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Neulich sprach ich auf einer Convention über mein liebstes Hobby: das Rollenspiel. Während ich von fantastischen Geschichten schwärmte, wurde unter den Zuhörern ein Störenfried laut. Sein wenig charmanter Einwurf klang in etwa so: „Du redest über Pen&Paper, oder? Und ich dachte, hier geht es um RICHTIGES Rollenspiel, also LARP! Würfel und Bleistift sind ja wohl nur was für Spieler unter sechzehn, die noch nicht Zelten fahren dürfen.“ Verwundert sah ich ihn an, doch bevor ich antworten konnte, erhob sich aus dem Publikum schon jemand zur Verteidigung: „Kindisch? Dass ich nicht lache. Mit Schaumstoffschwertern durch den Wald laufen ist erwachsen oder was? Ich werfe dir gleich einen magischen Schaumstoffball an den Kopf! Obwohl, darf ich ja gar nicht, aus Sicherheitsgründen.“

LARPling und Würfeljunge begannen sich heftig zu streiten. Die Gräben zwischen den Spielarten von Rollenspiel saßen wohl doch tiefer, als ich gedacht hatte. Aber wer hatte Recht? Ich bat beide zum Interview, um die Sache zu klären.

Plotgestaltung

Würfeljunge: „Als Spielleiter ist es doch vor allem wichtig, viele Optionen zu haben, den Plot weiterzuführen. Im Pen&Paper funktioniert das ohne Probleme und basiert nur auf der Fähigkeit, eine Szene zu beschreiben. Verfolgungsjagd mit Zeppelinen? Check. Drachen? Check. Herabfallende Sterne? Check. Sowas kann man im LARP einfach nicht machen, außer mit viel Vorbereitung und Pappmaché. Und mal ehrlich: Wenn eine LARP-SL ‚Erdbeben‘ ruft und alle sich auf den Boden werfen, sehe ich immer nur ein Irrenhaus auf Sonntagsausflug. Und am Ende gibt es im LARP doch eh die Siebzehn-Uhr-Schlacht, weil alle zum Abendessen fertig sein wollen.“

LARPling: „Wenn man Plotgestaltung nur am Spielleiter festmacht, mag das stimmen. Aber Railroading ist nicht mein Ding. Wir LARPer haben zwar Grenzen beim Plot, aber dafür entsteht bei uns Handlung, ohne dass die SL etwas zutun muss. Gespräche mit Nichtspielercharakteren oder zwischen Spielern … da geschehen ganze Geschichten auf Cons, von denen die SL nie etwas mitbekommt! Das ist eine Freiheit, die es am Spieltisch einfach nicht gibt.“

Spielerfreiheit

Würfeljunge: „So ein Unfug. Ein guter Spielleiter lenkt das Rollenspiel, er bestimmt es doch nicht. Und auch unter Pen&Paper-Spielern gibt es genug Interaktion. Im besten Fall dreht sich eben ein ganzes Abenteuer um die Gruppe am Spieltisch, ihre Ziele und Interessen. Sowas geht beim LARP nicht, da muss man ja immer einen Kompromiss für dutzende Spieler finden. Und am Ende geht die Hälfte leer aus, wenn der Übermagier mal wieder sein Ritual murmelt und damit den Tag rettet.“

LARPling: „Wenn mir ein Plot nicht passt, geh ich auf einem LARP eben woanders hin oder machen Charakterspiel mit meinen Freunden. Das ist ja das Gute daran: Auf einer Con sind genug Spieler da, dass man ‚seinen Plot‘ für das Wochenende schon findet. Und am Spieltisch? Wenn mir da der Plot nicht passt, muss ich den allmächtigen Spielleiter mit Essen bestechen, oder was? Nein, danke. Ich brat mir lieber noch ein Würstchen über dem Lagerfeuer, als mal wieder die Welt zu retten. Denn darauf läuft es beim Pen&Paper doch eh immer raus.“

Rollengestaltung

Würfeljunge: „Weltretten oder nicht. Immerhin kann ich im Pen&Paper das spielen, was ich möchte! Keine Ahnung von Schwertkampf? Kein Problem, einfach ein paar Punkte reinstecken. Nicht der Hellste beim Rätsellösen? Einfach mehr Intelligenz kaufen. Das ist total fair für jedermann. Auf einem LARP muss ich Dinge nicht nur spielen, sondern darstellen! Das schränkt krass ein.“

LARPling: „Charaktere beim LARP sind eben nicht so austauschbar wie im Pen&Paper. Ja, das schränkt die Rollenwahl etwas ein, wenn man als Krieger nicht weiß, wie rum man ein Schwert hält. Aber das ist halt auch realistisch! Wir stellen unsere Rollen nämlich nicht nur dar, wir arbeiten richtig dafür, stecken Liebe und Mühe hinein. Am Spieltisch wird hingegen alles nur über Punkte geregelt. Ist ja aber auch klar: Wenn ein verpatzter Würfelwurf ein Heldenleben kostet, wirft man seinen Heldenbogen eben weg und bekritzelt einen neuen mit Mr. Austauschbar 2.0.“

Immersion

Würfeljunge: „So hat man vielleicht in den 90ern Das Schwarze Auge gespielt. Aber Pen&Paper-Rollenspiel ist schon viel weiter. Auch wir identifizieren uns mit unseren Charakteren, schreiben Hintergrundgeschichten und denken uns in sie hinein …“

LARPling: „Ha! Jetzt sind wir beim Kernpunkt, warum LARP Pen&Paper einfach überlegen ist. Hier muss man sich nicht in etwas hineindenken. Man sitzt schließlich nicht am Spieltisch und schaufelt Chips in sich hinein bis das Handy klingelt. Auf einer Burg oder im Wald inmitten von dutzenden anderen LARPern wird man förmlich in die Szene und Charaktere hineingezogen! Audiovisueller Input und so. Das kriege ich daheim nicht. Da spiele ich lieber Skyrim.“

Aufwand

Würfeljunge: „Schon richtig. Man braucht schon noch einen Rest von Phantasie für Pen&Paper. Und die fehlt einigen LARPern offensichtlich. Aber schlimmer noch ist dieses elitäre Getue. Wenn mal eine Gewandung nicht perfekt sitzt, wird man gleich schief angeschaut. Tut mir ja leid, wenn ich nicht tausende Euro für eine Vollplatte ausgeben will, nur um einen Ritter zu spielen. Sorry, wenn meine Arzttasche nicht ‚authentisch genug‘ für Dich ist. LARPen hat auch immer etwas mit Geldbeutel zu tun. Und jedes zweite Wochenende durch halb Deutschland fahren, kann eben auch nicht jeder. Da rufe ich lieber vier gute Freunde an, ob sie spontan Lust haben, eine Runde Pen&Paper zu zocken. Das kostet mich Zeit und den Pizzaservice.“

LARPling: „Es geht auch ohne perfekte Gewandung. Klar trifft man auf einer Con auch immer mal auf Snobs und Idioten. Dafür trifft man eben auch andere Menschen, nicht immer nur dieselben vier. Und ja: LARPen kostet, zumindest Anreise, Verpflegung und Übernachtung. Aber ein so geniales Hobby sollte das schon wert sein“

Fazit

Nachdem die beiden ihre Standpunkte klargemacht hatten, konnte ich keinen klaren Sieger ausmachen und behielt das Etikett „Ultimative Rollenspiel-Spielweise“ einfach für mich. Immerhin haben LARPling und Würfeljunge dann doch Gemeinsamkeiten gefunden; Rollenspiel als Thema und etwas Met sei Dank. Und als sie mit glänzenden Augen von den eigenen gespielten Geschichten schwärmten, war der Streit schon fast vergessen.

Was mich aber nach wie vor wundert ist, wie vehement manche LARPer und Tischrollenspieler einander das Hobby schlechtreden. Müssen beide Ausprägungen von Rollenspiel denn Konkurrenten um die Spielergunst sein? Können nicht beide Bereiche auch etwas voneinander lernen? Gibt es andere wichtige Gründe für oder wider LARP oder Pen&Paper? Wenn Dir etwas einfällt, schreib es ruhig in die Kommentare.

 

7 Kommentare

  1. Beim lesen hatte ich das Gefühl, dass die beiden nicht so recht verstanden haben. Ich spiele mittlerweile seit fast 14 jahren rollebspiele aller Art, davon 6 jahre LARP. Für mich ist Rollenspiel das erleben einer Geschichte. Wie das letztendlich ausgeführt wird, kann von mir aud jedem selbst überlassen sein. Egal ob LARP oder pen&paper meine Charaktere sind mir wichtig und ich stecke bei der Erstellung sehr viel Zeit rein, oft mehrere Monate. Von dieser Zeit sind aber meist nur 10 Minuten für das ausfüllen des charakterblattes. Und das beim pen&paper der plott fest vorgegeben ist, empfinde ich als haltlose Behauptung. Ich spiele in verschiedenen Gruppen und wir haben dort oft Abende an denen 3 Stunden vergehen ohne das die oder der sl eingreifen muss. Selbst bei d&d, welches gerne als das klassische hack&slay verkauft wird klappt das.

    So das wollte ich einfach mal loswerden :-)

  2. Leider scheint es so das wir Menschen versuchen uns selbst zu erhöhen indem wir etwas anderes schlecht machen. Das hat weder etwas mit Rollenspielarten, D&D Editionen, Fußballvereinen oder Rennställen zu tun.

    Es gibt für jeden Geschmack etwas und solange man gemeinsam Spaß hat ist alles ok.
    Aber leider gibt es immer wieder Leute mit Komplexen die anderen ihre Hobbies und Vorlieben schlecht reden müssen. Das ist nichts was aufs Rollenspiel beschränkt ist.

  3. Komische Diskussion. Ich vergleiche doch auch nicht Tennis mit Tischtennis. Das ist doch komplett überflüssig, über das Thema zu lamentieren. Es sollte doch jedem klar sein, dass es da enorme Unterschiede gibt und jede der beiden Arten Vor- und Nachteile hat. Ich streite doch auch nicht mit jemanden, ob blau oder rot schöner ist. Dem einen macht das eine mehr Spass, dem anderen das andere Spiel. Es fehlt nur noch, dass sich ein MMORPGer einschaltet.

    Sich die Frage zu stellen ob eins davon richtig oder falsch, bzw. besser oder schlechter ist, ist meiner Meinung nach närrisch.

  4. Wieso „oder“? Warum sich beschränken? ;) Das Eine muss doch das Andere nicht zwangsläufig ausschliessen…

  5. Solche Gestalten wie im Artikel beschrieben sind mir schon lang nicht mehr begegnet. Und ich kenne und treffe viele Rollenspieler. Aus meiner Erfahrung heraus würde ich sagen das sind absolute Ausnahmen, denen mit diesem Artikel eigentlich schon zuviel Aufmerksamkeit geschenkt wird.

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