzelnen sind, darüber schweigt sich der Band leider aus.

Abgerundet wird das Paket durch Gladiatoren, Medici und Speculatores bzw. Exploratores, die Scouts der ruhmreichen römischen Legionen. Weibliche Charaktere haben es in diesem Setting naturgemäß schwer und können lediglich Randrollen wie die nicht römischen Auxilia oder Charaktere aus dem Tross einer Legion besetzen.

Neuerung in der furiosen Antike

Bei Weird Wars Rome existiert auch das abgeleitete Attribut geistige Gesundheit (orig. Sanity), die die geistige Stabilität des Charakters beschreibt. Diese wurde bereits im ersten Savage Worlds Weird-Wars-Setting Tour of Darkness eingesetzt, die Regeln wurden aber noch einmal überarbeitet.

Apropos Settingregeln: Weird Wars Rome verfügt über einige Neuerungen. Neben Regelungen zum militärischen Alltag wie zum Beispiel Regeln für Reisen und der berüchtigten Schildkrötenformation gibt es auch erweiterte Regeln für Belagerungen in Massenkämpfen und Salvenfeuer.

Da Geld in einem militärischen Setting eher einen untergeordneten Wert hat, gibt es allgemein „Beute“ (orig. spoils). Dabei handelt es sich um kleinere Wertgegenstände, mit denen man unter anderem den Vorgesetzten bestechen, die Götter um Segen anflehen oder schlicht eine gepflegte Runde zechen gehen kann.

Neben einer ausführlichen Ausrüstungsliste verfügt der Spielerbereich des Bandes über einen kurzen Abriss über das Leben in der Legion, die historischen Entwicklungen des Römischen Reiches und schließt mit einer kurzen Beschreibung aller für eine römische Kampagne wichtigen Länder.

Der Schwerpunkt liegt hier tatsächlich auf „kurz“. Viele Fragen werden gar nicht erst angesprochen und eine typische Länderbeschreibung erstreckt sich über eine halbe Seite und umfasst damit Informationen über die Einwohner, zwei Sätze zum Land und dann noch einen kurzen Absatz zu den einzelnen Landstrichen. Germanien passt beispielsweise auf eine halbe Seite: ein Absatz Allgemeines, ein Absatz zu Germania Inferior (Belgien und alles Nordwestliche des Rheines) und noch ein Absatz für Germania Superior (westliche Schweiz, Nordfrankreich und Südwestdeutschland).

Wenn man jetzt noch bedenkt, dass diese paar Sätze einen Zeitraum von vierhundert Jahren abdecken sollen, merkt man schnell, dass das Setting eine gewisse historische Begeisterung und den Willen zur Recherche voraussetzt, wenn man sich nicht nur auf das bisschen vom Band vermittelte Wissen verlassen möchte. Die historische Zusammenfassung ist ähnlich knapp gehalten, wenngleich sie anscheinend aber einigermaßen akkurat ist.

SL-Unterstützung für Pilum-Träger

Der Spielleiterteil ergänzt die Settingregeln noch um einige weitere bzw. liefert Informationen über das Handling zum Beispiel der geistigen Gesundheit. Für einige Kontroverse am Spieltisch dürfte hier die Interlude- bzw. Zwischenspiel-Regel sorgen. Zwischen den einzelnen Kampagnen oder auch zwischen zeitlich einige Monate oder Jahre auseinanderliegenden Abenteuern soll die Entwicklung der Charaktere nicht stehenbleiben. Daher zieht jeder Spieler eine Karte. Das ist in den meisten Fällen positiv, es besteht aber auch die Chance, mit körperlichen Nachteilen (z.B. lahm, einarmig, etc.) in das neue Abenteuer zu starten. Bevor diese Regel Anwendung findet, sollte sich wirklich jeder am Tisch über die möglichen Konsequenzen im Klaren sein.

Interessant ist die Vermächtnis-Regelung: Da die Idee ist, nach jeder militärischen Kampagne einen neuen Charakter zu erschaffen, darf man eine Karte ziehen, um festzustellen, mit was der neue Charakter die Kampagne beginnt. Dies gilt auch für Charaktere, die verstorbene oder anderweitig ausgeschiedene Charaktere ersetzen. Hat man einen eigenen hochdekorierten Charakter, darf man sich sogar über noch mehr Karten freuen. Diese sind nicht notwendigerweise alle positiv und somit kann ein unglückliches Blatt den Charakter deutlich benachteiligen, noch bevor das Spiel begonnen hat.

Um selbst Abenteuer erstellen zu können, folgt ein Missionsgenerator. Dieser ist zwar auch nur auf die unbedingt notwendige Seitenanzahl gedampft, enthält aber die Essenz für wirklich spannende Abenteuer. Neben der Größe der eigenen Kampfgruppe (die von Contubernium der Spieler bis hin zur gesamten Armee reichen kann), wird natürlich die Größe der gegnerischen Armee, der eigentliche Auftrag und zur Verfügung stehende Unterstützungstruppen ermittelt.

Damit das Ganze dann nicht zu leicht von der Hand geht, kann die Mission durch Komplikationen, unheimliche oder unnatürliche Schauplätze oder Gegebenheiten sowie Ablenkungen angereichert werden. Alles in allem hat man nach der Nutzung dieses Generators seine eigene kleine Savage Tale, die man nach Belieben mit weiteren Details ausschmücken kann.

Varus, Varus, gib mir meine Legionen wieder!

Darüber hinaus bietet der Spielleiterbereich auch zwei Kampagnen. Die eine Kampagne behandelt den Kampf Roms gegen Hannibal und die Stadt Karthago, während sich die andere Kampagne mit Dacia, einem Landstrich auf dem Balkan beschäftigt.

Leider ist Kampagne für beides ein hochgestochener Begriff. Es handelt sich im Kern jeweils um fünf Ideen, die lose miteinander verbunden sind und durch den Missionsgenerator gestreckt werden sollen. Leider sind die Geschichten nicht einmal sonderlich kreativ und an manchen Stellen sogar aktiv inszeniert, um den Lauf der Geschichte nicht zu verändern. Schade, dann doch lieber eine richtige Kampagne als zwei, die beide den Begriff eigentlich nicht wert sind und eher vorhersehbar und dröge daher kommen. Auch an dieser Stelle bleiben viele Fragen offen und komplexe Sachverhalte werden mit zwei Sätzen abgehandelt, um möglichst viel Inhalt unterzubringen. Für neue Spielleiter sind daher beide Kampagnen nicht geeignet.

Das abschließende Bestiarium versucht auf den letzten zehn Seiten das Römische Reich in Zahlen zu vermitteln und durch die Berücksichtigung von Monstern sowohl aus keltischer als auch ägyptischer Sicht kann der Band hier durchaus noch Punkte sammeln.

Eine Beschreibung des alltäglichen Lebens im Altertum fehlt leider völlig. Ein schlimmer Fehler, bedenkt man, dass dieses Setting über zweitausend Jahre vor unserer Zeit spielt und man als moderner Mensch praktisch keine Ahnung von der damaligen Zeit hat. Hier ist unheimlich viel Potential verschenkt worden. Eine kurze Beschreibung der damaligen Götterwelten fehlt ebenso. Nicht einmal das römische Pantheon wurde in den Vordergrund gerückt. Es werden lediglich hier und da die Namen einiger Götter verwendet, aber auch an dieser Stelle bleibt dem Leser nichts anderes als die eigene Recherche.

Preis-/Leistungsverhältnis

Im Moment ist der regulär mit 19,99 USD bepreiste Artikel auf 15 USD heruntergesetzt. Man erhält dafür einige Settingregeln sowie lediglich einen Kurzabriss des Settings, alles in allem überzeugt das Preis-/Leistungsverhältnis aber nicht. Heruntergesetzt ist der Preis angemessen, die gültige unverbindliche Preisempfehlung ist aber zu hoch. Für zwanzig Dollar erwartet man hier schon etwas mehr Inhalt fürs Geld.

WeirdWarsRome CoverErscheinungsbild

Wie von Pinnacle Entertainment gewohnt ist die vorliegende PDF ein echter Hingucker: Stimmiges Artwork, professionelles Layout und gut lesbare Texte. Der erste Eindruck ist hier wie immer sehr gut.

Bei längerem Lesen fällt jedoch auf, dass die Schrift gerade im unteren Bereich der Seite in dunklere Bereiche abrutscht und daher etwas schwerer zu lesen ist. Das ist aber nicht weiter dramatisch. Das Wildcard-Symbol ist in diesem Setting ein Gladius. Dieses ist leider sehr klein und wird leicht übersehen.

Selbstverständlich verfügt auch Weird Wars Rome über ein voll verlinktes Inhaltsverzeichnis und einen ebensolchen Index. Leider sind die im Text angegebenen Referenzen nicht verlinkt. Damit hätte der ohnehin überdurchschnittliche Eindruck komplettiert werden können.

Optisch ist das Werk sehr solide und es macht Spaß sich damit zu beschäftigen, auch wenn es nicht zu Superlativen wie „atemberaubend“ oder „grandios“ reicht.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Pinnacle Entertainment Group
  • Autor(en): Paul „Wiggy“ Wade-Williams, Shane Lacy Hensley und “Teller”
  • Erscheinungsjahr: 2013
  • Sprache: Englisch
  • Format: PDF
  • Seitenanzahl: 99
  • ISBN: keine
  • Preis: 19,99 USD (Oktober 2013: momentan heruntergesetzt auf glatte 15 USD)
  • Bezugsquelle: DriveThruRPG.com

 

Fazit

Mit Weird Wars Rome beschreitet Pinnacle Entertainment erneut den Weg in ein bislang eher unverbrauchtes Genre. Die Ansätze und deren optische Aufbereitung sind gut. Beim Durchblättern bleibt man immer wieder an Szenen hängen, die die eigene Fantasie beflügeln und auch der Einstieg in die Charaktererschaffung ist sehr gelungen.

Leider fehlt es dem Settingband deutlich an Substanz. Da mit diesem Band sehr viel erreicht werden sollte, bleibt der Detailreichtum auf der Strecke. Übrig bleibt ein Haufen unsortierter Ideen, die dem Spieler und Spielleiter ungefiltert an den Kopf geworfen werden. Wir hätten uns an dieser Stelle gewünscht, dass der Settingband sich einen Konflikt des Römischen Reiches vornimmt und diesen in einem akzeptablem Detailgrad und mit einer ordentlichen Kampagne zusammen präsentiert.

So bleibt der Settingband leider zum Teil deutlich hinter den Erwartungen zurück und patzt dann auch noch mit nicht zu Ende gedachten Settingregeln. Für den ambitionierten Spielleiter sind diese Ideen zwar ein Schatz und er (oder sie) wird sie mit einiger Recherche sicherlich in eine tolle Kampagne verwandeln können. Wer aber nicht auf stundenlange Recherche steht und einen Settingband als alleinige Informationsquelle sucht, wird leider enttäuscht werden.

Daumen2maennlich

 

Artikelbilder: Pinnacle Entertainment Group

 

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