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Als es vor einigen Jahren, kurz nach dem meiner Meinung nach ziemlich schlechten Spiderman 3, hieß, es würde bald schon neue Spiderman-Filme geben, war ich skeptisch, ob das nötig war.

Dennoch schaute ich mir den ersten Teil natürlich im Kino an und fand ihn OK, wenn auch nicht überragend oder gar nötig. Aber in den letzten Jahren wurden die mittelmäßigen Superheldenreihen mit dem zweiten Teil eher besser (Thor 2, Captain America 2). Also hatte ich große Hoffnung, dass das bei Spiderman auch der Fall sein würde.

Größer hätte mein Irrtum kaum sein können…

Story

Peter Parker, besser bekannt als Spiderman, hat seine Highschool endlich hinter sich gebracht. Während seine Freundin Gwen Stacy als Klassenbeste die Abschlussrede hält, ist er aber noch damit beschäftigt, einen entführten Nukleartransporter von Oscorp durch die Strassenschluchten von New York zu verfolgen. Mit ihm versuchen das auch gefühlt etwa 100 Polizeiwagen, die aber völlig unfähig sind, irgendetwas zu unternehmen. Aber Spiderman kann. Er schafft es, in fast schon unerträglich arroganter und selbstgefälliger Art, den Transporter zu stoppen und den Fahrer, Aleksei Sitsevich, mit heruntergelassenen Hosen der Polizei zu überlassen, bevor er sich zur Abschlussfeier schwingt, sein Zeugnis entgegen nimmt, Gwen einen tiefen Kuss auf die Lippen drückt und seinen Lehrer High-Fived. Cool. Oder so ähnlich.

Bei den Feierlichkeiten nach Übergabe zeigen sich dann aber erste Risse in der Fassade und die erste von gefühlt zwei Dutzend Diskussionen zum gleichen Thema beginnt: Peter hatte Gwens Vater versprochen, sich von ihr fernzuhalten, um sie nicht in Gefahr zu bringen. Aber er liebt sie. Und sie liebt ihn. Und sie hat diese Entscheidung zu treffen, nicht ihr verstorbener Vater. Aber Peter hat es ihm doch versprochen, als er im Sterben lag. Und so weiter und so fort.

Harry Osborn ist krank.
Harry Osborn ist krank. Manchmal aber auch nur im Trailer.

Neben diesem nervigen Herumgeheule gibt es dann noch den unympathischen Looser-Nerd Max Dillon, den Spiderman zwischendurch mal gerettet hatte. Niemand außer Spidey hatte ihn je beachtet, und so war es völlig klar, dass er eine Obsession aufbaut, und Selbstgespräche mit einem imaginären Spiderman führt. Zumindest, bis er in einen Tank mit genetisch manipulierten Muränen fällt, die ihn beißen und mit Elektrizität bruzzeln. Als er kurze Zeit später wieder aufwacht, schon für tot gehalten, und nun mit blauer Haut und der Fähigkeit, Elektrizität zu kontrollieren, haben die Menschen erst einmal Angst vor ihm und die Polizei versucht, ihn festzunehmen. Er hat seine Kräfte aber noch nicht unter Kontrolle. Es kommt zu weiterer Verwüstung und steht kurz davor zu eskalieren, bis Spiderman auftaucht. Alles hätte gut werden können, hätte der sich an den Namen des Mannes erinnert. Aber da dem nicht so war, rastet Dillon völlig aus, kann aber überwältigt werden, nur um dann in einer geheimen Forschungseinrichtung samt klischeedeutschem Doktor zu enden, wo grausame Experimente an ihm durchgeführt werden.

Ach ja, und dann ist da noch Harry Osborne, Peters Freund aus Kindheitstagen mit Emofrisur. Der hat gerade von seinem Vater auf dessen Sterbebett erfahren, dass er an einer seltenen und tödlichen Genkrankheit leidet, was der Grund war, warum all die genetischen Experimente bei Oscorp überhaupt begonnen hatten. Aus den Forschungsunterlagen erahnt er, dass die Experimente auch Erfolg hatten, und dass dieser Erfolg Spiderman ist. Also versucht er, Kontakt zu diesem aufzunehmen, um an sein Blut zu kommen, um sich mit diesem selbst heilen zu können. Spiderman hat jedoch Angst, dass das Blut Harry schaden würde, und so verweigert er es. Also muss Harry zu anderen Mitteln greifen.

Klingt alles irgendwie unglaubwürdig und platt? Ist es auch. Die sich ständig wiederholende Krise zwischen Gwen und Peter nervt spätestens beim dritten Mal, der Charakter Max Dillon ist so unglaublich unsympathisch, dass es schwer fällt, Mitgefühl zu empfinden. Peter ist ein arroganter, unreifer Junge, der nie so recht weiß, was er nun eigentlich tun will.

Darsteller

Andrew Garfield spielt Spiderman überzeugend, aber die Rolle des Peter Parker will ich ihm nicht so recht abnehmen. Zu gewollt cool ist er, um glaubhaft zu wirken. Emma Stone macht eine gute Figur als Gwen Stacy, aber das Drehbuch bietet ihr kaum Möglichkeiten, den Charakter zu etwas werden zu lassen.

Bei den Bösewichten ist es Jamie Foxx gelungen, mit Max Dillon eine Figur zu spielen, die unsympathischer kaum sein könnte. Ob das gewollt war, oder ob man, analog zu Sandman aus Spiderman 3, Mitleid mit ihm haben sollte? Ich glaube eher letzteres.

Dane DeHaans Darstellung von Harry Osborne ist gelungen, denn anders als bei Peter Parker passt die zur Schau gestellte Arroganz zu diesem Charakter.

Tante May, gespielt von Sally Fields, spielt in diesem Film keine besonders große Rolle. Lediglich ein kleiner Subplot, der für den Film selbst überhaupt keine Bedeutung hat, hängt an ihr. Schade eigentlich, ist sie für mich doch eine der überzeugendsten Rollen des Films.

Der Romanze wird viel Platz eingeräumt. Mit allen Hochs und Tiefs - auch bei den Zuschauern.
Der Romanze wird viel Platz eingeräumt. Mit allen Hochs und Tiefs – auch bei den Zuschauern.

Inszenierung

Optisch macht der Film durchaus einiges her. Sobald die Action losgeht und Electro mit Blitzen um sich wirft oder selbst zu einem wird, erwarten den Zuschauer fulminante Bilder. An einigen Stellen war offensichtlich, dass es sich um Szenen handelte, die auf 3D-Wow Effekt optimiert waren, aber das ist mittlerweile so normal, dass ich es dem Film kaum ankreiden kann.

Die Filmmusik ist durchgängig kraftvoll und eher metallisch. Umso sonderbarer, dass im Abspann dann plötzlich Hiphop aus den Sprechern schallt. Noch sonderbarer wird es nach der Szene im Abspann (die übrigens zu einem völlig anderen Filmfranchise gehört), denn danach wird es sogar deutscher Sprechgesang. Warum?

Erzählstil

Der Film wird in großen Teilen aus Sicht von Peter Parker erzählt. Lediglich an ein paar Stellen war es nötig, andere Szenen einzuflechten, damit die Handlung verständlich bleibt.

Dazu kommt zu Beginn des Films eine Rückblende auf die Geschichte der Eltern von Peter, die für den Metaplot sicherlich relevant ist, aber für den vorliegenden Film wenig Bedeutung hat.

Am Ende darf es dann doch heiß hergehen!
Am Ende darf es dann doch heiß hergehen!

Preis-/Leistungsverhältnis

Der Film ist mit 142 Minuten sehr lang. So lang, dass er einen Überlängenzuschlag kostet. Dass er in 3D ist, versteht sich ja mittlerweile leider von selbst. Zum Glück gehört er aber auch noch zu den Filmen, die noch in 2D ins Kino kommen, so dass man diese zusätzliche Gebühr nicht auch noch zahlen muss.

Wenn man bereit ist, 90-120 Minuten unglaubwürdigen Gefühlsbrei zu ertragen, wird man am Ende mit fulminanter Action belohnt. Ob das so viel Zeit und Geld wert ist? Ich bin mir nicht sicher…

Fazit

TASM2_HP_Breakout Electro vs SM_CB neu_RZ_A3_300dpi_700Whinerman – The Cries of Electro wäre für mich ein passender Titel für dieses Machwerk gewesen. Viel zu viel Raum wird hier dem Herumgeheule und nicht-sicher-sein der Figuren gegeben. Dem Zuschauer ist das aber schon schnell egal, und man wünscht sich, dass endlich der Superheldenfilm losgehen möge. Nach knapp zwei Stunden tut er das dann auch, und man bekommt zumindest noch ein wenig gute Action zu sehen.

Wenn es Inhalt des Filmes sein sollte, dass Spiderman seinen Weg erst noch finden muss, hätten die Macher vielleicht noch einmal den zweiten Teil der vorherigen Reihe schauen sollen. In diesem ist das wesentlich besser gelungen. Wenn das nicht der Inhalt sein sollte, weiß ich nicht, was dieses Machwerk überhaupt sollte.

Besonders befremdlich: Schaut man sich den Trailer an, bekommt man eine recht wichtige Frage und Szene zu sehen, die gar nicht im Film ist. Außerdem sieht man die allerletzte Szene des Filmes. Ein weiteres Indiz dafür, dass den Zuschauern ein anderer Film versprochen werden sollte, als der, den es jetzt im Kino zu sehen gibt. So ist der aktuelle Film einfach nur eine viel zu lange Vorgeschichte zu dem, dann hoffentlich wesentlich besseren, dritten Teil der Reihe, in dem dann die gezeigten Kostüme von Rhino, Vulture und Doctor Octopus eine Bedeutung haben werden.

Daumen2maennlich 

 

Die zweite Meinung

(von Sebastian Köppe)

Spiderman-Verfilmungen lösen bei mir für gewöhnlich keine Begeisterungsstürme aus, was am jugendlichen Helden, der omnipräsenten Lovestory und dem sich daraus entwickelndem Gesamtpaket liegt.

Seit jeher lässt jedoch genau diese Mischung kräftig die Kinoklassen klingeln und sorgt dafür, dass der Spinnenmann manch andere Genre-Kollegen und deren Leinwandadaptionen alt aussehen lässt. Freilich spielt hier das verfügbare Budget eine nicht ganz unwichtige Rolle. Hier ist mittlerweile Sony die treibende Kraft hinter dem Remake im 3D-Zeitalter. Klar – Superhelden-Filme verkaufen sich gerade gut und so ließ auch Teil 2 der „neuen“ Spinnen-Sage nicht lange auf sich warten.

The Amazing Spider-Man: Rise of Electro darf nun endlich Vollgas geben, nach dem man in Teil 1 den x-ten Aufguss der „Peter Parker und der Spinnenbiss“ erdulden musste. So stellen sich dem jungen Superhelden diesmal gleich mehrere Widersacher in den Weg. Es kracht an allen Enden und ein über weite Strecken wirklich sehenswerter CGI-Bombast sorgt für ordentlich Wirbel auf der Leinwand. Erfreulicherweise ist der 3D-Effekt in diesem Film nicht völlig verschwendet und weiß mit scharfen Bildern und schönen Zeitlupen zu gefallen. Passend zu Titel und Gegenspieler gibt es dazu einen kraftvollen Elektro-Soundtrack geliefert, der auch die ein oder andere Science-Fiction-Rollenspielrunde bereichern dürfte.

Sympathiepunkte darf der sonst so strahlende Held im Spinnenkostüm ebenfalls sammeln. Neben jugendlicher Spidey-Akrobatik durch Häuserschluchten und lockeren Sprüchen gibt es vor allem eines: Auf die Mütze. Innere Konflikte und äußere Verwundbarkeit geben dem talentierten Hauptdarsteller des Remakes jedoch eine Chance, die Marvel-Figur im zweiten Streich glaubhafter und mit ein paar Nuancen mehr Tiefe zu versehen. Jamie Foxx verkörpert als hauptamtlicher Gegenspieler glaubhaft die Wandlung vom zerstreuten Niemand zum rasenden Bösewicht. Zu viel darf man in der Summe jedoch von Drehbuch und Regie nicht erwarten. The Amazing Spider-Man: Rise of Electro bleibt seinen Wurzeln treu und ist zu Weilen kaum mehr als ein oberflächliches Effektfeuerwerk.

Fazit: Spidey schwingt sich schärfer und atemberaubender durch die CGI-Häuserschluchten und lässt es ordentlich krachen. Filmumsetzung und Comicfigur haben gewohnte Höhen und Tiefen und so wird der zweite Teil von The Amazing Spider-Man zwar seinem Blockbuster-Charakter gerecht und bleibt durchaus unterhaltsam, ist jedoch nach dem bunten Krawall schnell wieder vergessen.

Daumen3maennlich

Artikelbilder: Sony Entertainment 

 

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