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Jeder, der einmal versucht hat, LARP genauer zu definieren wird vor demselben Problem gestanden haben: Es ist die schiere Vielfalt an Möglichkeiten sich selbst in diesem Hobby zu entfalten, die diese Definition so schwierig macht. Seien es Schauspielerei, Nähen, Musik, Soziologie, Psychologie, Taktieren, Flirten, Kämpfen … diese Liste ließe sich schier ewig fortsetzen.

Gerade aber diese Masse an Möglichkeiten ist es, die es ermöglicht, so viele Leute für LARP zu begeistern. Jeder kann dort etwas finden, das ihm gefällt, solange er gewillt ist, die einzige Hürde zu nehmen die es gibt: sich auf das Hobby einzulassen.

Gelegenheit macht Promis

Gerade weil es so unglaublich viele Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung gibt, gibt es in diesem Hobby auch recht viele herausstechende Persönlichkeiten. Sei es, weil sie gut Waffen bauen oder schneidern können, besonders toll Musik machen oder einprägsame Rollen (meist NSC) spielen. Wir behalten sie im Gedächtnis und sprechen über sie. Damit erfüllen sie die wörtliche Definition von Prominenz sehr gut, denn der Duden sagt als Definition zu „prominent“: „beruflich oder gesellschaftlich weithin bekannt, berühmt, einen besonderen Rang einnehmend“ 

Eine der herausragendsten Persönlichkeiten in diesem Sinne dürfte Chris Fano sein. Die Darstellerin hat es geschafft, sich vor allem durch ihre NSC-Rollen im Live-Adventure-Umfeld  (Aniesha Fey, Aeris, die technische Ratio) und ihren Auftritten in einschlägigen Dokumentationen zum Thema LARP („Wochenendkrieger“,“ Die Herren der Spiele“ in den Mittelpunkt zu rücken.

Sie selbst sagt in „Die Herren der Spiele“ von sich: „Ich weiß gar nicht, ob man in der LARP-Szene überhaupt von Berühmtheit sprechen kann, aber wenn man sich in der LARP-Szene einen Namen machen kann, dann habe ich das in gewisser Weise sicher gemacht.“ Dabei ist sie hier nicht einmal arrogant, wie ihr von vielen Seiten oftmals unterstellt wird, sondern nur ehrlich. Sie ist das Vorzeigegesicht des deutschen LARP.

Mit der Figur der Aniesha Fey hatte sie ihren „Durchbruch“ und das nur, weil ihr die Rolle angeboten wurde und man ihr die Chance gegeben hatte diese Bühne zu betreten. Sicherlich spielt bei der Rollenvergabe überall ein wenig Vitamin B mit hinein, allerdings ist das bei einem zumeist hobbyistischen Ursprung bei den meisten Orgas auch gut zu verstehen. Sie nutzen die Leute die sie meist haben: Freunde, Empfehlungen von Freunden oder LARPer, denen sie es zutrauen, gewisse Rollen zu übernehmen. Gerade weil niemand im LARP solche Bürokratie und Professionalität haben will, dass man mit Lebensläufen und Urkunden um sich werfen muss, nur um eine Rolle zu ergattern ist es nur natürlich, dass subjektive Meinungen zur Rollenvergabe führen.

Selbstverständlich wird durch dieses Vorgehen oftmals die Bildung der „Marke“ eines LARP-Promis unterstützt. Allerdings sehe ich hier keinen Fehler im System, sondern eher einen in der Bewertung. Der Maßstab, welcher an solche Punkte wie die Rollenvergabe angelegt wird ist oftmals viel zu hoch und in der Realität selten umsetzbar.

Von der Entmenschlichung der Rolle zur Entmenschlichung des Prominenten

Der Mensch in seinen Grundzügen neigt dazu, komplexe Konstrukte zu vereinfachen. Es fällt ihm unglaublich schwer, die Komplexität der verschiedenen Elemente jederzeit im Auge zu behalten. Dies führt im LARP oftmals zu dem Phänomen, dass er andere LARPer mit einer bestimmten Rolle identifiziert und dann eher diese Rolle im Kopf abspeichert als den Spieler dahinter. Der Spieler wird erst präsenter als der Charakter, wenn man mit diesem längeren Kontakt hat. Bei den im LARP herausragenden Persönlichkeiten kommt dieser Effekt ebenso zum Tragen. Man reduziert im Kopf die Person auf ihre Fähigkeit, welche im LARP am prägnantesten in Erscheinung tritt. Sander wird für viele einfach der Waffenbauer sein, Lenora die tolle Schneiderin und Elfenspielerin und Chris Fano wird noch lange für alle Aniesha Fey sein.

Gerade bei einer doch recht eng verbundenen Community kann solch ein Grad an Bekanntheit und die damit verbundene Reduzierung auf die Fähigkeiten jedoch auch zu Problemen führen. So wird man im Endeffekt nur noch über eben diese charakterisiert und die anderen Aspekte des eigenen Seins werden nur noch von engen persönlichen Bekannten wahrgenommen. Es wird eine Art soziale Mauer aufgebaut, welche diese „Prominenten“ von den restlichen LARPern trennt.

Es sind jedoch nicht die „Promis“, welche die Mauer aufbauen, sondern im Gegenteil die anderen LARPer. Das Interessanteste daran ist allerdings: Niemand hat etwas davon. LARP lebt vom sozialen Miteinander. Außerhalb des Spiels dann soziale Grenzen aufzubauen, die eben dieses soziale Miteinander erschweren, sind für ein gemeinsames schönes LARP-Erlebnis nicht zielführend. Im Gegenteil – hier findet eine Ausgrenzung einzelner Personen statt.

Der will doch nur spielen…

Abseits der ganzen unterstützenden Fähigkeiten, welche man im und für das LARP einsetzen kann, ist vor allen Dingen Spielspaß das, was ein LARPer sucht. Ich lehne mich einfach mal weit aus dem Fenster und behaupte: Auch LARP-Promis wollen Spaß am Spiel haben. Das zu erreichen ist natürlich schwer, wenn man ausgegrenzt und nur über ein oder zwei Merkmale definiert wird. Ich weiß aus persönlichen Gesprächen, dass solche Leute auf Cons teilweise angesprochen werden mit: „Bist du nicht XYZ? Wow, ich wusste gar nicht, dass du auch mal ganz normal Spieler machst.“

Okay – solche Fragen sind sicher gelegentlich zu erwarten. Doch wenn sich solch ein Szenario wiederholt, bis man es nicht mehr hören kann, wenn man nicht mehr als ganz normaler Spieler wahrgenommen, sondern nur noch über seine Prominenz definiert wird, dann mindert das den Spielspaß des Einzelnen doch ungemein.

Ausgrenzung ist hier in jedem Fall negativ zu bewerten. Egal, ob man jemanden abwertet und unter einem selbst positioniert oder fiktiv auf ein Podest stellt: Man entfernt diese Person vom Rest des Sozialgefüges und verhindert so, dass er am gemeinsamen Sozialgeschehen normal teilnehmen kann.

Die andere Seite der Medaille

Wohlgemerkt, das alles sind theoretische Betrachtungen, gestützt auf ein paar minimale Eigenerfahrungen und Berichten von Leuten denen oben beschriebenes Verhalten widerfahren ist. Es kann selbstverständlich auch sein, dass ausgegrenzte Prominente überhaupt kein Problem damit haben. Das heißt normalerweise, dass sie ein persönliches LARP-Umfeld haben, in dem diese Ausgrenzung nicht stattfindet und sie diese Ausgrenzung im Rest der LARP-Community daher nicht (negativ) wahrnehmen. Ein anderer Grund könnte sein, dass der Prominente diese Ausgrenzung sogar zu gewissen Teilen genießt.

Eben solche Leute suchen sich dann diese Bühnen bewusst aus. Sie wollen bewundert und bestaunt werden. Die Frage, die sich mir dann stellt, ist wiederum: Ist LARP dafür der geeignete Rahmen? Zumindest zeigt die Vielzahl an LARP-Promis, dass es die Möglichkeit zur Berühmtheit bietet. Ob das einem gefällt oder nicht ist allerdings eine Frage des persönlichen Geschmacks, die nicht allgemeingültig beantwortet werden kann.

Fazit

Es gibt Berühmtheiten im LARP. Sie erarbeiten sich (mal gewollt, mal ungewollt) diesen Titel und wir alle ernennen sie dazu. Doch das heißt nicht, dass wir mit ihnen umgehen müssen, wie in der Gesellschaft normalerweise mit Promis umgegangen wird. Wir dürfen nicht vergessen, dass dies Leute sind, die das gleiche Hobby wie wir ausüben. Und als diese sollten wir sie auch behandeln. Als LARPer, nicht als Promis. So, wie wir jeden anderen LARPer behandeln, mit dem wir zusammenspielen.

Bild­quel­len:
Arti­kel­bild : Uta Boden­stein (Foto „Die Her­ren der Spiele“)

 

51 Kommentare

  1. Danke für diesen Beitrag! <3

    Und ich werde auch genannt.. ohje! Ich habe mich selbst nie irgendwie als "Promi" betrachtet, sondern als jemand, der gern und viel Kontakt zu anderen hat, der seine Leidenschaft zum Beruf gemacht hat und einfach sehr exzessiv bastelt XD
    Mich freut es jedes Mal aufs Neue, wenn jemandem meine Arbeit gefällt, weil das nicht selbstverständlich ist – nicht nur die Schneiderei und meine Designs, sondern eigentlich und ganz besonders meine Orgaarbeit/Koordination von Sachen, oder meine Darstellung/Schauspiel von verschiedenen Rollen.

    Wobei man tatsächlich oft auf die eine oder andere Sache reduziert wird. Und das ist selten positiv. Man hat dann kaum eine Chance aus den Schubladen und Vorurteilen auszubrechen und viele wollen andere Facetten auch gar nicht sehen, weil es ihre Vorstellung zerstören könnte (zb. die spielt ja nur Elfen… die ist arrogant .. die ist ein Gewandungsnazi). Es kursieren Geschichten über Dinge, die man nie gesagt oder getan hat. Die Leute neigen dazu ständig über alle Maßen bewerten und sich auslassen zu müssen und vergessen eines ganz gewaltig: LARP ist auch nur (m)ein Hobby. Ich mache das, weil ich Spaß daran habe. Spaß am Basteln, das mir genauso schwer fällt und genauso viel Mühe kostet, wie jedem anderen. Spaß am organisieren und Spielspaß mit anderen zu teilen. Ich brauche keine Rolle und keine Bastelei als Profilierung – ich bin sehr glücklich mit meinem Leben und meinem näheren Umfeld. Larp ist für mich meine kreative Entfaltung.

    Es gab schon Cons, auf denen ich bewusst geschnitten und und fies behandelt wurde, weil die Leute ein festes (durch Gerede und auf-Fotos-sehen) Bild von mir hatten – obwohl sie nie ein Wort mit mir gewechselt haben. Ich habe schon wirklich gemeine Nachrichten und Mails abbekommen, in denen Leute mich bedrohten und beschimpften. Manchmal war ich auch fast so weit, dass ich aufhören wollte.
    Das ist furchtbar schade und vermiest einem wirklich massiv den Spielspaß. Die Ausgrenzung ist tatsächlich nicht nur Theorie, leider :(

    Daher freue ich mich immer über Leute, mit denen ich mich ganz entspannt austauschen und den Spaß am Hobby teilen kann. Leute, die nichts auf dieses Promi-Gerede und Gehabe geben, die einfach mit mir spielen und ganz unbefangen auf mich zugehen. DANKE an alle diejenigen! <3

  2. Ein wirklich guter Artikel. Habe zu diesem Thema auch schon sehr oft Gespräche geführt, gerade nachdem ich selbst durch meine Rolle als Wasseravatar auf dem CoM zu etwas Bekanntheit gekommen bin und diese Dynamiken bewusster wahrgenommen habe. Zum einen ist es klar, wenn man so eine Rolle annimmt, die einem eine gewisse Bühne bietet, bzw. die einem einfach von der Story her viel Aufmerksamkeit gibt, dass man das auch irgendwo genießt und möchte. Es gibt mMenschen und zu denen zähle ich mich selbst, die gerne größere Rollen übernehmen, jedoch möchte ich (und so habe ich auch cris und andere „Promis“ kennen gelernt) ja durch mein Spiel das Spel für alle schön gestalten und den anderen eine gute Show bieten. Jedoch wird es komisch wenn aussehrhalb des Spiels auf einmal sehr viel aufmerksamkeit kommt, die einem „starrummel“ schon ähnlich sind (wenn auch natürlich in kleineren Maßstäben). Ich möchte hier mal zwei Beispiele geben, einmal war ich in einer fremden Stadt zu besuch und kam zufällig zu einem Larper Stammtisch. Ich wurde ziemlich schnell erkannt, obwohl ich ausser meiner Begleitung niemanden persöhnlich kannte und wurde dann von den Anwesenden fast schon wie ein Promi behandelt („darf ich dir was ausgeben“ „cool, dass ich dich mal so sehe“ usw.) das war schon sehr komfus. Eine andere Sache, die mich persöhnlich etwas verstört hat spielte sich auf Facebook ab, als mich jemand anschrieb, der mal aufs CoM gehen wollte, ich schrieb freundlich zurück und die Person schrieb mir dann daraufhin wie geehrt er sich fühle dass ich mir zeit für ihn nehmen würde.
    Wie auch immer, es ist echt so ne zweischneidige Sache, klar spiele ich gerne was größeres und bin gerne „bekannt“, jedoch möchte ich eben auch nur spielen und eine schöne nsc rolle verkörpern…

  3. Auch wenn der Artikel älter ist, hab ich genau das Thema gerade gestern in einem Gespräch gehabt.
    Wie ihr richtig beschrieben habt, bauen andere Spieler diese Mauer auf, zum Beispiel in dem das Spiel mit der Gruppe unterbrochen wird, weil grade „Promi“ XYZ im Lager aufschlägt, da sich diese Person bei anderen Veranstaltungen mit einem Teil der Gruppe OT angefreundet hat. Plötzlich scharrt sich eine Menge von Spielern um diese Person und für die Spieler, für die es nur ein weiterer Charakter ist, wird das Spielerlebnis gestört.
    Häufig fällt der einfachste Entschluss: „Boah… Dieser Promi nervt einfach“, obwohl besagter „Promi“ absolut nichts dafür kann.

  4. Ist das echt so? Also die einzige Person, die ich als sowas wie einen Promi wahrnehme ist Chris, einfach deshalb weil es wohl keine Doku gibt wo sie nicht vorkommt bzw eben wegen genau solcher Artikel über „LARP-Promis“ die ohne sie nicht auskommen. Will sagen, ich halte LARP Promis für künstlich geschaffen und zwar duch Artikel wie diesen, zumal immer und immer wieder die selben Personen genannt werden. Es gibt da draußen so viele behabte Leute, warum also immer wieder die selben heranziehen (und ja mir ist bewusst, dass der Artikel drei Jahre alt ist. Und den letzten Satz soll man bitte auch nicht als „Mimimi warum erwähnt ihr nicht XY“ verstanden werden). :D
    Jedenfalls finde ich, dass sich hier die Szene selbst etwas zu ernst nimmt oder? Ich habe es noch nie erlebt, dass sich Leute um einen sogenannten Promi gescharrt haben oder dass andere durch die schiere Anwesenheit genervt wären. Sander ist zB am EE in unserem Stadtviertel und ich glaub die wenigsten wissen überhaupt wie der Kerl aussieht.
    Es ist ein soziales Hobby und klar, manche Leute sind halt für irgendwas bekannter als andere, aber im Grunde zählt auch, wie sich dieser „Promi“ (ach wie ich dieses Wort eigentlich verabscheue) verhält, auch abseits von Spielen, vulgo in sozialen Netzwerken.
    Andererseits kann ich auch diese Furchenforscher nicht leiden, die aus jemanden einen Promi machen, einfach indem sie jede Stuhlprobe diese Person ins Netz stellt geil finden.
    Können wir uns bitte einfach alle etwas weniger ernst nehmen?

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