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Bereits seit den späten 80ern gab oder gibt es einige Adaptionen von Joe Devers Abenteuerspielbüchern als PC-Spiel. Mit Lone Wolf erschien nun Ende letzten Jahres eine Smartphone- und Tabletadaption für Android und iOS. Ich habe es für die Teilzeithelden einmal näher unter die Lupe genommen und die iOS Variante auf Tablet und Smartphone getestet.

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Die harten Fakten

  • Plattform: Android (3.0 und neuer) und iOS (5.1 und neuer)
  • Entwickler: Bulkypix
  • Erscheinungsdatum: 14. November 2013
  • Sprache: Deutsch (auch Englisch, Spanisch, Französisch und Italienisch)
  • Preis: Aktuell kostenlos für Android, 0,89 EUR für iOS

 

Einsamer Wolf

Das Charakterblatt.
Das Charakterblatt.

Nachdem der Spieler einen von drei möglichen Schwierigkeitsgraden gewählt hat (der sich später auch ändern lässt), muss die Figur Einsamer Wolf erschaffen werden. Dabei werden dem Spieler ein paar Fragen über die Figur gestellt und durch die Antwort die spielrelevanten Werte erstellt – die Attribute Stärke, Intelligenz und Geschicklichkeit und davon abgeleitet Vitalität, Kai-Kraft und Ausdauer. Im Vergleich zu den analogen Spielbüchern hat der digitale Held hier ein paar zusätzlich Werte erhalten, die für das Potential der jeweiligen Handlungsoptionen im weiteren Spielverlauf bestimmend sind. Es ist zudem nicht klar zu erkennen, wie die Werte der Attribute ermittelt werden. Aber es ist sicherlich ein Zufallselement dabei, denn zwei Charaktererschaffungen mit jeweils identischen Entscheidungen förderten leicht unterschiedliche Werte zu Tage.

Bei der Charaktererschaffung wählt der Spieler zudem ebenso die Kai-Disziplinen wie auch seine anfängliche Bewaffnung. Die Disziplinen sind im Grunde die gleichen wie auch in den Spielbüchern, die Ausrüstung wird trotz der anfänglich etwas eingeengten Wahl diesen gegenüber deutlich erweitert. Doch dazu später mehr.

Blutiger Schnee

… ist der Titel des ersten Aktes, der mit dem Spiel installiert wird. Inzwischen gibt es bereits zwei weitere Akte und mindestens ein vierter ist angekündigt.

Zu Beginn der Geschichte ist Einsamer Wolf, letzter der Kai-Lords und Herrscher einer kleinen Domäne, in dieser alleine unterwegs um Gerüchten über feindliche Aktivitäten in der Nähe des Bergbaudorfes Starnfels nachzugehen. Im Verlauf der Ereignisse wird er das verwüstete Dorf erkunden und eine Vielzahl von Herausforderungen in winterlich-verschneiter Umgebung überstehen müssen.

Die Geschichte entspricht im Großen und Ganzen dem bekannten Format aus den Spielbüchern. Sie wird in der zweiten Person erzählt (“Du findest…”) und alle paar Absätze wird von dem Spieler eine Entscheidung über die Aktionen von Einsamer Wolf gefordert. Die angebotenen Optionen werden dabei unmittelbar von den Möglichkeiten der Spielfigur beeinflusst, also von den Entscheidungen bei der Charaktererschaffung.

Vielleicht liegt es an dem engen Rahmen, den Starnfels für den Akt bietet, aber ich hatte den Eindruck, dass die Wahlmöglichkeiten über den Handlungsverlauf sehr eingeschränkt waren. Für meinen Geschmack beschränkten sie sich viel zu oft lediglich darauf, ob man eine Tür eintritt oder leise öffnet. Selbst im Vergleich zu den begrenzten Möglichkeiten, die die Spielbücher nun mal nur bieten können, wirkte die Geschichte von Lone Wolf in dieser Variante auf mich viel zu linear und viel zu vorhersehbar. Schon nach wenigen Ereignissen war ich nur noch mäßig neugierig auf das, was kommen würde.

Erscheinung

Das Spiel bietet den Büchern gegenüber natürlich eine Reihe von Erweiterungen. Grundlegend allerdings wird es in klassischer Buchform dargestellt, auf altem Papier (sepia) und mit ornamentiertem Rand. Dabei hält man das Gerät hochkant und blättert sich wischend oder tippend durch das Abenteuer.

