Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten

Science: „Captain, wir erhalten soeben einen Notruf von DS4. Sie werden angegriffen.“

Captain: „Wissen wir etwas über die Stärke des Feindes?“

Science: „Drei Schlachtschiffe der Leviathan Klasse, Sir.“

Captain: „Wie viele unser eigenen Schiffe sind in Reichweite?“

Science: „Nur ein Escort-Kreuzer.“

Captain: „Communication, kontaktieren Sie den Kreuzer und bitten Sie ihn um Unterstützung, wir werden den Feind angreifen. Helm, setzen Sie Kurs auf DS4, maximum Warp.“

Science: „Kurs 245, 20k.“

Helm: „Kurs 245 liegt an, maximum Warp.“

Science: „DS4 ist beschädigt, Schilde runter auf 40 %.“

Captain: „Wir sind zu langsam. Engineering, wir brauchen mehr Energie für den Antrieb.“

Engineering: „Aye Sir, ich werde unsere Reserven mobilisieren.“

Communications: „Bestätigung vom Kreuzer, sie haben Kurs auf DS4 gesetzt und werden uns unterstützen.“

Weapons: „Soll ich die Torpedos klar machen?“

Captain: „Ja. Laden Sie EMP und Nukes.“

Nein, das ist kein Ausschnitt aus einer Folge einer der vielen Star Trek-Fernsehserien und auch kein Auszug aus dem Dialog einer GURPS Space-Runde, sondern entspricht in etwa einem typischen Dialog aus einer Runde Artemis Spaceship Bridge Simulator, einem der Highlights auf der diesjährigen Nordcon.

Das Spiel auf der Nordcon

Bei dem Artemis Spaceship Bridge Simulator handelt es sich im Grunde um ein computergestütztes Rollenspiel, bei dem sechs Spieler jeweils in die Rolle von Offizieren auf einer Raumschiffbrücke schlüpfen. Jeder dieser Spieler übernimmt dabei eine spezielle Station, als da wären der Steuermann (Helm), Wissenschaftsoffizier (Science), Chefingenieur (Engineering), Kommunikationsoffizier (Communications), Bordschütze (Weapons) und natürlich der Kommandant (Captain). Der Clou dieses Rollenspieles ergibt sich nun daraus, dass der Grundstein einer dramatischen Handlung nicht von einem Spielleiter vorgegeben, sondern von einem Computerprogramm simuliert wird. Dieses Programm muss im Vorwege auf sechs Rechnern installiert und gestartet werden und diese Rechner müssen in einem LAN miteinander verbunden sein. Auf diese Weise startet jeder Spieler die für seine Rolle passende Oberfläche und kontrolliert damit seine jeweilige Station. Einer der sechs Rechner fungiert als Server und versorgt alle anderen mit den wichtigen Infos. Ein mit diesem Rechner verbundener Monitor, oder besser noch Beamer, bildet den Hauptsichtschirm der Brücke und damit in etwa das, was der Captain sieht, der in der Tat keine eigene Station zur Verfügung hat. „Es ist ein kooperatives und vor allem auch kommunikatives Computerspiel. Man muss kommunizieren, viel kommunizieren“, stellte Ron, einer der Organisatoren, dazu fest.

Ron und eine Handvoll Freunde hatten es für die Nordcon auf sich genommen, dieses Spiel einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen und Artemis hat dabei zu Recht viele neue Fans gefunden. „Eingeschlagen wie eine Bombe“, kommentiert Ron den Zuspruch auf der Convention. Die Organisatoren um Ron haben Artemis ursprünglich auf LAN-Partys gespielt und so schon viele Flugstunden gesammelt. Einige von Ihnen gehören sogar zu Die Loge e.V., einem der die Nordcon maßgeblich veranstaltenden Vereine, und so war es vermutlich unvermeidbar, dass irgendwann die Anfrage kommen würde, ob sich Artemis nicht auch auf der Nordcon für eine breite Masse realisieren ließe.

