Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Wann ist es eigentlich geschehen, dass wir alle das große Ganze aus den Augen verloren haben? Wann haben wir angefangen, dass, was wir selbst tun, als das einzig Wahre und Richtige anzusehen? Wann haben wir die Scheuklappen aufgesetzt und angefangen, uns lieber gegenseitig auf die Schulter zu klopfen, anstatt uns umzuschauen und uns mit dem Rest zu vergleichen und weiterzuentwickeln? Wann sind wir nur so verdammt arrogant geworden?

Die Fehler liegen beim anderen

„LARP geschieht auf Con“, so sagt man. Und wenn wir spielen; mit anderen Mitspielern interagieren, dann vergleichen wir deren Spiel mit unseren Ansprüchen. Das ist in Ordnung.

Sollte allerdings der Spielstil des Gegenübers zu weit von unserem eigenen abweichen, dann finden wir diesen schlecht. Dann hat der Andere das Konzept nicht verstanden, ist vielleicht noch nicht so weit im Verständnis von LARP vorgedrungen wie man selbst oder schlicht eine Pappnase. Diese Ausdrücke höre ich immer wieder, egal von welcher Seite, und ich erwische mich auch selbst oft genug dabei, darin nicht nur eine andere Auffassung zu sehen, sondern diese gleich auch als negativ zu bewerten. Der Fehler liegt nicht bei uns, sondern beim Gegenüber. Sein Spiel/Gewandung/LARP etc. ist nicht nur anders, genügt anderen Ansprüchen als unseren, nein, es ist gleich schlechter. Das wiederum ist nicht in Ordnung.

Das ist sogar gar nicht in Ordnung. Denn so tragen wir nicht dazu bei, dass sich Menschen verstehen, sondern treiben sie weiter auseinander, verhärten weiterhin die Fronten. Etwas, das bei einem sozialen Medium wie LARP nicht passieren darf. Denn so fördern wir keine Kommunikation, sondern wir arbeiten darauf hin, dass keine stattfindet. Wir führen quasi das Konzept von LARP ad absurdum. Das allerdings zeigt, nicht der andere hat LARP nicht verstanden, sondern wir.

Wasser und Wein

LARP ist vielfältig. In fast jeder Erklärung, die ich zu dem Thema bisher gehört habe, wird dieser Aspekt besonders herausgestellt. Die schiere Anzahl an Betätigungsfeldern, die mit LARP in Verbindung gebracht werden, ist immens und reicht von Nähen, Schreiben, Handwerken über Basteln und Schauspielern bis hin zu Regieanweisungen geben. Wenn LARP aber so vielfältig ist, warum präsentieren wir dies dann nur nach außen, leben es aber nicht im Inneren? Nein, wir predigen Wasser, trinken aber Wein. Wir sind bigott geworden und fett, selbstzufrieden. Wir präsentieren nach Außen die Vielfalt, genießen im Inneren aber nur das, was unmittelbar in unserem Umfeld ist. Und der Fehler liegt natürlich immer bei den anderen, die entweder zu hohe Ansprüche stellen oder sich eben nicht genug Mühe geben, je nach Sichtweise. Niveau sieht halt nur von unten aus wie Arroganz.

Ja, LARP ist vielfältig, doch wir dürfen nicht den Fehler begehen und versuchen, einen universell gültigen Qualitätsstandard anzulegen. Es gibt keine Messlatte, was gut oder schlecht ist. Es gibt nur die verschiedenen Arten, was dem einen gefällt, und was dem anderen gefällt. Und bestimmte Ansichten sind nun mal nicht kompatibel, das ist richtig. Doch heißt das bei Weitem nicht, dass die eine oder andere Variante unbedingt schlechter ist, sondern einfach, dass unterschiedliche Leute an unterschiedlichen Dingen Spaß haben.

Der Schlüssel heißt Selbstreflexion

Anstatt also auf andere zu schauen und zu behaupten, deren Ansichten wären falsch (und sind wir einmal ehrlich, genau das tun wir damit), wäre es vielleicht wichtiger und richtiger, seine eigenen Ansichten zu überdenken. Wieso sind diese Unterschiede vorhanden? Sind meine Ansichten vielleicht zu kurzsichtig und sollte ich sie verändern? Lasst uns also etwas Demut lernen und weniger Arroganz zeigen. Lasst uns alle akzeptieren, dass das Gegenüber einfach an Dingen Spaß hat, an denen man selber keinen Spaß hat, und dass das ganz in Ordnung so ist. Das nennt man Meinungsfreiheit und –vielfalt.

Die erste Reaktion auf eine andere, von der eigenen sehr verschiedenen, Spieleinstellung sollte eben nicht sein, sich zu fragen, was für ein Trottel einem gegenübersteht, sondern, ob man selbst vielleicht eine verschobene Sichtweise der Dinge hat. Man sollte sich überlegen, ob man miteinander klarkommen kann oder ob es förderlicher für den eigenen und den Spaß des Gegenübers ist, wenn man sich ein jeweils anderes Spielumfeld sucht, anstatt aneinander vorbeizureden und beide gegen eine Wand aus Frust oder Schlimmeres laufen zu lassen. Das Hauptaugenmerk sollte also in der eigenen Selbstreflektion liegen und nicht in der Annahme, dass das Gegenüber diese nur ungenügend betreibt.

Fazit

Und eines sollte sich jeder bewusst machen. Jeder der Anwesenden hat den gleichen Anspruch auf Spaß. Niemand dort hat in der Regel den Vorsatz, dem anderen das Spiel oder den Spaß zu vermiesen, lediglich der Weg zum Spaß ist für viele ein anderer als der eigene.

Also hören wir doch endlich auf, den imaginären Erfolg eines LARPers daran zu messen, welchen Weg er zu diesem Ziel genommen hat. Legen wir die Scheuklappen ab, die wir uns selbst aufgezogen haben, und die uns zwingen, nur unseren eigenen Weg als wahr anzunehmen. Beginnen wir vielmehr, den Erfolg eines LARPers daran zu messen, ob er für sich zum Ziel gelangt, Spaß zu haben; egal, welcher Weg ihn dorthin geführt hat.

Artikelbild:  © Mitmachfoto – Fotolia.com

 

9 Kommentare

  1. Gibt es einen Grund für so einen verbitterten Artikel? Ich mache seit 20 Jahren Larp und War damals schon so arrogant wie heute. Wer mir nicht passt wird nicht oder nur wenig angespielt. Ich zahle dafür Geld, bereite mich lange auf ein Spiel vor und möchte die mittlerweile seltenen Wochenenden genießen. Und wem jemand nicht meinem Standart entspricht, ständig im off ist, mit Bäumen kuschelt, sich betrinkt oder nur durch seine Rüstung definiert dann ist es wie im richtigen Leben. .. Nicht mit mir. Da stehe ich zu. Gibt ja zum Glück auch viele gute Larper (zumindest in meinen Augen). Aber Vlt hänge ich ja auch den Artikel nicht oder falsch verstanden. Dann sorry. ..

  2. Ich glaube er meint genau das. Es gibt eben seiner Meinung nach weniger „gute“ und „schlechte“ Spieler, sondern eher verschiedene. Für mich hat das einen langen Bart. Das Problem gibt es, seit es Larp gibt. Toleranz hilft (Musste ich auch lernen), Ignorieren ist eher eine Notlösung, die nicht immer praktiziert werden kann, manchmal kommt man ja nicht aneinander vorbei.
    Für mich als einen der auch organisatorisch drin hing, in einem durchaus umstrittenen Laden, kam unter dem Strich folgendes heraus: Liverollenspiel kann aus vielen verschiedenen Motivationen heraus gespielt werden, die sich dann halt auch in gänzlich unterschiedlichen Spielstilen niederschlagen und z.T. wirklich nicht mehr kompatibel sind. Jeder hat seine Daseinsberechtigung.
    Was wirklich hilft, und wichtig ist: VOR dem Spiel, in der Einladung deutlich machen, was für eine Spielform gespielt wird, damit die Spieler keine bösen Überraschungen erleben. Das machen etliche Orgas ungenügend, weil sie ihr Ding für „Das Übliche“oder das „Normale“ halten. Zum Teil fehlen hier wahrscheinlich noch die Begrifflichkeiten.
    Keiner darf denken das was er macht sei der einzig wahre Schuh oder der „Standard“. Dann sortiert sich das von alleine.

  3. Der Autor macht es sich mit seinem Fazit das jeder den gleichen Anspruch auf persönlichen Spaß hat vielleicht doch ein wenig sehr einfach. Wenn 50% der Spielerschaft ihren Spaß aus Feiern und Saufen zieht und Larp und Plot eher als lästiges Beiwerk neben dem Feiern empfinden versauen diese Spieler den anderen das Wochenende

  4. Intention nachvollziehbar, beim Artikel, aber an vielen Stellen in meinen Augen zu Allgemein gehalten. Es gibt durchaus ein, mehr oder minder messbares, „Richtig“ oder Falsch“ im Larp, abhängig vom jeweiligen Sandkasten/Con.
    Beispiel EE: Reitet da jemand in Spaltleder & Co im Elbenlager ein oder in der Rotrock-Uniform im Pilgerlager, macht er etwas falsch und hat das Spiel nicht verstanden (und man kann der Lagerorga zu Recht vorwerfen, ihn nicht rechtzeitig abgefangen zu haben.)
    Ein pauschales „falsches“Larp gibt es nicht, korrekt. Ein themen-/konzeptabhängig falsches Larp in meinen Augen durchaus.

  5. Auch die Stelle mit den unterschiedlichen Spieleinstellungen die aber alle die gleiche Daseinsberechtigung hat ist doch sehr Naiv würde es im Extrem doch bedeuten das der Warhammer Spacemarine auf einem Fantasy Mittelalter Con durchaus seinen Platz finden darf wenn die Orga es duldet und vielleicht nur auf die Einnahmen durch Anmeldungen guckt.

  6. Irgendwie scheint mir, dass ihr beide den Artikel nicht verstanden habt? Oder ihr habt euch missverständlich ausgedrückt? Oder ich missverstehe euch?
    Er sagt doch, dass es darum geht, für sich den geeigneten Spielplatz zu finden. Er macht sich eigentlich nur dafür stark, dass man nicht das Recht hat, auf dem anderen herumzutrampeln, nur weil man dessen Spielweise ablehnt. Er schreibt nirgendwo, dass man sich mit den unterschiedlichen Spielniveaus abfinden müsse. Eigentlich versucht er nur einen Denkanstoß zu bieten, damit man sich in der LARP-Gemeinschaft nicht völlig verklinscht, was ja wohl oft genug passiert. Ich denke, es geht hier um Wahrnehmung und Reflexion, anstelle von Ich-Bezogenheit und Aggression. Also um einen Denk-Anstoß für eine Richtungsänderung, nicht mehr und nicht weniger.

  7. Ich vermisse in diesem doch sehr appelhaften Artikel eine Erweiterung der Aufforderung „Das Haupt­au­gen­merk sollte also in der eige­nen Selbst­re­flek­tion lie­gen und nicht in der Annahme, dass das Gegen­über diese nur unge­nü­gend betreibt.“
    So ungefähr:
    … Das bezieht sich auch auf den Moment, in dem selbst kritisiert wird, oder auch nur das Gefühl hat kritisiert zu werden. Wer die Meinung der Person aus dem anderen Sandkasten nicht als solche zu werten versteht und sich – sei es auch nur aus älteren Erfahrungen – persönlich angegriffen fühlt, sollte auch hier Selbstreflexion über ein Verhärten der Fronten stellen.

    Fände ich wichtig.

  8. „Hört auf euch zu streiten! Ihr habt das gleiche Hobby!“
    „Nein, der spielt was ganz was anderes als ich!“
    „Ihr spielt beide Schach.“
    „Ja, aber der spielt Schwarz und ich Weiß, das kann garnicht zusammen passen!“

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein