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Seit vielen Jahren sind Kartenspiele, bei denen man sich selbst ein Deck zusammenstellen kann, sehr beliebt. Statt aber wie früher immer nur auf zufällige Karten aus Boostern zu hoffen, setzt sich in den vergangenen Jahren auch immer mehr der Trend durch, feste Kartensets zu verkaufen. Fantasy Flight Games hat mit den Living Card Games sogar eine komplette Produktsparte geschaffen, die nicht auf zufällige Kartenzusammenstellungen in Boostern angewiesen sind. Aber auch andere Verlage, wie in diesem Fall Arcane Wonders, sind auf den Zug aufgesprungen.

Das in den USA bereits 2012 erschienene Spiel Mage Wars wurde Ende letzten Jahres von Pegasus auf Deutsch herausgebracht. Erst einmal nur das Grundspiel, aber bei Erfolg ist mit mindestens den drei bereits auf Englisch verfügbaren Erweiterungen auch auf Deutsch zu rechnen. Man wird also auf lange Sicht mit neuen Karten versorgt werden. Aber schauen wir uns doch das Grundspiel in seiner vorliegenden Form erst einmal an.

Spielablauf

Vor Beginn des Spiels sucht sich jeder der beiden Kontrahenten – denn bei Mage Wars handelt es sich um ein reines Duellspiel – einen der vier verfügbaren Magier aus. Im Grundspiel gibt es da die Priesterin, den Hexenmeister, den Tiermeister und den Zauberer. Basierend auf diesem Helden stellt man dann sein „Deck“ aus einer großen Menge an Karten zusammen. Einige Karten sind dabei für bestimmte Magier teurer als für andere, wieder andere überhaupt nur nutzbar, wenn man den richtigen Magier spielt. Für den Einstieg ist für jeden der vier Magier bereits ein „Deck“ zusammengestellt worden.

Aber warum schreibe ich Deck eigentlich immer in Anführungszeichen? Ganz einfach: Das „Deck“ ist bei Mage Wars kein Zugstapel, wie man ihn sonst aus Kartenspielen kennt, sondern ein Zauberbuch, aus dem man sich jede Runde zwei beliebige Karten aussuchen kann. Es entscheidet also niemals das Glück, ob man die richtige Karte zur Verfügung hat, sondern die Vorausplanung bei Zusammenstellung des Zauberbuches und die kurzfristige Entscheidung zu Beginn jeder einzelnen Runde.

Beim ersten Spiel führt dies allerdings auch dazu, dass jeder Spieler erst einmal alle seine Karten in eines der beiden Bücher einstecken muss. Will man danach die anderen beiden Magier ausprobieren, muss man die Bücher wieder komplett leeren und neu befüllen, denn es gibt nicht etwa ein Buch pro Magier, sondern nur genau zwei Stück. Schade. Von diversen Herstellern gibt es aber Abhilfe zu diesen Problem, und auch Pegasus Spiele bringt in den nächsten Monaten Sets mit weiteren Büchern auf den Markt.

Zählmarken, Karten und Würfel bevölkern den Tisch.
Zählmarken, Karten und Würfel bevölkern den Tisch.

Hat man die Bücher fertig befüllt, wird das Spielfeld aufgebaut, das aus einer Arena mit 4×3 Feldern besteht. Die Magierkarten werden an gegenüberliegenden Enden der Arena platziert. Für die ersten Partien wird empfohlen, lediglich die halbe Arena zu verwenden.

Jeder Spieler erhält noch ein kleines Spielbrett, auf dem die aktuellen Lebenspunkte des Magiers, sein Mana und dessen Regeneration angezeigt werden.

Aber auch nachdem all das erledigt ist, kann man nicht sofort loslegen, denn die Spielanleitung umfasst satte 50 Seiten. Es gibt zwar eine vereinfachte Version des Spiels für die ersten Partien, aber auch um die spielen zu können, muss man die kompletten Regeln lesen. Nirgendwo ist markiert, welche Regeln beispielsweise mit den grundlegenden Karten gar nicht gebraucht werden. Eine Kurzanleitung hätte hier einigen Frust verhindern können. Es gibt die Empfehlung, am Anfang unbekannte Dinge erst einmal so auszulegen, wie man glaubt, dass sie sein müssten. Nach der Partie soll man dann nachlesen, wie sie wirklich sind. Aber auch das ist meiner Meinung nach eher kontraproduktiv, da sich so vielleicht falsche Regeln einprägen.

Wenn man sich jedoch nicht von dem großen Umfang der Regeln abschrecken lässt, und sie ein Mal durchgearbeitet hat, stellt man fest, dass das alles gar nicht so kompliziert ist. Im Grunde spielt sich das Spiel wie folgt:

Jede Runde besteht aus einer Vorbereitungsstufe und einer Aktionsstufe.

Die Vorbereitungsstufe können beide Spieler gleichzeitig durchführen: Hier wechselt die Initiative (diese bestimmt den Startspieler und löst Gleichstände auf). Die Marker auf den Kreaturen werden nun alle auf die „Unbenutzt“-Seite gedreht, man erhält neues Mana. Von diesem zahlt man eventuell Erhaltungskosten von Karten und sucht sich dann genau zwei Zauber aus dem eigenen Zauberbuch aus, die man in dieser Runde verwenden kann. Dann beginnt die Aktionsstufe.

Zu Beginn der Aktionsstufe haben beide Magier die Möglichkeit, eine schnelle Zauberaktion auszuführen. Danach sind die Spieler abwechselnd an der Reihe, jeweils eine ihrer Kreaturen zu aktivieren. Sollte der inaktive Spieler noch über mehr nicht aktivierte Kreaturen verfügen als der aktive, so kann dieser auch passen und sich so seine Handlungen aufsparen.

Sobald eine Kreatur aktiviert ist, kann sie sich entweder bewegen und eine schnelle Aktion ausführen, oder sie kann bleiben wo sie ist und eine volle Aktion nehmen. Was diese Aktionen sein können, hängt von der jeweiligen Kreatur ab und ist jeweils auf der Karte vermerkt. Beim Magier, den man zu Beginn als einzige Kreatur auf dem Feld hat, kann das zum Beispiel das Sprechen eines der beiden Zauber auf der Hand sein.

Unmittelbar vor oder nach der Handlung der Figur kann der aktive Spieler auch jeweils seine schnelle Zauberaktion verwenden, sofern er dies noch nicht zu einem früheren Zeitpunkt in der Runde getan hat.

Die beiden häufigsten Aktionen werden dabei Zaubern und Angreifen sein:

Zauber stammen immer aus dem Zauberbuch, man hat also genau zwei davon pro Runde zur Verfügung. Die Zauberkarten geben jeweils die Reichweite und den Effekt an, sowie die Manakosten und ob es sich um schnelle oder vollständige Aktionen handelt. Viele Zauber beschwören dabei Kreaturen, die inaktiv ins Spiel kommen und ab der nächsten Runde verwendet werden können. Aber auch direkte Schadenszauber, Heilungen, Ausrüstung für den Magier, Verbesserungszauber etc. sind vorhanden.

Angriffe können im Nahkampf erfolgen, also im gleichen Feld, oder Fernkampfangriffe sein, die dann über eine Reichweite verfügen. Bei dem Angriff steht jeweils, wie viele Angriffswürfel man wirft. Dann hat die angegriffene Kreatur die Möglichkeit, sofern vorhanden, eine Verteidigung zu benutzen. Über diese Eigenschaft verfügen allerdings bei weitem nicht alle Kreaturen. Wenn eine Kreatur sie besitzt, ist sie mit einem Mindestwurf angegeben (zum Beispiel 9+). Der Verteidiger würfelt mit einem W12 – der übrigens kurioserweise in einem eigenen winzigen und niedlichen Zip-Beutelchen in der Kiste liegt – und muss mindestens diesen Wert erreichen. Gelingt das, schlägt der Angriff fehl.