Dazu brauchten wir natürlich die nötige Hardware. Und da keiner von uns willens war, seinen privaten oder gar dienstlichen Rechner zur Verfügung zu stellen, mussten wir uns die Geräte vom Chaos Computer Club Hamburg leihen, die uns ihre Hardware freundlicherweise ausliehen – allerdings ohne Festplatten.“, erklärt Ron. Bis die Begeisterung auf der Convention ausbrechen konnte, musste also einiges organisiert und zusammen gebastelt werden. „Selbst auf der Nordcon hatten wir noch mit einigen technischen Problemchen zu kämpfen.“

Nach einer Vorstellungsrunde, bei der die Mannschaft komplett aus den Organisatoren bestand, wurden jeweils fünf interessierte Spieler für etwa anderthalb Stunden zu neuen Abenteuern in die unendlichen Weiten geschickt. Für die Nordcon mussten die Organisatoren eine Kadettenschulung konzipieren, die den Spielern einen möglichst schnellen Einstieg in das Spiel gewährleisten sollte. Und so wurde jedem Kadetten nach etwa 15 Minuten das Offizierspatent ausgehändigt, und die gefährlichen Missionen begannen.

Der Captain des Raumschiffes wurde bei den Missionen von einem der erfahrenen Organisatoren gestellt. Es gab laut Ron allerdings auch eine Ausnahme dazu. „Wir hatten einen Spieler, der gleich mit einer Star Trek: The Next Generation-Uniform ankam, sogar im Range eines Captains. Selbstverständlich durfte der in meinem Stuhl Platz nehmen und ich übernahm die Rolle des ersten Offiziers, der ihn anfangs etwas mehr unterstütze. Es dauerte nicht lange, bis der Spieler seinen Posten ohne meine Hilfe ausfüllen konnte.“

Neben den Spielern und dem ganzen Gerät hatten auch etwa ein Dutzend Zuschauer Platz in dem Raum auf der Convention. Und diese Plätze waren häufig gut belegt, so unterhaltsam war es, den Spielern bei ihrem Treiben zuzusehen. Auf den Monitoren der Spieler spielten sich scheinbar völlig unterschiedliche Filme ab, so individuell waren die Stationen bestückt. Der Kommunikationsoffizier bekam eine Reihe von Schiffen und Stationen angezeigt und konnte diese mit einer Auswahl von Anfragen kontaktieren, der Ingenieur hatte eine Schadenskontrollübersicht sowie eine Reihe von Schiebereglern für die Verteilung der Energie auf dem Schiff und so weiter. Dafür erzitterten alle Anzeigen synchron bei Einschlägen durch feindlichen Beschuss. Dass der Captain selbst gar keine eigene Station hatte, machte das Frage- und Antwortspiel der Crew so unterhaltsam und die simulierte Dramatik mit den Kämpfen richtig spannend – für Spieler und Zuschauer.

Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob sich das Spiel nicht auch via Teamspeak oder Google Hangout spielen ließe. „Man sollte schon in einem Ort zusammenkommen, rät Ron. „Zum einen ist der Hauptbildschirm ganz wichtig und den kann nicht jeder sehen, wenn die Spieler jeweils bei sich zuhause am Schreibtisch sitzen. Und zum anderen ist die Kommunikation einfach ein wesentliches Element des Spiels und die lebt eigentlich davon, dass alle Spieler in einem Raum sind. Mal abgesehen davon, dass es auch einfach ein schönes gemeinsames Erlebnis ist – das bekommst Du so nicht mit Teamspeak.“

Heimgebrauch

Das technische Setup von Artemis sei, laut Ron, eher anspruchslos. Der Server für die Veranstaltung auf der Nordcon war beispielsweise ein sieben Jahre alter Laptop. Die Artemis-Homepage nennt zwar auch keine genaueren Spezifikationen, weist aber unter anderem auf den Einsatz von DirectX 9 und damit auf einen mehr als 10 Jahre alten Standard hin. Windows ist allerdings eine Grundvoraussetzung, wobei es mit Hilfe von WINE auch auf Linux-Rechnern läuft (was die fünf Stationen bewiesen) und dementsprechend vermutlich auch auf einem Mac zum Einsatz kommen könnte. Eine kurze Recherche auf der Homepage des Projektes ergab, dass längst auch Android- und iOS-Apps dafür erhältlich sind, die jeweils zu 100% mit den anderen Versionen kompatibel sind.

In der Regel braucht man sechs Spieler, aber erfahrene Crewmitglieder berichten, dass man auch einem Spieler zwei Stationen geben, Science und Communications zum Beispiel, also mit nur fünf Spielern auskommen kann. Der Entwickler von Artemis erläutert dazu in dem FAQ seiner Seite, dass das Spiel sogar mit einer Crew von nur zwei Spielern auskommt (Helm und Weapons). Aber, ob das noch Spaß macht?

