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Toys for the Sandbox ist eine Reihe von Veröffentlichungen für den ideen- oder zeitarmen Spielleiter.  Genauer gesagt, von drei Werken.

Während sich Toys for the Sandbox deutlich auf den Fantasy-Sektor stürzt, nimmt Apoc Toys die Postapokalypse in Augenschein und Captain’s Logs das Science-Fiction-Genre.

Jedes dieser Dokumente ist zwischen 15 und 20 Seiten lang und bietet die Beschreibung einer Örtlichkeit, darauf aufbauend Plotideen und nicht zuletzt auch Kartenmaterial. Was man nicht erwarten darf, sind haarklein ausdefinierte Abenteuer und Settings. Viel eher bieten uns die Autoren rohe Ideen, die noch Eigenbearbeitung seitens eines Spielleiters benötigen.

Eine Vielzahl von Kleinstveröffentlichungen – bislang über 100 – ist über den Online-Store von DriveThru verfügbar. Fast alle kosten lediglich 1,99 USD.

Wir beobachten die Produktreihe des aus Pawnee, Oklahoma stammenden kleinen Teams seit einigen Monaten und möchten nun die Gelegenheit ergreifen, sie auch einem größeren Publikum zugänglich zu machen. Dabei steht die Fantasy-Reihe im Fokus

Für tiefere Einblicke in den Arbeitsprozess haben wir mit Quinn Conklin gesprochen, dem Mann hinter den Kulissen.  (Download: Englisches Original des Interviews)

Interview

Teilzeithelden: Quinn, wer arbeitet eigentlich bei Occult Moon?

Quinn: Occult Moon ist eine Ein-Mann-Show, die auf Freelancer zurückgreift. Zurzeit hilft uns Shane Knysh mit Artwork und Joy Conklin erledigt das Lektorat. Das eigentliche Schreiben, wie auch das Erstellen des generellen Erscheinungsbilds, das Veröffentlichen und Bewerben erledige alles ich.

Teilzeithelden: Und wie kamst Du zum Rollenspiel?

Quinn: Das begann in der vierten Klasse der Grundschule. Wir hatten damals die Möglichkeit, eine Wahlaktivität einmal in der Woche nachmittags zu nehmen. Einige Jungs aus der sechsten Klasse überredeten die Lehrer, dass sie anderen beibringen dürfen, wie man Rollenspiele spielt. Seitdem spiele ich also und würfele über dreißig Jahre schon Würfel und jage Drachen mit meinen Freunden.

Teilzeithelden: Wie kamst Du auf die Idee, Rohmaterial für Sandbox-Style-Spiele zu entwickeln?

Quinn: Da gab es viele kleine Auslöser und Ursachen an mehreren Stellen. Einer davon war, dass meine Spielrunde meinen Handlungsfaden rund um eine Geschichte, jemandem auf dem Leim zu gehen, nur zehn Minuten nachdem sie mich baten, die Runde zu leiten, gelöst hatten. Ein anderer Auslöser waren die „The Good, the Bad and the Ugly“-Kolumnen aus Spielemagazinen, die ich gelesen habe. Die gaben Spielleitern Ideen für NSC und Handlungsfäden. Und dann war da noch die Idee von Michael Garcia, ein Setting auf zwei Seiten zur Verfügung zu stellen, als wir Occult Moon gegründet hatten.

Teilzeithelden: „Toys for the Sandbox“ (TftSb) scheint die Haupt-Produktlinie zu sein. Ist das so, weil die meisten Rollenspieler Fantasy-Settings bevorzugen?

Quinn: Der wahre Grund ist eigentlich, dass es Zeit und Aufwand bedeutet, ein wöchentliches Produkt zu entwickeln. Im Moment habe ich einfach keine Zeit für weitere Linien.

Teilzeithelden: Wie sieht es aus mit den anderen Linien Captain’s Logs und Apoc Toys? Können wir für die Zukunft wieder mit mehr Veröffentlichungen rechnen?