Hat der Angegriffene keine Verteidigung, oder gelingt der Wurf nicht, so wird er getroffen. Der erwürfelte Schaden wird nun von den Lebenspunkten abgezogen, wobei Rüstung gegen Schaden hilft, der nicht kritisch ist. Ob Schaden kritisch ist oder nicht, geht aus den Würfeln hervor. Sobald die Lebenspunkt 0 erreichen, ist die Kreatur tot und wird aus dem Spiel entfernt.

Es gibt auch noch einige Angriffe, die weitere Nebeneffekte haben und das Ziel betäuben, brennen lassen, vergiften etc. Auch diese sind nicht automatisch erfolgreich, sondern werden mit dem W12 gegen einen angegebenen Mindestwurf gewürfelt. Gelingt dieser Wurf, wird ein entsprechender Marker auf die betroffene Kreatur gelegt, auf dem auch noch einmal steht, was der Effekt eigentlich tut.

Ziel des Spieles ist es, den gegnerischen Magier zu besiegen, also dessen Lebenspunkte auf 0 zu bringen.

Der Hexenmeister.
Der Hexenmeister.

Wie bei Kartenspielen üblich, kommt die Komplexität hier nicht durch die Grundregeln, sondern durch die Fähigkeiten der einzelnen Karten zustande. Und von denen gibt es alleine im Grundspiel 178 verschiedene – reichlich Raum für interessante Kombinationen also. Schon nach dem ersten Spiel will man sofort sein Zauberbuch nehmen , und nicht zur eigenen Spielweise passende Karten durch bessere ersetzen.

Der Verzicht auf das Kartenziehen, was ja üblicherweise einen Großteil des Glücksfaktors bei Kartenspielen ausmacht, ließ mich eigentlich hoffen, dass Mage Wars einen geringen Glücksanteil hat. Aber leider – zumindest aus meiner Sicht – wurden dann stattdessen Würfel eingebaut. Man hat also den einen weit verbreiteten Zufallsfaktor durch den anderen ersetzt. Der ist aber in jeder Situation leicht errechenbar, wenn man denn weiß, wie die Angriffswürfel aufgebaut sind (2x 0, jeweils einmal 1, 2, 1 kritisch und 2 kritisch). Dennoch ist der Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Wurf enorm. Nicht nur ein Mal hat in unseren Testspielen ein kleiner Angreifer mit 3 Würfeln mehr angerichtet als ein großer mit 5 oder 6.

Doch auch wenn der Glücksfaktor nicht unbedingt als gering zu bezeichnen ist, so spielen Strategie und Taktik doch eine erhebliche Rolle und entscheiden in den meisten Fällen über den Ausgang. Auch die beste Strategie kann aber durch ein paar schlechte Würfe in Folge zerstört werden. Insgesamt würde ich den Glücksfaktor etwa bei 30-40 % ansetzen.

Preis-/Leistungsverhältnis

42,95 EUR sind ein stolzer Preis für ein Spiel, das man nur mit genau zwei Personen spielen kann. Das Spielmaterial ist aber durchaus hochwertig. Und die Tatsache, dass man aus den 330 Karten eine Menge verschiedener Decks bauen kann, verleiht Mage Wars einen sehr hohen Wiederspielwert. Somit würde ich das Spiel als durchaus teuer, aber nicht als zu teuer ansehen. Ein Schnäppchen ist es aber auf keinen Fall. Insbesondere, wenn man bedenkt, dass man für noch einmal jeweils 12,95 EUR Sets mit weiteren Kopien der Karten aus dem Grundspiel bekommen kann, um so Zauberbücher zusammenzustellen, die mehr Kopien einzelner Karten erfordern.

