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von Pas­cal Mohr

Seit dem frühen 14. Jahrhundert sind Plattner wahre Meister bei der Gestaltung von Metall. Nach dem Höhepunkt im 15. Jahrhundert und dem Niedergang bis schließlich zum kompletten Verschwinden dieses Handwerks in den folgenden Jahrhunderten, gab es kaum noch Plattner. Doch nicht zuletzt dank des immer beliebter werdenden Hobbys LARP, gibt es in Deutschland seit einigen Jahren wieder Hersteller hochqualitativer Rüstungen.

Einer dieser neuen Plattner ist Michael “Michl“ Wimmer. Von seinen frühen Anfängen bei Hammerkunst, über die Arbeit bei Mytholon bis zur jetzigen Selbstständigkeit als Wimmer Arts war es ein langer und steiniger Weg. Teilzeithelden.de hat dem sympathischen Metallkünstler ein wenig von seiner Zeit für ein Interview stehlen können.

 

Ich bin auf jeden Fall bereit, eher selbst etwas zurückzustecken, anstatt etwas raus zu geben, womit ich nicht zufrieden bin. Man wird immer und überall beschissen, da will ich einfach nicht mitspielen.

Teilzeithelden: Michael, gleich als erstes die Frage, die sich wohl jeder zuallererst stellen dürfte: Wie kamst du darauf, hauptberuflich selbst Rüstungen anfertigen zu wollen?

Michael: Das war in den frühen Tagen des LARP. Wie viele andere auch, bin ich damals über P&P zum LARP gekommen. Eine der ersten Veranstaltungen, die wohl auch heute noch bekannter sein dürfte, war da die Düsterbruck-Saga. Dort lernte ich dann 1991 auch die Jungs von Hammerkunst kennen. Zu diesem Zeitpunkt waren sie selbst noch mehr private LARPer, die Rüstungen bauten. Der Gelegenheit, meine Brötchen mit dem Bau von Rüstungen zu verdienen, konnte ich jedoch nicht widerstehen, also bin ich bei den Jungs eingestiegen.

Teilzeithelden: Was hast du denn ursprünglich beruflich gemacht? War dein erlernter Job so langweilig?

 Michael: (lacht) Eigentlich nicht. Ich hatte eine Ausbildung zum Lichtreklame-Hersteller gemacht. Mein Hobby zum Beruf zu machen, war aber dann einfach attraktiver für mich.

Teilzeithelden: Das kann man natürlich verstehen, das würde wohl jeder gern. Wie ging es dann mit Hammerkunst weiter?

Michael: Vorerst beschränkten wir uns auf den Bau von Rüstungen. Später kamen dann geschäumte Waffen hinzu, bei denen wir viel Geld in die Forschung und Entwicklung steckten. Das war damals alles ganz neu. Diese Ausgaben führten jedoch 1997/1998 zur Pleite von Hammerkunst. Die Firma wurde von Mytholon aufgekauft und dort war ich dann als Einziger für die Herstellung von Plattenrüstungen zuständig.

Teilzeithelden: Wie begann dein Weg in die Selbstständigkeit und weshalb hast du dich letzten Endes zu diesem doch großen Schritt entschieden?

Michael: Es hatte mir einfach gefehlt, nicht mehr mein eigener Herr zu sein. Also habe ich 2010 bei  Mytholon gekündigt und direkt meine Selbstständigkeit angemeldet. Am Anfang war es wirklich nicht einfach. Aufgrund meiner Kündigung konnte ich nicht mit Unterstützung wie zum Beispiel einem Gründer-Zuschuss oder ähnlichem rechnen. Zudem war noch nicht klar, ob der Markenname Hammerkunst – welcher natürlich bei Mytholon verblieb – oder der Name Michael Wimmer die Leute anzog.

Teilzeithelden: Mittlerweile hat sich wohl herausgestellt, dass es tatsächlich dein Name war. Bei Mytholon hast du in Hamburg gearbeitet, deine heutige Werkstatt liegt aber in Regensburg. Zogst du also damals direkt um?