Ist eine Entscheidung gefordert, wird dies durch ein anzutippendes Symbol dargestellt und auf einer weiteren Seite werden dann die Optionen angezeigt. Antippen, bestätigen und dann geht die Geschichte weiter. Entscheidungen über den Besuch der einen oder anderen Örtlichkeit werden passenderweise in Form einer Karte abgefragt. Bei dieser wählt man den Zielort oder damit in Zusammenhang stehende Möglichkeiten – zum Beispiel ein Handelsmenü bei einem Händler aufzurufen oder an Ort und Stelle zu pausieren (und dabei zu regenerieren).

Die Karte im Spiel.
Die Karte im Spiel.

Wie auch in den normalen Spielbüchern werden die Texte immer mal wieder durch Zeichnungen unterbrochen. Diese entsprechend optisch farblosen Bleistiftzeichnungen und sind größtenteils leicht animiert (der Schal weht im Wind, Schnee rieselt, o.ä.). Das Spielvergnügen wird zudem von einem angenehmen Soundtrack untermalt und alle Funktionen im Spiel sind mit passenden Geräuschen hinterlegt (z.B. das Blättern).

Dem Spieler wird jeweils passend zu neuen Funktionen eine Erklärung eingeblendet. Gleichzeitig kann dieser aus der Buchansicht heraus ein Spielmenü aufrufen, das seine aktuellen Werte, seine Ausrüstung und weitere Informationen und Optionen darstellt.

Die Darstellungsmöglichkeiten von Smartphone und Tablet sind hier zumindest unter iOS jeweils leicht unterschiedlich. Die Buchansicht ist auf einem Smartphone nur hochkant verfügbar (ein Drehen des Gerätes bewirkt keine Veränderung) und so muss man mit Hilfe der Menüfunktionen zwischen dem Abenteuertext und z.B. dem Charakterblatt springen. Ein Tablet hingegen bietet jederzeit die Möglichkeit Buch und Charakterblatt, Karte u.ä. nebeneinander darzustellen, indem es quer in die Hand genommen wird. Eine Ausnahme bilden dabei einige Herausforderungsdarstellungen, die auch bei Smartphones quer durchgeführt werden.

Es wird eine Art Quest-Tagebuch geführt und das Spiel wird automatisch nach jeder spielrelevanten Entscheidung gespeichert, so dass man nach Beenden des Programms (oder nach Abstürzen, s.u.) leicht wieder einsteigen kann. In der Tat kann man bis zu drei unterschiedliche Spiele spielen, hat also drei Speicherslots zur Verfügung.

Geschicklichkeit

Ein typisches Element der Spielbücher sind die Kämpfe und andere Situationen, in denen die Fähigkeiten des Charakters und ein Zufallselement gefragt sind. Anstatt die Zufallstabelle aus den Büchern oder auch nur einen W10 zu verwenden, wird beim digitalen Lone Wolf stark aufgedreht.

Der Kampf beispielsweise wirkt mehr denn je wie aus einem PC-Spiel. Es wird eine Szene geladen, animierte Figuren von Einsamer Wolf und seinen Gegnern und dann greift eine Mischung aus Taktik, Geschicklichkeit und Zufall. Nacheinander sind alle beteiligten Figuren dran und können unter der Zuhilfenahme von Vitalität, Ausdauer und im Fall von Einsamer Wolf auch Kai-Kraft und natürlich mit Hilfe der Ausrüstung dem Gegner so gut es geht zusetzen und sich selber vor Schaden bewahren. Ist Einsamer Wolf dran, so kann man beispielsweise mit einer Nahkampfwaffe angreifen, einen Trank trinken oder eine Kai-Disziplin einsetzen. Alles kostet Zeit und die Zeit läuft auch, wenn man gar nichts tut – es sei denn man drückt auf Pause. Und anstatt den Erfolg eines Angriffes mit Kampfstärke und einer Zufallszahl zu ermitteln, muss man hier oft bestimmte Gesten in kurzer Zeit ausführen. Verfehlt man das Timing, schlägt der Angriff fehl.

Gerät und Gegner kriegen hier „eine gewischt“!
Gerät und Gegner kriegen hier „eine gewischt“!

Aufgrund der vielen (neuen) Elemente im Kampf, sind die Kämpfe zwar spannender, aber auch deutlich länger und haben für meinen Geschmack einen viel zu großen Anteil in Blutiger Schnee. Ich habe versucht, sie möglichst zu vermeiden und kam doch nicht umhin, eine Vielzahl von Kämpfen absolvieren zu müssen, manche davon mehrfach.

Das Ableben von Einsamer Wolf ist hier auch deutlich mehr an ein PC-Spiel als an die Spielbücher angelehnt. Stirbt der Held in einem Kampf, hat der Spieler die Wahl, den Kampf unter den gleichen Voraussetzungen zu wiederholen oder aber die letzte vorher getroffene Handlungsentscheidung zu überdenken. Ein Spielbuch will an dieser Stelle komplett von vorne gestartet werden und auch wenn es ginge, man geht einfach nicht eine Nummer zurück und wählt anders oder startet einen Kampf neu, als wäre nichts gewesen. Andererseits hätte ich in der Tat meine Probleme damit, wenn ich bei der digitalen Version jedes Mal direkt vom Anfang neu beginnen müsste. Dazu ist das Spiel in seiner elektronischen Art im Vergleich zum Buch einfach zu schwerfällig.

Die im Kampf verwendeten Elemente mit Gesten oder schnellem Drücken finden sich auch hier und da an anderen Stellen außerhalb des Kampfes zur Abhandlung von Hindernissen. Und dann ist da noch das Schlösser öffnen. Das erinnert stark an Skyrim. Dabei wird mit einem Finger ein Dietrich, mit der anderen ein Dolch bedient. Steckt der Dietrich im richtigen Winkel, kann der Dolch das Schloss öffnen, andernfalls kann der Dietrich bei einem Versuch abbrechen. Dabei sind ein wenig Geschicklichkeit und Fingerspitzengefühl nötig, sicherlich beeinflusst von den Werten der Spielfigur.

Mit Fingerspitzengefühl das Schloss knacken.
Mit Fingerspitzengefühl das Schloss knacken.

Ausrüstung

Auch dieser Aspekt wurde deutlich aufgebohrt. Es gibt eine Vielzahl von Gegenständen, die Einsamer Wolf schon zu Beginn mit sich führt, die er finden und bezwungenen Gegnern abnehmen kann. Unweigerlich kommt mir der Begriff “looten” in den Sinn. Für die Analogie aus dem Umfeld von PC-Spielen spricht einiges. Die Figur findet Kiefernholz oder Leder und kann damit tatsächlich später Ausrüstung verbessern oder reparieren (sogenanntes „Crafting“). Letzteres ist in der Tat notwendig, da nach einem Kampf Teile plötzlich rot leuchten und sich deren Werte verringert haben können.

Na toll. Nu’ isses kaputt.
Na toll. Nu’ isses kaputt.

Es gibt Ausrüstungsslots für:

  • Ringe und Ketten (“Lieber +1 auf Intelligenz oder +2 auf Geschicklichkeit?”),
  • die linke wie auch die rechte Hand (“Die Manöver mit Schild und Schwert sind schick, die mit Schwert und Axt aber auch.”),
  • Wurfwaffen (“Armbrust ist super, aber ich habe nur zwei Bolzen. Also doch lieber die 23 Wurfmesser.”)
  • Taschen (“Schick, noch eine Sechser. Dann kann ich die Vierer ja verkaufen.”)

 

Für PC-Spieler ist das sicherlich ein Muss, als Rollenspieler spürte ich ab der Entdeckung, welchen Stellenwert Ausrüstung bei dieser Version von Lone Wolf haben kann oder soll, ein leicht flaues Gefühl im Magen.

Crafting bei Lone Wolf.
Crafting bei Lone Wolf.

Technisches

Die Bedienung ist sauber und präzise, die Grafik entspricht den gängigen Standards für Smartphone und Tablet-Spiele und wäre für ein PC-Spiel sicherlich nicht auf dem gängigen Stand.

