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Im September 2013 überraschte mich Pelgrane Press damit, dass sie Night’s Black Agents (NBA) in das damals aktuelle Bundle of Holding packten. Die anderen Gumshoe-Titel Ashen Stars (2011), Fear Itself (2007) und Mutant City Blues (2009) hatten ja bereits ein wenig Staub angesetzt, aber NBA (2012) ist wesentlich neuer und gerade wurde mit Double Tap ein Erweiterungsband herausgebracht.

Nach einer Online-Hangout-Runde Esoterrorists als Spieler, war bei mir die Lust auf Gumshoe wieder geweckt und ich habe mir NBA mal genauer angesehen.

Die Spielwelt

NBA siedelt seine Abenteuer im modernen Europa an, das häufig als Kulisse rasanter Spionage-Thriller taugt. Der Twist der Spielwelt ist dabei, dass Vampire existieren. Als Verschwörung wirken sie im Hintergrund, und agieren z.B. durch das organisierte Verbrechen oder auch die Geheimdienste.

Um das Spiel interessant zu halten, wird nicht genau vorgegeben, was Vampire sind oder welche Fähigkeiten und Schwächen sie haben. Das müssen die Spieler in ihrer Kampagne selbst herausfinden. Es gibt einen umfangreichen Bausatz für Ursprünge des Vampirismus sowie ein variables System verschiedener besonderer Fähigkeiten. Vampire können magisch, außerirdisch oder auch Mutanten sein, mehr der Folklore Osteuropas oder den Geschichten aus Horrorromanen entsprechen. Genauso wenig ist zum Beginn einer Kampagne klar, ob Vampirismus übertragen werden kann.

Da die Spieler vormalige Geheimdienstler sind, braucht es auch etwas Hintergrund. Hite gibt einen Überblick über die wichtigsten Polizei- und Geheimdienstorganisation sowie Fakten über Verbrechersyndikate. Es wird dargelegt, wie man selbst eine Stadt zum Spielen vorbereitet und ihr Leben einhaucht. Zusammen mit einer Sammlung vorbereiteter Gegner hat man einen Bausatz, aus dem man verschiedene Kampagnen schustern kann.

Die Regeln

Hier sei auch auf meine Rezension zu Trail of Cthulhu verwiesen, denn die Regelbasis von Gumshoe besteht auch in NBA fort. Auf Ermittlerfähigkeiten werden keine Proben abgelegt. Proben auf andere Skills werden mit dem W6 abgelegt und man darf Poolpunkte ausgeben, um sich diese zu erleichtern.

NBA erweitert diese Mechanik gezielt in zwei Bereichen, die für das Genre bedeutsam sind: Kämpfe und Verfolgungsjagden.

Bei Kämpfen bleibt die Basismechanik erhalten: Es wird rundenweise agiert, es werden Angriffswürfe gemacht, Schaden ermittelt. Zu diesem Prozedere kommt aber noch etwas hinzu:

Man kann gezielt durch das Ausgeben weiterer Poolpunkte und das Verwenden von Spezialfähigkeiten (Cherries genannt, s.u.) bestimmte Manöver wie z.B. Extra-Attacken freischalten. Charaktere mit hohen Poolwerten im zweistelligen Bereich können so im Kampf deutlich mehr Feuerwerk veranstalten als andere, insbesondere auch als Charaktere in anderen Gumshoe-Titeln. Einige Spezialfähigkeiten erlauben die Wiederauffrischung von Pools.

War in anderen Gumshoe-Titeln Kampf eher eine Würflerei ohne viele Optionen, so hat man in NBA mehr Möglichkeiten, die durch die Spezialfähigkeiten befeuert werden. Finten, kritische Treffer, gezielte Schüsse, Autofeuer und Flächenbeschuss erweitern das Arsenal. Man kann auch gezielt einen schwachen Gegner an sich reißen und als Deckung auf engem Raum benutzen (Mook Shield). Verschiedene Spezialfähigkeiten wie Kampfsport, Scharfschütze oder Zusatztraining an einer Waffe frischen z.B. die Poolpunkte auf, erhöhen die Reichweite oder den Schaden.

Diese Thriller Combat Rules sind als Paket optional, aber Weglassen ist meiner Meinung nach keine ernstzunehmende Option. Es ist möglich, einen hochgezüchteten Spezialagenten drei Attacken am Anfang der ersten Kampfrunde ausführen zu lassen. Dies bildet das beinahe Übermenschliche des Agentengenres gut ab. Den Spielern wird noch viel mehr Entscheidungsraum geboten, wie viel von ihrer Befähigung sie wann im Spiel einbringen wollen. NBA dürfte daher wohl bei Weitem die spannendsten Kämpfe aller Gumshoe-Rollenspiele haben.

Eine große Schwäche des Gumshoe-Rollenspiels bleibt aber auch erhalten: Eigentlich sollen die Pools garantieren, dass kein Spieler das Spotlight an sich reißt. Aber in der Praxis kann es sein, dass die Aktionen trotz ausgegebener Poolpunkte nicht zünden. Ein Charakter ohne Poolpunkte kann je nach Schwierigkeitsgrad der Begegnung eventuell schon gar nicht mehr treffen, selbst wenn er noch unverletzt ist. Er hat dann sein „Story-Pulver“ schon verschossen, ohne dass es eine Erklärung dafür gibt, die sich nahtlos in die Spielwelt fügt. Warum hat der geübte Pistolenschütze plötzlich keine Chance mehr, dasselbe Ziel zu treffen? Früher oder später rasselt man mit Gumshoe in einen solchen Logikbruch hinein.

Nix wie hinterher

Ein anderes Element, das in Actionfilmen eine besondere Rolle spielt, ist die Verfolgungsjagd – zu Fuß, per Auto, vielleicht sogar mit einem Schnellboot. Auch hier wurden die Standardregeln für Verfolgung aufgebohrt. Normalerweise wird bei Gumshoe solange gegeneinander gewürfelt, bis einer seinen Wurf versemmelt, was bedeutet: die erste Sache, die schiefgeht, entscheidet die wilde Jagd.

Bei NBA hingegen verringert oder erhöht das nur einen numerischen Abstand, Lead genannt. Wird dieser zu hoch, kann sich der Verfolgte absetzen. Sinkt er tief genug, kann der Verfolger aufschließen. Hierbei wird berücksichtigt, wie hoch Erfolge oder Misserfolge waren, und wie weit das Ergebnis auseinanderliegt.

Auch hier kommen die Cherries wieder ins Spiel, und können z.B. helfen, die der Verfolgung zugrunde liegende Fähigkeit wiederaufzufrischen. Oder einen schnellen Schuss durch den Verfolger zu erlauben. Aber am besten gefällt mir, dass man auch investigative Fähigkeiten einbringen kann:

Agent A verfolgt einen Ghoul zu Fuß durch die Katakomben von Paris. Agent B ist mit ihm per Funk verbunden und gibt einen Punkt Architektur aus. Er benutzt sein besonderes Wissen über den Pariser Untergrund, um den Agent A zu ermöglichen, dem Ghoul den Weg abzuschneiden.

Agent C wird in einem Auto von einer Gruppe Gangster verfolgt. Agent D hatte sich bereits zuvor in den Polizeifunk eingehackt und gibt jetzt einen Punkt Polizeijargon aus, um Streifenwagen auf den Verfolger zu hetzen.

Ich finde, dadurch wird der narrative Aspekt wunderbar in die Mechaniken des Systems eingebunden. Charaktere können auf verschiedenste Weise in das Geschehen eingreifen, wie halt auch im Film. Funkverbindung wird vom System vorausgesetzt und ermöglicht das Koordinieren von Aktivitäten an verschiedenen Orten sowie die erwähnten Eingriffe. Mich erinnern die Möglichkeiten am ehesten an Filme wie Sneakers, Ocean’s 13 oder Ronin, weil das Team der Star ist.

