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Maschinenkinder vereint 14 Kurzgeschichten, die bis auf eine Erstveröffentlichung zwischen 2004 und 2012 an anderen Stellen veröffentlicht wurden. Einige sind also deutlich älter als die angesprochene Sammlung von 2008. Überrascht war ich, wie viele der Geschichten ursprünglich im c’t Magazin veröffentlicht wurden. Aber wenngleich wohl die wenigsten Leser der Teilzeithelden die c’t als Magazin für düstere Science-Fiction auf dem Schirm haben dürften, könnte sich ein Blick in Zukunft vielleicht lohnen.

Story

Gleich vorneweg: Man merkt manchen der Geschichten ihr relatives Alter durchaus an und wenn man sich ein wenig Mühe gibt, kann man irgendwann durchaus erkennen, ob man jeweils ein Frühwerk oder etwas Aktuelles liest. Fallen die vier ältesten Beiträge noch durch eine sehr einfache Moral auf, die mir ein wenig zu deutlich transportiert wird, ist das Ganze später etwas vielschichtiger und komplexer (z.B. „Outage“). So richtig grau wird es aber meiner Meinung nach nie und man erkennt eigentlich immer, wer (oder manchmal besser ‚was‘) die Identifikationsfiguren sein sollen und wer/was möglichst nicht. Wenig überraschend kommen die Nonkonformisten, die den Status Quo hinterfragen, meist besser weg.

Auch in den neueren Storys scheinen Moral und Ethik immer eine Rolle zu spielen, so kann man z.B. die einzige Erstveröffentlichung, „Schwarzfall“, als eine futuristische Variante des Turmbaus zu Babel lesen. Sie ist gleichzeitig ein gutes Beispiel für die zahlreichen Geschichten, in denen die (technisierte) Fortentwicklung der Menschheit von ihren biologischen Wurzeln thematisiert wird – oder allgemeiner das Verhältnis von (menschlicher) Biologie und Technik insgesamt: wie Technik die Menschen verändert, welche Abhängigkeiten und Probleme sich aus dem Umgang mit ihr ergeben, usw. Weitere, immer wiederkehrende Motive sind ein Systemversagen aufgrund von Einzelinteressen, die dem Gemeinwohl entgegenstehen (z.B. „Kinder der großen Maschine“) und die Suche nach dem Selbst oder einem Sinn (z.B. „Krematorium“).

Die Settings reichen vom kleinen, fast alltäglichen Rahmen („Brause“) über virtuelle Welten („Machina“) bis hin zur fast obligatorischen Erde nach einer scheinbar globalen atomaren Katastrophe („Cote Noire“) und zum Weltall („Cyst“, „Muschelplanet“). Mit „Byte the Vampire“ hat sich auch ein sehr cyberpunkiges Werk Eingang in das Buch verschafft.

Schreibstil

Die oben beschriebene, zeitliche Entwicklung vom Einfachen zum Komplexen findet sich auch in der Sprache wieder und so bewegen sich die präsentierten Geschichten zwischen eher heiteren, fabelartigen Beiträgen a la „Brause“ (von 2005) bis hin zur opulent ausgeschmückten, ans Fantastische reichenden Endzeiterzählung „Kinder der großen Maschine“ (von 2012). Manchmal übertreibt Hebben es dann vielleicht ein wenig, so dass es schwierig wird, sich in den all den Neben- und Teilsätzen zurecht zu finden, aber im Großen und Ganzen gelingen ihm die Formulierungen gut und das Lesen geht flüssig vonstatten.

Viele Geschichten verströmen einen gewissen Humor. Der kann von der zynischen Mediensatire („Elysian“) bis hin zu den schon erwähnten Fabeln (auch noch nennenswert: „Schwarz Weiß“) reichen. Eine extrem kurzweilige Überraschung liefert „Pong“, welches man wohl mit dem Begriff ‚Bathos‘ beschreiben könnte. Mehr soll dazu aber nicht verraten werden.

Die Erzählperspektiven sind unterschiedlich. Auffallend ist, dass die Questen („Krematorium“, „Cyst“, „Muschelplanet“) einen Ich-Erzähler haben, während die meisten anderen Szenarien aus der Sicht eines über ihnen schwebenden Dritten dargestellt werden. Im letzten Beitrag, „Outage“, gibt es gleich drei Ich-Erzähler, die jeweils eine Seite des Plots bilden. Inwiefern hier die Aufteilung zwischen den ebenfalls drei Autoren (Hebben zusammen mit Uwe Post und Thorsten Küper) eine Rolle spielte, wird natürlich nicht im Einzelnen heraus gestellt.

