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Den 140 Seiten dicken Band durchzuschmökern, gleicht einer Zeitreise selbst. Ist man erst irritiert von dem deutlich anderen Zeichenstil, reißt einen die spannende Geschichte schnell in ihren Bann. Nur zwei Kapitel jedoch beschäftigen sich mit der verfilmten Geschichte, der Rest ist Zusammenfassung und Addendum. Zuvor sei gesagt – es ist so einiges anders, als es auf die Leinwand gebracht wurde.

Handlung

Die Neuauflage der zusammengefassten The Uncanny X-Men 138-143 bringt einige andere Episoden im Leben der X-Men an den Leser. Alles beginnt mit den trauernden Mutanten, die nach dem Freitod von Jean Grey (aka Dark Phoenix) an ihrem Grab stehen und die wichtigsten Erlebnisse der Helden Revue passieren lassen. Es ist Scott Summers, auch bekannt als Cyclops, der hier die erzählende Rolle übernimmt und am Ende des Kapitels den X-Men den Rücken zuwendet. Eines fällt auf – in der Retrospektive erscheinen die damaligen Abenteuer wirr und stark konstruiert – damals hat man sich wohl noch nicht so viele Gedanken über konsistente Storyboards gemacht.

Danach geht es nach Kanada, wo Wolverine und Nightcrawler nicht nur das dortige Beschützerteam Alpha Flight treffen, sondern auch einen alten Feind. Klicheehafterweise müssen auch noch eine Frau und ein Kind gerettet werden. Spannend zu lesen, aus heutiger Sicht fürchterlich illustriert (die Proportionen stimmen teils überhaupt nicht), aber äußerst kurzweilig. Schließlich muss natürlich auch noch die Heldin der namensgebenden Reihe eingeführt werden – Kitty Pride, späterer Codename Shadowcat. Sie kann durch Wände gehen und sich durchlässig für Klingen und Kugeln machen. Denn nicht Wolverine reist in die Vergangenheit, sondern sie.

Im Jahr 2013 sind die Sentinels, riesige von Menschen konstruierte Roboter, zurückgekehrt und haben die Kontrolle über die USA übernommen. Sie jagen Mutanten, die ein Abzeichen tragen müssen und sperren diese in sogenannten Kontrollzonen. Die Menschheit wird in drei Gruppen unterteilt: Menschen, Mutanten und Menschen mit dem passiven Mutanten-Gen. Bollivar Trask, Konstrukteur der Sentinels, ist längst tot.

Mystique nimmt in der Vergangenheit von 1980 eine viel stärkere Rolle ein und ruft einige Gefährten zur neuen Bruderschaft der bösen Mutanten zusammen. Gemeinsam mit diesen beabsichtigt sie, einen Präsidentschaftsanwärter zu töten (dessen Name schon in anderen X-Men-Filmen aufgetaucht ist, daher konnte dieser wohl nicht mehr dafür benutzt werden). Doch damit eskaliert überhaupt erst die Lage und es gilt, diesen Vorfall zu verhindern.

Die gealterte Kate, in jungen Jahren Kitty genannt, willigt ein, dass ihr Geist in ihr jüngeres Ich transferiert wird. Sie soll die X-Men vor dem bevorstehenden Attentat warnen und damit die Zeitlinie ändern. In der dystopischen Zukunft stirbt derweil ein Mutant nach dem anderen. Von einem bleibt sogar nur ein metall-ummanteltes Skelett übrig. Und so nimmt die Geschichte ihren Lauf …

Was dann passiert, ist sehr hochstilisiert und bedient sich eines vorher in der Geschichte vorgestellten Elements – die Geschichtsführung ist in sich intensiv und einprägsam, weiß auch durch Unerwartetes zu glänzen. Abschließend darf der Leser noch eine Episode aus dem Leben der jungen Kitty miterleben, bei welcher sie unerwünschten Besuch von einem Wesen bekommt – nicht ganz zufällig ähnelt die Darstellung des angreifenden N’Garai den Aliens aus den gleichnamigen Filmen.

Charaktere

Ich war sehr überrascht von der tiefen emotionalen Komponente vieler Panels – so intensiv die dargestellten Gefühle sind, so einfach werden sie auch verständlich an den Leser transportiert. Heutigen Comics kann man anlasten, dass sie oft erwarten, der Leser möge jede noch so kleine Mimikregung erkennen und aus der Wortknappheit einiger Protagonisten deren tiefe psychische Zerrüttung erkennen. Vielleicht sollten die Zeichner und Storyboard-Macher doch wieder einen kleinen Schritt in die Vergangenheit wagen – denn wie sagt man so schön? Halte es einfach!

Sei es nun Nightcrawlers Unsicherheit, der tiefsitzende Schmerz in Cyclops oder auch Wolverines stille Ethik, der weit mehr fühlt, als man ihm ansieht – das ist deutlich, stark einprägsam und leitet den Leser. Gute Geschichten mit starken Akteuren konnte man damals schon erzählen.

Besonders Kitty steht natürlich stark im Vordergrund und auch die Beziehung zu ihrer Mentorin, Storm, erklärt viel dessen, was auf den Zeitachsen passiert. Ich wünschte mir diese Klarheit der charakterlichen Tiefe auch heute noch ein wenig.

Zeichenstil

Zeichnerisch kann der Comic natürlich nicht mit heutigen Produkten mithalten. Aber wozu auch? Er ist ein Stück Comicgeschichte. Aus jetziger Sicht sind viele Proportionen falsch, viele Farbgebungen eigenwillig und es fehlt auch das ganze Drumherum in den Panels. Diese konzentrieren sich auf die wichtigen Elemente und wählen oft eine einzelne (nicht immer passende) Farbe als Hintergrund.

Interessanterweise ist der Anteil an Textpassagen ungewohnt hoch, verglichen zu heutigen Comicreihen. Aber vielleicht macht genau das den Nachdruck so reizvoll.

John Byrnes Stil ist dennoch für seine Zeit eingängig und klar – er weiß, die Objekte deutlich darzustellen und das Auge auf sie zu lenken.

Preis-/Leistungsverhältnis

Für 14,99 EUR erhält man auch hier gute Panini-Qualität. So fällt auch nicht weiter ins Gewicht, dass die eigentliche Geschichte nur zwei Kapitel umfasst. Die anderen sind wunderbares Füllwerk, das den Bezug zu den Charakteren gut vertieft.

Erscheinungsbild

XMENZUKUNFTISTVERGANGENHEITSOFTCOVER_Softcover_579Hier gibt es, wie bei Panini bislang üblich, wenig zu beanstanden. Das Softcover hat einen verstärkten Hochglanz-Umschlag, versehen mit dem bekannten Cover. Das Papier ist griffig, der Druck scharf und farbintensiv. Auch das Gewicht ist zu vernachlässigen. Somit stellt der Band einen guten Begleiter zur abendlichen Bettlektüre dar.

Die harten Fakten:

  • Verlag: Panini Comics
  • Autor(en): Chris Claremont, John Byrne
  • Zeichner(in): John Byrne
  • Erscheinungsjahr: 2014
  • Sprache: deutsch
  • Format: Softcover
  • Seitenanzahl: 140
  • Preis: 14,99 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Uns ist kein zusätzlicher Content bekannt.

Fazit

Nicht nur die Geschichte des Comics, sondern auch der Comic selbst, ist eine Zeitreise. Eine Zeitreise in frühere Storyboards und Zeichenkünste. John Byrne hat jedoch bewiesen, dass seine Geschichte zeitlos ist. Vor allem aber auch hat sie ungeheures Potential, wie unlängst bei der Verfilmung bewiesen wurde.

Die Geschichte rund um die zeitreisende Kitty Pride, die in ihr jüngeres Selbst versetzt wird, um die X-Men vor einem Attentat zu warnen, welches eine dystopische Zukunft einläutet, gehört nicht umsonst zu den beliebtesten Marvel-Abenteuern. Auch die anderen Kapitel des Sammelbandes lassen sich sehen, besonders hervorzuheben ist der kurze Durchlauf der wichtigsten Abenteuer der X-Men bis zum Tod von Jean Grey.

Zeichnerisch sind die Comics natürlich nicht mit heutiger Kunst zu vergleichen, aber wer will das auch schon? Das verwöhnte Auge des Lesers wird jedoch davon immer wieder abgelenkt und aus heutiger Sicht schmälert das den Lesegenuss ein klein wenig. Dennoch gehört der Band in das Regal jedes X-Men-Fans.

Daumen4Maennlich

Artikelbilder: Panini Comics

 

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