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Viel zu lange irre ich schon alleine herum. Klar, auch ich hatte mal Eine, aber das ist lange her. Ich habe sie verlassen. Ich dachte, ich komme besser alleine klar. Es gibt so viele Leute ohne Eine, dann kriege ich das doch auch hin. Und eine Zeit lang ging das Ganze ja auch wirklich gut. Ich hatte Spaß alleine, genoss die Freiheiten, doch dann sehnte ich mich zurück. Ich sehnte mich nach mehr. Ich wollte wieder diese Geborgenheit und das Wir-Gefühl. Und so mache ich mich wieder auf die Suche.

Eigentlich will ich gar nicht viel. Ich will Eine, auf die ich mich verlassen kann. Ich will Eine, die mich ergänzt. Ich will Eine, die so ist wie ich. Ich will Eine, die mich versteht und mit der ich lachen und Spaß haben kann. Ich will Eine, die mich fördert und fordert. Klingt doch gar nicht so schwer oder?

Und so suche ich im Internet nach Ihr. Nach der Einen. Nach der, die mich glücklich macht. Dabei scheint das Internet überschwemmt von Ihnen: von Suchanfragen genau nach mir. Doch scheint das alles so kompliziert. Ich verstehe die Abkürzungen und Definitionen nicht, die mir entgegengeschrieben werden. FrüMi, SpäMi, Low-, Mid-, High-Power… und ich denke mir, was ist so schwer daran, eine passende LARP-Gruppe zu finden?

Von den Anfängen…

Ein Jahr ist vergangen und da ich keine passende LARP-Gruppe gefunden habe, gründete ich einfach eine eigene. Alles ist toll, wir haben Spaß auf LARPs und bespielen eine kleine militärische Einheit. Wir sind sechs Mann und haben trotz der IT-Militärstruktur und Befehlskette OT überhaupt keine Probleme miteinander umzugehen. Wir haben viele Ideen, wie wir das Spiel verbessern können und welche Dinge wir uns als Gruppe in Zukunft anschaffen könnten. Viele andere Spieler loben uns, dass wir so unkompliziert sind und wir haben jede Menge Spaß mit ihnen allen zusammenzuspielen. Gerade weil wir keine weichgespülte „anything goes“-Einstellung haben, sondern auch Konfliktspiel betreiben, kommen wir gut an. Die ersten Leute scheinen sich für uns zu interessieren und wollen mitmachen. Ich bin glücklich. Alles läuft gut.

Wieder ist ein Jahr vergangen. Unsere Gruppe ist nun auf über fünfzehn Mann angewachsen. Ich bin überwältigt von dem Erfolg, den wir mit unserem Konzept zu haben scheinen. Wir haben ein Gruppenforum aufgesetzt, in dem wir über die verschiedensten Sachen die Gruppe betreffend diskutieren können. Wir ziehen alle an einem Strang und mittlerweile haben wir eine Größe erreicht, in der wir echt etwas erreichen können. Wir versuchen uns möglichst oft zu treffen, aber leider haben nicht alle immer Zeit. Einige wohnen auch zu weit weg, aber über das Internet können wir gut miteinander in Kontakt bleiben.

Dank unserer Mitgliederzahl haben wir den Hintergrund unserer Gruppe erweitern müssen, aber da wir viele kreative Köpfe in unseren Reihen haben, geht das recht gut. Jeder schreibt einen Teil und so entwickelt sich etwas richtig Großes aus den Einzelteilen. So langsam müssen wir allerdings Aufnahmekriterien einführen. Viel zu groß ist sonst der Andrang an neuen Interessenten für unsere Gruppe.

… auf den Olymp…

Das nächste halbe Jahr ist vergangen. So langsam wird es anstrengend. Dreißig Mann sind wir inzwischen geworden und aufgrund der Gruppengröße braucht es eine interne Organisation. Wir haben einen Verein gegründet und Vorstände sowie Kassenwart ernannt. Wir veranstalten mittlerweile regelmäßig kleinere LARP-Cons für unsere Gruppe, um internes Spiel zu fördern, unsere neuen Spieler kennenlernen zu können, zu basteln, zu planen und zu diskutieren. Aufgrund einiger kleinerer Streitereien mussten wir uns leider von ein paar der älteren Mitglieder verabschieden.

Das sollte sich aber nicht als Problem erweisen, da sowieso immer mehr Leute mitmachen wollen. Wir haben uns als Gruppe Zelte angeschafft, in denen wir auf den LARPs schlafen können. Wir finanzieren das über Mitgliedsbeiträge für den Verein. Jeder zahlt ein und jeder hat etwas davon. Die Entwicklung der Gruppe geht nun langsamer voran, aber wir haben mittlerweile auch eine gute Basis, auf der wir arbeiten können. Die Grundlagen sind erarbeitet, der Hintergrund steht. Wir können uns ganz auf das Spiel konzentrieren. Zwar gibt es auch Kritik, wir würden uns zu sehr nur mit uns selbst beschäftigen und nicht mehr mit anderen LARPern spielen, aber was wissen die schon? Der Erfolg gibt uns doch Recht. Wir haben dreißig Leute, die alle so spielen wollen und Spaß daran haben.

Warum also irgendetwas ändern, richtig? Wenn gesagt wird, dass wir anderen den Plot wegnehmen, müssen sie halt nur schneller werden und für unser Konfliktspiel sind wir früher doch sogar gelobt worden. Wo ist jetzt also das Problem?

Ein Jahr später haben wir es geschafft. Wir sind die Coolsten. An die fünfundvierzig Mitglieder, vier Ambiente-Zelte, farblich aufeinander abgestimmte Gewandungen, schweres Belagerungsgerät, Waffen etc..