Quinn: Ich würde gerne drei weitere Ausgaben des Captain’s Logs machen, da ich beabsichtigte, es zu einer Serie mit zehn Ausgaben zu machen. Die derzeitige Serie Apoc Toys ist daher aus unserer Sicht abgeschlossen. Ich hoffe aber, dieses Jahr noch eine weitere Serie für Apoc Toys zu veröffentlichen, aber wirklich dazu etwas sagen kann ich nicht.

Teilzeithelden: Sprechen wir über das Internet. Die letzte Meldung auf der Facebook-Fanseite ist vom September 2013. Ist Facebook für Dich keine geeignete Werbeplattform? Wieso?

Quinn: Occult Moon wurde auf Google+ geboren und da haben wir auch die größte Gefolgschaft. 75 Prozent der Leute, die uns auf Facebook folgen, sind persönliche Freunde. Wir erreichen dort nicht viele Menschen. Auf Google+ haben wir das Zehnfache an Lesern.

Teilzeithelden: Beabsichtigt ihr auch, in Zukunft eine „echte“ Website aufzubauen?

Quinn: Vermutlich ja, die Kundschaft erwartet eine solche Website. Da stellt sich allerdings die Frage, wie diese funktionieren könnte – und zudem, wie man dort Mehrwert für die Leser bietet. Die alte Website war nur ein Weg, auf neue Produkte hinzuweisen und stellenweise einen kleinen Blogeintrag zum Besten zu geben. Da wir momentan keine richtigen Spielelinien haben, benötigen wir zum Beispiel auch keinen Platz, um Charakterbögen zum Download anzubieten. Bis zu dem Zeitpunkt, dass wir diese Zusatzfunktionen benötigen, nutze ich das aus den Verkäufen gewonnene Geld lieber, um Künstler und Lektoren zu bezahlen.

Teilzeithelden: Was planst Du für die Zukunft?

Quinn: Die wichtige und große Neuigkeit ist, dass wir uns den Welten von FATE zuwenden und dafür ein eigenes Setting namens Strange Voyages entwickeln. Ich könnte Dir darüber etwas erzählen, aber ich lasse die Autoren am besten zu Wort kommen:

Emlyn Freeman/Jennifer Povey: Das Setting orientiert sich am Jahr 1575, der Zeit der Regentschaft von Queen Elizabeth und dem Höhepunkt der Erforschung der Welt. Zugleich finden sich aber auch die Lande aus Mythen und Legenden dort wieder: Atlantis, Avalon und Anostos (und das sind nur die A’s …). Die Spieler sind eine Mannschaft von Erforschern der Renaissance-Ära und erleben Abenteuer in diesen Landen.

Quinn: Was TftSb betrifft – wir gehen nun ins dritte Jahr. Ich habe einige Ideen, was mit der Serie passieren wird in diesem Jahr, habe mich aber noch nicht auf einen genauen Plan festgelegt. Ich möchte mich weiter damit beschäftigen, Druckversionen von TftSb herauszubringen, die die letzten zwei Jahre verbinden. Und ich würde gerne einen Atlas der Welt veröffentlichen, die wir mit der Serie entwickelt haben. Sie ist ziemlich gewachsen.

Produktschau

The Shivering Raven

Shivering RavenDie beigelegten Dokumente sind zahlreich: ein Booklet, eine Variante für die Anzeige auf dem Tablet, eine druckfreundliche Version in Schwarz/Weiß und die Karten als eigene Dokumente.

In Veröffentlichung #28 wird ein Wirtshaus vorgestellt, welches einem beschränkten Publikumskreis zugänglich ist. Exotische Regeln zum Verhalten in der Gaststätte, die vom Gastwirt aufgestellt wurden, erhöhen das Flair. Während der Vorderraum den normalen Gästen vorbehalten ist, finden sich im beschränkt zugänglichen und magisch gesicherten hinteren Raum Séparées für Geschäfte und Gespräche, die nicht belauscht werden sollen. 

Die Beschreibung ist atmosphärisch und gut, vollkommen zureichend für jeden SL, der diesen Ort in seine Geschichte einflechten will. Die vier NSC, die den Laden werfen, sind mit Hintergrund und Interessen sowie ihren Zielen beschrieben. Das gefällt gut. Die Zeichnungen der NSC jedoch sind im besten Fall einfach zu nennen. 

Aber das ist auch nicht wirklich wichtig, denn das Dokument punktet mit Ideen für Plots, hier Possibilities genannt. Die Ideen reichen von leicht und schnell in der Durchführung bis hin zu komplexen Geflechten, mit denen man mehrere Abende spielen kann.

Gut gefallen mir auch die Karten des Gasthauses. Auch wenn hier und da etwas speziellere Informationen gegeben werden, was die Spielwelt betrifft – so ist von einem Gottkönig und der Stadt Ethos die Rede – fällt es leicht, den Ort auf die eigene Spielwelt anzupassen.

Ich mag es sehr – die NSC sind mir nur etwas zu cheesy. Sie sind schön, gute Kämpfer, zudem noch begabte Magier und überhaupt. Nichtsdestotrotz – die Gesamtqualität ist für mich auf jeden Fall ein Grund, mehr Produkte der Reihe zu testen.

Bezugsquelle: DriveThruRPG.com

The Ancient Temple

Ancient TempleVeröffentlichung #37 beschäftigt sich mit einem uralten Tempel, der wiederentdeckt wurde. Es heißt, der Tempel sei der Ort gewesen, an dem die Götter den Menschen das Wissen brachten. Andere sagen, dass der Tempel einst in den Himmeln gewesen wäre, bis die Sterne zu Boden gefallen seien und den Tempel geformt hätten. Und dann ist da noch der verrückte Mann, von dem es heißt, er wäre der unsterbliche erste Prophet. Druiden. Inquisitoren, Gläubige, Schatzsucher und Baumeister zugleich ringen um die Geheimnisse des Tempels.

Wer nun umfangreiche Karten für einen Dungeoncrawl erwartet, wird enttäuscht sein. Die einzige Karte ist eine grobe Übersicht der Tempelanlage. Dennoch bietet das kurze Dokument auf den elf Seiten einiges an verwertbaren Informationen. Vor allem mag ich den düsteren Touch, der sich aufbaut, wenn man beginnt, die möglichen Plothooks zu lesen.

Auch die NSC gefallen mir, ist doch keiner von ihnen schwarz/weiß bzw. gut/böse geprägt. Stattdessen bewegen sie sich alle in den verschiedensten Graustufen der ethischen Wertvorstellung. Die Karte ist zweckmäßig, die NSC-Portraits gefallen mir jedoch gar nicht in ihrer leichten Anime-Art.

Ich halte die Spielhilfe für wertvoll, sie benötigt jedoch viel Eigenleistung des SL. Nichtsdestotrotz gehe ich von vielen interessanten und spannenden Spielabenden aus, wenn es um die Erkundung des massiven Komplexes und der Abwägung der vielen verschiedenen Interessen geht.

Screen-Anzeige, Printerfriendly & Booklet sind jeweils eigene Dokumente für die verschiedenen Anwendungszwecke.

Bezugsquelle: DriveThruRPG.com

The Royal Palace

Royal PalceVeröffentlichung #52 „The Royal Palace“ beschreibt ein Schloss, dessen Höhepunkt in Ruhm und Macht lang zurück liegt. Noch ist die regierende Familie in Position, doch mehren sich die Stimmen des Unmutes aus den Reihen des Volkes und der Armee. Flüchtlinge aus dem Krieg im Norden gegen den Wraith King strömen in die Stadt und vervielfachen die Unzufriedenheit der ansässigen Bewohner.

Es braucht nur einen Funken im falschen Augenblick, um die angeheizte Situation explodieren zu lassen. Und zu allem Unglück wurde vor kurzem die antike Artefaktwaffe Heart of the City aus dem Palast gestohlen

Das Schloss selbst ist auf knapp drei Seiten beschrieben und ist daher nicht sonderlich detailreich umgesetzt. Es genügt aber, um eine ungefähre Vorstellung zu haben. Auch eine grobe Übersichtskarte ist Teil des Dokumentes. Die Raumaufteilung wird nicht gezeigt.

Gut gefallen mir die vier NSC – König, Königin, Generalin der Armee und Hofverwalter. In allen vier Charakteren steckt genug Potential für höfische Verwicklungen und schmutzige Machenschaften. Gut gefallen mir auch wieder die Possibilities – also die Plotvorschläge: Von Wachen, denen nicht zu trauen ist bis hin zu religiösem Zwist finden sich hier einige Anregungen für Gerüchte und Ausgangssituationen, die bespielt werden wollen. Gleichzeitig werden auch Ideen gegeben für Lösungen und weitere Verwicklungen.

Zufallsbegegnungen, Zufallsgerüchte und zwei magische Gegenstände runden das Bild ab. Leider fehlt die im Hintergrund genannte Artefaktwaffe.

Für einen komplett generischen Ansatz werden zu viele Fakten geschaffen – der junge Gott, die Königsfamilie, der Krieg im Norden etc. Erfahrene Spielleiter bauen das schnell um, Neulinge müssen schwitzen. Ich mag die Serie, weil sie mir viele Inspirationen und Ideen gibt. Mehr als Grundgerüst bietet sie jedoch nicht.

Zum Umfang des Paketes gehört das PDF zum Lesen am Rechner, eine druckerfreundliche Variante und eine zweigeteilte Version, die SL- und SC-Informationen trennt.

Bezugsquelle: DriveThruRPG.com

Rose Prison

Rose PrisonNachdem wir nun einige der älteren Produkte beleuchtet haben, wage ich den Sprung zu den neusten: Schauen wir in Rose Prison #103, stellen wir als erstes fest, dass sich das Format geändert hat. Nicht mehr breitformatige tablet-freundliche Darstellung, sondern nun hochkant im amerikanischen Letterformat. Zudem wurde das gesamte Konzept optisch überarbeitet.

Auf jeder Seite findet sich Platz für Notizen des Spielleiters, generell wirkt alles viel eingängiger und besser aufbereitet. Das Rose Prison ist ein Gefängnis für Dämonen und anderweltliche Kreaturen, welches von einem Ritterorden beschützt wird. Es liegt getarnt unter einer normal wirkenden Farm in einem weitläufigen unterirdischen Trakt.

Wie bei den anderen Publikationen beschreibt der Autor zuerst den generellen Ort des Geschehens und gibt dann Plothooks. Dabei tritt ein Problem auf und es werden jeweils mögliche Verzweigungen angegeben. Das mochte ich schon in den alten Veröffentlichungen und hier wirkt es noch etwas schlüssiger. So hat das Gefängnis verschiedene mögliche Konflikte: Wie läuft der An- und Abtransport? Haben sich die Dämonen möglicherweise absichtlich fangen lassen, um die Korruption zu konzentrieren und ein Tor in die Hölle zu öffnen?

Bei den mitgelieferten NSC wurde der Mary-Sue-Faktor entfernt und auch das unsägliche Artwork. Well done. Zum Abschluss finden sich noch zwei magische Artefakte, die mit etwas Gehirnschmalz leicht auf das eigene gespielte System angepasst werden können.

Der Kleinstverlag hat im Weiteren das Marketing für sich entdeckt. So werden die genutzten Eigennamen im Anhang auf andere Veröffentlichungen referenziert, was einen Kaufanreiz für andere Publikationen bieten soll. Wer will das den Machern schon übel nehmen?

In Summe macht Rose Prison als 103te Veröffentlichung einen ausgereiften Eindruck und offenbar hat man sich die Kritik der Community zu Herzen genommen.

Bezugsquelle: DriveThruRPG.com

Artikelbilder: Occult Moon

 

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