Neben den bereits beschriebenen Standards gibt es eine Reihe weitere Features, die der Artemis Spaceship Bridge Simulator mitbringt. Zum einen sind die Missionen, die die Spieler durchleben, in einer XML-ähnlichen Sprache geschrieben und damit relativ leicht selbst zu erstellen. Es gibt einen Open-Source-Missionseditor und die erstellten Missionen werden von den Spielern untereinander – zum Beispiel über das Forum der Artemis-Homepage – nach Belieben ausgetauscht. Ein anderes Feature ist der mögliche Eingriff durch einen Spielleiter. Mit Hilfe entsprechend geschriebener Missionen kann er seiner Rolle entsprechend die Dramatik während des Spieles mitgestalten.

Ich will auch!

Auf der Homepage der Entwickler gibt es eine kostenlose PC-Testversion zum Download, mit der man sich vergewissern kann, ob das Spiel auf dem eigenen Gerät läuft. Tatsächlich bietet der Entwickler an, den Kaufpreis für die Vollversion bei Nichtgefallen komplett zu erstatten.

Das Spiel wird auf der Artemis-Homepage mit einer 6-Platz-Lizenz für 40 USD (derzeit etwa 29,50 EUR) und bei Steam für 31,99 EUR angeboten. Die Einzelplatzversion gibt es bei Steam für 5,99 EUR, für Android und iOS kostet sie jeweils 2,69 EUR.

Highlight

Dies ist keine Rezension des Spieles, da ich es nur als Zaungast erleben konnte. Aber Carsten Praefcke, der leitende Organisator des Nordcon, nannte Artemis eines der Highlights der Nordcon und ich will ihm da gerne zustimmen. Das Spiel hat augenscheinlich schnell viele Fans gefunden und wird sich mit etwas Glück und vor allem dem richtigen Engagement, auch für die zukünftigen Conventions als Publikumsmagnet erweisen. Dazu kann man es für vergleichsweise wenig Geld mit der heimischen Runde spielen. Wie in früheren Tagen, kommen alle mit ihren Rechnern zueinander und legen los. Und ehrlich: Mit einem modernen Tablet-PC mit Touchscreen kommt gleich echtes Star Trek-Feeling auf. Wer die Mühe nicht scheut, besorgt sich natürlich auch noch stilechte Uniformen und bereitet sich mit einschlägigen Serien darauf vor, das richtige Vokabular für die Abenteuer im All am Start zu haben.

Wer mehr über die Möglichkeiten von Artemis Spaceship Bridge Simulator wissen möchte, findet auf der Homepage, im Forum und im Wiki zu dem Projekt eine Menge Informationen. Den Spielspaß vermittelt allerdings am ehesten eine Suche nach dem Projekt auf Youtube. Sogar Supergeek Wil Wheaton durfte so erleben, was Captain Picard Fähnrich Crusher nie erlaubte: Er durfte ein Raumschiff kommandieren.

 

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

PGlmcmFtZSBjbGFzcz0ieW91dHViZS1wbGF5ZXIiIHdpZHRoPSI3MDAiIGhlaWdodD0iMzk0IiBzcmM9Imh0dHBzOi8vd3d3LnlvdXR1YmUtbm9jb29raWUuY29tL2VtYmVkL3FLSUlhc2Z4dWhBP3ZlcnNpb249MyYjMDM4O3JlbD0xJiMwMzg7c2hvd3NlYXJjaD0wJiMwMzg7c2hvd2luZm89MSYjMDM4O2l2X2xvYWRfcG9saWN5PTEmIzAzODtmcz0xJiMwMzg7aGw9ZGUtREUmIzAzODthdXRvaGlkZT0yJiMwMzg7d21vZGU9dHJhbnNwYXJlbnQiIGFsbG93ZnVsbHNjcmVlbj0idHJ1ZSIgc3R5bGU9ImJvcmRlcjowOyIgc2FuZGJveD0iYWxsb3ctc2NyaXB0cyBhbGxvdy1zYW1lLW9yaWdpbiBhbGxvdy1wb3B1cHMgYWxsb3ctcHJlc2VudGF0aW9uIGFsbG93LXBvcHVwcy10by1lc2NhcGUtc2FuZGJveCI+PC9pZnJhbWU+

 

Artikelbilder: NordCon 2014, Incandescent Workshop LLC

 

2 Kommentare

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein