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Sich einfach Mal den Frust von der Seele reden und dabei Zuhörer unterhalten und zum Nachdenken bringen – das ist die Idee des Rollenspiel-Rants. „Rant“ kommt aus dem Englischen und bedeutet übersetzt in etwa „Schimpftirade“. Die Umsetzung ist relativ simpel: Auf Conventions und Messen kommen Rollenspieler und Spielleiter zusammen und treffen sich zu einem Panel der ganz besonderen Art. Während einer Stunde kann jeder auf das Podium steigen, das Mikrofon ergreifen und einen eigenen Rant beginnen. Der Rest hört zu, denkt nach, widerspricht, raunt oder applaudiert. Regeln gibt es dabei nur wenige:

Die Rant-Regeln

– bitte nicht fluchen, wenn es auch anders geht

– keine Spieler oder Spielleiter beim Namen nennen

– nicht die beleidigte Leberwurst spielen und direkt andere Rants angehen

Warum sollte ich mir das antun?

Rollenspiel ist kein Hobby für sich alleine im stillen Kämmerlein. Es ist eine Freizeitbeschäftigung als Gruppe; genauer gesagt entsteht Rollenspiel, ob Pen & Paper oder LARP erst im Zusammenspiel mit anderen Spielern. Und seit Rollenspiele kein Nischenprodukte mehr sind, wie diverse Conventions und Messen jedes Jahr beweisen, verstehen sich immer mehr Spieler als Teil einer großen Gemeinschaft. Ein Rollenspiel-Rant ist in gewisser Weise ein Treffpunkt für diese Community, ein Ort an dem man sich gegenseitig Geschichten und Anekdoten erzählt, die Zuhörer zum Nachdenken bringt, an dem man die eigene Perspektive auf das Hobby vermittelt und auch über den eigenen Tellerrand schaut. Und vor allem bekommt man als Redner oder Besucher eins: das Gefühl dazuzugehören. Denn jeder, der der Mut hat nach dem Mikrofon zu greifen oder sich Zeit nimmt zuzuhören beweist damit, dass ihm sein Hobby am Herzen liegt.

Doch Rollenspiel-Rants sind auch eine Sache der Trends. Diese gibt es in jeder Szene und man findet sie in Artikeln über das Hobby, in Gesprächen mit anderen Hobbyisten, auf LARPS, in Proberunden und sogar in Regelwerken wieder. Viele dieser Trends wurden nie thematisiert, sondern sind einfach unausgesprochen da, ob zum Guten oder Schlechten. Der Rollenspiel-Rant ist der Ort, an dem man über solche Trends und Entwicklungen sprechen kann, sich über sie aufregen kann, sie anprangert oder lobend hervorhebt. Aber vor allem macht man andere Spieler oder Spielleiter darauf aufmerksam und gewinnt ein Bild darüber, wo unser Hobby aktuell steht und wohin es geht.

Ein Beispiel-Rant auf der RPC

Der letzte große Rollenspiel-Rant dieses Jahres fand auf der RPC 2014 statt. Organisiert wurde er von unserer Teilzeithelden Gastautorin Laura Flöter, die auch gleich den Einstieg machte. Ihr Thema:

Spiel’s aus, du Sau!“: Im Rant ging es um das heute übliche Auf- und Abblenden im Rollenspiel, wann immer Charaktere verführt, verraten oder getötet werden – also kurzum, wenn es so richtig dreckig und spannend wird. Das beeinträchtigt, so Laura, aber ein intensives und ‚echtes‘ Spielerlebnis. Anders formuliert: Wenn der Spieler schon ausblendet, würde der eigene Charakter die Missetat wahrscheinlich nicht durchführen. Warum aber haben Spieler bloß Angst davor etwas auszuspielen, was in Serien wie Game of Thrones so beliebt zu beschauen ist? Der Aufruf lautete deshalb, entweder solche Aktionen ganz zu lassen oder eben auch den Mut aufzubringen, es samt der Konsequenzen auszuspielen – in allen Farben, bis an die Schmerzgrenze der beteiligten Spieler. Nur so wird aus einem Rollenspiel eine ernstzunehmende alternative Realität und nicht das, was es viel zu häufig am Spieltisch ist: ein harmloser Wohlfühlbereich mit Fantasy-Anstrich.

