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Das Pathfinder-SRD besagt, dass Gelegenheitsangriffe dann erfolgen dürfen, wenn ein Kombattant im Nahkampf seine Verteidigung fallen lässt oder eine unvorsichtige Handlung vollführt. Welche Handlungen genau einen solchen Angriff provozieren, ist im gleichen Kapitel zu finden: Actions in Combat.

Es wird sofort klar: Diese Liste ist lang und recht detailliert. Also sollte doch hoffentlich alles dabei bedacht worden sein, oder?

Schauen wir es uns doch einmal an:

Die wohl häufigsten Auslöser für Gelegenheitsangriffe sind Bewegung, Fernkampf, Zauber und Kampfmanöver, und sie alle haben Ausnahmen.

Bewegung

Bewegt man sich aus einem bedrohten Feld heraus, so provoziert man einen Gelegenheitsangriff. Es sei denn, man macht einen 1,5-Meter-Schritt oder einen Rückzug, in welchem Fall das erste Feld nicht als bedroht zählt. Soweit, so gut und auch verständlich.

Aber was ist eigentlich, wenn man sich gar nicht selbst bewegt? Zum Beispiel, wenn man durch einen Bull Rush oder ein Reposition bewegt wird, oder auch einfach von einer Klippe oder einem Häuserdach fällt. Bei den Kampfmanövern ist es ganz klar definiert: Normalerweise provoziert die Bewegung keinen Gelegenheitsangriff, es sei denn, der Angreifer hat jeweils das Greater …-Talent. Also ist es einfacher, sich gegen Angriffe zu verteidigen, wenn man durch die Gegend geschubst wird, als wenn man sich selber bewegt. Es sei denn, der Angreifer kann wirklich gut schubsen.

Was aber ist mit einem Sturz? Oder dem Zauber Enemy Hammer? Hier ist es nicht ganz klar: Zum einen steht da, dass jede Bewegung aus einem bedrohten Feld Gelegenheitsangriffe provoziert, zum anderen steht am Anfang des Kapitels etwas von Action. Beide Bewegungen sind ja keine Aktionen des Wesens, das da Gelegenheitsangriffe provozieren würde. Ist das also wie geschubst werden? Oder wie wirklich gut geschubst werden? Oder wie eine eigene Bewegung? Oder etwas völlig anderes? Man weiß es nicht …

Fernkampf

Jede Fernkampfattacke provoziert einen Gegenangriff. Es sei denn, man hat ein entsprechendes Talent, das das verhindert. Hier ist soweit alles klar. Oder?

Nicht ganz. Denn nicht nur mit Fernwaffen kann man Fernkampfattacken durchführen, sondern auch mit Dingen wie Fläschchen (alchemistisches Zeug) oder Zaubern. Schauen wir uns diese nun einmal einzeln an:

Fläschchen – Wenn man Fläschchen, zum Beispiel gefüllt mit alchemistischem Feuer, auf ein Feld wirft, auf dem ein Gegner steht, so ist das ein Fernkampfangriff und provoziert einen Gelegenheitsangriff. Lässt man es jedoch einfach fallen, zum Beispiel von oben auf einen Gegner, so könnte man es auch als Gegenstand fallen lassen werten, was keinen Angriff provoziert. Allerdings wird man dann vermutlich auch höchstens das Feld treffen und nicht den Gegner, also weniger Schaden verursachen. Bei Waffen wie Noxious Aromatic, wo sowieso nur Felder die Ziele sein können, ist der Unterschied dann aber auch nicht mehr vorhanden.

Zauber – Bei einigen ist es sehr einfach: Zauber macht Fernkampfattacke, d.h. braucht Angriffswurf, Zauber provoziert. Aber bei anderen wird es wieder schwierig. Beim Feuerball ist zum Beispiel normalerweise kein Angriffswurf erforderlich, der Zauber trifft einfach da, wo er soll. Aber wenn zwischen dem Zaubernden und dem Ziel Hindernisse liegen, so kann ein Angriffswurf erforderlich werden. Und schon wird eine Fernkampfattacke daraus und der Zaubernde ist in Gefahr.

Magie

Apropos „Der Zaubernde in Gefahr“. Zaubern an sich provoziert auch Gelegenheitsangriffe. Es sei denn, man zaubert defensiv, dann kann man, auf die Gefahr hin, den Zauber zu verlieren, diese Gelegenheitsangriffe vermeiden. Es sei denn, der Gegner hat das Talent Spellbreaker, dann darf er bei misslungenem Konzentrationswurf doch zuschlagen. Oder der Zauber ist Quickened, dann provoziert er generell nicht. Oder er stammt gar nicht vom Zaubernden selbst, sondern aus einer Wand, dann provoziert er auch nie. Außer natürlich, Teil des Zaubers ist ein Fernkampfangriff, dann provoziert der Zauber zwar immer noch nicht, aber der dadurch ausgelöste Angriff tut es (s.o.)

Aber nicht nur das: Zauber provozieren nur in der allerersten Aktion, selbst wenn sie eine sehr lange Casting Time haben. Und es gibt zum Beispiel einen Zauber, der eine Casting Time von 2W6 Wochen haben kann. In diesen 2W6 Wochen kann man zwischendurch Essen, schlafen, und andere notwendige Körperfunktionen erfüllen, aber wenn man danach mit dem Zaubern weitermacht, provoziert das keinen Gelegenheitsangriff. Gut, wenn ein Feind in der Nähe ist, kann der natürlich normale Attacken machen und so den Zaubernden durchaus unterbrechen, aber darum geht es hier ja gerade gar nicht, oder?

Kampfmanöver

Dass Bewegung durch Kampfmanöver Gelegenheitsangriffe provozieren kann, hatten wir ja weiter oben schon einmal. Aber auch die Manöver selbst provozieren vom Angegriffenen einen Gelegenheitsangriff. Es sei denn, man hat das entsprechende Talent. Oder man ist gar nicht in Reichweite des Angegriffenen, denn man kann immer nur dann einen Gelegenheitsangriff durchführen, wenn sich das Ziel überhaupt in Reichweite befindet.

Und das gilt selbst dann, wenn der Angreifer ein Grapple versucht, was bei Erfolg dazu führt, dass ich in ein an ihn angrenzendes Feld bewegt werde – wobei übrigens wieder unklar ist, ob diese Bewegung von anderen Gegnern möglicherweise Gelegenheitsangriffe provoziert. Man kann also sehr wohl einen Gegner schlagen, der vor einem steht und versucht, einen zu packen, nicht aber jemandes Arm, der versucht, einen zu packen und an sich zu ziehen, da derjenige ja im Moment des Packens noch nicht in Reichweite ist … bis auf einen Arm, aber der ist an der Stelle offenbar keine Ausnahmeregelung wert gewesen. Kann ich gut verstehen. Wo kämen wir denn dahin, wenn es bei diesen Gelegenheitsangriffen ständig Ausnahmen gäbe …

Fazit

Nachdem wir uns nun also die häufigsten Auslöser von Gelegenheitsangriffen angesehen haben, sollte schnell klar sein, dass dieses System nicht gerade einfach ist, und auch an einigen Stellen nicht intuitiv. Aber im Grunde tut es doch trotzdem das, was es sollte, oder?

Falsch!

Denn schon vom Grundgedanken her ist das System völlig defekt: Jemand, der handlungsunfähig und hilflos vor einem liegt, provoziert keinen Gelegenheitsangriff. Jemand, der um einen herumläuft, und dann einen Zauber wirkt, der wiederum eine Fernkampfattacke auslöst, provoziert dagegen drei – wenn man selbst über das Talent Kampfreflexe verfügt. Ich kann also einen aktiven Kampfteilnehmer öfter schlagen, als einen, der hilflos vor mir am Boden liegt. Und völlig egal, wie wenig der andere Kerl seine Verteidigung vernachlässigt, sich weniger verteidigen als der Fleischsack am Boden kann er nicht.

