Rezension: Harry Dresden 1 – Sturmnacht (Hörbuch)

Was passiert eigentlich, wenn man den schnoddrigen Charme des Noir-Detektiv-Genres der 40er Jahre mit aktueller Urban Fantasy koppelt? Ganz klar, es gehört ein Detektiv in diesen Mix, er muss unter beständiger Geldnot leiden und sich mit einer großen Organisation angelegt haben, die nur auf einen Fehler von ihm wartet. Natürlich wird dessen Handeln von einem Mord überschattet, am besten gleich mehrere. Und auf jeden Fall muss ihn auch jemand für schuldig halten. Was packen wir noch in den Mix? Logisch – Vampire, schwarze Magie, die Mafia und ein paar Feen! Willkommen bei Sturmnacht – dem ersten Teil der Erfolgsserie rund um den magischen Ermittler Harry Dresden. (Übrigens wird sein Nachname nicht wie die deutsche Stadt ausgesprochen, sondern jeweils mit kurzem „e“.)

Story und Autor

Magie ist real in der Welt des magischen Ermittlers Harry Dresden. Sie umfließt uns und umgibt uns, aber die Berührungspunkte zur „normalen“ Welt sind wenige. Ab und an passiert es, dass Menschen auf die Spuren der Magie stoßen. Sogar die Polizei von Chicago hat mittlerweile erkannt, dass sie eine Spezialeinheit braucht für Vorfälle, die nicht ohne weiteres erklärbar sind.

So auch hier – der Leibwächter des Mafiadon wurde mit seiner Geliebten, einer Edelprostituierten, tot aufgefunden. Beim Liebesakt sind ihre Herzen explodiert. Um dieses grausame Verbrechen aufzuklären, schaltet die Polizei Harry Dresden ein, der für das Dezernat auf Auftragsbasis arbeitet. Doch dieser wird von einer Klientin aufgehalten – einer schönen Frau mit langen dunklen Haaren, die ihren Mann vermisst, seitdem dieser begonnen hatte, sich der Magie zuzuwenden. Und dann ist da auch noch diese neue Droge auf den Straßen, die angeblich erlaubt, die magische Welt zu sehen. Wie passt es dann noch ins Bild, dass der Mafiadon selbst versucht, Dresden davon abzuhalten, dem Fall des Doppelmordes näher nachzugehen?

Mehrere lose Anfänge bilden den Auftakt zum ersten Abenteuer von Harry Dresden, der sich der Hilfe der Normalbevölkerung verschrieben hat. Was zuerst nach zusammenhanglosen Parallelgeschichten wirkt, verknüpft sich bald zu einer handfesten Bedrohung. Diese wird natürlich auch direkt Harry von einigen auftauchenden Akteuren in die Schuhe geschoben. Dresden schafft es erst zum Ende des Romans, sich aus dem Schlamassel zu retten.

Dabei trifft er auf einen wütenden Schwarzmagier, der eine übernatürliche Droge braut, ein nach Rache sinnendes Pärchen, dessen Kind bei einer Mafia-Schießerei von einem Querschläger getötet wurde und eine lustvolle Vampir-Puffmutter. Verdammt viele Informationen ruhen bei Personen, deren Träger meist genau dann sterben, wenn sie im Begriff sind, Harry die Wahrheit zu verraten.

Mehr zu verraten, würde dem Krimi, denn nichts anderes ist der Roman, die Spannung nehmen.

Sprecher

Immer wenn ich David Nathan als Harry Dresden höre, kann ich nicht anders, als mir Johnny Depp als verlotterten magischen Detektiv vorzustellen. Nathan vermag es, das Schnoddrige, das Dresden so sehr ausmacht, hervorragend in der Stimme umzusetzen.

Auch das Wechselspiel der Rollen, wenn es um Dialoge geht, inszeniert er gut und sicher. Immer erkennt man genau, wer gerade spricht. Besonders der berlinernde Windgeist Bob hat mir sehr zugesagt und mich zum Lachen gebracht. Zugegeben, Nathan hätte etwas schneller sprechen können, aber die Abspielgeschwindigkeit kann man ja in der Audible-App einstellen.

David Nathan vertont neben Depp auch andere namhafte Schauspieler wie Nathan Fillion und Christian Bale. Ebenso spricht er für LPL Records die Hörbücher und Lesungen von H.P. Lovecraft.

Preis-/Leistungsverhältnis

Der hohe Preis von 19,95 EUR mag im ersten Moment abschrecken, mit einer Spielzeit von 9 Stunden und 48 Minuten ist das Hörbuch auch nicht so lang, dass es den Preis rechtfertigen würde. Für Fans und neugierig Gewordene empfiehlt sich also entweder das Flexi-Abo Spezial von audible oder der Griff zum Druckwerk, respektive digitalen Buch.

Zu bedenken ist, dass man das Hörbuch aufgrund des DRM-Schutzes nur auf den Audible–Apps hören kann, welche es immerhin für alle gängigen Plattformen gibt. Man kann die Dateien zwar auf Audio-CDs brennen, das ist jedoch fehleranfällig und daher nicht anzuraten. Ich habe das Buch unter Android auf einem Nexus 4 gehört.

Bonus/Downloadcontent

Es gibt keine weiteren Bonus-Inhalte.

Erscheinungsbild und Klangqualität

Beim Kauf als Download entfällt natürlich die Verpackung, das Cover wird aber als kleine eingeblendete Grafik in der App mitgeliefert. Das Cover zeigt Harry Dresden selbst, von Schatten verhüllt und mit einem großen Schlapphut bekleidet.

Klanglich lässt sich nichts beanstanden, Hörer mit starken Boxen sollten aufgrund der tiefen Stimme von David Nathan etwas den Bass rausnehmen.

Die harten Fakten:

• Verlag: Feder & Schwert
• Autor(en): Jim Butcher
• Erscheinungsjahr: 2014
• Sprache: Deutsch
• Format: proprietäres Format für Audible
• ISBN/EAN/ASIN: B00JRF72TQ
• Preis: 19,95 EUR oder 4,95 EUR im Flexi-Abo Spezial
• Bezugsquelle: Amazon, Audible

Fazit

Ich mag diese auf den ersten Blick verlottert erscheinenden Gestalten, hinter denen wesentlich mehr steckt, als auf den ersten Blick ersichtlich ist. Harry Dresden ist eine dieser Gestalten und erscheint auch dem Hörer in den ersten Minuten als eben jener leicht heruntergekommene Privatdetektiv, den man aus den Romanen der 40er Jahre kennt. Dass aber wesentlich mehr dahintersteckt, erfährt der Hörer, wenn Dresden beginnt, verständlich und auf das Wesentliche heruntergebrochen, über die Magietheorie zu erzählen.

Dabei touchiert er von Dämonenbeschwörungen durch bösartige Schwarzmagier bis hin zu der Vorliebe von Waldfeen für Pizzen vom Lieferdienst alles. Das Schöne daran ist, dass der Hörer so unweigerlich tiefer in die Welt von Harry Dresden gezogen wird und sich diese weitaus besser vorstellen kann. Der Immersionsfaktor ist also ordentlich hoch, wird aber immer wieder von komischen Momenten auf einer gesunden Skala gehalten.

Eines muss man der Geschichte anlasten – sie ist absehbar, wenn man schon den einen oder anderen Kriminalroman kennt. Allerdings ist die Art, wie die Erzählung zum Ende geführt wird, dann doch überraschend. Kleine Elemente wie der falsche Zaubertrank oder die Ansprache des Erzantagonisten überraschen dann doch. Auch scheint Harry Dresden bis zum letzten Fünftel immer wieder kurz vor dem Grab zu stehen, und die Häufung dieser Vorfälle nimmt die Freude an der Geschichte etwas zurück.

Dennoch handelt es sich bei Sturmnacht um eine gelungene Urban-Fantasy-Erzählung, bei der ich neugierig wurde, wie es in den Nachfolgern weitergeht. Es sind noch viele Fäden offen und jeder der Hauptcharaktere ist so lebendig gezeichnet, dass es Spaß macht, deren Weg zu folgen. Besonders von Bob erhoffe ich mir, dass er mehr wird als der berlinernde Windgeist-Lustmolch.

David Nathan macht einen sehr guten Job als Sprecher und durch seine bekannte Stimme fällt es nicht schwer, sich den Magierdetektiv verkörpert durch den bekannten Schauspieler Johnny Depp vorzustellen.

Artikelbilder: Audible, Feder&Schwert