Es gibt neben den Funktionen für den eigentlichen Spielverlauf die üblichen Einstelloptionen wie Lautstärke von Musik und Geräuschen oder Sprachwahl, aber auch Features wie die Wahl der Schrift. Dazu gibt es in den Extras noch einen kleinen Kodex über die Welt von Einsamer Wolf und ein kurzer Hintergrund über den Autor Joe Dever selber.

Die Animationen laufen zwar ohne Ruckeln, brauchen aber ausreichend Leistung, sonst kann es schnell zu Abstürzen kommen. Das verwendete Tablet hat beispielsweise nur 512kb Arbeitsspeicher (Doppelkernprozessor mit 1GHz) unter der Haube und hatte vielfach mit Abstürzen zu kämpfen, während das Smartphone mit der doppelten Speichergröße (Doppelkernprozesser mit 1,3GHz) sich nie etwas anmerken ließ. Vor allem die animierten Kämpfe sehen auf dem kleinen Gerät mit einer Auflösung von 1136×640 auf 4 Zoll deutlich besser aus als mit 1024×768 auf 7,9 Zoll.

Trotz des kleineres Displays lässt sich das Spiel in jeder Situation auch mit dem Smartphone einwandfrei bedienen. So sehr ich auch das Tablet als Reader bevorzuge, hier ist das Smartphone einfach die bessere Wahl.

Was mir hier auf jeden Fall gefehlt hat, ist die Möglichkeit, den Spielstand von einem auf das andere Gerät zu übertragen. Das ist hier leider weder manuell noch automatisiert durch die Cloud möglich, zumindest bei iOS.

Das Spiel belegt laut Hersteller 1,2 GB im Gerät, was bei mir – vermutlich aufgrund der gespeicherten Spielstände – inzwischen auf 2 GB angewachsen ist. Es ist für einen kompakten Einsteigerpreis verfügbar – 0,89€ unter iOS, über Android ist es im Zuge des Sommer Sale sogar aktuell kostenlos zu haben. Weitere Akte können wahlweise einzeln für 4,49€ oder als Season Pass (Akt 2 bis 4, letzterer ist noch nicht erschienen) für 10,99€ als In-App-Kauf erworben werden.

Fazit

Ich war anfangs sehr von der Darstellung und dem Funktionsumfang begeistert. Und wenn man über technische Unzulänglichkeiten, wie die Abstürze beim Tablet mal hinweg sieht, ist Lone Wolf ein nettes Spiel, das unterwegs oder auch in kurzen Pausen zuhause oder im Büro gespielt werden kann.

Die Schwächen zeigen sich, wenn man zum Vergleich mal wieder ein klassisches Spielbuch zur Hand nimmt. Keine Frage, ein Nicht-P&P-Rollenspieler wird das anders sehen, aber die digitale Variante kann meiner Meinung nach nicht mit der analogen mithalten. Es ist nicht nur der Geruch des altehrwürdigen Papiers, sondern vor allem die Leichtigkeit, die das Blättern und notieren, radieren und tippen (bei den Zufallszahlen) mit sich bringt.

Die Abschnitte bei Lone Wolf wirken lang und uninspiriert und zumindest im ersten Akt sind Kämpfe nur schwer vermeidbar und werden schnell langweilig. Und es wurde für meinen Geschmack zu viel von den Spielbüchern aufgegeben, weswegen ich nicht so ohne weiteres Geld für die anderen Akte ausgeben würde. Wäre die Geschichte als ganzes wenigstens mitreißender, wäre das sicherlich anders.

Vermutlich ist es am besten, Lone Wolf als eigenständiges Spiel zu sehen. Wem das gelingt, der wird zwar nicht über die Schwächen der Geschichte hinweg sehen können, wohl aber Hoffnung auf spannendere Kapitel schöpfen und dem Format gewogen bleiben. Technik wie auch die Umsetzung des teilanimierten Rollenspieles mit all seinen aus größeren PC-Spiele-Titeln stammenden Konzepten haben das Potential zu vielen Fans.

Vielleicht aber ist diese aufgebohrte Version der klassischen Abenteuerspielebücher auch bewusst ein Vorläufer für das kommende Lone Wolf Adventure Game Rollenspiel von Cubicle Seven (The One Ring, Doctor Who), das vor wenigen Tagen per Kickstarter seinen Startschuss erhalten hat? Abwarten.

Daumen3maennlich

Arti­kel­bil­der: Bulkypix

 

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