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„Grandfather, Grandfather, tell us a story…“ Ich fühle mich alt, so unglaublich alt. Larper sind gefühlt seit Jahrzehnten bereits in zwei Lager gespalten: die Punktespieler aus der seinen Seite, welche vor allem Berechenbarkeit und Verlässlichkeit der Ergebnisse fordern. Nicht selten sieht man hier Spieler, welche Kampfsituationen unterbrechen, um mit Taschenrechnern anhand komplexer Formeln den erzielten Schaden zu errechnen. Auf der anderen Seite: die punktelosen Spieler (DKWDDK). Elitäre Altlarper, die vor allem sich selbst gegenseitig auf die Schulter klopfen, aber eigentlich nur nicht das Zeug dazu haben, sich an die Regeln von klassischen LARPs zu halten.

Schon seit Beginn meiner LARP-Zeit gibt es schmutzige Grabenkämpfe in den eingängigen LARP-Foren um das Thema, was das bessere Spielsystem ist. Noch hat keine von beiden Seiten die Atombombe gefunden, das Argument, dass ihnen im Kampf gegen die wilden Horden der anderen Seite den entscheidenden Vorteil liefern könnte. Und wahrscheinlich, wenn sie eines finden würden, käme die Achse der A-Päpste und würde in die Flanke fallen: Das Argument würde nicht zählen, weil es das damals gar nicht gegeben haben könne.

Und so wird weiter hin und her geschossen und gelegentlich neu gruppiert, um einem Neuling mit schlechter Klamotte aggressiv zu helfen, bis sich dieser angegriffen fühlt und zum Verteidigungsschlag ausholt… ein neuer Kämpfer für die gerechte Sache in LARP-Foren. Doch nun wird sich alles ändern! Denn ich will diesem Endloskampf nicht länger zusehen. Ich präsentiere hiermit, quasi als Lord of War, die neue Waffe in diesem schier nie enden wollenden Krieg, das Mittel, das beide Seiten vereinen soll: Die Spielphilosophie DKWDTK (Du kannst, was du tellen kannst).

Du kannst, was du tellen kannst. (DKWDTK)

Für die Leute unter euch, die dieses Wort noch nicht kennen: Telling ist das Erzählen von Ereignissen, die IT geschehen, OT aber nicht so leicht darstellbar sind. DKWDTK ist nun eine perfekte Symbiose zwischen den beiden, augenscheinlich konträren, Spielstilen. Es vereint die Grundaspekte beider Systeme, lässt dabei aber allen unnützen Ballast hintenüberfallen. Weiterhin hat DKWDTK noch weitere Vorteile, auf die ich später eingehen möchte.

DKWDTK beruht auf der simplen Annahme, dass jeder Spieler die gleichen Grundvoraussetzungen haben sollte. So hat ein Spielercharakter drei Lebenspunkte, Einhandwaffen machen einen Schaden, Zweihand- und große Waffen jeweils zwei. Das ist das ganze Grundgerüst. Für alle Erweiterungen, Fähigkeiten, Besonderheiten etc. wird der Spielmechanismus des Tellings verwendet. Wenn man etwas „tellt“, ist dies gesetzt, und die anderen Mitspieler sind dazu verpflichtet darauf zu reagieren, als wäre es passiert. Sei dies nun die Verwandlung des Charakters in einen Werwolf („Du siehst, wie ich 3 Meter groß werde, mir Fell und eine Hundeschnauze wachsen…“), das Nutzen von heiligen Waffen (lautes „HEILIG HEILIG HEILIG!“ –Brüllen im Kampf) oder das Nutzen von Gift gegen andere Mitspieler („Übrigens, schmeckt dein Met nicht ein wenig nach Arsen? So langsam solltest du Hustenreize spüren, keine Luft mehr kriegen und dann elendig verrecken“).

Etwas davon darzustellen ist zwar schön, aber nicht weiter notwendig um den gewünschten Effekt zu erzielen und wird daher auch nicht gefordert. Die Entscheidungshoheit, was passiert, geht hierbei ultimativ vom jeweils agierenden Spieler aus (im Gegenzug zur Entscheidungshoheit des reagierenden Spielers beim DKWDDK), was eine ziemlich genaue Berechenbarkeit der Ergebnisse zulässt, und somit die Punktespieler zufriedenstellen sollte, auch wenn es fast keine Punkte gibt. Allerdings bietet auch DKWDTK die Möglichkeit, seine Fähigkeiten zu erspielen und sie sich von der Orga aus- bzw. einchecken zu lassen. Es wird lediglich nicht eingeschränkt, welche Fähigkeiten zur Verfügung stehen, um die Kreativität der Spieler nicht zu beeinflussen.

Im Gegenzug ist durch die nur sehr rudimentär vorhandene Punktestruktur das einengende Korsett nicht so stark ausgeprägt, was den DKWDDK-Spielern zugutekommt. So können sie hier ebenso alles haben, was sie wollen, müssen nicht die überkomplizierten Formeln der Punktespieler rechnen und wissen dennoch genau, was ihnen passieren kann. Auch das von punktelosen Spielern immer wieder gepriesene selbstregulierende System ist vorhanden. Zwar ist das System weitaus schneller tödlich als andere Systeme (besonders als DKWDDK mit seiner laschen Opferregel), doch weiß auch jeder Mitspieler genau, dass sein Charakter genauso schnell sterben kann, wie er die Charaktere anderer Mitspieler umbringt. So sollte sich die Sterblichkeitsrate im DKWDTK schnell einpendeln und dem System eine besonders würzige Note verleihen.

Wichtig ist vor allem, dass im DKWDTK nicht zu viel Augenmerk auf Darstellung gelegt wird und somit keine Spieler benachteiligt werden, die durch ihr OT-Umfeld nicht die Möglichkeiten haben, sich High-End-Gewandung oder technische Gimmicks zu besorgen. Dies kommt selbstverständlich auch der Orga zugute, die zwar etwas mehr Aufwand betreiben sollte, aber auch hier massig an Geld sparen und aufwendige Spezialeffekte simpel durch Telling ersetzen kann. Das alles drückt die hauptsächliche Einstiegshürde für LARPer, das liebe Geld, sehr weit. Cons kosten nicht mehr 100€ aufwärts, sondern können kostengünstig betrieben werden. Gewandung muss nicht mehr für 1000€ gekauft oder in Auftrag gegeben werden, nur damit man akzeptiert wird. Der Fokus bei DKWDTK rückt daher vor allem wieder auf die soziale Interaktion und nicht auf die Materialschlacht, womit der Zugang weitaus leichter zu erlangen ist, als mittlerweile im deutschen LARP üblich. Endlich kann auch der schmale Hänfling einen großen und mächtigen Krieger spielen und der 2,10m Riese einen Zwerg.

DKWDTK macht’s möglich.

Fazit und neue Möglichkeiten

So unglaublich einfach ist das System, das sich manch einer fragen mag, warum noch niemand darauf gekommen ist. Die Antwort hierauf ist simpel: die zu verbohrten Sichtweisen und elitäres Denken. Viel zu lange versuchen schon beide Fraktionen sich gegenseitig zu übertrumpfen und auszumanövrieren. An eine Zusammenarbeit oder gar Fusion schien noch nie jemand gedacht zu haben.

Dabei sind die Erkenntnisse hier alle nicht neu, nur scheinbar wieder vergessen worden. Vieles hiervon ist noch vom Spielen mit Sandkastenfreunden bekannt – und bereits da hat es einwandfrei funktioniert. Wo viele Leute versuchen, mit Nordic-LARP sich die Erkenntnisse der skandinavischen Länder zunutze zu machen, vergessen sie völlig, dass es auch andere Länder gibt, die auf eine langjährige LARP-Kultur zurückschauen können. Viele der Grundideen von DKWDTK sind im Amerikanischen LARP gang und gäbe, wie man in Leaving Mundania von Lizzie Stark nachlesen kann.

DKWDTK ist daher nicht unbedingt ein neues Konzept, eher ein Rückbesinnen auf alte Tugenden. Viel zu lang schon haben die kämpfenden Fraktionen den eigentlichen Sinn und ihren eigentlichen Ursprung aus den Augen verloren. DKWDTK kann ihnen vor Augen führen, was sie verloren haben, als Brüder anfingen, gegen Brüder zu kämpfen. So kommt wieder zusammen, was nur die Zeit getrennt hat. Durch Telling, als Antithese zu den Ursachen der derzeitigen Probleme im LARP, kann aus uns wieder eine große, glückliche LARP-Familie werden. Wenn dieses Ziel erst einmal erreicht ist, ist der Himmel die einzige Grenze.

Zuletzt könnte DKWDTK dann helfen, ganz neue, mutige Spielkonzepte zu etablieren wie beispielsweise „Du kannst, wofür du Geld bezahlst“ (DKWDGB), eine Umsetzung des erfolgreichen„Free 2 play, pay 2 win“-Systems. Wahrlich, dem LARP stehen goldene Zeiten bevor!

Artikelbild: Nabil Hanano; Drachenfest 2014, Diemelstedt

 

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