Robotech RPG Tactics – Comic-Mecha erobern das Tabletop

Kaum eine Anime-Serie ist so langlebig wie Robotech bzw. Macross. Bereits seit den frühen 80er Jahren kämpfen mutige und in der Regel blutjunge Helden gegen Scharen von Aliens.

Durch den internationalen Erfolg und natürlich auch durch den indirekten Ruhm des Battletech-Universums ist es vermutlich leicht zu erklären, dass die Idee zu einem eigenständigen Tabletop einen der erfolgreichsten Kickstarter aller Zeiten hingelegt hat: mit fast 1,5 Millionen USD, mehr als dem 20fachen des Erforderlichen. Der Kickstarter schaffte es indes innerhalb von gut drei Stunden die benötigte Summe von 70.000 USD zu erreichen und arbeitete seitdem eine große Menge an Stretchgoals ab. 

Wie wohl auch nicht anders zu erwarten, verschob sich der Release nun aber schon mehrfach, so dass wir Zeit haben, euch die Welt rund um Robotech RPG Tactics etwas vorzustellen.

Robotech – Die Serie

Die zuerst erscheinenden Mecha und Faktionen von Robotech RPG Tactics entstammen der ersten Staffel der Anime-Serie. Diese erschien 1985 durch Carl F. Macek in den USA unter dem Titel Robotech. Ursprünglich kommt sie aber aus Japan, wo sie drei Jahre früher von Kawamori Shoji als Super Dimension Fortress Macross veröffentlicht wurde. Behandelt wird der Erste RobotechKrieg (First Robotech War): Im Jahr 1999 stürzt über der Insel Macross im Südpazifik ein gigantisches Raumschiff außerirdischen Ursprungs ab. Damit endet der in den 90er Jahren weltweite Kriegszustand und die Erde einigt sich im Angesicht der Gefahr aus dem All. Klingt alles pathetisch und das ist es auch: Robotech ist ein Kind des Kalten Krieges der 80er Jahre und erinnert mit seiner Musik und den Nebenhandlungen teilweise sogar an Filme wie Flashdance oder Seifenopern. Für das Tabletop spielen diese Nebenhandlungen aus der Serie allerdings keine Rolle, wenn nicht gerade Episoden nachgespielt werden.

So oder so entsteht die Weltregierung UEG / United Earth Government mit seiner Elitetruppe der Robotech Defense Force / RDF. Als exakt 10 Jahre später (2009) die außerirdischen Zentraedi auftauchen, kommt es zum Krieg gegen die Invasoren.

Die gesamte Geschichte möchte an dieser Stelle gar nicht verraten, aber in der Serie wird exakt zum heutigen Zeitpunkt – also im Januar 2014 – die SDF-1, das 1999 abgestürzte Schiff, zerstört. Ist das Zufall – oder wurde der Tabletop-Erscheinungstermin entsprechend kalkuliert?

Während es anfangs lediglich zwei Fraktionen gibt, ist langfristig Material für alle Zeitlinien (Macross Saga » Robotech Masters » News Generations » Shadow Chronicles) angekündigt. Neben den Menschen der UEDF und den Zentraedi kommen also noch die insektioden Invid aus New Generation, die Robotech Master und vielleicht sogar die zukünftige Menschheit des Jahres 3000.

Mittlerweile gibt es die gesamte Serie auf BluRay, man kann aber auch im Internet einiges dazu finden. Darüber hinaus hat sich das Robotech-Universum natürlich auch in Comics, Büchern, Hörspielen, Spielzeugen und Computerspielen niedergeschlagen.

Robotech RPG

Auch wenn RPG im Titel des Tabletops vorkommt, so benötigt das Spiel weder Kenntnisse der Anime-Serie, noch des bei Palladium Books erschienenen Rollenspiels. Dieses ist derzeit in der zweiten Auflage erhältlich. Ähnlich wie andere Rollenspiele der 80er Jahre verwendet Palladiums Robotech 3W6 für Attribute, W20 im Kampf und zusätzlich W100-Würfe für die Fertigkeiten. Generell sind die Regelwerke sehr gut zu lesen und wirklich empfehlenswert.

Die ursprünglichen Regelwerke der ersten Edition, die hauptsächlich den Ersten Robotech Krieg (2009-2011) behandeln, sind leider schon lange nicht mehr im Druck, sondern nur noch die Nachfolger „Shadow Chronicles“ und „New Generation“. Mit dem Quellenwerk „Macross Saga“ kommt man aber schon recht weit.

Viele Begrifflichkeiten wurden trotzdem direkt vom Rollenspiel übernommen, so werden Schaden und Trefferpunkte z.B. in Megadamage gemessen. Der Erfinder Kevin Sembieda erklärt sogar, wie die Werte umgerechnet wurden: Panzerung 1:25 und Schaden 1:20 des Maximums. Gut, wenn man noch Regelwerke rumliegen hat. Davon bietet Palladium Books ja etliche.

Das Tabletop

Angekündigt wurde das Spiel bereits für den Herbst 2013 des vergangenen Jahres, dann verschoben auf Oktober, später Dezember 2013 und Februar 2014. Am 9.Januar 2014 äußerte sich Kevin Siembieda wie folgt zum Veröffentlichungstermin:

First, and I mean no disrespect, that’s crazy. Please be assured Robotech® RPG Tactics™ is important to us and will be released in 2014 as SOON as we can make that possible. […] I’m sorry we can’t give you anything more substantive at this time. We are sharing information, photos and progress as we get them ourselves! Things are shaping up to be a Spring release.

 

Erstens,und das meine ich nicht respektlos, das ist verrückt.Seid versichert,Robotech RPG Tactics ist uns wichtig und wird im Jahr 2014 sobald wie möglich veröffentlicht werden.[…] Tut mir leid, dass wir Euch nicht Konkreteres bieten können.Wir teilen Informationen, Fotos und Fortschritte, sobald wir sie bekommen! Es sieht nach einem Frühlings–Release aus.

Gerade bei Kickstarter häufen sich angesichts solcher Verschiebungen die kritischen Kommentare der Fans und Unterstützer. Zwischen vollständiger Akzeptanz bis zu Betrugsvorwürfen ist dort alles zu finden. Hauptkritikpunkt ist allerdings die Öffentlichkeitsarbeit der Firma Palladium Books, die schon bei früheren Veröffentlichungen häufig zu früh Veröffentlichungen angekündigt hat und nicht einhalten konnten.

Darüber hinaus erhält man aber auf der Kickstarter-Seite und den Herstellerseiten von Palladium Books und Ninja Division bereits recht viele Informationen zum Spiel. So ist das Spiel zwar als Skirmisher ausgelegt, also für kleinere Mecha-Mengen, soll aber problemlos skalieren.

Mit der ersten Welle der Veröffentlichungen werden lediglich zwei Fraktionen zur Auswahl stehen: die menschlichen UEDF und die Zentraedi. Letztere sind wie in der Anime-Serie zwar sehr schnell und durch zahlenmäßige Überlegenheit schlagkräftig, halten aber nicht viel aus. Selbst die Panzerung der größeren Mecha – wie des Glaugs – kann es nicht mit der eines gewöhnlichen Robotech-Vertreters aufnehmen. Des Weiteren ist die kriegerische Kultur weniger innovativ, was sich in einem deutlichen Mangel an Kommando-Punkten zeigt. Diese werden unter anderem benötigt, um flexibel zu reagieren: Wegspringen, sich ducken oder zusätzliche Waffensysteme abzufeuern. Auf Seiten der UEDF dagegen finden sich hauptsächlich die wandlungsfähige Valkyrie und Destroids wie der Tomahawk, der Defender oder das riesenhafte Monster. Wir haben es also mit dem typischen Masse gegen Klasse-Schema zu tun.

Die Miniaturen erscheinen nur als Plastik-Miniaturen. Diese Gussformen haben zwar hohe Herstellungskosten, sind aber dafür später in der Produktion günstiger. Jede Einheit enthält zwischen 1 und 12 Mechas, wobei auch durchaus unterschiedliche Mechatypen gemischt werden können. Ähnlich wie in anderen Spielen gibt es Organisations-Charts. So dürfen nur begrenzt viele Support- oder Spezialeinheiten aufgestellt werden. Die Organisation in Einheiten hat ihren Ursprung in der Tatsache, dass die Mecha so jeweils gebündelt abgehandelt werden. Einheiten müssen dabei nicht zwingend beieinander bleiben, es hat aber durchaus Vorteile.

Der Verzicht auf Schadenwürfe, Kritische Treffer oder Trefferzonen macht das Spiel recht schnell, auch wenn so schon ordentliche Mengen an Würfel über den Tisch gehen: Eine volle Einheit von 12 Battlepods kann theoretisch bis zu 24 Würfel gleichzeitig benötigen. Und auch die Liste an Sonderfertigkeiten sollte nicht unterschätzt werden. Diese reichen von Munitionsbedarf über Flug- oder Sprungfähigkeiten bis zu Raketenabwehrmechanismen.

Auf der Kickstarterseite stellt Palladium einen vorläufige Regelversion zur Verfügung. Durch eine Vielzahl an Videos, Erklärungen und Screenshots kann man sich bereits gut den späteren Spielablauf vorstellen. Eine sehr gut aufgearbeitete – aber natürlich nicht endgültige – Regelversion wurde von Mike Arnold, einem Fan, erstellt und bereitgestellt. Diese beinhaltet die Grundregeln und eine große Menge an Stat-Cards.

Zusätzlich bieten euch die Teilzeithelden schon einen Satz Robotech RPG Tactics Papier-Aufsteller. Diese sind entsprechen etwa der Originalgröße der Miniaturen und dem Inhalt der Einsteigerbox:

• Robotech Papieraufsteller – Seite 1
• Robotech Papieraufsteller – Seite 2
• Robotech Papieraufsteller – Seite 3

 Mit 80 USD (derzeit ca. 60 EUR) liegt die Einsteigerbox First Contact etwa auf dem Niveau vergleichbarer Tabletops, dafür soll man aber bereits recht viel erhalten. Neben den Regeln sind wohl 2 Destroids, 13 Battlepods und 5×3 Veritech-Fighter-Miniaturen enthalten, sowie weitere 6 Bonus-Mecha, die als zusätzliche Zielvorgabe via Kickstarter freigeschaltet wurden.

Darüber hinaus gibt es noch Boxen für 140 USD (77 Miniaturen) und 260 USD (184 Miniaturen), sowie jede Menge Erweiterungen.

Die Miniaturen sind durchweg größer als ihre bekannten Battletech-Vettern. Zwar sind beide im Maßstab 1:285 gehalten, dafür sind die Mecha in der Serie aber deutlich größer als das Battlemech-Maß von ca. 8-12 Metern. Insgesamt darf man davon ausgehen, dass dies auch als Strategie gedacht ist, um nicht Battletech-Spielern über Umwege die beliebten Unseen-Miniaturen wieder zur Verfügung zu stellen. Diese dürfen seit dem Lizenzstreit zwischen Harmony Gold und FASA im Jahr 1985 nicht mehr für Battletech produziert werden.

Bis zum endgültigen Erscheinen von Robotech RPG Tactics lohnt sich vielleicht mal ein Blick in die Welt von Robotech, sei es als Serie oder als Rollenspiel. Oder ihr träumt schon mal eure eigenen Farbschemata zusammen mit Robotech-eigenem Tool: Mit dem könnt ihr Battlepods, Veritechs und sogar Gebäude bauen.

Bildquellen: Palladium Books, ShowOff77 auf DeviantArt, chesterocampo auf DeviantArt