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2070, gerade einmal sechs Jahre nach dem Matrix-Crash, der die gesamte Welt erschütterte, zeigt sich die Matrix offenbar erneut von ihrer fragilen – und durchaus gefährlichen – Seite. Angeblich sollen einige Leute in der Lage sein, die Matrix durch ihren Verstand allein zu steuern. Nein, keine Kinder, keine Stämme, wie man es von den Otaku bereits kennt, sondern Metamenschen aller Altersstufen – und ohne Datenbuchse oder andere Hilfsmittel, mit denen sich auf die Matrix zugreifen lässt. Urbane Legenden, die Wahrheit, oder irgendwas dazwischen?

Inhalt

Aus anfänglich schwer bis nicht erklärbaren kleinen Störungen, die höchstens ein paar Verschwörungstheoretiker auf den Plan rufen und sich in den Medien ganz gut in einschlägigen Sendungen propagieren lassen, werden größere Störungen, mehr Theorien, und darunter erkennt man bereits einen Hauch schwelender Angst.

Als in Hongkong dann sogenannte Technomancer für den Tod vieler Leute verantwortlich sind, beginnt die Hexenjagd auf diese neuen Fähigkeiten. Erinnerungen an den letzten Matrixcrash werden wach, sorgen für Panik und ebenso für Hass den Technomancern gegenüber, und auch für die ewig Gestrigen, die sich noch immer nicht mit der Existenz verschiedener Metamenschen abgefunden haben, sind diese Technomancer ein gefundenes Fressen.

Ausgerechnet einer Künstlichen Intelligenz (KI) gelingt es schließlich, die Wogen einigermaßen zu glätten. Pulsar steht für die Anerkennung von sowohl Technomancern als auch den KI selbst, für die Anerkennung ihrer Rechte und die Anerkennung letzterer als anerkannte Lebensformen. Kein ganz leichter Kampf um Rechte, wenn kurz zuvor eine andere KI eine Raumstation gekapert hat …

Insgesamt mit sechs Kapiteln wartet der Quellenband auf, wobei das letzte Kapitel des deutschsprachigen Buches sich speziell der Situation in der ADL widmet.

Jedes Kapitel startet mit umfangreichen JackPoint-Forendiskussionen zwischen Runnern, die einen als Leser gleich mitten hinein reißen in die Geschehnisse. Der Umfang dieses Shadowtalks ist verglichen mit anderen Quellenbüchern hier ungewöhnlich umfangreich, was sich allerdings bezahlt macht. Ähnlich einem Roman, der aus Fragmenten zusammengesetzt wurde, fällt das Lesen und Eintauchen in die beschriebenen Ereignisse hier sehr leicht und ist ausgesprochen unterhaltsam.

Es folgen in jedem Kapitel die Hintergrundinformationen. Dort erfährt man, was aus dem Shadowtalk den Tatsachen entspricht, was also wirklich geschieht. Außerdem erfährt man hier, welche Sicht die Öffentlichkeit, die herrschenden Mächte, die Medien und die Schatten vertreten. Das schließt mögliche wirtschaftliche und wissenschaftliche Interessen sowie möglicherweise auf Runner wartende Jobs mit ein.

Das Buch enthält zudem viele explizite Plotvorschläge. Diese sind entweder kurz als Plothook in einem oder mehreren Absätzen skizziert, oder aber umfassen etwas genauere Beschreibungen mit einer oder zwei ganzen Szenen, die sich hierbei abspielen könnten oder sollten.

Qualitativ wirft das Buch einen ziemlich in eine Zwickmühle. Während Art und Umfang des Shadowtalks wahnsinnig gut gelungen sind und die Nachgliederung von Hintergrundinformationen, aufgeteilt in verschiedene Blickwinkel sehr gut gelingt, wirken die Plotvorschläge dagegen ziemlich blass und farblos. Wer sich schwer damit tut, eigene Ideen für mögliche Runs zu entwickeln, wird diese zwar sicherlich dankbar annehmen, für alle anderen bieten sie allerdings kaum einen Mehrwert geschweige denn Innovation.

Preis-/Leistungsverhältnis

Mit der Umstellung auf die fünfte Edition sinken die Preise für die meisten Quellenbücher der vierten Edition derzeit (Stand: Dezember 2013) ins Bodenlose. Wenn man dafür noch ein Hardcover-Buch neu ab 4,99 EUR bekommen kann, wirkt der Kauf des PDF ohne weitere Gimmicks und ohne Querverlinkung oder ähnliches für mehr als 10 USD schon ziemlich überteuert.

Ungeachtet dessen: Beide Versionen lohnen den Kauf, und Shadowrun-Fans können schon allein wegen der Präsentationsart der Ereignisse auch bei etwas kostspieligeren Angeboten noch ohne schlechtes Gewissen zugreifen.

Aber Achtung: Konkrete Spielwerte sucht man in Emergenz vergeblich. Wer den mechanischen Überbau der ganzen Technomancer-Story dazu haben will, kommt um den zusätzlichen Kauf des Quellenbuchs Vernetzt nicht herum.

Erscheinungsbild

Shadowrun Emergenz CoverBei der Printversion handelt es sich um die übliche Hardcoverausgabe, stabil und solide verarbeitet. Die PDF-Datei ist auf die reinen Inhalte beschränkt und weist nicht einmal Verlinkungen innerhalb der Datei auf, ist also nun wirklich nichts Besonderes.

Beiden gemeinsam sind die ansprechende Optik und die gute Lesbarkeit des Ganzen. Zwar unterbrechen wie immer weiterführende und Randinformationen, die in schwarz hinterlegten Balken auftauchen, den gerade behandelten Inhalt, doch diese kann man bequem bei einem zweiten Durchgang oder nach Abschluss des Kapitels nachlesen.

Zeichnungen finden sich wie zumeist recht viele im Buch. Sie sind durchweg schwarzweiß gehalten, und die meisten von ihnen weisen relativ viele Details auf, sodass der Anblick seinerseits zu unterhalten weiß.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Pegasus
  • Autor(en): Jason Blair, Rob Boyle, Robert Derie, Lars Blumenstein, Martina Noeth u.a.
  • Erscheinungsjahr: 2009 / 2012 (PDF)
  • Sprache: deutsch
  • Format: Hardcover / PDF
  • Seitenanzahl: 202
  • ISBN: 978-3-939794-79-0
  • Preis: 10,85 USD (DriveThruRPG.com | PDF), 15,80 EUR (Amazon), 7,95 EUR (Sphärenmeisters Spiele)
  • Bezugsquelle: siehe oben

 

Fazit

Wer sich für Technomancer und die neuen KI interessiert, kommt an diesem Buch kaum vorbei – allerdings auch nicht an Vernetzt für den entsprechend mechanischen Anteil des Ganzen. Vom Storyaspekt her ist Emergenz aus meiner Sicht eins der besten Quellenbücher zu Shadowrun 4 überhaupt. Was die Nutzungsmöglichkeiten betrifft, muss man allerdings einige Abstriche machen. Einmal, weil eben alle Spielwerte u.ä. in einem weiteren Buch zu finden sind, dann jedoch auch, weil die angebotenen Plothooks – ob nun mehr oder weniger ausgearbeitet – wenig Innovation zeigen.

Unerfahrene Spielleiter werden hier eher allein gelassen, uninspirierten immerhin auf die Beine geholfen. Für erfahrene Spielleiter hingegen sind sie eher überflüssig; da hätten noch mehr Konsequenz und damit eine weitere Ausarbeitung des Hintergrunds dem Ganzen gut getan.

Daumen4weiblich

Artikelbilder: Pegasus Spiele

 

1 Kommentar

  1. Habe mir das Buch auch gekauft um etwas mehr über die Technomancer zu erfahren(werde wohl in SR 5 einen Technomancher spielen) und muss sagen das Buch ist sehr Stimmig . Der Preis ist einfach unschlagbar für ein Hardcover.

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