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Die Verfilmung von Die Tribute von Panem geht in den Endspurt. Der geneigte Kinozuschauer wird jedoch gleich zu Beginn vor den Kopf gestoßen, folgen die Produzenten doch dem mittlerweile gängigen Muster den letzten Teil einer Reihe einfach noch mal aufzuspalten (Harry Potter, Twilight und Der Hobbit). Freilich ist der zugrunde liegende Stoff so komplex und gewichtig, dass es in nur einem Kinofilm nie ausreichend gewürdigt werden könnte. Man braucht sich nichts vorzumachen, in erster Linie geht es auch in den Traumfabriken Hollywoods ums Geschäft.

So müssen auch Die Tribute von Panem diesen Weg einschlagen und bekommen zunächst einen Abschluss, der keiner ist. Filmisch ist die Wahl der Mehrteiler, die keine sind, nicht immer sinnvoll aufzufangen und führen gern zu Brüchen oder Ergänzungen des Stoffes.

Die bisherigen Verfilmungen der Roman-Trilogie waren weltweit erfolgreich und so schien auch der nächste Streich zum Erfolg verdammt. Tragischerweise verstarb während der Dreharbeiten auch noch der bekannte Schauspieler Philip Seymour Hoffman, was schlussendlich zu Änderungen am Drehbuch führte. Das Team um Regisseur Francis Lawrence stellte sich allen Herausforderungen, löste sich vom bekannten Schema der Vorgänger und präsentiert nun den letzten Zwischenschritt zum Finale der Die Tribute von Panem-Saga.

Katniss und Gale sehen sich prompt auf Seiten des Widerstands.
Katniss und Gale sehen sich prompt auf Seiten des Widerstands.

Story

Katniss Everdeen konnte von den Rebellen aus der Arena gerettet und in dem zerstört geglaubten Distrikt 13 in Sicherheit gebracht werden. Für die unterdrückte Gesellschaft wird sie zur heroischen Symbolfigur des Aufstandes gegen das Kapitol. Als der Krieg ausbricht, der das Schicksal Panems für immer bestimmen wird, muss Katniss sich entscheiden: Kann sie den Rebellen rund um Präsidentin Coin trauen? Und was kann sie tun, um Peeta aus den Fängen des Kapitols zu retten und Panem in eine bessere Zukunft zu führen?

Die Handlung des ersten Mockingjay-Teiles führt die Geschehnisse des Vorgängers nahtlos weiter. Standen im ersten und zweiten Teil noch die Hungerspiele im Vordergrund, verknüpfen sich nun die Ereignisse zu einer düsteren Zukunft. Aufstand, Rebellion und die Opfer des Krieges beherrschen die Thematik und verschärfen die Handlung deutlich. Nicht nur Katniss, sondern der gesamten Nation steht eine grausame Zeit des Umbruchs bevor. Die Dynamik der Geschichte konzentriert sich hierbei auf den Nährboden revolutionären Treibens: dem Aufruf zum Aufstand. Medienwirksam schüren alle Seiten einen ausufernden Propagandakrieg. Katniss, aber auch viele andere Figuren, kann sich der Sogwirkung des Konfliktes nicht entziehen. Damit ergibt sich ein brodelnder Kessel aus ganz persönlichen Motiven wie Angst, Gier und Rache bis hin zur Frage nach dem großen Ganzen. Opfer scheinen auf diesem Weg unausweichlich.

Donald Sutherland  als Präsident Snow - eine begnadete Rolle.
Donald Sutherland als Präsident Snow – eine begnadete Rolle.

Darsteller

Der Mehrteiler verfügt mittlerweile über eine ansehnliche Darstellerriege. Glücklicherweise wurden in den beiden Vorgängern die meisten Figuren schon eingeführt. So gelingt der Fokus auf die Hauptfigur Katniss Everdeen (Jennifer Lawrence), die sich zur Heldin wider Willen aufschwingt und sich ihrem entscheidenden Kampf stellt. Durch die Erlebnisse psychisch völlig am Ende und von Albträumen geplagt, wandelt sich die Figur im Verlauf der Handlung zum medialen Gesicht der Revolution. Dramatisch werden hier die vielschichtigen Konflikte der Figur präsentiert. Insbesondere als Katniss für Distrikt 13 auf der einen und Peeta für das Kapitol auf der anderen Seite zu Marionetten der Propaganda-Kampagnen werden, wird es emotional. Oscar-Preisträgerin Jennifer Lawrence meistert diese Herausforderung und verdeutlicht dem Zuschauer, unter welch immensem Druck die Hauptfigur steht.

Zwar liegt der Fokus klar auf ihr, aber ein paar erwähnenswerte Auftritte gibt es trotzdem. Während das mediale Wirken um Katniss veranschaulicht wird, darf ihr Gegenpart Peeta Mellark (Josh Hutcherson) lediglich über propagandistische TV-Auftritte schauspielerisch wirken. Sein psychisch und physischer Verfall zwischen diesen ist jedoch beeindruckend inszeniert.