Preis-/Leistungsverhältnis

Zugegeben, mit der Bewertung in dieser Kategorie tu ich mich immer schwer. Das liegt zum einen daran, dass ich nur selten deutschsprachige Bücher kaufe, weil mein Blick zugegebenermaßen eher auf einen anderen Sprachraum ausgerichtet ist und ich die deutschen Preise daher nur im Vorbeigehen kenne. Zum anderen kann ein Buch prunkvoll gestaltet sein, aber nach wenigen Seiten dennoch im Regal landen.

Da macht es sich zwar optisch gut, aber seinen vom Material her bestimmt gerechtfertigten Preis ist es für mich dann trotzdem nicht wert – oder anders herum gibt es minimalistische, aber teure Büchlein, die ich gleich mehrmals auf dem Nachttisch liegen habe, weil sie mir immer wieder Spaß machen. Damit sinkt gewissermaßen der Preis pro unterhaltener Leseminute.

Bei den Maschinenkindern ist das Cover sicherlich sehr aufwendig und kostspielig gestaltet und die Auflage, die der Shayol-Verlag von dem Band verkauft, ist vermutlich nicht so groß, dass die Druckkosten sonderlich gesenkt werden konnten. Trotzdem muss ich sagen, dass für mich die geforderten 16,90 Euro zu hoch gegriffen sind. Ja, das Buch ist über weite Strecken unterhaltsam, aber 16,90 Euro sind für 217 Seiten mit oft bloß ‚okayem‘ Inhalt ein stolzer Preis. Zumindest ich habe die meisten Geschichten zwar durchaus genossen, würde das Buch aber vermutlich nicht nochmal lesen.

Erscheinungsbild

Maschinenkinder CoverIn der Hand liegt das Buch sehr wertig: Hochglanzcover mit Klapplasche vorne und hinten, darin eine Kurzbeschreibung des thematischen Rahmens des Buches (vorne) und der Vita des Autors (hinten). Das Cover ist auf einen der Beiträge bezogen, ebenso der Titel der Anthologie („Kinder der großen Maschine“). Man sieht bleiche, humanoide Wesen mit Flügeln vor einem bläulich-schwarzen, maschinell anmutenden Berg, dahinter ein phosphorgelber Himmel. Die Assoziation an Engel will sich nicht nur wegen der unpassenden Szenerie nicht aufdrängen; dazu tragen auch die roten Adern oder Sehnen, die die Wesen mit dem Boden verbinden, ihr Übriges bei (wobei diese in der Geschichte selbst bestenfalls metaphorisch vorkommen).

Die 217 Seiten sind auf gutem Papier ausreichend groß bedruckt und der Seitenschnitt ist insgesamt in Ordnung, wenngleich zur Mitte hin vielleicht etwas eng. Ein Muster aus sich überlagernden Linien und Kreisen zieht sich grafisch durch das Buch, vom Impressum bis zu den Seitenzahlen und den Titeln der jeweiligen Geschichten (einzig auf dem Umschlag ist es nicht zu finden). Ansonsten spricht der Text für sich. Ergänzt wird der Band noch durch einen Quellennachweis, da bis auf eine Ausnahme alle Storys schon einmal vorab veröffentlicht worden sind.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Shayol Verlag
  • Autor(en): Frank Hebben
  • Erscheinungsjahr: 2012
  • Sprache: Deutsch
  • Format: Broschiert
  • Seitenanzahl: 217
  • ISBN: 978-3-943279-07-8
  • Preis: 9,99 EUR bis 16,90 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Fazit

Hebbens „Maschinenkinder“ liefert Kurzgeschichten, die der Autor zwischen 2004 und 2012 veröffentlicht hat, sowie eine Erstveröffentlichung. Dass er sich in dieser Zeit weiter entwickelt hat, ist dabei nur natürlich und so kann es wohl auch nicht überraschen, dass sich die Beiträge sprachlich und inhaltlich auf teilweise sehr unterschiedlichem Niveau bewegen. Neben recht einfachen und humorvollen Fabeln finden sich Geschichten irgendwo zwischen SF und Fantasy. Fast alle Beiträge haben eine moralische Komponente, die mir teilweise etwas dominant daher kommt und an der einen oder anderen Stelle vielleicht auch ein wenig simpel scheint.

Gemein ist den Storys ebenfalls, dass sie das Spannungsfeld zwischen Mensch und Maschine ausloten, wenngleich sie das in unterschiedlichen Settings und aus verschiedenen Perspektiven tun. Insgesamt ist der Band daher eine schöne Abwechslung zu 08/15 Science-Fiction, bei der die Technik allzu oft bloßes Gadget ist.

Daumen4Maennlich

Artikelbilder: Shayol Verlag

 

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