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Das eigenständige Dungeon Crawl Classics Role Playing Game wird 2014 in sein drittes Jahr gehen. Goodman Games hatte ursprünglich unter dem Titel Dungeon Crawl Classics eine umfangreiche Reihe von Modulen herausgegeben, die meisten davon kompatibel zur dritten Edition von Dungeons & Dragons (3E). DCC als eigenständiges System entstand dann auf Basis der offengelegten d20/3E-Regeln, genauso wie auch viele andere Retro-Klone (Labyrinth Lord, Swords & Wizardry).

Joseph Goodman ging dabei aber nicht auf den Stand älterer Editionen zurück, sondern modifizierte die Regeln so, dass auch die alten DCC-Module wenigstens den gleichen Statblock pro Gegner haben würden. Damit lassen sich also die alten DCC-Abenteuer gut bespielen, auch Material für 3E oder Pathfinder sollte sich fix anpassen lassen, während ältere Editionen und Abenteuer für OSR-Klone mehr Konvertierungsarbeit erfordern (THAC0, fallende Armor Class, einheitlicher Schadenswürfel, usw.).

Goodman Games hat aber auch gut daran getan, die Arbeit kleiner Verlage und eigenständiger Autoren zu unterstützen. Es sind einige Produkte erschienen, die wir hier kurz vorstellen möchten.

Ist es euch aufgefallen? In Modulen aus dem Hause Goodman selbst wurde unter anderem eine Eigenwerbung abgedruckt – mit dem Slogan „We’re with the band.“. Dargestellt ist eine Gruppe, die zusammen auf Abenteuer auszieht. Doug Kovacs, der Zeichner der DCC-Cover und dieser kleinen Reihe von Werbemotiven hat sie gesammelt gepostet, und aufgezeigt, wie sich die Zusammensetzung des Häufleins Abenteurer von Ausgabe zu Ausgabe ändert.

Critters, Creatures & Denizens

Critters, Creatures & DenizensCC&D ist ein Bestiarium für DCC. Da ein Monster Manual anscheinend ganz unten auf der Prioritätenliste stand, trat Cognition Pressworks mit einem solchen Produkt an.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Cognition Pressworks
  • Autor(en): Scott Ackerman
  • Erscheinungsjahr: 2013
  • Sprache: Englisch
  • Format: PDF
  • Seitenanzahl: 251
  • Preis: 9,99 USD
  • Bezugsquelle: DriveThruRPG

 

Wie aufgrund der OGL-Lizenz von Wizards of the Coast auch nicht anders zu erwarten, enthält das Buch keinen Mindflayer, Beholder oder Owlbear. WotC hatte diese nämlich von der Lizenz ausgenommen, weswegen lizensierte Produkte um diese Klassiker des Monster Manuals einen Bogen machen.

Was aber weiterhin auffällt, ist, dass sehr viele Tierarten enthalten sind. Viele D&D-typische Monster waren ja bereits im DCC-Grundregelwerk enthalten, aber ob vielen Spielern der Sinn nach einem Schnabeltier oder Schaf als Gegner steht? Manche Fantasy-Klassiker fehlen schlichtweg, wobei Drachen in DCC sowieso im Grundbuch erwähnt und abgehandelt werden – inklusive einer Bauanleitung, wie man individuelle Drachen entwirft oder erwürfelt.

Für die beschriebenen Gegnertypen hat CC&D  mehrere Varianten zu bieten. Es gibt also nicht nur einen Goblineintrag, sondern vier: Schläger, Häuptling, Kultist und Koch. Dazu gibt es noch eine Anleitung zum Konvertieren von Monstern und zur Erstellung eigener fieser Viecher. Auch dem Mutieren existierender Kreaturen widmet das Buch ein Kapitel.

Damit verbleibt bei mir der Eindruck, dass für den Preis zwar schon Gutes in CC&D steckt, aber noch viel Luft für weitere Bestiarien ist. Ein Bestiarium voller Verrücktheiten würde ich aber CC&D eindeutig vorziehen, schliesslich bespiele ich Fantasy-Welten nicht mit Brehms Tierleben. (Wer sich bis dahin mit einigen selbsterwürfelten Verrücktheiten unterhalten will, kann auch zum Random Esoteric Creature Generator greifen – vom Autor von Lamentations of the Flame Princess.)

