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Das umfangreiche Abenteuerspielbuch Reiter der schwarzen Sonne wurde 2012 im Mantikore-Verlag veröffentlicht und erscheint inzwischen in der 3. Auflage. Neben der normalen Taschenbuchausgabe ist beim Verlag auch eine Special Edition im Schuber erschienen, die mit diversen Extras wie Soundtrack, Hintergrundinformationen oder Posterkarte aufwartet.

Handlung

Reiter der schwarzen Sonne stürzt den Leser direkt ins Geschehen. Als Ugarith, ein Schattenkind und Kreatur der Nacht, kommt man ohne Gedächtnis neben dem erschlagenen Hohepriesters des Sonnenkultes zu sich. Nach seiner Flucht gerät der Protagonist wieder in die Obhut seines alten Meisters Calderel, doch während die Erinnerung langsam zurückkehrt, merkt der Ugarith, dass nicht alles so zu sein scheint, wie ihm seine Gefährten glauben machen wollen. Als das Schattenkind schließlich als Schlüsselfigur in einem seit geraumer Zeit tobenden Krieg zwischen den Gläubigen des Mondgottes Ugar und des Sonnengottes Kar eingesetzt werden soll, beginnt es stattdessen die Suche nach seinem wahren Wesen und den übermenschlichen Kräften, die letztlich höheren Mächten abseits dieses Konflikts entspringen.

Diese Geschichte mit unglaublichen 1.355 Sektionen umspannt nach einem kurzen Prolog sieben abwechslungsreiche Kapitel, an die sich schließlich ein großes Finale anschließt. Dabei bietet die Handlung vielerlei stimmungsvolle Abwechslung: Ruhige Passagen wie die Ausbildung unter alten Gefährten oder die Mobilmachung einer Kriegsflotte wechseln beständig mit spannenden Schilderungen etwa der folgenden Seeschlacht oder dem vorsichtigen Erkunden diverser Verliese.

Wie bei Abenteuerspielbüchern üblich, laufen auch bei Reiter der schwarzen Sonne die abzweigenden Handlungsstränge immer wieder an bestimmten Punkten zusammen. Dennoch passiert es immer wieder, dass man sich auf gutem Weg zum Ziel glaubt, nur um dann in einer Sektion nach einem bestimmten Gegenstand oder ähnlichem gefragt zu werden und festzustellen, dass man anscheinend doch einen entscheidenden Pfad übergangen hat. Nicht selten zeigen sich die Konsequenzen solcher Entscheidungen sogar erst mehrere Kapitel später. Schon dadurch ergibt sich ein großer Wiederspielwert.

Harte Kontraste vermitteln eine tiefe Atmosphäre.
Harte Kontraste vermitteln eine tiefe Atmosphäre.

Neben den üblichen Entscheidungen, die man in einem Abenteuerspielbuch zu treffen hat, konfrontiert die Geschichte den Leser auch mit diversen knackigen und nicht minder abwechslungsreichen Rätseln. Einige davon beziehen sich direkt auf eine bestimmte Illustration, viele jedoch verstecken einfach Hinweise auf die Ziffern der Sektion, bei der man aufgrund der Lösung weiterlesen soll. Andere Aufgaben wiederum fordern dazu auf, den Rhythmus eines automatisierten Verteidigungssystems zu entschlüsseln oder die perfekte Flugroute über eine feindliche Garnison zu finden.

Immer wieder wird man mit diversen Kämpfen konfrontiert. Die Scharmützel gegen kleinere Gegner gehen dabei recht leicht von der Hand und können alternativ auch immer umgangen werden. Die unvermeidbaren Auseinandersetzungen mit größeren Zwischen- und Endgegnern, die extra in einem separaten Kampfkapitel gesammelt sind, werden im Spielverlauf zunehmend fordernder und verlangen auch den geschickten Einsatz zuvor erlangter Ausrüstung oder Fertigkeiten.

Spieler, die bei der Bewältigung der Geschichte besonders erfolgreich sind, erwarten noch ein Zusatzkapitel über einen Festungsangriff zusammen mit dem eigenen Flugdrachen Kyrna sowie ein Kapitel mit diversen Bonusabschnitten. Letztere belohnen mit besonderen Gegenständen, die sich als besonders nützlich erweisen oder den sogenannten Schicksalspunkten. Zudem kann der Spieler seinen Gesamterfolg nach der Lektüre in einer Schlusswertung überprüfen, die je nach erreichtem Ende, gefundenen Schicksalspunkten oder selbst auferlegten Beschränkungen bei den Spielwerten – dazu mehr im Abschnitt „Regeln“ – ausfällt. Spätestens an dieser Stelle ist man mehr als motiviert, Reiter der Schwarzen Sonne ein weiteres Mal zu spielen, um auch die Höchstwertung zu erreichen.

Regeln

Reiter der Schwarzen Sonne vermittelt die nötigen Regeln Stück für Stück am Anfang der jeweiligen Kapitel. Lernt der Leser im Prolog noch die absoluten Grundlagen wie eben den Sprung zwischen den Sektionen, so schließen sich in den Folgekapiteln die einfachen Kampfregeln an, die schließlich um Besonderheiten wie das Gefecht gegen mehrere Gegner oder den Umgang mit dem eigenen Reitdrachen Kyrna erweitert werden.

Grundsätzlich verfügt die Figur über die beiden Attribute Stärke und Geschick, die jeweils mit einem Wert von 5 beginnen und im Spielverlauf durch Erreichen der richtigen Passagen gesteigert werden können. Zudem erlangt der Spieler im Laufe der Geschichte Karma, das für spezielle Fertigkeiten oder ähnliches verwendet werden kann. Erfahrene Spieler können ihr Karma-Maximum bewusst begrenzen, um bei der finalen Gesamtwertung besser abzuschneiden.

Teils wirken die Landschaften wie aus einem Albtraum.
Teils wirken die Landschaften wie aus einem Albtraum.

Für Proben sind in der Fußzeile jeder Seite der linken Buchhälfte diverse Symbole abgebildet. In der äußeren Ecke findet sich ein Mond, der eine von acht lunaren Phasen anzeigt; in der Mitte sieht man drei Würfel: ein großer Grundwürfel in der Mitte, daneben jeweils ein Würfel mit Blitzsymbol, der bei Stärke- und Angriffsproben hinzuaddiert wird, sowie ein Würfel mit Schildsymbol für Geschick- und Verteidigungsproben.

Kämpfe sind grundsätzlich einfach abzuwickeln: Gegner verfügen über einen Angriffs- und Verteidigungswert, den es mittels einer Probe mindestens zu erreichen gilt. Basis ist der aktuelle Wert in Stärke- beziehungsweise Geschick, dazu werden Boni durch Waffe oder Rüstung sowie die Summe der durch die auf einer zufälligen Seite abgebildeten Würfel addiert. Jeder Treffer zieht 1 Punkt Resistenz ab, von denen der Spieler selbst über insgesamt 5 verfügt. Für zunehmende Verletzungen kann man freiwillig Abzüge in Kauf nehmen, die ebenfalls bei der Gesamtwertung belohnt werden.

In späteren Kapiteln können sich dem Schattenkind auch mehrere Kämpfer in den Weg stellen. Besiegt man diese nach und nach, sinken auch die Kampfwerte der Gruppe. Zudem kann es vorkommen, dass nach einer bestimmten Rundenzahl der Kampf durch ein besonderes Ereignis unterbrochen wird.

Neben Waffen und Rüstungen hat man ein auf nur sechs Gegenstände begrenztes Inventar, so dass man mitunter genau überlegen muss, welche Dinge man weiter zur Hand haben möchte. Erst der Packsattel des Drachen erweitert diese Beschränkung um weitere sechs Gegenstände.

Zudem führt Reiter der schwarzen Sonne neue Regeln ein, wie man die Nummer des nächsten Abschnitts im Lauf der Geschichte ermittelt. So bekommt man beim Fund einer besonders mächtigen Klinge im Bonuskapitel eine Zahl mitgeteilt, die man zu der Nummer eines mit einem „+“ versehenen Abschnitts addieren kann, um an dieser Stelle eben die besonderen Kräfte dieser Waffe zu nutzen.

Immer wieder kommt es auch zu Luftgefechten, in denen man mit dem Reitdrachen Kyrna diverse Manöver wie Schleife, Sturzflug oder Feuerodem einsetzen kann. Die Beschreibung dieses Einsatzes ist in einem einzigen Abschnitt je Kapitel zentral beschrieben. Allerdings erhält man in der Sektion, in der man sich für das Manöver entschieden hat, den Buchstaben A, B oder C als Zusatzverweis, so dass man nach der Beschreibung weiß, welchen von mehreren Folgeabschnitten man an dieser Stelle der Geschichte aufschlagen muss. Auf diese Weise spart der Autor sich aufwändige Wiederholungen der gleichen Schilderung bei mehrmaligem Einsatz des gleichen Manövers und hält die Abschnittszahl eines Kapitels kompakt.

Schreibstil

Luftkampf spielt eine besondere Rolle.
Luftkampf spielt eine besondere Rolle.

Das Abenteuerspielbuch ist durchweg gut geschrieben und vermittelt gut die Entwicklung des Protagonisten und das Wiederentdecken seiner wahren Natur. Auch der Wechsel zwischen ruhigen und spannenden Passagen gelingt durchgehend. Nur sehr selten finden sich Abschnitte, die sich mit übermäßiger Beschreibung aufhalten, so dass der Leser beständig Entscheidungen treffen muss und gut in der Geschichte gehalten wird. Lediglich manchmal suggeriert der Text zu offensichtlich den inneren Zweifel des Schattenkinds an seinen vermeintlichen Freunden und ihren Motiven und nimmt moralische Entscheidungen vorweg.

Immer wieder lässt sich erahnen, dass der Autor Swen Harder eine zudem durchdachte Hintergrundwelt namens Pakonia erschaffen hat. Diese drängt sich allerdings nie in den Vordergrund und erschließt sich nur anhand kurzer Sätze über dem Schattenkind bekannte allgemeine Informationen; Vorrang hat stets das Abenteuer des Protagonisten. Lediglich die Farbkarte zu Beginn und ein Glossar zum Schluss des Buches geben weitere Auskunft.

Zuletzt haben mich auch diverse Anspielungen sehr erheitert, mit denen der Autor augenzwinkernd die Eigenheiten eines Abenteuerspielbuchs aufgreift. Wer etwa die Passage liest, in der das Schattenkind sich früherer Tode erinnert oder das perfekte Ende der Geschichte im Bonuskapitel erreicht, wird wissen, was ich meine.

Preis-/Leistungsverhältnis

Für 20,- EUR bekommt man mit Reiter der Schwarzen Sonne ein Buch in die Hand, dessen Preis vielleicht etwas über dem vergleichbar dicker Taschenbücher liegt, dafür aber aufgrund der vielen versteckten Geheimnisse und Bonusabschnitte zur wiederholten Lektüre anregt.

Entscheidet man sich sogar für die Anschaffung der Special Edition – dazu unten mehr – so erhält man für den Aufpreis von nur 5,- EUR eine reichliche Ausstattung als Bonus.

Erscheinungsbild

Reiter der Schwarzen Sonne CoverTrotz des enormen Umfangs von über 700 Seiten ist Reiter der schwarzen Sonne gut zu lesen, auch das ständige Blättern geht gut von der Hand. Die Aufteilung in die einzelnen Kapitel gibt dem Band eine übersichtliche Struktur, Randmarkierungen vereinfachen zusätzlich die Orientierung. Zudem beinhaltet ein Kapitel alle zu diesem Teil der Erzählung gehörenden Abschnitte, so dass man stets den Überblick behält, wie weit man bereits in der Geschichte gekommen ist.

Die einzelnen Abschnitte sind großzügig gesetzt und angenehm zu lesen. Ein Lesebändchen fehlt, dafür erhält man in der Special Edition – alternativ auch separat in einem Upgrade-Kit erhältlich – zwei Lesezeichen.

Das Buch wird optisch aufgelockert von einigen schwarz-weißen Vignetten und vollseitigen Illustrationen von Fufu Frauenwahl. Bis auf wenige Ausnahmen stets in der Perspektive des Schattenkindes gehalten – so sieht man etwa die eigenen Hände beim Hochheben eines edlen Schwertes – tragen zusätzlich dazu bei, den Betrachter in die Welt des Buches zu ziehen. Der Strich ist für meinen persönlichen Geschmack etwas zu steif, dafür gefällt mir der sehr flächige Stil umso mehr.

Die Special Edition

Sammler können alternativ zum einfachen Buch zu einer Special Edition von Reiter der schwarzen Sonne greifen, die allerdings nur im Webshop des Mantikore-Verlags erhältlich ist. Dieses enthält zusätzlich eine Posterkarte der Spielwelt, wie sie schon im Anfang des Bandes zu sehen ist, zwei Lesezeichen mit Motiven des Buches sowie das 20-seitige Booklet „Die Geheimnisse von Reiter der schwarzen Sonne“ und eine Soundtrack-CD. All dies wird von einem Pappschuber zusammengehalten.

Gerade das Booklet trifft meinen persönlichen Geschmack, da hier viel über die Entstehung von Reiter der schwarzen Sonne preisgegeben wird. So erfährt man mehr von der Entwicklung der Geschichte oder den Illustrationen von Fufu Frauenwahl von den ersten Skizzen bis zum fertigen Bild. Für viele dürfte aber vor allem eines interessant sein: die Lösungen der diversen – und eben mitunter auch ziemlich schweren – Rätsel.

Auch die CD bietet einiges. Zunächst werden 12 Musikstücke passend zu den einzelnen Kapiteln geboten, die wegen ihrer kurzen Dauer allerdings vor allem die Atmosphäre transportieren. Interessanter sind die Interviews mit Autor Swen Harder und Zeichner Fufu Frauenwahl mit rund drei Stunden Länge. Dazu kommen noch einige Galerien mit den Illustrationen oder Fotos von der Veröffentlichung.

Wer sich Reiter der schwarzen Sonne bereits in der reinen Buchform zugelegt hat, kann die Extras der Special-Edition im Komplettsatz für 9,95 EUR erstehen. Posterkarte, Booklet und Soundtrack werden alternativ auch einzeln angeboten.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Mantikore-Verlag
  • Autor: Swen Harder
  • Erscheinungsjahr: 2012
  • Sprache: deutsch
  • Format: broschiert
  • Seitenanzahl: 756
  • ISBN: 978-3-939212-40-9
  • Preis: 19,95 EUR / Special Edition 24,95 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon, Sphärenmeister (nur Standardausgabe)

 

Bonus/Downloadcontent

In der Downloadsektion auf der Homepage des Autors können diverse Dokumente wie das Abenteuer- Notiz- und Kampfblatt sowie ein Mondkalender und einer der Rätselpläne heruntergeladen werden.

Fazit

Reiter der schwarzen Sonne setzt neue Maßstäbe für Abenteuerspielbücher. Allein durch den Umfang erschließt sich dem Leser eine vielseitige Geschichte, in der sich dem Protagonisten nach anfänglichem Gedächtnisverlust ein höheres, machtvolles Schicksal erschließt, das jenseits des tobenden Krieges zwischen Sonnen- und Mondkult steht. Zuerst nebensächlich wirkende Entscheidungen entfalten oft erst viel später ihre eigentliche Wirkung, knackige Rätsel harren ihrer Lösung und die Vielseitigkeit der Alternativen motiviert zusammen mit diversen Bonusbelohnungen zur wiederholten Lektüre.

Der Einstieg fällt dank der schrittweise erklärten Regeln sehr leicht. Von der Verwendung eines Spielbuchs über den Kampf bis hin zu innovativen Neuerungen wie Sondereffekten spezieller Ausrüstung oder Kampfmanövern beim Drachenritt erschließen sich Stück für Stück die Möglichkeiten eines Spielbuchs. Auch die übersichtliche Strukturierung in einzelne Kapitel und die stimmungsvollen Illustrationen von Fufu Frauenwahl machen die Lektüre zu einem Vergnügen.

Egal, ob man zur einfachen Taschenbuchausgabe oder der Special Edition mit Hintergrundbuch, Soundtrack und Interviews greift: Reiter der schwarzen Sonne ist auf jeden Fall die Anschaffung wert.

Daumen5maennlich

Artikelbilder: Mantikore Verlag

 

3 Kommentare

  1. Danke für die ausführliche Rezi! Ich hatte das Buch überhaupt nicht auf dem Schirm, habe es mir aber jetzt mal geholt und bin nach dem Prolog recht optimistisch, dass es die geweckten hohen Erwartungen auch erfüllen wird.

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