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Dass ein Rollenspiel den Weltenband vor dem Grundregelwerk herausbringt, ist ungewöhnlich. Doch das Setting von Splittermond – die klassische Fantasywelt Lorakis – konnte auch bereits vor den Regeln viele Spieler begeistern und auch bei den Teilzeithelden eine top-Wertung einfahren. Grund genug, Mitautor Jan Uli Lindner aufzulauern und ihm ein Interview abzuringen.

Uli ist mit seinen fast 30 Jahren bereits erfahrener Rollenspiel-Autor. Nach dem Erlangen des ersten Preises mehrerer DSA-Abenteuer-Wettbewerbe wurde er 2009 für die DSA-Redaktion von Ulisses Spiele rekrutiert. Dort wirkte er an diversen Abenteuern und Quellenbänden mit, etwa Schild des Reiches, Hallen Arkaner Macht undDie Dunklen Zeiten. Sein DSA-Kampagnenband über die Befreiung der Wildermark, Von eigenen Gnaden, gilt bis heute als Liebling der Fans. Im Jahr 2011 wechselte er zum Uhrwerk Verlag, wo er seitdem unter anderem an Splittermond arbeitet.

Uli Lindner - unser Gesprächspartner.
Uli Lindner – unser Gesprächspartner.

Teilzeithelden: „Danke, dass du dir die Zeit nimmst, Uli.“

Uli: „Kein Problem. Über Splittermond rede ich doch gern.“

Teilzeithelden: „Jetzt ist der Weltenband ja schon draußen, der Regelband so gut wie im Druck. Wie fühlt sich das an?“

Uli: „Super! Auch die Reaktionen bisher haben uns große Freude gemacht und dazu animiert, mit vollem Elan am Regelwerk weiterzuarbeiten. Aber erst, wenn das Regelwerk da ist, sind wir wirklich fertig, vorerst zumindest.“

Teilzeithelden: „Was für Reaktionen habt ihr denn bekommen?“

Uli: „Was den Weltenband angeht, waren die Reaktionen überwiegend positiv. Was uns aber besonders freut: Wir haben aus einigen Ecken, die vorher skeptisch waren, gehört, dass es ihnen gefallen hat. Viele Leute gefällt auch die Welt an sich … es gibt schon zwei Savage Worlds-Konversionen. Das alleine zeigt ja das Interesse der Leute.“

Teilzeithelden: „Unterstützt ihr das denn, dass Spieler Lorakis schon mit eigenen Regeln bespielen?“

Uli: „Ja klar! Wir wissen, dass es im Rollenspielbereich als Regelwerk keine eierlegende Wollmilchsau gibt. Jemand der eher kein taktisches Spiel mag, wird mit den Splittermond-Regeln wahrscheinlich auch nicht glücklich werden. Wenn er aber trotzdem Lorakis mag, mag er immerhin die Hälfte unserer Sachen und das finden wir gut.“

Splittermond gegen DSA?

Der Weltenband  von Splittermond.
Der Weltenband von Splittermond.

Teilzeithelden: „Splittermond wird aktuell immer wieder mit Das Schwarze Auge verglichen. Dabei magst Du den Vergleich gar nicht so, oder?“

Uli: „Wir wollen lieber eigenständig wahrgenommen werden, können die Spieler aber in der Hinsicht auch verstehen. Ein Großteil unserer Autoren sind oder waren DSA-Autoren. Dabei ist es viel leichter zu sagen, was uns von DSA unterscheidet. Wir wählen einen anderen Ansatz und wollen keine so detaillierte Weltbeschreibung. Lorakis versucht eher eine stimmige Welt mit großem Abenteuerpotenzial zu sein, dabei aber auch viel Platz für eigene Geschichten zu lassen und nicht alles ins Detail zu definieren.“

Teilzeithelden: „Das bringt uns zum Konzept der ‚Weißen Flecken‘, also Orte und Landstriche in Lorakis, die ihr bewusst ungestaltet lasst und den Spielern zur Verfügung stellt. Wie kam es zu dieser Idee?“

Uli: „Ich habe als DSA-Autor und Spieler oft festgestellt, wie viele Probleme manche Rollenspieler doch damit haben, von offiziellen Setzungen abzuweichen. Um dieses Gefühl zu minimieren, haben wir Teile der Welt ausgeklammert. Spieler, denen Festsetzungen weitestgehend egal sind, machen mit Lorakis eh, was ihnen gefällt. Für die andere Spielergruppe ist es aber ein Angebot, sich einmal auszutoben, wie sie wollen und sich keine Sorgen machen zu müssen.“

Teilzeithelden: „Im Vorwort zum Weltenband schreibt Ihr ja auch, dass Ihr möchtet, dass grundsätzlich eher frei mit Lorakis umgegangen wird …“

Uli: „Das beruht auch auf meinem eigenen Spielverständnis. Ich sehe ein Setting für die einzelnen Spielrunden als eine Bühne an. Was man dann in der Spielrunde macht, definiert, was in der Welt passiert. Es geht eben nicht darum, eine große Story vorzukauen, die Gruppen dann nachspielen sollen. Lorakis ist eher eine Spielwiese, auf der man machen kann und soll, was man möchte.“

Teilzeithelden: „Verzichtet Ihr dann auf einen starken Metaplot?“

Uli: „Das ist jetzt die Frage, was ein ‚starker‘ Metaplot ist. Wir wollen mit Splittermond schon eine fortlaufende Geschichte haben, die in Abenteuern erzählt wird und die Welt beeinflusst. Wir verzichten aber auf eine zeitliche Kopplung – was ich meine, ist, dass ein Jahr auf Lorakis ein Jahr auf der Erde ist oder besser gesagt eher nicht. Wir wollen uns lieber mit Kampagnen oder Abenteuern vorwärts bewegen.“

 

Arabisch bis asiatisch wird es im Osten von Lorakis.
Arabisch bis asiatisch wird es im Osten von Lorakis.

Wahlheimat: Farukan

Teilzeithelden: „Was ist denn Deine persönliche Lieblingsecke von Lorakis?“

Uli: „Farukan, das Land an der Wüste Surmakar und den Steppen Jagodiens. Ich habe mich schon in meiner Kindheit für den Orient interessiert und orientalische Settings geliebt. In DSA habe ich mich lange mit den Tulamidenlanden beschäftigt. Deshalb habe ich mich schon früh entschieden, für das Land zu arbeiten. Für die Region hatten wir dann ein kleines Team und von Anfang an sehr fruchtbar zusammengearbeitet. Die Region ist uns dann allen so sehr ans Herz gewachsen, dass wir mit unseren Texten früher fertig waren, als wir mussten und als ‚Musterschüler‘ des Autorenteams galten – redaktionsinterne Hänseleien inklusive.“

Teilzeithelden: „Farukan ist ja auch von nichtmenschlichen Wesen bevölkert. Sind diese dann auch deine Lieblingsvölker?“

Uli: „Ich mag die Wüstengnome der Keschabid sehr gerne. In unserer Spielrunde haben wir beispielsweise einen, der gerne damit kokettiert, dass er der arme und schwache Gnom sei, um hinterlistig seine Ziele zu erreichen.“

Teilzeithelden: „Und Vargen?“

Uli: „Vargen mag ich auch, aber mein Herz gehört den normalen Farukanis. Das ganze System der Ehre, das den eigenen Stand definiert und je nach Region Ausnahmen hat, ist in der Praxis sehr witzig. Sehr schön auch in Kontrast zu den exilierten Fleckengnomen, den Keshubim, die aus dem Dschungel heraus einen Kleinkrieg gegen die körperlich überlegenen Menschenvölker führen.“

Teilzeithelden: „Deren Kampf ist ja moralisch durchaus zwiespältig. Dabei habt ihr auch das klassische Böse in das Setting gepackt. War Euch das wichtig?“

Uli: „Moralisch gesehen haben wir in Lorakis recht viel Grau. So sind sämtliche Menschenreiche weder schwarz noch weiß. Umso wichtiger war uns auch der Kontrast eines Bösen, mit dem man nicht verhandeln kann. Die Orks zum Beispiel. Wir haben uns dann lange darüber Gedanken gemacht, wie man das hinkriegen kann und sind zu ihrem unmenschlichen, insektoiden Hintergrund gekommen, den Brutmüttern und ihrer Verbindung zur Feenwelt samt totalem Hass auf das Diesseits. Unsere Orks hatten also nicht nur eine schlechte Kindheit, sondern wollen die Menschen einfach vernichten.“

Lorakis, ein modernes Fantasy?

So soll Splittermond aussehen; Illustrator: Florian Stitz
So soll Splittermond aussehen; Illustrator: Florian Stitz

Teilzeithelden: „Die Orks sind wirklich ungewöhnlich und erinnern noch am ehesten an die Dunkle Brut aus Dragon Age. Aber uns sind auch andere Parallelen zu aktuellen Spielen und Filmen aufgefallen. Sind diese bewusst gewählt?“

Uli: „Das sind meist Parallelentwicklungen, ohne direkt Anspielungen einbauen zu wollen. Ein Beispiel sind unsere Dämmeralben, die einige Leute mit den Na‘vi aus Avatar– Aufbruch nach Pandora vergleichen. Wir wollten eben keine gewöhnlichen Waldelfen haben, sondern Dschungelelfen. In den Dschungeln sollte es dann eine monströse Fauna geben. So hat sich das Volk schrittweise angenähert, ohne dass wir die Na‘vi konkret adaptieren wollten.“

Teilzeithelden: „Ein Teil von Lorakis wurde auch mal mit Westeros verglichen …“

Uli: „Ja. Aber ich weiß genau, dass Game of Thrones beim Design keine Rolle gespielt hat. Das ist immer eine Frage, mit welchen Gedanken im Hinterkopf man unsere Weltbeschreibung liest.“

Teilzeithelden: „Machen denn diese Parallelen, freiwillig oder unfreiwillig, Splittermond und Lorakis auch aktueller und moderner als andere über Jahrzehnte gewachsenen Fantasy-Welten?“

Uli: „Das weiß ich nicht. Die meisten Leute denken bei modernem Rollenspiel ja eher an Regelsysteme wie Fate. In dieser Hinsicht sind wir nicht sehr modern. Auch unsere Welt ist eigentlich sehr klassisches Fantasy mit vielen Aspekten, die ein Spieler wiedererkennen dürfte.“

Teilzeithelden: „Zumindest die Farbe von Splittermond ist ungewöhnlich und modern: Warum eigentlich Hellblau?“

Uli: „Wir wollten eine Farbe, die bisher noch nicht mit einem Rollenspiel verbunden war. Das Blaue gefiel uns allen einfach sehr gut. Und rückblickend muss man sagen: Splittermond sticht damit in einem Rollenspielregal heraus.“

Teilzeithelden: „Und wird demnächst um das Regelwerk erweitert. Was bringt die Zukunft noch für Splittermond?“

Uli: „Zunächst bringen wir das Regelwerk heraus. Das befindet sich inzwischen im Layout und die erste Hälfte des Buches ist bereits bei den Autoren für letzte Korrekturen. Nächste Woche sollte dann soweit alles fertig sein und das Buch sollte in den Druck gehen können – und dann werden wir auch einen Release-Termin mitteilen. Dabei wird es das Grundregelwerk als PDF auch kostenlos zum Download geben. Dann schauen wir weiter. Weitere Produkte sind bereits in Arbeit und teilweise auch fast fertig, darunter die zwei ersten Abenteuer für Splittermond. Und auch ein Ausrüstungsband ist bereits recht weit und sollte definitiv noch dieses Jahr kommen. Und im Juli findet das erste Splittermond-LARP statt. Die kleine Con wird von Spielern organisiert, die wir kennen. Die wollten sowieso einen Feenjahrmarkt machen und da bot sich Splittermond als Hintergrund an. Einige unserer Autoren gehen sogar in Rolle hin und wir sind sehr gespannt.“

Teilzeithelden: „Wir auch. Was muss man denn tun, um bei Splittermond mitzumachen?“

Uli: „Das ist eigentlich keine große Hexerei. Wir alle haben mal als Fanboys angefangen. Das einfachste ist natürlich, uns auf Abenteuer-Wettbewerben zu beeindrucken. Aber man kann uns auch jederzeit eine Textprobe schicken. Wenn wir dann sehen ‚Hey, derjenige kann schreiben und hat coole Ideen für Splittermond‘ können wir schauen, wie es weitergeht.“

Artikelbilder: Uhrwerk Verlag

 

2 Kommentare

  1. Verdammt, so langsam steckt mich die Vorfreude auf Splittermond echt an, aber ich befürchte, ich werde mich mir den Regeln nicht so richtig anfreunden können. Die sind zu aufwendig für die fehlende Taktik.

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