Tales from the Fallen Empire

Tales from the Fallen EmpireAls alternatives Setting für DCC präsentiert sich Tales from the Fallen Empire, ein über einen Kickstarter finanziertes Buch. Hier geht es um Sword & Sorcery, also um kräftige Barbaren, verschlagene Schwarzmagier, urgewaltige Tiermenschen und den ganzen anderen Zinnober, den die Conan-Romane als Genre inspiriert haben.

Um das Genre abzubilden, bietet Fallen Empires neue Klassen: Barbarian, Man-Ape/Ooruk, Marauder (Piraten), Sentinel (Kriegermönche), Draki (Drachenmenschen), Sorcerer und Witch . Barbaren kriegen z.B. einen W14 als Trefferwürfel, Skill-Boni, erweiterte kritische Treffer und eine Savage-Ferocity-Tabelle, sind also ein Remix von Warrior und Thief aus dem Grundbuch. Es gibt keine Kleriker, Priester verschiedener Religionen sind keine Zauberwirker, sonder eher Scharlatane, die oft verdeckt Schwarzmagie betreiben, also keine eigene Klasse mit göttlicher Magie. Die Rolle der Heilkundigen geht auf die Hexe über.

Um Sword & Sorcery überzeugend abzubilden, verzichtet Fallen Empires auf den Funnel und Charaktere beginnen auf Stufe 1. Außerdem werden alternative Methoden angeboten, mit denen man die Figur auswürfeln kann. Diese führen in der Regeln zu höheren Werten, Barbaren sind halt keine Memmen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Chapter 13 Press
  • Autor(en): James Carpio
  • Erscheinungsjahr: 2013
  • Sprache: Englisch
  • Format: PDF
  • Seitenanzahl: 216
  • Preis: 14,95 USD
  • Bezugsquelle: DriveThruRPG

 

Einige Charakterklassen haben Skill-Boni. DCC selbst hat ein sehr rudimentäres Skill-System, in dem nur Diebe Boni erhalten. Skill-Checks werden mit W20 ausgeführt, wenn sie zum Beruf oder zur Klasse der Spielfigur passen, sonst mit W10. Fallen Empires erweitert das System, ohne es vollständig umzukrempeln. Zum Beispiel haben der Barbar, der Pirat und der Mönch klassenspezifische Skill-Boni, und zwar auf verschiedene Fertigkeitslisten.

Darüber hinaus können Charaktere auch optional zwei bis drei Traits und eine oder zwei Idiosyncracies wählen. Beide bilden Eigenheiten der Ursprungskultur ab. Traits sind dabei Vorteile, und Idiosyncracies sind Nachteile. Jemand aus einer Nomadenkultur als Trait darf dann bei passenden Skillwürfen auch den W20 verwenden. Jemand aus einer arroganten, degenerierten Kultur muss hingegen den W10 verwenden, wenn er mit Wilden verhandelt, die einem strengen Ehrenkodex folgen. Das System ist einfach, vielseitig und individualisiert die Charaktere gut. Werden Traits und Idiosyncracies so eingesetzt, dass sie das Ausspielen der Rolle bereichern, darf der SL auch Gummipunkte namens Coins verleihen. Bis zu fünf kann man haben, vom einfachen Neuwürfeln (1 Coin) bis zum spielerdefinierten Plottwist (5 Coins) reicht die Palette der Verwendungsmöglichkeiten.

Begegnet der Charakter dem Übernatürlichen, absonderlichen Monstern, oder setzt sich gefährlichen Ritualen aus, kann man optional den Effekt mit Hilfe eines Lore-Würfels verfolgen. Dieser ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits steht er für den Abstieg in den Wahnsinn, andererseits erlaubt er Würfe auf verbotenes Wissen, gegen das sich der menschliche Geist sonst sperrt. Der Lore Die steigt von einem W10 graduell auf einen W30 an, in der für DCC typischen Manier. Erreicht er den Maximalwürfel, ist man unrettbar wahnsinnig. Der Reiz und die Gefahr des Verbotenen liegen hier nahe beieinander und fügen sich gut in die DCC-Mechaniken. Das Ritualzaubersystem erinnert an die vielfältigen Boni aus Barbarians of Lemuria, wobei vermerkt ist, welche Zauber aus dem Grundregelwerk sich für Rituale eignen. Neue Zauber sind auch enthalten. Den meisten Platz im Buch nimmt die Settingbeschreibung ein.

Das Buch sieht gut aus und ist hinreichend illustriert. Die kleine Schriftart, zusammen mit der großen Seitegröße, ist beim Lesen eher störend. Bei den Zauberlisten ist es noch schlimmer.

Transylvanian Adventures

Transylvanian AdventuresEin Projekt, das von einem Fan vorangetrieben wird, ist Transylvanian Adventures (TA). Scott Mathis hatte zuerst einen Abenteuerband namens The Winter Home vorgestellt. Mit TA hat der Autor jetzt das Setting und die Regeln nachgereicht. Als weitere Veröffentlichungen sind für 2014 das Transylvanian Grimoire und für 2015 The Hanging Judge’s Guide vorgesehen.

Wie der Name schon andeutet, spielt sich TA in einem fiktiven Transylvanien ab. Es wird versucht, Elemente des endenden 19. Jahrhunderts darzustellen, aber ein Haufen kommt auch aus klassischen Horrorgeschichten und -filmen. Die Charaktere sind Monsterjäger, und die 8 neuen Klassen wurden speziell auf den Schauplatz zugeschneidert: Magie ist selten und schwierig anzuwenden, magisch-göttliche Heilung ist nicht verfügbar. Zahlreiche Tabellen helfen, Charaktere auszugestalten und zu individualisieren.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Land of Phantoms
  • Autor(en): Scott Mathis
  • Erscheinungsjahr: 2013
  • Sprache: Englisch
  • Format: PDF
  • Seitenanzahl: 300
  • Preis: 12,99 USD
  • Bezugsquelle: DriveThruRPG

 

Dem Genre treu gibt es in TA ein paar christliche Elemente. Diese drängen sich nicht in den Vordergrund, aber sie existieren. Das Kreuz und heiliges Wasser helfen gegen Vampire, aber mehr ist es auch nicht. Der Autor beruft sich darauf, dass es in den genannten Inspirationsquellen eben auch oft der Fall ist, aus denen er seine persönliche Definition von Gothic Horror schöpft. Klar ist: TA ist kein Ravenloft. Keine Fantasy-Rassen, keine fiktiven Religionen.

Mathis hat wesentliche Elemente des DCC-Systems neu verrührt. Die Originalklassen wurden aufgespaltet, und so gibt es auch keine Diebe oder Magier mehr, sondern den Tapferen (Valiant), den Jäger (Hunter), usw. Diese neuen Klassen teilen die Spezialfähigkeiten der Ursprungsklassen des Fantasy-Rollenspiels neu unter sich auf.

Es gibt neue Heilregeln, bei denen man sich bis zur Erschöpfung selbst antreibt, wodurch immer wieder Trefferpunkte regeneriert werden können, bis man aus Stamina-Mangel in Ohnmacht fällt. Sterben wird jetzt stärker vom Zufall beherrscht, speziell das neue Sekundärattribut Verdammnis (Ruin) eines Charakters hat darauf Einfluss. Manchmal überlebt eine Figur Schlimmstes, und manchmal geht sie zu Boden und ist einfach tot, und das Schicksal in Würfelform entscheidet das.

In einer wesentlichen Abweichung von DCC hat TA ein vollständiges Skill-System, und bringt eine Methode, mit der man bei Levelanstiegen Spezialfähigkeiten der Klasse oder allgemeine Skills aufwerten kann. Diese sogenannten Upgrades erhöhen Würfelboni permanent oder schalten weitere Aspekte einer Klassenfähigkeit wie Ritualzauberei oder Untote vertreiben frei. Armor Class bestimmt sich aus der Klasse, die Fumble-Mechanik auch, und zusätzliche Action Dice werden nicht als zusätzliche Aktionen interpretiert, sondern das höchste generierte Ergebnis ist das Endergebnis (wie ein Wild Die in Savage Worlds).

Schon beim Erstellen von Beispielcharakteren fiel auf, dass die Abfolge der Schritte auf dem Charakterbogen und das Regelbuch nicht so recht zueinander passen. TA würde eine Überarbeitung und vollständige Regeln besser zu Gesicht stehen. Die Idee, den Charakterhintergrund in eine Story zum Ausfüllen zu kleiden, verleiht den Spielfiguren von Anfang an mehr Tiefe, vor allem für Oneshots.