Der eigentliche Gegenspieler Präsident Snow (Donald Sutherland) agiert derweil im Hintergrund, scheint aber sichtlich Spaß am grausamen Machtspiel mit Katniss und den Rebellen zu haben. Erbarmungslos treibt er die Ereignisse voran und wirkt gewillt, jeden Widerstand mit aller Härte niederzuschlagen.Ihm gegenüber steht die zunächst zurückhaltende Rebellen-Anführerin Alma Coin (Julianne Moore). Ihr Wandel gewinnt an Tempo, als sie die mediale Kraft von Katniss ausnutzen kann. Anfänglich zögernd, sind ihre Reden am Ende kraftvoll und verdeutlichen einen gefährlichen Machtanspruch, den man zuvor nur von ihrem Widersacher Snow erlebt hat.

Strippenzieher im Hintergrund ist hierbei Plutarch Heavensbee (Philip Seymour Hoffman), strategisch plant er Katniss als seine Schachfigur in Form des Spotttölpels ein. Das Symbol des fiktiven Vogels wird zum Erkennungsmerkmal der Widerstandsbewegung. Hoffmann, dem der Film gewidmet wurde, darf mit seiner Figur zwar die Geschehnisse vorantreiben, hält sich jedoch ansonsten zurück. In diesem Zusammenhang fehlen zwei gewichtige Szenen der Figur, die aufgrund des tragischen Todes des Darstellers auf andere Charaktere umgeschrieben werden mussten.

Die Kommandozentrale von Distrikt 13 - ungewohnt modern und straff organisiert.
Die Kommandozentrale von Distrikt 13 – ungewohnt modern und straff organisiert.

Inszenierung

Wie macht man aus der so gut wie actionfreien Vorlage der ersten Romanhälfte eine mitreißende Brücke zum eigentlichen Finale 2015? Regisseur Francis Lawrence nahm sich der Aufgabe an. Dabei entwirft er einen düsteren Anti-Kriegsfilm ohne echte Helden. Abgesehen von der abstrusen Actionsequenz aus dem Trailer, in der Katniss in bester Rambo-Manier mit Pfeilen gegen Hightech-Flieger obsiegt, konzentriert sich das Drehbuch auf die inneren Konflikte seiner Hauptfigur.

Der Aufstand in den Distrikten wird stellenweise ebenfalls dramatisch in Szene gesetzt. Geschickt verknüpfen die Macher hierbei in wenigen Einstellungen relevante Ereignisse der brodelnden Rebellion. Hier wird auch ein Großteil der soliden Actionszenen eingebaut, spektakuläre Bilder gibt es jedoch kaum. Vermutlich wird es beim tatsächlichen Finale 2015 aber ohnehin ordentlich krachen.

Die Inszenierung der inneren Widerstände sowie des psychologischen Schlagabtausches der Charaktere gehört zu den Stärken des Filmes. Politisch ist die Romanvorlage ohnehin interessant und trifft zwischen den Zeilen durchaus den Zeitgeist. Erschreckend real visualisiert Regisseur Francis Lawrence die mediale Propaganda-Kampagne und die pragmatischen Handlungsweisen einer herrschender Gesellschaft.

Distrikt 13 weiß sich zu schützen.
Distrikt 13 weiß sich zu schützen.

Erzählstil

Die Handlung spitzt sich linear zu. Die Hauptfigur Katniss Everdeen ist ohnehin in fast jeder Szene dabei. Ängste und Verzweiflung der unfreiwilligen Heldin finden sich in Albträumen visualisiert wieder. Variantenreich ist hingegen der Wechsel zu den unterschiedlichen Schauplätzen der Rebellion.

Trailer

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Fazit

Das Finale ist nah, fast zumindest. Mit Die Tribute von Panem – Mockingjay Teil 1 gibt es zumindest ein letztes Zwischenspiel. Der Schritt, das Material des letzten Romanes in zwei Teile aufzuspalten, bleibt eine zweischneidige Angelegenheit. Geprägt vom zusätzlichen Verlust seines Darstellers Philip Seymour Hoffman, sah sich Regisseur Francis Lawrence mit großen Herausforderung konfrontiert. Glücklicherweise wird seine, aus Blockbuster-Sicht ungewohnte, Herangehensweise belohnt. Der erste Streich von Mockingjay verzichtet auf ein visuelles Effektgewitter und zieht seine Stärke aus einem guten Drehbuch und einer perfekten Hauptdarstellerin. Jennifer Lawrence verkörpert packend Katniss Everdeen, welche nicht ganz freiwillig in Form des Spotttölpel zum Symbol des dramatischen Aufstandes gegen das Kapitol wird.

Die Tribute von Panem – Mockingjay Teil 1 reift somit zum bisher besten Teil der Roman-Verfilmung. Dennoch bleibt noch etwas Luft, denn wie sinnvoll die filmische Aufspaltung schlussendlich war, erfahren die Zuschauer erst im großen Finale 2015.

Daumen4Maennlich

Artikelbilder: Studiocanal

 

3 Kommentare

  1. Bezüglich der hier beschriebenen „abstrusen Actionsequenz“ aus dem Trailer: Die kommt im Buch aber tatsächlich so vor. Katniss schiesst mit ihrem Bogen (der mit Sprengpfeilen mit Aufschlagzündern bestückt ist) ein Hovercraft vom Himmel.

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