Nicht alle Zuhörer waren derselben Meinung, aber die meisten applaudierten und dachten zumindest über diese Ansicht nach. Und genau das ist es, worauf es bei einem Rant ankommt: Eine These zu präsentieren, eine Meinung, gerne auch etwas provokativ, um Leute wachzurütteln. In dieselbe Kerbe schlug auch eine weitere Rednerin des Rants, die Zeichnerin Melanie Philippi.

Spielleiter sind Angsthasen!“: Im Rant ging es darum, dass zu viele Rollenspiele sich auf schwache Charaktere beschränken. Das liegt, so Melanie, ganz einfach an den Spielleitern, die sich vor zu erfahrenen Charakteren fürchten. Der Grund ist relativ simpel: Versagensangst. Denn je mächtiger ein Charakter ist, desto mehr Macht hat dieser auch in einem Setting und desto weniger Möglichkeiten bleiben einem Spielleiter scheinbar, ihn in Bedrängnis zu bringen oder in die Schranken zu weisen. Doch das ist nichts als ein Trugschluss. Denn es steht ja weitaus mehr als nur das Standard-Repertoire an Monstern zu Verfügung. Abseits von Monsterkompendien und 08/15-Plots ist das Vorstellungsvermögen vieler Spielleiter ein ungehobener Schatz. Gute Spielleiter schaffen es also auch, für erfahrene und mächtige Charaktere ein tolles Szenario zu schaffen.

Wo kann ich demnächst ranten?

Es gibt keinen öffentlichen Veranstalter für Rollenspiel-Rants. Da der Eintritt für einen Rant frei ist und jeder Redner freiwillig auf die Bühne kommt, braucht es also nur einen Rollenspieler, der ein solches Ereignis ausruft, dazu einlädt und das Konzept und die Regeln erklärt. Und das kann eigentlich jeder sein, der etwas Mühe und Mut aufbringt. Das ist auch eigentlich das Geniale an diesem Konzept und wahrscheinlich auch der Grund, warum es sich von den Ursprüngen in Norwegen und Finnland mittlerweile bis nach Amerika verbreitet hat. Rollenspiel-Rants sind gerade einfach „in“ und werden es hoffentlich noch lange bleiben.

Wer aber ohne eigene Organisation einen Rollenspiel-Rant erleben möchte, muss nur die Feencon in Bonn besuchen. Diese kleinere Convention mit Rollenspielrunden, Zeichnern und Fantasy-Ständen findet bereits diesen Monat, also am 19. Und 20. Juli statt. Dort veranstaltet Laura erneut einen Rant und lädt alle Leser herzlich dazu ein.


 

LauraFloeterLaura Flöter: ist eine Gastautorin für die Teilzeithelden und schreibt am liebsten über Rollenspieltheorie. Seit 2010 arbeitet sie am Institut für Kunst und Kunstwissenschaft an ihrer Dissertation über die „Ästhetik des phantastischen Rollenspiels.“ Daneben ist sie Autorin (Der Engelseher, Nirgendland) und freischaffende Künstlerin. Im Internet findet man sie unter laurafloeter.de.

 

 

MelanieMelanie Philippi: ist eine Rollenspielerin mit 10 Jahren Erfahrung, die sich gegen Tabuthemen im Hobby wehrt. Unter dem Pseudonym „Phantagrafie“ zeichnet sie als Freie Künstlerin unter anderem Charakterbilder und steuerte auch schon für DSA und Spherechild Illustrationen bei. Ihre Homepage ist: phantagrafie.wordpress.com

 

 

 

13 Kommentare

  1. Super Sache gerade in Zeiten des Internets wo das „in Gruppen über lästern, statt in Gruppen miteinander Reden“ noch populärer wurde und wird als es das je war.

  2. Ja, toll, weil das unwidersprochene Lästern im Internet echt zu kurz kommt… Häh? Vor allem bei den Beispielrants, wo ich mich ernsthaft Frage: WTF?
    Spiel’s aus du Sau? Wenn es jemandem zu weit geht? Klar, warum binden wir nicht gleich Leute am Stuhl fest und zeigen ihen Kriegsgreuel untermalt mit Beethoven? Das macht dann so richtig Spaß!
    Und Spielleiter mit Versagensangst? Vielleicht liegt das auch einfach an der Kompliziertheit sogenannter moderner Systeme, die es einfach zu einem logistischen Alptraum machen für hochstufige Charaktere zu leiten… und der Hinweis auf die Abkehr von 08/15 Plots und das Monsterbuch ist nun mal ein Strohmann – es sei denn es kommt nie wieder zu einem Kampf oder zu … sagen wir einfach mal… nachvollziehbaren Ereignissen…

    Etwa so? ;)

    • Erst lesen, dann meckern. Solche Rants geschehen eben NICHT in der Anonymität des Internets, sondern auf Conventions – steht doch da auch geschrieben. Und moderne Systeme sind eher simpler, als Regelmonster @Fate. Wer DSA oder D&D spielt, ist halt selber Schuld.

    • Der Rant wird zum Happening, aber bitte nur ohne namentliche Beschimpfungen (und natürlich ohne direkte Replik am Mikrofon – stand away from the stand!). Getroffener Hund wird schon bellen – jetzt auch zur analogen Publikumsbelustigung mit Gesichtserkennung, statt nur anonym im Internet.

      Funktioniert, ist durch die Betonung anderer Qualitäten im Vortrag und durch das andere Publikum auch keine simple Dopplung des schriftlichen Rants, aber rein inhaltlich will sich ein echter Mehrwert (also für denjenigen, der auch andere Formate verfolgen würde) nicht so recht zu erkennen geben. Die Auswahl der Beispiele, die ja jeweils bekannte Positionen aufgreifen, scheint das nur noch zu unterstreichen.

      It’s not fair! It’s not fair that I should feel sick when I hear lovely, lovely Ludwig Van!

  3. Es werden also die in meinen Augen total sinnlosen Diskussionen über „richtiges“ Rollenspiel nun aus den Foren in die Öffentlichkeit getragen?!

    Ein Grund für mich eine solche Veranstaltung tunlichst zu meiden, denn jeder spielt RS nun einmal so wie er es für richtig hält und Ihm Spaß macht.

    Wenn Personen sich am „Tisch“ treffen und feststellen das es nicht zusammenpasst, wird man sich halt wieder trennen. Manchmal im guten manchmal im bösen aber das finde ich erst mal nichts schlimmes.

    Grüße NIEDUKNIE­DER

    • Der öffentliche Raum bezieht sich heutzutage auch auf Foren; der Diskurs über Rollenspiel existiert also schon längst in der „Öffentlichkeit“. Ich würde sogar andersherum argumentieren: Eine Veranstaltung in kleinerem Rahmen auf einer Con mag privater sein, als ein öffentlicher Forenthread mit hunderten von Lesern. Und es geht auch gar nicht um „richtiges Rollenspiel“. Es geht darum, bestimmte Trends zu markieren und Impulse zum Nachdenken weiterzugeben – ganz ohne die „ach so schützende“ und Eskalation begünstigende Anonymität des Internets. Bestimmte Standpunkte (die vielleicht auch nicht meine Standpunkte sind) auf einem Event in einer meist witzigen Rant-Performance präsentiert zu bekommen finde ich jedenfalls höchst unterhaltsam. Und wenn sich am Ende ein paar nette Gespräche und Kontakte unter Spielern ergeben, umso besser.

    • Rants kommen aus der skandinavischen Rollenspiel-Szene. Dort geht es einfach offener zu und man zickt nicht gleich rum, bei einer neuen Idee. Ich bezweifle deshalb auch, dass sich RPRants hierzulande durchsetzen werden. Dieses „ich habe aber meine Art zu spielen und will nichts von anderen Ansichten hören“ ist einfach zu verbreitet.

    • Das ganze kommt aus dem Skandinavischen. Da ist man einfach offener und nicht so zickig gegenüber anderen Meinungen. Deshalb zweifele ich daran, dass sich RPRants in Deutschland durchsetzen werden. Lieber schön so weitermachen, wie bisher und Augen zu vor weiterem Input.

    • Meiner Aussage gleich als „zickig“ zu beurteilen ist nicht sehr nett.
      Und wenn ich den Rant aus dem Text „Spiel’s aus, du Sau!“ als Bsp. nehme, so will mir die Person doch eine gewisse Art zu spielen vermitteln. Ob ich als Spieler oder als SL diese Form im RS nun mag oder nicht, geschweige denn ob meine Spieler dies auch wollen.
      Natürlich kann man darüber diskutieren, aber ich habe halt bei diesen Diskussionen immer das Gefühl das die Befürworter einer Gewissen These, mir nun direkt oder aber durch die Blume, vermitteln möchten das ich etwas „Falsch“ mache.

      Ich vertrete halt einfach die Ansicht das es im RS kein richtig oder falsch gibt.
      Jeder Spieler und jede Runde hat ihre eigene Ansicht und Dynamik zum RS.
      Jemandem zu sagen er solle Sex, exzessive Gewalt oder Rassismus ausspielen, der/die angesprochenen Person/en dieses aber nicht mögen oder Hemmungen haben, wird aber meist das Gefühl vermittelt man mache etwas Falsch, weil man es halt nicht macht. In den meisten Fällen geht es mir um die Art wie die Ansichten/Meinungen vertreten werden und das ich diese in sehr vielen Fällen als „überheblich“ betrachte.

      Auch hier auf dem Blog haben schon Leute eine Art zu diskutieren an den Tag gelegt die mir nicht gefällt, bzw. mir sogar schon grob über den Mund gefahren sind. Auf eine solche Art Diskussionen habe ich halt keine Lust bzw. will mir nicht vermitteln lassen das meine Ansicht halt „Falsch“ ist. Wie gesagt bin ich nicht Beratungsresistent, aber der Ton macht die Musik bzw. darf man halt auch einfach mal die Ansichten einer anderen Person akzeptieren ohne sich gleich im Ton zu vergreifen.

      Auch ich habe über viele Jahre als Spieler und SL dazu gelernt bzw. mir von anderen Spielern/SL´s Arten zu spielen/leiten abgeschaut. Dabei habe ich aber auch Arten kennengelernt, die mir nicht gefallen. In den meisten Forendiskussionen habe ich aber das Gefühl das man eine Meinung die man sich gebildet hat eben nicht akzeptiert wird.

      Grüße NIEDUKNIE­DER

    • Es gibt falsche Arten Rollenspiel und LARP zu spielen! Etwa …
      – Rollenspiel nur reaktiv/passiv rezipieren und nichts selbst beitragen.
      – bewusst aus Egoismus und zum Ärgernis der Mitspieler deren Szenen sabotieren.
      – sich aggressiv in den Mittelpunkt spielen und Mitspielern aktiv Spielanteile beschneiden.
      – bewusst und gegen den Willen des Spielleiters den Plot um jeden Preis sprengen wollen.
      – Personen gegen ihren Willen zu ihnen unangenehmen Spielinhalten zwingen.
      – bewusst Ängste und Traumata einzelner Personen ohne Absprache anspielen und damit triggern.
      – Teilnehmer seelischem oder körperlichem Verletzungsrisiko aussetzen.

    • @susannex

      die von dir angesprochenen Punkte haben in meinen Augen nur wenig mit dem eigentlichen Rollenspiel zu tun.
      Die meisten deiner Punkte sind nach meiner Auffassung schlicht menschliches Fehlverhalten und haben am Tisch oder im Larp nichts verloren.

      Lediglich der erste von dir genannte Punkt ist etwas das man durch gezieltes anspielen/herausfordern der Person evtl. abstellen kann. Will die Person im zweifel auch nach einem direkten Gespräch diesen Punkt betreffend keine stärkere Eigeninitiative in der Runde Zeigen würde ich als SL sie bitten sich doch besser eine andere Runde zu suchen.
      Aber besonders bei Anfängern in diesem Hobby sollte man sich die Mühe machen der Person durch vorleben am Spieltisch/im Larp zeigen wie man sich das Rollenspiel vorstellt.

      Grüße NIEDUKNIE­DER

    • „Es gibt kein richtig oder falsch im RP“ wird gern von Leuten benutzt, um antisoziales Spielverhalten zu rechtfertigen. Der Satz der gut gemeint ist, wird dann zur Waffe für den Abschaum dieses Hobbys.

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