Insgesamt stellt TA einen gravierenden Eingriff in das DCC-Gefüge dar, und über das Ergebnis kann man wohl erst nach einigem Spielen urteilen.

DCC #80 – Intrigue at the Court of Chaos

Intrigue at the Court of Chaos_reskaliertDCC trifft Paranoia – das beschreibt den Neuling ganz gut. Die SC besuchen unfreiwillig die Schaltzentrale des Chaos und treffen dort auf die mächtigen Wesenheiten, die diese zerstörerische Kraft repräsentieren. Die Auftragsvergabe wird zum Intrigenspiel, den jede dieser Gestalten will ihre Gliedmaßen auf dasselbe mächtige Artefakt legen: das Dotterlose Ei. Und so versuchen die Intriganten zu Hofe die Spieler gegeneinander aufzuhetzen …

Die harten Fakten:

  • Verlag: Goodman Games
  • Autor(en): Michael Curtis
  • Erscheinungsjahr: 2014
  • Sprache: Englisch
  • Format: PDF | Softcover
  • Seitenanzahl: 28
  • Preis: 6,99 USD (PDF) | 8,95 EUR (Print)
  • Bezugsquelle: DriveThruRPG (PDF) | Sphärenmeister (Print)

 

Das Erringen des Artefakts erfordert eine Reise auf die Ebene der Ordnung (Plane of Law), um sich dort in mehreren Prüfungen Zugang zum Dotterlosen Ei zu verschaffen. Mit einer Ausnahme sind die fünf Prüfungen schaffbar und zugleich gut gestaltet. Eine Lösung der Lösungen erscheint mir hierbei zu willkürlich und kann zu Problemen führen. Ein paar Kämpfe gibt es auch, wobei manche optional sind. Nicht immer wird den Spielern klar sein, wie die Konfrontationen umgangen werden können, so dass ein eher willkürlicher Eindruck bleiben wird.

Das Modul enthält mehrere Wege, wie sich die Spieler unumkehrbare Nachteile einfangen können. Das Potential für Konflikt und Betrug in der Party ist auch gegeben, weswegen es sich eher als Oneshot-Abenteuer zu eignen scheint. Das Abenteuer macht sicher jedem Spaß, der auch eine Runde Paranoia zu schätzen weiß, kann aber eine Kampagnengruppe als Zwischenspiel ganz schnell mal gegeneinander aufbringen. Insgesamt finde ich Intrigue at the Court of Chaos gelungen und gut präsentiert.

Viele kleine Verlage produzieren Abenteuermodule für DCC:

 

Und Straycouches Press hat sich auf DCC-Fanzines spezialisiert.

Fazit

Mit Ausnahme von Tales of the Fallen Empire sind die vorgestellten Produkte nicht durch Kickstarter entstanden. Goodman Games und viele Partner des Herstellers gehen noch in Vorleistung, wenn sie neue Produkte verfügbar machen.

Mit zwei neuen Settings für Sword & Sorcery und klassischen Horror breitet sich DCC denn auch in neue Märkte aus. Auffällig sind die zahlreichen Regelanpassungen, die hierfür nötig sind. Beide Settings haben vollen Regelbuchumfang. DCC setzt ja auf eine verschlankte d20-SRD auf, und bringt dann sehr viel Eigenes in die Regelbasis pro Charakterklasse ein. Die Setting-Autoren verteilen die Sonderfertigkeiten neu auf ihre eigenen Klassenentwürfe, erweitern sie aber auch mit eigenen Einfällen. Ein lockeres Losspielen bloß mit DCC-Kenntnissen ist daher nicht möglich. Beide Settings halte ich, wenn auch ohne Spieltest, für sehr vielversprechend. Auch die Art und Weise, wie die Autoren mit den DCC-Mechaniken experimentieren, kann als Inspiration für eigene Weiterentwicklungen und Hausregeln dienen.

DCC scheint als Engine so viele Fans zu haben, dass man lieber auf dieser Regelbasis aufsetzt, anstatt selbst eine d20-Variante zu erstellen. Auch die Google-Plus-Gruppe für DCC erreicht bald die Marke von tausend Mitgliedern. Das spricht für die Popularität des Basissystems, die sich durchaus mit anderen Vertretern der OSR-Schiene messen kann.

Artikelbilder: Goodman Games, Cognition Pressworks, Chapter 13 Press,Land of Phantoms

 

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