Netzwerken und Tarnidentitäten

Zwei Fähigkeiten nehmen eine Sonderstellung ein: Cover und Network. Es wird angenommen, dass sich die Agenten Tarnidentitäten angeeignet haben, um ihrer Tätigkeit nachzugehen. Gibt man aus einem Cover-Pool Punkte aus, kann man diese einer Identität zuweisen. Diese werden bei allen Würfen eingesetzt, bei denen diese Identität ins Spiel kommt. Ist der Pool einer Identität leer, so ist diese aufgeflogen und nutzlos.

Genauso erschafft man Kontakte aus dem eigenen Netzwerk. Man gibt Punkte aus und investiert diese in einen Informanten oder jemand, dem noch an einer alten Wirkungsstätte kennt. Auch hier kann der Pool eingesetzt werden, um individuelle Würfe zu erleichtern, z.B. wenn man Infos von einem Kollegen vom MI5 braucht. Oder wenn einem ein Mafioso noch einen Gefallen schuldet. Sind die Punkte in einem solchen Pool aufgebraucht, kann man den Kontakt nicht mehr aktivieren.

Um das Spiel nicht zu kompliziert zu gestalten, bedient sich der Autor bei Leverage und arbeitet mit Rückblenden. Rückblenden ermöglichen es, Fakten durch Ausgeben von Punkten in die Story hinein zu erzählen. Man muss nicht vorher angeben, welche Kumpels man beim KGB hat. Man zieht dieses Karnickel inmitten des Story-Verlaufs aus dem Ärmel und gibt dann die Punkte aus. Das ermöglicht es auch, mitten in der Handlung so zu tun, als hätte man umfangreich geplant und fast alles bedacht, ohne vorher langwierige Planungen ausspielen zu müssen.

Im Bezug aufs Kampagnenspiel gilt, dass Cover und Network sich nicht wieder auffrischen. Gibt man Punkte dort aus, kann man sie nur durch den Einsatz von Erfahrungspunkten zurückgewinnen.

Charaktererschaffung

Es ist einem auch bei NBA unbenommen, die Kaufpunkte auszugeben, wie man will. Man kann aber auch Hintergründe wählen. Ein Hintergrund ist ein Paket von investigativen und allgemeinen Skills. Diese Pakete sind aber nicht billiger. Sie beschleunigen nur den Prozess. Während diese Charakterhintergründe nicht bindend sind, vermitteln sie ganz gut Archetypen aus solchen Thrillergeschichten wie Geldkuriere, Fluchtwagenfahrer oder Hacker.

Erreicht man in einer allgemeinen Fertigkeit einen Wert von 8 oder höher, werden Bonuseffekte freigeschaltet, Cherries genannt. Hat man 8 Punkte in Digital Intrusion, erhält man einen Gratispunkt in Kryptographie. 8 Punkte in Athletik ermöglichen z.B. die Spezialfähigkeit Parkour, die bei Verfolgungsjagden zu Fuß sehr nützlich sein kann. Durch die Cherries wird auch ausgedrückt, worin sich besonders intensives Training von normalem Können unterscheidet. Cherries unterstützen die filmreifen Aktionen, die wir von den Protagonisten von Action-Thrillern erwarten. Man wählt auch einen MOS, eine Fähigkeit, die einmalig garantiert gelingen wird.

Jede Figur hat auch einen Drive, also eine ihr Handeln bestimmende Motivation, und drei Dinge, die dem Charakter etwas bedeuten: Symbol, Solace und Safety. Symbol ist etwas Abstraktes, ein Gegenstand, irgendetwas, das der Figur viel bedeutet, ob es nun Ausdruck von Religion, des persönlichen Werdegangs oder der eigenen Werte ist. Solace ist eine Person, der man bedingungslos vertraut. Safety ist der persönliche Zufluchtsort. Werden einem diese Dinge genommen, oder sind sie bedroht, kann das unangenehme Auswirkungen auf die innere Stabilität im Spiel haben.