Ausstattung

Mage Wars CoverDie Spielmaterialen sind hochwertig, die häufig verwendeten und zu drehenden Marker aus Holz, alle anderen aus Pappe. Der Spielplan selbst ist auch aus fester und dicker Pappe, hätte aber etwas kleiner ausfallen können. Das Artwork ist durchaus stimmig, wenn auch nicht spektakulär. Insgesamt solides Material, das an jeder Stelle die Anforderungen erfüllt, ohne besonders hervorstechend zu sein. Zwei weitere Zauberbücher hätten dem Spiel gut getan, damit man auch wirklich allen vier Magiern ihr eigenes erstellen kann, ohne ständig umsortieren zu müssen.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Pegasus Spiele (Original: Arcane Wonders)
  • Autor(en): Bryan & Benjamin Pope
  • Erscheinungsjahr: 2013 (Original: 2012)
  • Sprache: Deutsch (Original: Englisch)
  • Format: große Schachtel (41,5 x 31,5 x 8,5 cm)
  • ISBN/EAN: B00BTXM5OG 
  • Preis: 42,95 EUR (Grundspiel), je 12,95 EUR (Erweiterungssets 1+2)
  • Bezugsquelle: Amazon (Grundspiel, Erweiterungsset 1, Erweiterungsset 2)

 

Bonus/Downloadcontent

Pegasus selbst bietet an Downloadcontent eine Kartenliste, sowie A6-formatige Bilder der Magier an.

Wer des Englischen mächtig ist, wird auf der Seite von Arcane Wonders aber durchaus noch einige interessante Dinge finden. Besonders interessant dabei ist „How to Teach Mage Wars“, was eigentlich für Conventions und Messen gedacht ist, aber auch Anfängern einen schnelleren Einstieg ermöglicht. Das How-to beinhaltet einige Beispiele, und die Zauberbücher sind auf etwa die Hälfte reduziert.

Auch gibt es dort einen Spell Book Builder, mit dem man sich eigene Zauberbücher zusammenstellen und abspeichern kann. Natürlich alles nur mit den englischen Kartennamen.

Fazit

Die Priesterin.
Die Priesterin.

Mage Wars ist ein Duellspiel und als solches durchaus gelungen. Durch das Ersetzen des Decks durch das Zauberbuch spielt es sich aber fast wie ein Strategiespiel und weniger wie ein Kartenspiel. Die Würfel, die für viele Effekte verwendet werden, verstärken diesen Eindruck sogar noch. Doch hier werden nicht Miniaturen verwendet, die mühsam zusammenzubauen wären und dann Regeln erfordern, die jeweils neben dem Spielplan in einem Buch oder auf einer Karte zu finden sind. Statt dessen sind hier die Karten selbst die Figuren, so dass alle relevanten Werte immer auf einen Blick erkennbar sind. Auch werden einige Mechanismen verwendet, die eben nur mit Karten gut funktionieren, wie das Verbessern von Kreaturen mit Zaubern. Eine gelungene Mischung aus Kartenspiel und Tabletop also.

Leider benötigt das Spiel sehr viel Platz und ist somit eher für den heimischen Wohnzimmertisch geeignet, als für Urlaube oder gar unterwegs. Auch so kann es allerdings passieren, dass auf einem einzelnen Feld bereits so viel los ist, dass es sehr voll wird, so dass eine Verkleinerung des Spielplans auch nicht der richtige Weg gewesen wäre. Man hätte also vielleicht die Karten durch Marker ergänzen können, die dann auf dem kleineren Plan platziert werden. Oder direkt Miniaturen. Aber dann wäre es eben kein Kartenspiel mit Gimmick (Zauberbuch statt Deck) und Tabletopelementen mehr gewesen, sondern ein Tabletop mit Kartenspielelementen. Das wäre zwar die ehrlichere Einordnung gewesen, aber vielleicht die schlechter zu vermarktende.

Einziges wirkliches Manko an dem Spiel ist der schwierige Einstieg. Eine Kurzzusammenfassung der Regeln und ein zugänglicheres erstes Spiel hätten hier Wunder gewirkt.

Wenn man sich aber einmal durch die schwierige Lernphase gekämpft hat, wird man mit einem gelungenen Spiel belohnt, das hohen Wiederspielwert besitzt. Besonders, wenn man immer gegen die gleichen Leute spielt, entwickeln sich die Decks sehr schön mit- und gegeneinander und garantieren einen langen Spielspaß.

Daumen4Maennlich

Artikelbilder: Pegasus Spiele

 

 

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