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Wikipedia: Parabel

Jean Giraud alias „Moebius“ und Stan „The Man“ Lee erschufen vor 25 Jahren eine zeitlose Geschichte, die gerade heute, vor dem Hintergrund aktueller Ereignisse in der Welt, zu einem perfekten Zeitpunkt wiederveröffentlicht wird. Panini hat sich entschlossen, dieses Jubiläum und den leider 2012 verstorbenen Moebius mit einer grandiosen Sonderausgabe zu würdigen. Die Geschichte bewegt und berührt, sie hebt sich ab vom üblichen Action-Comic, obwohl sie nicht wenig „Action“ enthält. Sie spricht das Gewissen des Lesers an und appelliert an dessen gesunden Menschenverstand, die Welt und ihre Machtverhältnisse nicht einfach so hinzunehmen, wie sie sind und nicht jeder Autorität zu folgen wie ein Schaf. Eine Aussage, die nie an Aktualität verliert.

Handlung

Der Silver Surfer, ehemaliger Herold des Galactus – Weltenverschlinger und unbesiegbare Geißel des Universums – lebt unerkannt und verborgen unter den Menschen und hat sie schon beinahe aufgegeben. Dereinst hatte er seinen Herren für sie verraten und seine Freiheit geopfert, um zu verhindern, dass Galactus die Erde in seinem unstillbaren Hunger verschlingt. Doch die Menschheit hat sich als des Opfers unwürdig erwiesen. Gewalt, Neid und Missgunst herrschen und der Surfer verzweifelt.

Eines Tages jedoch kehrt Galactus zurück und allein das Auftauchen seines Schiffes ruft weltweite Panik hervor. Als er sich dann zu erkennen gibt und verkündet, er komme, um die Menschheit vom Joch der Moral und der von Menschen gemachten Gesetzen zu befreien, brechen alle Dämme.
„Wenn der Mensch Erlösung sucht, tue er was er will, nehme er was er will. Es gibt kein Unrecht, keine Sünde, nur Vergnügen. So spricht Galactus“.

Er will, dass die Menschen sich selbst vernichten. Den Prozess beschleunigen, den er als unausweichlich ansieht. So will er seinen Schwur1 umgehen, den er dem Surfer und den Fantastischen Vier leistete: Die Erde vor seinem Hunger zu verschonen, solange die Menschheit auf ihr weilt.

Der skrupellose Televangelist Colton Candell, dessen Gemeinde seid längerem schrumpft, reagiert als Erster und erklärt sich selbst zum Propheten des neuen Gottes. Dadurch stellt er einen willkommenen Fokus für die Angst und den Fanatismus der Menschen zur Verfügung. Seine Schwester Elyna rät zur Vorsicht und Zurückhaltung, doch ignoriert er in seiner Gier nach Geld und Macht ihre Warnungen.

Der Silver Surfer sieht sich dadurch schließlich aus seiner Lethargie gerissen und genötigt einzugreifen. Er stellt in Verkleidung zuerst Candell zur Rede, wird jedoch von diesem ignoriert. Als Elynas Ohren sich offener für die weisen Worte des vermummten Bettlers erweisen, offenbart er sich ihr und nimmt ihr zuliebe den Kampf gegen seinen ehemaligen Herren auf. Sie hat ihm gezeigt, dass es noch gute Seelen innerhalb der blinden, abgestumpften Massen gibt. Nach einem letzten vergeblichen Appell an die Menschen selbst, stellt er sich Galactus und ein ungleicher Kampf beginnt, in dem der kosmische Held zu verlieren droht, als der Verschlinger seiner zerstörerischen Macht freien Lauf lässt. Da trifft Elyna eine schicksalhafte Entscheidung …

Stan Lee, der Altmeister des amerikanischen Comics, hat eine Geschichte erschaffen, die nie an Aussagekraft und Wirkung verlieren wird. Sie ist zeitlos wie ein Gemälde. Sie spricht den Leser an und berührt tiefe, menschliche Gefühle. Sie ist einfach und kompliziert zugleich. Sie ist einfühlsam und hart. Sie legt die Fehler der Menschheit offen dar und lässt den Leser, wenn er sich darauf einlässt, sehr nachdenklich zurück.

Zeichenstil

Jean „Moebius“ Girraud ist bei „Parabel“ auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Wer den berühmten französischen Zeichner von seinen eigenen Werken Sgt. Blueberry und John Difool und seinen berühmten Kurzgeschichten aus dem klassischen Metal Hurlant Magazin (Deutsch: Heavy Metal) her kennt, wird ihn wiedererkennen.

Aber auch Neulinge werden begeistert sein, von seinem leichten Strich und der unglaublichen Präzision, mit der er diesen klassischen amerikanischen Helden in seinem ihm eigenen, einzigartigen Stil auf Papier bannte. Er selbst sagte darüber, dass sein Stil oft von der Stimmung abhing, die ihn an diesem Tag beherrschte. Was durchaus zu bemerken ist, denn manchmal sind da mehr Details, manchmal weniger. Manchmal sind die Striche fahrig und dynamisch, manchmal präzise und sauber, fast stilisiert. Aber immer erkennt man Moebius‘ Handschrift. Diese ist in Farbe sowie Form einzigartig. Das Original wurde von ihm selbst per Hand eingefärbt und er selbst machte auch das Lettering, in mehreren Sprachen. Das war damals so.

In der heutigen, deutschen, Version sind natürlich die Farben, wenngleich auch dem Original nachempfunden, am Computer entstanden, ebenso wie die Texte, die sich jedoch löblicherweise an Moebius Handschrift orientieren. Denn ebenso wie seine einzigartigen Zeichnungen und Farbgebungen, sind auch die Lettern des Meisters einzigartig. Platzierung und Form des Textes tragen maßgeblich zur Stimmung des Buches bei. Ein Dank dafür an Panini.

Preis-/Leistungsverhältnis

Ich kann absolut nichts Schlechtes an einem Preis von nur 16,99 EUR für ein solches Buch finden. Eher hätte ich es teurer gemacht.

Erscheinungsbild

MARVELGRAPHICNOVELSILVERSURFERSURFERPARABEL_HC_204Auf 52 von 80 Seiten wird die grandiose Geschichte erzählt – auf festem, etwas dickerem Papier, eingeschlagen in ein schwarzes Hardcover, auf dessen Front der Silver Surfer prangt. Ein wunderschönes Buch, das sich sicher gut in jedem Sammler-Regal macht.

Die harten Fakten:

  • Verlag:Panini
  • Autor(en):Stan „The Man“ Lee
  • Zeichner(in):Jean „Moebius“ Gireaud.
  • Erscheinungsjahr:2014
  • Sprache:Deutsch
  • Format:Comic Album Hardcover
  • Seitenanzahl:82
  • Preis: 16,99 EUR
  • Bezugsquelle: Amazon (Druck)

 

Bonus/Downloadcontent

Als Zusatzmaterial finden sich auf 30 Seiten Anmerkungen von Stan Lee und Jean Giraud zum Buch, dessen Entstehung und ihrer Zusammenarbeit. Außerdem enthält die Ausgabe noch eine grandiose Cover- und Pin-Up-Gallerie, die Moebius von Marvel Helden anfertigte. Ikonische Werke, die teilweise in den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts das Bild dieser Comic-Helden mitprägten.

Fazit

„Parabel“ ist ein großartiges Buch. Nicht nur, dass es die Geschichtsform einer klassisch-literarischen Parabel nutzt. Auch auch im Zeichenstil findet sich des Öfteren ihr mathematisches Gegenstück. Im Flug des Surfers, der so leicht wie eine Feder in weiten Bögen vor Galactus‘ brachialer Gewalt davon schwebt. Und auch Geschichte sowie Charaktere beschreiben eigene Parabeln. Sie gleiten durch Höhen und Tiefen, zeigen sich vor dem Hintergrund der gesichtslosen Massen von guten sowie schlechten Seiten. Der Surfer und Galactus verändern sich, willentlich sowie unwillentlich.

Auch nahm das Buch mich mit auf eine Reise in meine Vergangenheit.

Ich schätze mich glücklich, die deutsche Erstausgabe zu besitzen, die damals noch im Softcover erschien und deren Titelbild auch in der Bildergalerie enthalten ist. Ich war 15 oder 16 und hatte das Buch an einem Kiosk entdeckt und spontan gekauft. Als ich damals diese tiefgreifende Geschichte immer und immer wieder las, berührte sie etwas in mir. Sie zeigte mir zum ersten Mal, das Comics auch gehaltvoll sein und weit über die üblichen „Krach-Bumm-Peng“-Geschichten hinausgehen konnten, die damals noch mit gekürzten Texten und in teils grausiger Qualität in viel zu kleine Comic-Taschenbücher gepresst wurden. Diese Geschichte führte mir tatsächlich zum ersten Mal, über dieses Medium, die Fehler der Menschheit vor Augen und den Wert des Individuums, wenn es sich nur traut, das Richtige zu tun. Ich kann nur empfehlen, sich diesen Meilenstein der Comic-Geschichte nicht entgehen zu lassen. Ob Sammler oder nicht – es lohnt sich!

Daumen5maennlich

1Diesen leistete er nach seinem ersten Zusammentreffen mit den Fantastischen Vier. US Fantastic Four 48 -50.

Artikelbilder: Panini Comics

 

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