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An sich ist der Spielleiter ein faules Tier. „Moment!“ wird nun jeder zweite aufschreien – und doch lassen wir uns von Romanen, Filmen und anderen Medien inspirieren. Hier äußert jemand eine Idee, dort schnappen wir etwas auf, und an anderer Stelle sehen wir die Karte eines Ortes im Internet. Schon verwursten wir alle Ideen und bauen eine neue Geschichte für unsere Spielrunde auf. Die Ideen kommen selten aus dem Nichts.

Das Quellenbuch Schnutenbach – Böses kommt auf leisen Sohlen hilft an dieser Stelle. Es liefert ein komplettes Setting, in unserem Fall ein Dorf mit all seinen Bewohnen, Orten, Mythen und Geheimnissen. Während in der Ursprungsversion aus dem Jahr 2000 noch direkte Bezüge zum Warhammer Fantasy Rollenspiel vorhanden waren, wurden diese nun entfernt und ein generischer Ansatz gewählt.

Inhalt

Was auf den ersten Blick wie eine Regionalbeschreibung wirkt, wie man sie aus DSA kennt, ist dann doch etwas gänzlich anderes. Keine Regionalbeschreibung, die ich kennen würde, legt ein derart genaues Bild eines einzelnen Dorfes an. Bereits nach den ersten Seiten der Lektüre erwachen die Personen und Orte im Kopf zum Leben.

Eines muss man dem Buch lassen – es ist herzallerliebst geschrieben. Die Macken, Marotten und Ziele der Einwohner lassen sie einem schnell ans Herz wachsen.

Nach einem Vorwort des Autors, in welchem die Werdungsgeschichte erklärt wird, geht es auch schon direkt ans Eingemachte. Charmant ist, dass es sich bei Schnutenbach nicht um das epische Zentrum einer Macht handelt, sondern einfach nur um ein Dorf. Gut, es hat seine dreckigen Geheimnisse, seine finsteren und obskuren Bedrohungen, aber es ist an sich tatsächlich nur ein Dorf.

Dazu passt auch die thematische Genre-Einsortierung. Keine machtglitzernden äonenalten Elfenmagier, keine geflügelten Schuppenmonster, keine befremdlichen High-Fantasy-Wesenheiten. Stattdessen ordnet es sich im Bereich der düsteren Low Fantasy ein. Düster soll hier Horror heißen, denn was einen hinter der lächelnden Fassade eines Dorfeinwohners anstarren kann, lässt schwachen Herzen das Blut in den Adern gefrieren. Zwischen den Zeilen spielt der Autor gern mit Klischees und bringt so eine schwache humoreske Ader ins Spiel. Doch die Mutationen, die immer öfter Kinder des Dorfes heimsuchen, ersticken jegliches humorvolle Schmunzeln des Lesers.

Natürlich muss eine solche Spielhilfe umfangreiches Kartenmaterial bieten. Das trifft auch hier zu und so finden sich Karten vieler einzelner Häuser, des Dorfes insgesamt und auch andere spezieller Orte. Jedes Haus ist beschrieben, jeder Einwohner – im Anhang auch mit Werten in Form von Prozentangaben, im Fließtext jedoch „nur“ mit Motivationen und Historie.

Dunkelelfen und Kultisten geben sich mit Imkern, Bäckern und Jägern die Klinke in die Hand. So entsteht ein bunter, aber nicht unrealistischer (zumindest im Direktvergleich mit anderen Fantasywelten) Mix interessanter Persönlichkeiten. Auch die Umgebung Schnutenbachs ist nicht uninteressant – so gibt es dort ein Zigeunerlager, die Zwergenmine Agrimmar und einiges mehr zu entdecken. Gut will mir auch hier gefallen, dass ein SL jeden dieser Orte mit nur wenig Anpassungsarbeit auf andere Welten anwenden kann.

Der beschreibende Abschnitt der Region und Bewohner nimmt mit 106 Seiten etwas mehr als die Hälfte des Bandes ein. Nun mag sich der geneigte Leser fragen „Ja, super – und was mache ich jetzt damit?“.

Auch hier wird man nicht alleine gelassen – es folgen einige Kurzszenarien, die auf den zuvor vermittelten Inhalten fußen. Hier finden sich viele Versatzstücke, die die unterschiedlichsten Themen aufgreifen: Liebe, Verrat, brutale Adelsherrschaft, Untote, eine vermisste Kuh und noch mehr. Der Umfang reicht hierbei von einem Halbseiter, der mehr als Encounter gedacht ist, bis hin zu einem mehrseitigen Abenteuer mit gefährlichen und teils dann doch haarscharf an der Epik vorbeikratzenden Geschichten.

Gelungen ist auch der gut 30-seitige Abschnitt „Wer geht da?“. Hier werden im Grunde genommen lediglich Zufallstabellen geliefert. Die Ausarbeitung derer ist jedoch wesentlich umfangreicher, als ich es in den meisten anderen Fällen gesehen habe. Aus dem Anspruch, den Aufenthalt und die Abenteuer in Schnutenbach etwas aufregender und abwechslungsreicher zu gestalten, bietet sich hier die Chance, ganze Seiten-Abenteueräste aufzubauen.

Das abschließende 15-seitige Abenteuer „Das Geheimnis der Krähe“ greift noch ein Mal viele dieser Äste auf und verbindet sie gekonnt zu einer detektivischen Geschichte mit ein paar Gaststars. Beispiele gefällig? Die Schnutenschlange, ein gefährliches Gasthaus, die liebreizende Krämerstochter Dietlinda und ein paar zwielichtige Spießgesellen.

Schlussendlich gibt es noch den Versuch, die genannten Personen und Wesen in mathematisch belastbare Werte zu pressen. Das gerade eine Seite einnehmende Halb-Regelwerk Mächte, Mythen, Mutationen, welches den W% nutzt, hilft hierbei. Das in meinen Augen wesentlich früher zu platzierende Glossar der Eigennamen verbirgt sich hier hinten. Ich bin der festen Auffassung, dass so etwas ganz nach vorne gehört.

Preis-/Leistungsverhältnis

24,95 EUR ist die Geldmenge, die der Verlag haben möchte. Diese ist auch angebracht, denn die Fülle an resultierenden Spielabenden wiegt diese ohne weiteres auf. Man spürt die viele Zeit und lange Entwicklung, die in das Produkt geflossen ist. Es werden auch genug Absprungpunkte zur Weiterführung in anderen, eigenen Geschichten geboten.

Die Darbietung als Hardcover sorgt für Langlebigkeit. Karten, Zeichnungen und Inhalte sind weitere Boni.

Erscheinungsbild

Schnutenbach coverWo mir der Inhalt gut gefallen hat, wollen mir Druck und Struktur gar nicht zusagen. Mittelgrauer Hintergrund mit schwarzer Schrift? Ein Garant für kurze Lesemomente oder nagendem Kopfschmerz.

Ein anderes großes Manko ist das Fehlen eines Index. Will ich schnell nach einem NSC suchen, muss ich blättern und mindestens zwei Stellen prüfen (Werte und Person). Das stört die Verwendbarkeit doch extrem.

Für beides muss ich saftige Abzüge in der B-Note anbringen.

Dass gewählte Papier und der Hardcover-Einband machen jedoch einiges her und auch einen guten langlebigen Eindruck. Ein Lesebändchen fehlt leider.

Artwork und Illustrationen sind nicht immer auf höchstem Niveau, aber vollkommen zureichend, um ein gutes Bild der Person oder der Szenerie zu haben.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Mantikore Verlag
  • Autor(en): Karl-Heinz Zapf
  • Erscheinungsjahr: 2012
  • Sprache: deutsch
  • Format: Hardcover
  • Seitenanzahl: 201
  • ISBN: 978-3939212300
  • Preis: 24,95 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon, Sphärenmeisters Spiele

 

Bonus/Downloadcontent

Uns sind keine zusätzlichen Downloads bekannt.

Fazit

Schnutenbach – Böses kommt auf leisen Sohlen ist eine selbsttitulierte universelle Dorfbeschreibung. Diesen Beinamen trägt das Buch vollkommen zu Recht, bietet es doch ein komplettes und möglicherweise geschlossenes Setting, welches zu vielen spannenden Spielabenden einlädt.

Das Quellenbuch punktet bei den beschreibenden Texten zu Bewohnern, Orten und Handlungssträngen mit Eingängigkeit und seichtem Humor. Unpassend für mich sind viele Eigennamen, wirken sie doch konstruiert und geradebrecht.

Inhaltlich jedoch ist wenig an dem Buch auszusetzen. Das Dorf und die dreckigen Machenschaften derer, die dort wohnen, erwachen förmlich zum Leben. Hier und da spürt man die Vergangenheit der Anwendung in dem Warhammer Fantasy Rollenspiel, aber das ist nichts Schlimmes.

Gut gefällt mir auch, dass viele Teile des Dorfes auch leicht herauszulösen sind und mit nur wenig Anpassung zu anderen Orten und anderen Welten transportiert werden können. Wer also mal Schnutenbach einen Besuch abstatten will, der sei herzlich willkommen!

Aber Vorsicht vor der Schnutenschlange …!

Daumen4Maennlich

Artikelbilder: Mantikore Verlag

 

5 Kommentare

  1. „24,95 EUR ist die Geld­menge, die der Autor haben möchte.“ – Ich glauba, der Autor sieht davon recht wenig. Wenn, möchte es der Verlag haben … Als Autor hat man da so gut wie keinen Einfluß, publiziert man nicht gerade im Eigenverlag.

  2. Vielen Dank für die Rezension, dann kann ich ja zuschlagen. Das Buch ist bei Erscheinen leider etwas an mir vorbei gegangen, aber klingt ziemlich interessant und 24,95€ finde ich für 200 Seiten eigentlich voll OK.

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