Der einzige logische Schluss – und damit laut Sherlock Holmes auch die Wahrheit – ist also, dass bestimmte Aktionen den Gegner wie ein kopfloses Huhn in meine Waffe hereinlaufen lassen. Und das kann nicht wirklich Sinn der Sache gewesen sein.

PS: Einen sehr amüsanten, wenn auch nicht völlig korrekten oder vollständigen, Überblick über Gelegenheitsangriffe gibt es auch in diesem englischen Video: 

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Arti­kel­bild: carl­sil­ver auf sxc.hu

 

5 Kommentare

  1. Ähm das mit dem „jemand der an mir vorbei läuft, löst drei aus“ ist so ja auch nicht ganz richtig. Kampfreflexe machte doch nur (sofern sie das nicht irgendwann geändert haben) das die maximale Anzahl der Gelegenheitsangriffe pro Runde erhöht wird. Man darf aber weiterhin nur einen Gelegenheitsangriff pro Runde gegen ein bestimmtes Ziel ausführen.

    Und Grundsätzlich fand ich die Attack of Opportunity immer ganz nett. Weil sie die Tiefe des Kampfes erhöht. Und ich finde wenn jemand sich ausgiebig bewegt oder um etwas anderes kümmert, vernachlässigt er durchaus seine Deckung und bietet mir potentiell eine Lücke in seiner Verteidigung.

  2. @Tony: Eine einzelne Aktion einen Gegners kann nur eine AoO auslösen, also wenn er durch mehrere von mir bedrohte Felder läuft, löst das nur einmal aus. Aber mehrere unterschiedliche Handlungen können auch mehrere AoOs auslösen: „This feat does not let you make more than one attack for a given opportunity, but if the same opponent provokes two attacks of opportunity from you, you could make two separate attacks of opportunity (since each one represents a different opportunity)“ (aus dem Link der direkt zu Anfang des Artikels hinter „Pathfinder-SRD“ liegt).

    Ja, an sich ist der Grundgedanke der AoOs durchaus gut und richtig, da er unvorsichtiges Handeln bestraft und die Möglichkeit gibt, Gegner zu binden / zu kontrollieren. Ich wollte mit dem Artikel auch nur einige eklatante Mängel an dem System aufzeigen, nicht es grundsätzlich verdammen :)

  3. Das Video ist echt geil. Die AoO ist ziemlich kompliziert, gerade wegen der „schiefen“ Regeln. Aber es ist halt auch kein Element des Realismus, sondern rein für die Taktik und den Job erfüllt sie ganz gut.

  4. Ich kann dem Fazit in keiner Weise zustimmen und finde es sogar schon überheblich.
    AoO sind, wie auch Jan schon feststellte, abstrahiert. (Teilweise extreme und absurde) Situationen und Zweifelsfälle herauszusuchen, diese sprichwörtlich zu verstehen und sich dann über die Reibungshitze zwischen Spielregeln und der Realität zu belustigen, ist kein guter Stil. Dann unterstellst Du dem System eine grundsätzliche Defektheit, winkst aber in der Antwort an Holger ab und sagst, Du wolltest es nicht grundsätzlich verdammen. Der Artikel hat für mich aber genau diesen Unterton.

  5. Hallo Argame,

    Der Artikel hat sicherlich einen überspitzenden Unterton. Das ist auch durchaus gewollt in dieser Artikelreihe, die sich eben genau mit Punkten beschäftigt, wo Regeln mit Realismus kollidieren. Abstraktion ist eine gute Sache, und AoOs erfüllen in den meisten Fällen ihren Zweck durchaus, ja. Aber es gibt es doch noch Bruchstellen (Breaking Points eben), die zu sonderbaren Effekten und Wechselwirkungen führen, die man vielleicht nicht erwartet hätte. Diese wollte ich in dem Artikel aufzeigen.

    Bei den nächsten Artikeln dieser Art werde ich darauf achten, entpsrechende Absätze einzufügen, die klarstellen, dass ich das Grundsystem nicht unbedingt damit verdammen will. Danke also für die Hinweise, welche Wirkung der Text in seiner jetzigen Form hatte :)

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