Unser Name ist bekannt und wird in allen wichtigen LARP-Foren und –Communities mehrmals täglich erwähnt. Es gibt jede Menge Neider, aber das zieht solch ein hohes Niveau, wie wir es mittlerweile haben, halt an. Leute meinen, sie wollten nicht mehr mit uns spielen. Doch damit kann ich leben. Das ist nun mal so. Wenn sie kein Konfliktspiel wollen, wie wir es spielen, dann haben sie halt Pech.

Intern gibt es zwar einige Unstimmigkeiten, weil ein paar Leute meinen, wir sollten einen anderen Weg einschlagen, aber was wissen die schon? Die wenigsten davon haben diese Gruppe mit aufgebaut. Die wenigsten haben so viel Energie, so viel Schweiß und Blut in diese Gruppe gesteckt. Das lasse ich mir doch nicht so einfach kaputtmachen von Schmarotzern, die sich auf meinen hart erarbeiteten Lorbeeren ausruhen wollen und die meinen kluge Sprüche raushauen zu müssen. Sollen sie doch woanders hingehen oder ihre eigene Larp-Gruppe gründen.

… und bis zum Absturz

Sechs Monate später. Wir sind runter auf zwanzig Mann. Sie haben getan, was ich gesagt habe. Damit habe ich nicht gerechnet. Sie haben sich abgespalten und ihre eigene LARP-Gruppe gegründet. Etwa die Hälfte von uns ist mit Ihnen gegangen. Aber sollen sie doch gehen. Wir haben den Fundus. Wir haben den erarbeiteten Hintergrund, unseren erarbeiteten Stand. Das kann uns keiner wegnehmen. Die werden schon sehen, was sie davon haben. Vier Jahre habe ich diese Gruppe mit aufgebaut und aus ihr das gemacht, was sie nun ist. Angesehen, berühmt, gefürchtet. Mit so vielen Leuten, die mir sagten, dass ich das Richtige tue, die sich mir anschlossen, kann ich doch gar nicht falsch gelegen haben. Ich weiß nicht, wo der Fehler lag, wo wir irrten. Ich überlege fiebrig, doch ich komme nicht darauf.

Ein letztes Jahr ist vergangen, und ich sitze wieder alleine vor meinem Rechner, durchforste das Internet nach LARP-Gruppen. Meine Gruppe hat sich aufgelöst. Zu einer Handvoll Leuten habe ich noch Kontakt, der Rest verschwand in den Weiten des LARP. Einige sehe ich noch ab und an auf Cons.

Sie tragen nun andere Farben; sind in anderen Gruppen. Ich habe viel nachgedacht und ich denke, ich weiß nun, wo unser Fehler lag. Irgendwann hörten wir auf, uns die Kritik Anderer anzuhören. Wir brauchten nicht mehr die Bestätigung der anderen LARPer und mussten nichts mehr tun, um zu gefallen. Dabei verloren wir aber aus den Augen, dass wir nicht mehr mit den anderen Leuten spielten, sondern an ihnen vorbei.

Wir boten selten Spielangebote, die einladend genug waren, sie anzunehmen und wir bemühten uns auch nicht darum. Wir bestätigten uns selbst und hoben uns so gegenseitig auf ein nicht existierendes Podest, gestützt nur von uns selbst. Wir bauten unseren eigenen Turm von Babel und wie in der Geschichte war dies der Beginn vom Untergang. Verblendet wie wir waren, hörten wir irgendwann nicht nur nicht mehr auf Kritiken von außen, sondern auch nicht mehr auf die inneren. Wir erkannten unsere Fehler nicht mehr und so war es vorausbestimmt, das wir auseinanderbrechen und schlussendlich untergehen mussten.

Ich sitze also wieder vor meinem Rechner und suche nach einer Gruppe. Da: eine kleine Gruppe. Fünf Mann, die einen Orden von Kriegermönchen darstellen wollen. Klingt interessant. Ich bin dabei. Mal schauen, was daraus werden kann…

Artikelbild: Drachenfest – mit freundlicher Genehmigung der Wyvern e.K. | Alle Bezüge zu abgebildeten Personen und Spielgruppen sind nicht gewollt und unterliegen keiner Absicht.

 

9 Kommentare

  1. Beautiful and interesting article :)
    I have a question on the photo used at the top: the guy in the foreground is my best friend, his the leader of the LARP group LEGIO I° DRACO. Why did you use that picture?
    Mine is a mere curiosity, having found an Italian LARP group in an article written in German ;)

  2. Das kann man oft beobachten. Meine Gruppe, falls es eine ist hat auch einiges hinter sich – der vorteil ist. Wir sind wenige, die sich fast nie sehen. Wir sind im Laufe der Jahre Freunde geworden, LARP ist nicht unsere Basis, aber unser liebstes Hobby, wir sind egal wann füreinander da. Wir devinieren uns über uns selbst, nciht über die Gruppe. Dann hält sowas auch.

  3. Sehr guter Artikel! Ich habe Gruppen auch schon aus anderen Gründen auseinander brechen sehen, aber zumindest in diesem Punkt sehe ich mich als Gruppenorga dann bestätigt: niemals das Feedback von außen außer Acht lassen.

  4. Schöner Artikel.
    Habe selber oft Vereine kommen und gehen sehen.
    In den meisten Fällen der gleiche Ablauf.
    Meistens als 2 bis 3 Jahres Lebenszyklus.
    War sogar in einem solchen Verein mal rein schauen.
    Und es ist fast 1:1 so passiert.
    Danke für die Lektüre.
    Musste schmunzeln.

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