Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Zombies. Kaum ein anderes Thema kommt so häufig auf Kickstarter, in Videospielen, Filmen und Romanen der letzten Zeit vor. Dabei ist vom düsteren 28 Days Later über The Walking Dead bis zum unseligen Romantik-Klamauk von Warm Bodies eigentlich alles schon da gewesen. Andreas Schnell springt aber dennoch auf den Untoten-Zug auf und bemüht sich, das Thema mit einer Portion Fantasy aufzuwerten.

Die Story

In Deutschland in der Nähe von Frankfurt beginn es. Protagonist Karol begleitet im Hospiz seinen sterbenden Vater, während draußen die Hölle losbricht. So ist der Leser nah an Karols Seite und entdeckt mit ihm nach und nach die Ausmaße und Spielregeln des Untergangs. Sich der Evakuierung verweigernd, trifft Karol auch gleich auf zwei untote Senioren, deren Köpfe er zu „Gehirn-Püree“ verarbeitet. Er begreift: Zombies sind real.

Und was macht in einer solchen Situation ein problembeladener Mittdreißiger, dessen Gedanken auffällig häufig zur Vergangenheit zurück schweifen, zu Kindheit, vertanen Chancen, abwegigen Überlegungen und gedachten Soundeffekten? „Peng!“ Na klar, er rettet seine katzenbergerische Ex-Freundin Vera und spielt den Helden. Dass diese schon nach wenigen Seiten unerträglich wird, ist kaum überraschend. Doch schon im nächstbesten Militärlager wird die Gruppe um den merkwürdigen „Markioniten“ (eine veraltete christlich-gnostische Glaubensrichtung) Julius ergänzt, der ein wenig Offenbarungs-Mystik einbringt.

Genau hier beginnt der Roman vom altbekannten Zombie-Schema abzuweichen. Denn Karols extremer werdende Träume schicken ihn in ein Paralleluniversum, in dem Nazis mit Hilfe von Zombie-Soldaten Europa unterjochen. Am Ende des Romans steht dann eine rätselhafte Erklärung um Bienensterben, Multiversen und den „Urschleim“. Wirklich aufgeklärt wird nichts, stattdessen auf den nächsten Band der Serie verwiesen. Karol braucht auf der letzten Seite ungläubig „unbedingt mehr Wodka und Erdnüsse“; der Leser wohl auch.

„Es wurde von Drogen geredet, einem Virus, Massenpsychose und noch weitaus abstruseren Dingen. […] Sicher schien nur zu sein: Sehr viele Menschen – den Schätzungen zufolge Abertausende – verhielten sich wie Irre und töteten alles, was nicht schnell genug wegrennen konnte oder aber verrückt genug war, sich zu wehren.“

Schreibstil

Andreas Schnell hat als Autor von Tage des Niedergangs mehrere unangenehme Eigenschaften. Darunter ist zum einen der durch haarsträubende Zufälle zusammengehaltene Plot. Dass das titelgebende „Siegel“ im ersten Roman der Reihe nicht einmal erwähnt wird, scheint er durch absurde Szenen und Sätze wie „Verdammte Nazi-Zombie-Sau! Verreck doch endlich!“ ausgleichen zu wollen. Dass das ganze eher an Hellboy (obskurer Plot) oder The World’s End (Klischee-Charaktere) erinnert, als an eine ernstgemeinte Zombie-Apokalypse, sei dahingestellt – wie auch die unfreiwillig ulkigen deutschen Behörden.

Geschmackssache sind wohl Schnells unpassende und schräge Vergleiche, die Tempo und Atmosphäre aus eigentlich spannenden Szenen nehmen („Die hoffnungsgeschwängerte Seifenblase war schon dabei zu zerplatzen, bevor sie der bösartige Junge – genannt Schicksal –in die Luft entsandte […]“ / „Hätte man mir zwei Brüste angeklebt und beide Arme abgeschlagen, hätte ich ohne Probleme als Venus vom Milo durchgehen können.“). Wirklich ärgerlich hingegen sind die im Buch verteilten zahllosen Rechtschreibfehler, teilweise bis zu fünf auf einer Seite.

Preis-/Leistungsverhältnis

Ob man 13,95 EUR für einen Roman ausgeben möchte, der kein abschließendes Ende hat und in Science-Fantasy abdriftet, hängt wohl davon ab, ob man vorhat, auch den Rest der Reihe zu kaufen. Zombie-Fans im Walking Dead Fieber auf der Suche nach einer ernsten Lektüre sei aber abgeraten.

Erscheinungsbild

Tage des Niedergangs CoverZumindest optisch macht Tage des Niedergangs einiges her. Der Einband von Pascal Quidault ist sehr gelungen und zeigt einen Überlebenden vor dem verwüsteten Frankfurt und auf der Rückseite die ihn verfolgenden Untoten. Dazu passt auch der Klappentext als fiktive Radionachricht, die aber  wenig mit dem Roman zu tun hat. In diesem fehlen Kapitelüberschriften und ein Inhaltsverzeichnis. Schade.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Mantikore Verlag
  • Autor: Andreas Schnell
  • Erscheinungsjahr: 2013
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Taschen­buch
  • Seitenanzahl: 283
  • ISBN: 987-939212-32-4
  • Preis: 13,95 EUR
  • Bezugsquelle: Ama­zon

 

Fazit

Auf der einen Seite ist Schnells Bemühen durchaus löblich, der ausgetretenen Zombie-Apokalypse etwas Neues abzugewinnen. Doch nicht immer passt alles Aufgetischte auch zusammen. So schafft es Schnell nicht, atmosphärische Tage des Niedergangs zu beschwören, sondern verliert seine Handlung in kitschigen Beziehungs-Banalitäten und aufgesetzten Plot-Wendungen um KZ-Besuche und Nazi-Parallelwelten.

Wer ganz ohne Anspruch unterhalten werden will und das deutsche Setting schätzt, kann zugreifen – ein „Muss für Zombie-Fans“ sind die Siegel-Chroniken nach ihrem ersten Band jedenfalls nicht. Selbst im Bereich Jugendbuch gibt es mittlerweile deutlich unterhaltsamere Untergangsgeschichten (Der Zombie Survival Guide: Überleben unter Untoten).

Vielleicht ist aber auch alles ganz anders und Tage des Niedergangs ist eine unverstandene, verschrobene Satire. Doch um das herauszufinden, müsste man es noch einmal lesen – was ich nicht vorhabe.

Daumen2maennlich

Artikelbilder: Mantikore Verlag

 

3 Kommentare

  1. Habs von nem Bekannten bekommen. Die Rezension trifft es ganz gut. Am Anfang ist alles ok und zombiesk. Dann geht es total ab und nicht auf die gute Weise.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein