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Auch wenn ich normalerweise lieber vor als hinter dem Meisterschirm sitze, habe ich mich dazu entschlossen, zur Abwechslung einmal selbst wieder eine Runde zu leiten. Der Grund: Die Position des außenstehenden Beobachters eignet sich einfach besser, um Schwächen und Stärken eines Systems zu bemerken. Aber auch meine Spieler haben fleißig bewertet und nachgeschaut, sodass am Ende des Abends mehrere Seiten Notizen und Anmerkungen auf meinem Schreibtisch lagen. Nun werde ich eben diese Notizen zu einem Text zu verarbeiten, der die Stimmung am Spieltisch einfängt und ihr dürft natürlich daran teilhaben.

Ein kurzer Hinweis, bevor ich anfange: In diesem Spielbericht geht es vor allem um unsere Eindrücke und Anmerkungen das Spielgefühl betreffend. Die regeltechnischen Gründe und passenden Verbesserungsvorschlägen werde ich in einem separaten Text behandeln, den ihr auch demnächst hier lesen könnt. Ansonsten würde das den Rahmen dieses Artikels deutlich sprengen.

Die Vorbereitung

Das Vorbereiten einer DSA-Runde kann regelrecht in Arbeit ausarten – vor allem, wenn man noch erst alle Charaktere bauen muss. Allerdings war ich hier positiv überrascht, denn die Redaktion hat ihr Versprechen gehalten: Nach etwas Einarbeitungszeit lässt sich ein Charakter gut in einer knappen Stunde bauen.

Auffallend ist auch, dass die Professions-Schablonen anscheinend darauf ausgelegt sind, sehr schnell einen „spielfertigen“ Helden zu generieren. Das heißt, dass bei den meisten gängigen Professionen kaum noch Abenteuerpunkte zum Steigern vorhanden sind, im Gegenzug starten sie allerdings meist mit etwas höheren Werten in den am häufigsten benötigten Talenten, als bisher üblich.

Die Charaktere im Einzelnen waren ein zwergischer Söldner, ein Rondrageweihter, ein Magier und eine elfische Wildnisläuferin. Während ich bei den ersten beiden vollkommen einverstanden mit der Auswahl der angegebenen Fertigkeiten war, musste ich bei den letzten beiden einige Änderungen vornehmen, nämlich bei der Zauberauswahl. Während das beim Magier vor allem geschah, um ihn mit meinen persönlichen Lieblingszaubern auszustatten, waren die Gründe bei der Elfe deutlich pragmatischer: Hier waren sieben Zauber mit einem Wert von 4 angegeben, was recht niedrig ist, also habe ich zwei davon gestrichen und die freigewordenen AP auf die anderen Zauber umverteilt.

Für die, die sich jetzt wundern, oder sich schlichtweg noch nicht mit DSA5 beschäftigt haben, sei gesagt, dass es tatsächlich so einfach ist die Schablonen zu modifizieren. Durch den Wegfall von GP und Lernerleichterungen bleiben die Kosten jederzeit nachvollziehbar. Das Berechnen der abgeleiteten Werte wie zum Beispiel den Lebenspunkten, ist zwar einfacher, aber nicht wirklich schneller geworden.

Nach dem Erstellen der Charaktere kommen bekanntlich das Lesen und Vorbereiten des Abenteuers, diese werde ich allerdings weiter unten nochmals gesondert behandeln.

Wie sich das Ganze anfühlt …

Der eigentliche Grund für die Testrunde meinerseits war nicht etwa der Stresstest für die neuen Regeln, sondern eher die Neugier, ob sich mit ihnen das Spielgefühl ändert.

Soll heißen: Ist DSA immer noch DSA?

In weiten Teilen kann ich das bejahen, in einigen wenigen überhaupt nicht, vor allem, wenn es um Geweihte geht. Mit der Anpassung karmalen Wirkens an das Magiesystem hat man zwar einen – rein, was das Regeldesign angeht – logischen Schritt gewählt, allerdings fühlen sich Geweihte jetzt massiv anders an. Denn mit dem jetzigen Stand der Betaregeln spielte sich der Rondrageweihte wie ein Magier, dessen Zauber eben Liturgien heißen.Dies liegt vor allem darin begründet, dass Geweihte jetzt einen viel größeren Vorrat an Karmapunkten haben, während einige Liturgien sogar günstiger geworden sind. Während dies vor allem im Bereich der 12 Segnungen nötig war und nachvollziehbar ist, nimmt es den Götterdienern aber einen großen Teil ihrer Mystik. Denn Geweihte waren bei DSA immer vorrangig Priester, was durchaus auch das Wirken von Liturgien mit einbezog, aber eben nicht ausschließlich. Nach DSA5 spielt sich ein Geweihter aber eher wie ein Kleriker aus D&D, also wie ein Zauberer, der eben statt arkaner Energie göttliche Macht zum Wirken seiner Sprüche verwendet. Zusammengefasst bedeutet das also, dass die Entscheidung zur Anpassung zwar absolut nachvollziehbar ist, das Spielgefühl sich in diesem Bereich aber massiv von den vorhergegangenen Editionen unterscheidet. Man hat diesen Bereich schlichtweg nach meiner Meinung – und der meiner Gruppe – mangelhaft umgesetzt.

Ebenfalls große Veränderungen haben auch im Kampfsystem stattgefunden und mein erster Eindruck hat sich bestätigt: Das neue System ist schneller, aber weniger taktisch.

Die schnellere Konfliktabwicklung ist vor allem dem neuen Wunden-System geschuldet. Ein getroffener Gegner oder Charakter erhält nämlich pro Wunde zusätzliche 1W3 Trefferpunkte und ist bei vier Wunden automatisch ausgeschaltet. Außerdem sorgt diese Änderung dafür, dass die Kämpfenden auch einmal schnell ohne Waffe dastehen oder im Dreck liegen …weshalb es ja nun Schicksalspunkte gibt, um ein vorzeitiges Ableben des Helden zu verhindern. Dies fühlt sich schneller und intuitiver an und senkt die Dauer von Kämpfen merklich.

Auf der anderen Seite sind Auseinandersetzungen wegen den neuen Distanzklassen weniger taktisch, als bei der vorherigen Edition. Man kann den Gegner jetzt nämlich immer angreifen, ungeachtet der Distanzklasse seiner Waffe und lediglich gewisse Auf- oder Abschläge auf die Würfe sind zu beachten. Zum Beispiel erhält der Dieb mit seinem Dolch einen Abzug von vier Punkten auf seine Attacken und Paraden, wenn er gegen einen mit einer Hellebarde bewaffneten Gardisten kämpft …während er bei DSA4.1 erst einmal in seine Distanzklasse hätte vorrücken müssen, um überhaupt angreifen zu können. Ich persönlich habe mit dieser Änderung kein Problem, allerdings weiß ich von vielen Spielern, die eben diesen taktischen Aspekt mochten.

Was mir allerdings schon beim Generieren der Helden stark aufgefallen ist, sind die Leiteigenschaften. Denn die Basiswerte für Attacke und Parade sind jetzt nur noch, je nach Waffe, von Körperkraft oder Gewandtheit abhängig. Das heißt, wenn man nicht in mindestens einer dieser Eigenschaften einen hohen Wert hat, sollte man sich aus Nahkämpfen tunlichst heraushalten. Ein kleines Beispiel: Der Söldner hat in der Kampftechnik Zweihand-Hiebwaffen einen Wert von 8, ebenso der Magier in Stangenwaffen, während die Leiteigenschaft für beide Körperkraft ist. Die Körperkraft des Söldners beträgt 15, die des Magiers 11, woraus sich ein AT-/PA-Basiswert von 10 für ersteren und von 6 für zweiteren ergibt. Folglich kämpft der Söldner mit seinem Zwergenschlägel auf 14/14 und der Magier mit seinem Stab auf 10/10…und das trotz eines gleich hohen Fertigkeitswerts! Das ist ein gewaltiger Unterschied und fördert das „Powerplay“ ungemein.

Ansonsten konnten wir aber keine großen Unterschiede im Spielgefühl erkennen.

Und sonst?

Eine Sache, die meine Gruppe stellenweise stark verwundert hat, war die Zuordnung von Fertigkeiten in ihre Kategorien. Als Beispiele seien hier Pflanzen– oder Tierkunde genannt, eigentlich ja Wissenstalente, die aber unter den Naturtalenten aufgeführt werden.

Eher etwas amüsiert hat uns hingegen unsere Erkenntnis, dass DSA5 wohl das einzige Rollenspiel ist, in dem Willenskraft eine Fertigkeit ist. In allen anderen uns bekannten Systemen ist diese eine separate Eigenschaft.

Auch einige Talentbezeichnungen sind etwas seltsam, zum Beispiel Stoffbearbeitung. Ich denke, mit Schneidern hatte noch nie jemand ein Problem.

Was die Kampftechniken angeht, herrschte kurz Verwirrung wegen der Zuordnung von Anderthalbhändern zu Schwertern. Ich bin der Meinung, dass erstere als separate Kampftechnik erhalten bleiben sollte, eben weil das „Schwert zu anderthalb Händen“ anders zu führen ist als ein Schwert oder Zweihandschwert. Von meiner Gruppe kam hingegen der Vorschlag, nach dem Prinzip „Ganz oder gar nicht“ vorzugehen und alle Schwerter zur Kategorie Klingenwaffen zusammenzufassen.

Auf großes, allgemeines Wohlwollen ist die Umwandlung von Schilde und Ausweichen in Kampftechniken gestoßen. Vor allem, da sich bei ersteren nun auch Manöver richtig und sinnvoll umsetzen lassen. Denn ein Schild ist eben mehr als ein frei bewegliches Stück Rüstung.

Ein paar Worte zum Abenteuer

Eine Rezension wird an dieser Stelle nicht erfolgen, schließlich handelt es sich ja um ein Beta-Produkt. Trotzdem werde ich meine Meinung von der Quelle des Nagrach an dieser Stelle kurz kundtun und diese erklären.

Wie jedes der Beta-Abenteuer hat auch Die Quelle des Nagrach einen besonderen Schwerpunkt, in diesem Fall das Kampfsystem. Hier bekommt man als Gegner so ziemlich alles vor das Schwert, was man sich vorstellen kann, von Banditen über wilde Tiere bis hin zu Dämonen und bösen Magiern.

Der Ort der Handlung ist das Bornland. Die Helden haben schon seit einiger Zeit sehr reale Träume und regelrechte Visionen von „einem alten Geist, der einen jungen Geist beugt“ und vom Erwachen des Bornlandes, das den Rahmen für dieses Abenteuer darstellt. Als sie in dem beschaulichen Dorf Silling ankommen, werden sie fast augenblicklich zum Baron der Ortschaft gebracht, der die Helden bittet, ihm in einer verzwickten Angelegenheit beizustehen. Es wurden nämlich einige seiner Leibeigenen entführt und nun liegt es an den Helden, die Situation zu lösen.

Spoiler

Die Entführerin der Dorfbewohner ist die Hexe und Nagrach-Paktiererin Jadminka Eisherz. Ihr Geist schlummerte Jahrhunderte lang im nahe gelegenen Sumpf und manifestierte sich durch das Erwachen des Bornlandes erneut. Dann unterwarf sie die junge Hexe Nadjescha und entführte die Dörfler, um mit einem als Opfer ein Ritual durchzuführen, das ihren Geist dauerhaft in Nadjeschas Körper band. Als die Helden allerdings den Ort des Rituals erreichen, ist sie bereits verschwunden, nur die beiden überlebenden Opfer können Hinweise über sie geben.

Als nächstes reisen die Helden mit Hüter Rowin, einem Praiosgeweihten, der zur Untersuchung der Vorfälle in Silling angereist ist, zum Kloster Urischalur, um die Bedeutung hinter ihren Visionen zu erfahren und Informationen über die Hexe zu sammeln. Diese ist den Helden aber schon zuvorgekommen, hat die Bibliothek geplündert und diese danach angezündet. Nachdem die Spieler also den Mönchen bei der Brandbekämpfung geholfen haben und endlich genauere Informationen zu Jadminka haben, geht die Jagd schon weiter.

Die Hexe versucht nämlich mit Hilfe eines gestohlenen Artefakts die namensgebende Quelle des Nagrach zu benutzen, um das ganze Bornland in ein Land ihres eisigen Herren zu verwandeln. Allerdings weiß sie noch nicht, dass auch andere Mächte an dem Unheiligtum interessiert sind …

[Einklappen]

Schade ist die Tatsache, dass Anfang der Handlung einiges an Railroading nötig ist, um die Gruppe auch tatsächlich auf die richtige Fährte zu führen, hingegen hat man beim Abschluss der drei Kapitel jeweils mehrere Möglichkeiten diese abzuschließen.

Optisch sieht das Abenteuer sehr gut aus, und die Illustrationen sind stilistisch aufeinander abgestimmt, auch wenn eines der Charakter-Porträts nicht mit der Beschreibung übereinstimmt. Persönlich am meisten gefreut habe ich mich aber über die Präsentation der Spielwerte der NSC: In übersichtlichen Kästen angeordnet, sehr übersichtlich und mit zusätzlichen Informationen zu Talentproben ergänzt.

Das Abenteuer ist entweder als kostenloses PDF oder als Hardcopy für 7,99 EUR erhältlich, wobei das Ganze in einer schicken Heftform mit vollfarbigem Hochglanz-Einband gestaltet ist. Von mir aus könnten Abenteuer nur noch in dieser Druckform angeboten werden, das würde sehr viel Geld sparen.

Fazit

Um es auf den Punkt zu bringen: Ja, DSA fühlt sich in der Beta der fünften Edition anders an. Das ist an einigen Stellen positiv, zum Beispiel bei der deutlich schnelleren Abwicklung von Kämpfen, an anderer Stelle geht allerdings das mystische Spielgefühl der Geweihten größtenteils verloren. Bleibt abzuwarten, was sich mit der endgültigen Veröffentlichung von DSA5 noch ändert.

Das Abenteuer ist von Handlung und handwerklicher Qualität her gut gelungen und wird eine Gruppe, je nach Spielstil, zwei bis vier Abende lang gut unterhalten.

Habt ihr schon Erfahrungen mit der Beta gesammelt? Dann schreibt euer Feedback in die Kommentare und tauscht euch mit mir aus.

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6 Kommentare

  1. Warum sollte es falsch sein, AT Werte von KK und GE abhängig zu machen? Bzw dass ein starker Krieger abseits allen Gelerntens besser zuhaut als ein Magier, eben weil er mehr KK hat, erscheint mir ziemlich logisch.

    Ansonsten merke ich noch an: WTF, eine Stunde Charakterbau *wenn man sich eingearbeitet hat*?? Mich würde das mal interessieren, was genau braucht da so lange? Vielleicht habt ihr ja Zeit, das mal vorzustellen.

    Cheers!

    • Ja, klar. Und beides wär mir bei weitem zu lang für einen SC. Ich wundere mich halt nur, was da lang dauert (ohne jetzt je in DSA5 oder 4.1 reingesehen zu haben. In meiner Vorstellung wäre das Attribute auswürfeln/verteilen, abgeleitete Werte aufschreiben, Talente aufschreiben, Ausrüstung rein und fertig. Warum dauert das so lang bei DSA?

    • Ich gebe zu dass das bestimmt schwer nachvollziehbar ist wenn du noch keine Errfahrungen mit DSA hast.
      Du musst nämlich schon ein paar Sachen mehr beachten, nämlich in dieser Reihenfolge: Spezies, Kultur, Eigenschaften, abgeleitete Werte, Profession, Vor-/Nachteile, Talente, Kampftechniken, Sonderfertigkeiten, eventuell noch Zauber oder Liturgien und dann kannst du deine restlichen AP versteigern. Die Sachen hängen auch oft voneinander ab, sodass du immer ein bisschen aupassen musst dass am Ende alles stimmt.
      Hört sich jetzt bestimmt ultaranstrengend an, geht aber ganz angenehm. DSA 4.1 ist da schlimmer, weil es keine (durchschaubare) gemeinsame Berechnungsebene gibt…und es gut mal zwei bis drei Stunden dauern kann.^^

  2. Wir finden die Geweithenregeln auch falsch umgesetzt. Jedoch kann man mit den anderen Regeln seinen Charakter mehr so gestalten, wie man möchte. Das gefällt uns und auch die Kampfregeln sind sinnvoll.

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