Michael: Anfänglich arbeitete ich noch in einem Hamburger Mietshaus an meinen Stücken. Wie man sich sicher denken kann, erwies sich dies jedoch relativ schnell als unpraktikabel. Es gab Versuche, mit Schallschutz zu arbeiten, diese waren jedoch leider nicht ausreichend. Deshalb zog ich 2011 zurück nach Regensburg, meiner ursprünglichen Heimat. Dort stand nun endlich eine Werkstatt zur Verfügung und auch die Zahl der Aufträge hatte ein ordentliches Maß angenommen. Leider ging durch die zwei Umzüge innerhalb eines kurzen Zeitrahmens viel Zeit verloren.

Teilzeithelden: Da haben die Aufträge aus jener Zeit sicher eine besondere Bedeutung für dich, kann ich mir vorstellen?

Garret von Corpsedale in voller Pracht.
Garret von Corpsedale in voller Pracht.

Michael: Auf jeden Fall! Besonders die Rüstung des Garret von Corpsedale wäre da zu erwähnen. Man könnte schon sagen, dass wir unsere Leben gegenseitig beeinflusst haben. Seine Bestellung kam damals genau zum rechten Zeitpunkt, um meine Selbstständigkeit zu retten, und ich erhielt die Gelegenheit, einen großen Anteil am heutigen Aussehen des Charakters zu erhalten. Damals nahm ich mir viel Zeit, um ein stimmiges Konzept für das, was hier gewünscht war zu entwickeln. Die zündende Idee ließ einen guten Monat auf sich warten.

Teilzeithelden: Die Umsetzung ist dir in jedem Falle gelungen. Meine persönliche Lieblingsrüstung von dir ist die des “Glücksritters“. Besonders interessant finde ich hier die Applikationen der beiden Frauen auf der Brustplatte. Eine nicht einfache Arbeit, kann ich mir vorstellen.

Michael: Da muss ich meine Frau loben! Sie hat die Applikationen damals designt und auch selbst komplett mit dem Dremel hergestellt. Der Wunsch des Kunden, zwei nackte Frauen auf der Brustplatte haben zu wollen, gab uns erst zu Bedenken, da wir nicht wussten, ob dies schön umsetzbar ist. Letzten Endes sind wir mit dem Ergebnis aber ganz zufrieden.

Hochdetaillierte Frauen-Applikationen auf einem Torso.
Hochdetaillierte Frauen-Applikationen auf einem Torso.

Teilzeithelden: Man merkt dir deine Bescheidenheit an.

Michael: (lacht) Ja schon, meine Frau und ich sind beide ziemliche Perfektionisten und haben eigentlich überall immer mal noch was, wo man eigentlich gerne nochmal drüberarbeiten würde.

Teilzeithelden: Du erwähntest gerade den Dremel, welche Werkzeuge verwendest du noch?

Michael: Eigentlich nichts Besonderes. Das einzige, was sich nicht unbedingt in jeder Werkstatt finden ließe, wäre hier wohl die Sickenmaschine, welche besonders für Bördelungen wichtig ist (Anm.d.Red.: Bördelungen werden die dicken Kanten der Rüstungen genannt, welche durch das Falten des Bleches entstehen, um mehr Stabilität zu verleihen und scharfe Kanten zu vermeiden).

Michael bei der Arbeit.
Michael bei der Arbeit.

Teilzeithelden: Die Kunst liegt also in der entsprechenden Verwendung der Werkzeuge. Filigrane Verzierungen mit einem Dremel herzustellen klingt aufwendig. Welche Teile sind denn generell am aufwendigsten?

Michael: Eindeutig Helme und Plattenhandschuhe! Hier muss ich auch ganz ehrlich sagen, dass ich sie auch nicht gerne anfertige. Tatsächlich sogar so ungern, dass ich eher geneigt bin, Kunden die nur solche Stücke von Wimmer Arts haben möchten, einem anderen Plattner zu empfehlen. Nicht zuletzt ist in diesem Bereich des Rüstungsbaus auch die tschechische Konkurrenz sehr stark. Am liebsten mache ich eigentlich Brust-,  Rücken- und Schulterpanzer. Diese sind am formgebendsten für die gesamte Rüstung, und man hat auch die meisten Möglichkeiten.