Spielbarkeit aus Spielleitersicht

Auf den SL kommt zuerst die Entscheidung zu, ob er eine der vorgeschlagenen Varianten für seine Kampagne hernimmt: Burn, Dust, Mirror oder Stakes. Burn führt zu schnellerem psychologischem Verfall, auch Töten ist hier keine Sache, die man mal so im Vorbeigehen macht. Dust kürzt fast alle neuen Thriller-Elemente aus dem Spiel, die Agenten werden auf eine Art Normalmaß heruntergestutzt und müssen vorsichtiger agieren. Mirror bedeutet, dass Kontakte unzuverlässig sind und Verrat fast erwartbar ist. Stakes legt Wert auf eine Motivation und ein höheres Ziel der Charaktere. Vom postmodernen „Jeder für sich selbst“ bis zum „Für mein Vaterland, egal was es kostet“ ist hier alles dabei, und verschiedene Modi verlangen verschiedene Spielweisen.

Generell fällt an NBA positiv auf, wie wenig es versucht, nur eine bestimmte Geschichte zu erzählen. Vielmehr ist es ein Baukasten, um ganz verschiedene Elemente, Motivationen, Hintergründe und Stories auszuprobieren. Ob es nun um die Schwächen der Vampire oder die Motive der Spieler geht, alles lässt sich variieren und damit lohnt es sich auch, mehr als eine NBA-Kampagne zu spielen. Man merkt dem Buch auch die Recherche-Leistung seines Autors an.

Das bedeutet auch, dass jede Kampagne etwas Vorarbeit erfordert. Wie funktioniert Vampirismus? Was steckt dahinter? Hier werden die Hintergründe Supernatural, Damned, Alien und Mutant angeboten. Wie weit reicht die Verschwörung im Hintergrund? Wie lange besteht sie schon? Stehen übernatürliche Mittel zur Verfügung? Wer arbeitet mit wem? Und natürlich: Was ist das Endziel der Vampire?

Die Übersicht im Kampagnenspiel behält man durch das Anfertigen einer Conspyramid – ein Diagramm, an dessen Spitze die Obervampire stehen und unten das Fussvolk. Die Spieler werden sich im Laufe der Kampagne durch diese Pyramide hindurcharbeiten und sie erleichtert es dem SL, kurzfristig Hinweise zu generieren und zu streuen, wenn die Spieler die Ermittlungsrichtung wechseln.

Durch die Hinweise zum Gestalten eines Thrillers lernt man, Action- und Ermittlungsszenen sich abwechseln zu lassen, wodurch die Ermittlung auch nicht das Spiel dominiert. Wen man nicht genug Infos hat, müssen die Agenten wieder ins Feld. Dadurch hat es man in NBA viel leichter, eine Kampagne selbst zu gestalten, anstatt mühsam ein Gesamtkunstwerk wie bei Trail of Cthulhu stricken zu müssen. Es geht auch Spielern leichter von der Hand, die nicht so detektivisch vorgehen, wie das andere Gumshoe-Spiele wollen.

Spielbarkeit aus Spielersicht

Für den Spieler gestaltet es sich NBA relativ einfach. In den verschiedenen Szenentypen kann der Umgang mit den zwei Arten von Skills eingeübt werden. In einer Thriller Chase kann man gezielt zusätzliche Regeln einführen. Die Thriller Combat Rules lassen sich eine nach der anderen in den weniger wichtigen Kämpfen mit kleinen Schergen einführen, um es dann später im Kampf mit den Vampiren richtig krachen zu lassen. Durch die ansteigende Spannungskurve lässt sich dieses graduelle Einführen von Regelelementen gut rechtfertigen.

Auch die Rückblenden ermöglichen den schnellen Einstieg ins Spiel. Weil man nicht alle erlernten Sprachen, Kontakte und Tarnidentitäten zu Beginn festlegen muss, kann man seinen Charakter gezielt im Spiel weiter ausgestalten.

Preis-/Leistungsverhältnis

Man erhält ein richtig gutes Spiel, aber es ist nicht billig. Mein persönlicher Erwartungswert liegt bei weniger als 10 USD pro 100 Seiten, und ab 20 USD für ein PDF überlege ich mir in der Regel schon sehr genau, ob ich zuschlage.

Verglichen mit dem Bundle of Holding, bei dem es das PDF als Bonus inklusive einem Abenteuerband dazu gab, schneidet das Preisleistungsverhältnis sogar sehr schlecht ab. Als Einzelkauf ist es für meinen Geschmack zu teuer, aber die Kombination von PDF + Hardcover beim Sphärenmeister kann sich preislich wieder sehen lassen.

Spielbericht

Bei einem Oneshot mit vorbereiteten Charakteren und einem selbstgestalteten Abenteuer bewährte sich das System gut. Die Spieler, alle bis auf einen ohne Gumshoe-Erfahrung, haben das System schnell erfasst und konnten sich auf ihre Rollen konzentrieren. Anscheinend kommen Spieler auch ohne übermäßig viel Spionagethriller gesehen zu haben ganz gut damit zurecht, wie man in NBA Informationen durch Hacken und Kontakte beschafft. Regelelemente wie Cover und Network lassen sich durch die Mechanik ganz gut mitten im Spiel einführen. Das Feedback der Spieler war durchweg positiv.

Erscheinungsbild

Nights black agents coverDie glänzenden Seiten im Hardcover treffen meinen Geschmack nicht, genauso scheint die Bindung etwas ungleichmässig. Das sehr helle Seitendesign wirkt hochmodern und passt auch zum Thema Spionage-Thriller. Für Vampir-Horror wirkt es hingegen etwas klinisch.

Gumshoe-Produkte leiden generell an einer übertriebenen Menge Text pro Seite. Das fällt besonders bei Seiten ohne Illustration oder Sidebar auf. Dort wirken der dreispaltige Text und die geringe Schriftgröße besonders problematisch.

Die Illustrationen sind manchmal sehr gut und manchmal eher etwas dürftig. Es kann vor allem sein, dass nur alle paar Seiten eine kommt. Sidebars und Tabellen sind hingegen sehr übersichtlich gestaltet.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Pelgrane Press
  • Autor(en): Kenneth Hite
  • Erscheinungsjahr: 2012
  • Sprache: Englisch
  • Format: PDF oder Hardcover
  • Seitenanzahl: 232
  • Preis: 24,95 USD (PDF) | 38,95 EUR (Hardcover + PDF)
  • Bezugsquelle: DriveThruRPG (PDF) | Sphärenmeister (Hardcover + PDF)

 

Bonus/Downloadcontent

Es gibt Einiges an Downloads, insbesondere die verschiedenen Bögen für das Spiel, eine Kurzdemo und Material zu dem Abenteuerband The Zalozhniy Quartet.

Fazit

Mein Eindruck ist, dass NBA ganz hervorragend funktioniert. Man kann es gewissermaßen als ein Gumshoe 2.0 betrachten, das dem System weder zu viel noch zu wenig hinzufügt. Zwar wird Gumshoe nie wirklich ein System taktischer Tiefe werden, aber im Rahmen der Story sind interessante Konflikte möglich.

NBA scheint auch viel einsteigerfreundlicher durch seine Erzählstruktur. Die Ermittlungen blieben kurz und knackig, um in die nächste Action-Szene überzuleiten. Eine solche Erzählstruktur würde sich auch für Esoterrorists eignen. Überhaupt zieht NBA Gumshoe aus der reinen Ermittlungsecke und kann dadurch als Inspiration für alle Gumshoe-Spiele dienen. Das Gleiche gilt für die Thriller Combat Rules und die Thriller Chase Rules. Was Hite hier dem Kanon der Gumshoe-Ideen hinzufügt, das zündet.

Obwohl NBA das System weiterführt, bleiben die alten Probleme bestehen: Was tun, wenn die Pools erschöpft sind? Dann kann sinnvolles Handeln sogar unmöglich sein. Insbesondere dann, wenn man Athletik erschöpft hat: Dann kann man je nach Gegnerzahl nicht mal mehr abhauen, denn das erfordert auch einen Wurf oder sogar einen Wettbewerb mit vergleichenden Würfen! Das Problem der unmöglichen Schwierigkeiten von 7 oder höher auf dem W6 kann bei ein paar unglücklichen Würfen sehr schnell drängend werden und in einen Total Party Kill führen. Das hat mit Spotlight-Verteilung nichts mehr zu tun, sondern ist unter Umständen in der Spielwelt nicht sinnig zu erklären.

Zusammen mit ein paar Schwächen bei der Präsentation ergibt sich als Wertung eine sehr positiv gemeinte 4 von 5.

Daumen4Maennlich

Artikelbilder: Pelgrane Press

 

8 Kommentare

  1. Ein sehr überzeugendes System!
    Natürlich nicht nur, weil ich es bei Oliver mitgespielt habe (smile), fand ich es eine sehr gute Spielsitzung, sondern weil NBA mit seiner Grundidee den Nerv bestimmt vieler Rollenspieler trifft: Spannendes Hintergrundsetting, leichtes Hineinkommen in die (scheinbare) Realwelt, viele Story-Elemente, die ausgeweitet werden können und dann wieder leichtes Umschalten in überschaubare Regelsituationen, um bestimmte Geschehnisse (Untersuchungen, Verfolgungsjagden, Kämpfe etc.) detaillierter aufzulösen, zusätzlich noch die Möglichkeit bei bestimmten Aktionen, die gelingen sollten, Extrapunkte auszugeben. Selten hab ich ein System gesehen, in das man als Spieler so leicht einsteigen kann und trotzdem jede Menge Möglichkeiten hat, also auch bei mir: Daumen hoch und ich freu mich schon auf’s nächste Abenteuer!

  2. Freut mich :-)
    Und man muss noch festhalten, es war ja eine bunte Mischung erfahrener und unerfahrener Spieler und beiden „Grüppchen“ hat’s Spaß gemacht, weil man halt wie gesagt schnell in die Regeln und das Setting hineinkam und dank der vielen Agentenfilme im TV ja schon eine gewisse Vorbildung hatte. Ja, in jedem von uns steckt eben ein kleiner 007… und auch Austin Powers ;-)

  3. Zu einem Total Party Kill wird es nur in Gruppen kommen, die stur weiterkämpfen, bis sie umfallen. Es ist ja nicht so, dass bei Gumshoe alle Pools gleichzeitig erschöpft sind. Wenn die Kämpfen und Schießen-Pools erschöpft sind, kann es im Spiel einen Moment geben, in dem die Charaktere realisieren: Auf diese Art und Weise schaffen wir es nicht! Dann müssen sie sich Alternativen ausdenken (z. B. erstmal Fliehen). Wenn ich einen erschöpften Pool habe und einem gefährlichen Gegner gegenüberstehe, dann kämpfe ich nicht weiter. Und daher entsteht auch in der Regel dieser Logikbruch (jetzt schieße ich plötzlich nur noch daneben… wie kommt das?) gar nicht. Letztlich ist das eine Einstellungssache: Gumshoe ist näher an den narrativen als an simulationistischen Spielen dran.

    • Dies stimmt nur unter der Vorraussetzung, dass das Weglaufen auch glückt. Je nach Intention des Gegners will dieser ja eventuell gezielt töten. Wer den falschen Teil seines Pulvers früh verschiesst und keinen passenden Refresh anwendet, kann halt nicht Weglaufen (weder nach den regulären noch nach den Thriller Chase Rules), weil der Athletics-Pool leer ist… oder nie besonders hoch war. Das macht bei „Trail of Cthulhu“ begrenzten Sinn, weil es die hohe Sterblichkeit von Charakteren sowieso vorraussetzt und zusätzlich die Fähigkeit „Fleeing“ für nicht-athletische Charaktere einen Ausgleich schafft. „Night’s Black Agents“ ist da anders gestrickt und schafft es mit seinen Regeln für Refreshes, etwas mehr Spielerkontrolle und narrativen Input in die Handlung zu bringen, das will ich auch nicht bestreiten.

      Das Würfelsystem macht das Spiel jedenfalls nicht narrativer, das gilt höchstens für die investigativen Fähigkeiten. Aber mir scheint, man muss immer jeden Aspekt eines Spiels als ganz toll verteidigen, nur weil man einige Dinge daran sehr mag und es gern spielt. Ich persönlich spiele auch Spiele, an denen ich einige Details einfach nicht gut finde und diese auch als solche benenne. Mir erscheint es jedenfalls so, dass „Das ist narrativ“ ganz ganz oft ein Euphemismus dafür ist, dass story-lastige Spiele auch schlechte, unausgewogene Engines haben dürfen. Brauche ich dann überhaupt noch eine Engine? Oder nur ein paar Story-Karten?

      Bei den generellen Fähigkeiten ist „NBA“ sogar recht gamistisch, weil ohne Realitätsbezug und allerhöchstens durch Story-Metagaming (sind wir schon in Akt 3?) entschieden wird, wo man seine Pools verballert. Wenn es nur darum ginge, festzulegen, wann ein bestimmter Spieler glänzt, wäre das okay. Das liesse sich auch durch eine Spotlight-Regel erreichen. Dass dieses Glänzen zum späteren Ableben führen kann, ist für mich eher ein Designproblem. Auch, dass Charaktere in ihren Spezialitäten schlechter werden, weil sie sie anwenden… der Schütze kann nicht mehr schiessen, weil? Weil Schiessen so wahnsinnig anstrengend ist?

      Ganz ehrlich: Ich mag die Gumshoe-Pool-Systeme einfach von ihrer Engine her nicht. Bei „Trail of Cthulhu“ nimmt man das starke Hin- und Herwackeln des Erfolgs (siehe Schadenswürfe) noch hin, weil tödlich. Schon bei „Esoterrorists“ wirken Kämpfe völlig willkürlich und glücksbasiert, obwohl man ja eigentlich besser gewappnet scheint. „Night’s Black Agents“ zeigt, wie sich das System verbessern lässt, aber es pfropft viele Spezialregeln auf eine dröge Engine auf – und macht sie damit halbwegs interessant. Andere Reviewer (im englischsprachigen Bereich) haben angemerkt, wie willkürlich die vielen Sonderregeln für so ziemlich jede Angriffsart sind, wenn man sie mal nebeneinander reiht. Das ist schlechter Simulationismus und nicht besonders ausgereifter Gamismus, wenn man so will. Und es ist auch nicht narrativ, weil die Waffenwirkung ja eben nicht auf die dramatische Wirkung im Spiel bezogen ist. Eine Granate generiert eine bestimmte Art Schaden, sie schafft aber an sich keine neue Spielsituation oder dramatische Wendung.

      Es gibt bessere narrative Systeme, und den Kniff mit den investigativen Fähigkeiten kann man auf so ziemlich auf jedes andere System übertragen, wenn man nur will. Ich spiele Gumshoe, weil es den investigativen Teil gut abwickelt, aber einen besonderen Reiz wird die aufgehübschte Basis-Engine für mich nie entfalten.

    • Js, es ist eine Binsenweisheit, aber korrekt: Wer alle Pools erschöpft hat und keine Gelegenheit mehr hat, neue aufzutun, der wird eine Konfrontation auf Leben und Tod wohl nicht überleben. Da das aber bekannt ist, und sich die Pools erst allmählich leeren, kann sich ja jeder darum bemühen, dass es nicht soweit kommt, oder?

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