Teilzeithelden: „Andere Plattner“ ist ein gutes Stichwort. Gibt es da einen Konkurrenzkampf?

Michael: Absolut nicht. Man kann eher von Freundschaft reden. Wir respektieren die Arbeiten der anderen, und tatsächlich kenne ich sowohl Battleheat als auch Eysenkleider persönlich. Wie schon erwähnt, werden hier sogar teilweise Kunden an den jeweils anderen empfohlen.

Teilzeithelden: Sicher kommt es einigen Kunden da auch auf den ganz persönlichen Stil an, den jeder von euch hat. Wie würdest du deinen definieren?

Michael: Eher künstlerisch. Tatsächlich schätze ich an jeder Rüstung ihre Einzigartigkeit. Mein Anspruch ist etwas neues Kreatives zu schaffen, das so vorher noch nicht da war. Deshalb baue ich keine historischen Rüstungen, sondern verweise auch in diesem Fall lieber an andere.

Michael und seine Frau vor ihrem Stand.
Michael und seine Frau vor ihrem Stand.

Teilzeithelden: Wenn wir deine Arbeit also vom künstlerischen Standpunkt aus betrachten, was wäre deine Mona Lisa?

Michael: Puuuh … schwer zu sagen. Grundsätzlich begeistere ich mich immer sehr für mein aktuelles Projekt, da gibt es nun keines, welches ich als mein Schlachtschiff definieren würde. Eine Zeit lang konnte ich mich ganz besonders für den generellen Warhammer-Stil begeistern und baute hier unter anderem eine Sigmar-Priester-Rüstung. Diese ist auf jeden Fall einer meiner Lieblinge.

Auch die schon erwähnte Rüstung des Garret von Corpsedale ist eines meiner liebsten Werke, hier habe ich eben auch einen  ganz besonderen Draht zum Kunden. Bis heute kommt er an jedem Conquest mit einem Bier an meinen Stand zum Quatschen.

Teilzeithelden: Bleiben wir beim Thema – ein guter Maler braucht oft lange für ein Bild. Wie lange brauchst du im Schnitt für eine Rüstung?

Michael: Das kommt auf den Detailgrad und die Art der Rüstung an. Um die 10-12 Rüstungen im Jahr schaffe ich normalerweise. Viele bestellen aber auch nur Teile oder Erweiterungen bereits bestehender Rüstungen.

Teilzeithelden: An Details kann man sich sicher ewig aufhalten, wo liegen dort die Grenzen des Machbaren?

Michael: Beim Budget (lacht). Aber im Ernst: Bis auf die Praktikabilität auf welche man achten sollte – sprich keine Stacheln oder Klingen aus Metall –, setzt tatsächlich nur der finanzielle Aspekt Grenzen. Wo man eine komplette Rüstung ohne jeglichen Schnick-Schnack für etwa 2000 Euro bekommen kann, ist mit Details nach oben hin alles offen. Mich persönlich würde es mal reizen, etwas so zeitintensives und verziertes zu bauen, dass es eigentlich niemand mehr bezahlen kann, um einmal wirklich die Grenzen auszuloten.

Das aufwändigste Projekt.
Das aufwändigste Projekt.

Teilzeithelden: Die Worte welche hier immer wieder auftauchen sind “arbeitsintensiv“ oder “(zeit-) aufwendig“. Bei so viel Arbeit – kommst du da überhaupt noch selbst zum LARPen?

Michael: Theoretisch ja, praktisch nein. Unter Mytholon in Hamburg wäre es noch gegangen, dort war es aber einfach finanziell nicht möglich. Letztes Jahr war ich mal wieder auf einer Con, diese konnte mich jedoch leider nicht wirklich begeistern. Für diesen Sommer habe ich mir aber fest vorgenommen, mal wieder auf eine zu fahren.

Teilzeithelden: Du wirst sicher auf Cons dann auch erkannt. Vor kurzem hatten wir einen Artikel mit der Problematik der “LARP-Prominenz“ hier auf unserer Seite. Welche Erfahrungen hast du damit gemacht?

Michael: Das ist einer der anderen Gründe, weshalb ich nur noch selten selbst spiele. Besonders die ältere LARPer-Generation kennt mich aus meiner Zeit bei Hammerkunst. Infolgedessen werde ich eigentlich immer von irgendwem erkannt, was damit endet, dass ich irgendwelche Gespräche über Rüstungen führe, anstatt zu spielen. Die Arbeit möchte ich da aber eigentlich dennoch von meiner Freizeit trennen.

Teilzeithelden: Da du ja zum Selbst-Test auf Cons nicht mehr viel kommst: Was halten die von dir gefertigten Stücke aus? Hast du das mal getestet?

Michael: Tatsächlich haben wir mal einen Profi-Bogenschützen aus 20m Entfernung auf eine meiner Rüstungen schießen lassen und er konnte die Rüstung nicht durchschlagen. Lediglich eine Delle war drin.

Teilzeithelden: Das klingt schon sehr stabil. Also wären die Sachen sicher auch Schaukampftauglich?

Michael: Bedingt, ja. Dafür wären sie aber eigentlich viel zu schade, und mir würde da schon ein wenig das Herz bluten.

Das aktuellste Projekt.
Das aktuellste Projekt.

Teilzeithelden: Schaukampfrüstungen gehören also nicht unbedingt zum Bereich deiner Rüstungen. Was hast du denn schon angefertigt, was von deinem persönlichen Tätigkeitsbereich entfernt war?

Michael: Das war für einen Möbeldesigner, welcher die Seiten- und Rückwände eines Sofas aus Metall hergestellt haben wollte.

Teilzeithelden: Interessant, was manche Kunden wünschen. Wenn sogar schon Genre-Fremde an dich herantreten, bist du sicher gut ausgelastet?

Michael: Das kann man schon sagen, ja. Wir haben hier eigentlich immer viel zu Tun und man sollte sich rechtzeitig bei uns melden, wenn man eine Rüstung plant.

Teilzeithelden: Dementsprechend bist du sicher glücklich mit deiner Entscheidung zur Selbstständigkeit. Würdest du rückblickend diesen Schritt früher wagen?

Michael: Es gab schwierige Zeiten, aber ich denke alles, was passierte, war nötig, um Wimmer Arts zu dem zu machen, was es heute ist. Klar gibt es auch Momente, wo es mir nicht so viel Spaß macht, weil etwas nicht so funktioniert wie es soll. Außerdem muss man natürlich immer Termine und Absprachen einhalten. Die Tatsache, dass ich mit etwas Geld verdienen kann, dass ich gerne tue, macht aber sämtlichen Stress wieder wett.

Teilzeithelden: Du kannst also heute problemlos von deiner Arbeit leben.

Michael: Für mich stellt es viel mehr Berufung als Arbeit dar. Es ist immer noch ein Handwerk und man wird keinesfalls reich damit, aber es reicht für den sicheren Lebensunterhalt.

Teilzeithelden: Zum Abschluss: Kannst du unseren gerüsteten Lesern noch einen besonderen Tipp zur Pflege ihrer Rüstung geben?

Michael: Es gibt ein absolutes No-Go. Niemals die Rüstung in nasses Gras legen. Wenn man dies tut, zeichnet sich am nächsten Morgen jeder einzelne Grashalm als Rost auf dem Metall ab. Wenn man dies beachtet und die Platte dazu immer schön einölt und trocken lagert, hält sie gut und für viele Jahre. So gepflegt stellt sie wirklich ein Erbstück dar. Man lässt sich eine Rüstung nicht für die kommende Saison, sondern für das ganze Leben anfertigen.

 

Artikelbilder: Mit freundlicher Genehmigung von Wimmer Arts

 

Über den Autor

Pas­cal Mohr ist neuer freier Redak­teur für LARP bei teilzeithelden.de. Moti­viert und mit fri­schen Gedan­ken wird er wei­tere Facet­ten des Liverol­len­spiels beleuch­ten. Der Twen spielt LARP seit 2011 und ist schon seit Kind­heits­ta­gen von Phan­tas­tik fas­zi­niert.  Neben dem Tum­meln auf Feld, Wald und Wiese beschäf­tigt sich der Elfen­freund mit Lea­gue of Legends.

 

 

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