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Wir schreiben das Jahr 2350 und befinden uns auf dem Planet Salus, auch Nekropolis genannt. Okay, damit ist der Titel des Settings wohl schon mal geklärt. Necropolis 2350 ist ein futuristisches Savage Worlds-Setting und beschreibt die hilflosen bis heldenhaften Versuche der letzten Überbleibsel der Menschen gegen die nahezu übermächtigen Rephaim zu bestehen. Die Reihen der Untoten setzen sich aus Vampiren, Mumien, Zombies und vergleichbaren Schrecken zusammen, während ihnen gegenüber die fünf heiligen Orden der Kirche versuchen, die Sünder vom Angesicht des Planeten zu tilgen.

So weit, so dramatisch. Schauen wir mal, ob das Settingwerk zu verzaubern vermag.

Inhalt

Auf Salus gibt es gleich drei Fraktionen: die heilige Kirche, die Konzerne und die Rephaim. Spielbar sind, laut Grundsettingbuch, aber nur die fünf Orden der Kirche. Die Rephaim sind dämonische Untote und damit der Spielleitung – hier Kriegsmeister genannt – vorbehalten Die rein gewinnorientierten Konzerne bilden zwar eine Opposition zur Kirche, sind aber nicht dafür gedacht, durch die Spieler vertreten zu werden.

Im Jahr 2350 ist weder von der Menschheit viel übergeblieben, noch von der Friedfertigkeit der Kirche. Diese hat sich auf eine mittelalterliche Haltung zurückgezogen und verfolgt alle Abweichlicher mit maximaler Härte. Der militante Arm der Kirche sind seine Orden: Pfähler, Lazariter, Brenner, Templer und Prediger. Jeder Charakter muss Mitglied in einem dieser Orden sein oder er gehört zum Orden der Büßer, die nur schlecht bewaffnetes Kanonenfutter stellen. Die Orden sind wirklich gut beschrieben und bringen jeweils ihre eigenen Spezialitäten mit, sei es eine bestimmte Taktik oder Ordenswaffe.

Die Spieler formieren sich in der Regel zu einem Trupp, geleitet durch den Ersten Ritter. Da weder Widerspruch noch Diskussion geduldet werden, ist an dieser Stelle schon vollkommen klar, dass tiefes Charakterspiel schwerfallen wird.

Das Spiel ist auf Taktik ausgelegt: Jeder Charakter erfüllt hauptsächlich seine Aufgabe. Sei es die Führung, die schweren Waffen, das Steuern von Panzern oder das seelische Wohl der Truppe. Neben den Rittern stehen dann noch die Servienten, die als namenlose Handlanger über das Spielfeld dirigiert werden können.

Seine Heiligkeit vertraut nicht nur auf Gebete.
Seine Heiligkeit vertraut nicht nur auf Gebete.

Theoretisch kann ein Charakter auch einen dieser Servienten spielen, davon wird aber ausdrücklich abgeraten.

All dies ist auf fast 100 Seiten sehr gut beschrieben, inklusive Charaktererstellung, Ausrüstung und der durch den Glauben gewährten Wunder. Necropolis 2350 beruht nicht auf der aktuellen deutschen Version von Savage Worlds, kann aber problemlos verwendet werden. Entsprechende Umsetzungen kann man direkt von der Verlagswebsite herunterladen. So bringt das Setting den aus früheren Editionen bekannten „Mumm“ mit sich. Für ein Setting, das mit untotem Horror agiert, aber wohl sehr passend.

Nach dem Spielerteil folgt ein fast doppelt so dicker Kriegsmeister-Teil, in welchem die Informationen versteckt sind, die den Spielern in der Regel nicht bekannt sind. Dazu gehören die oben genannten Konzerne, aber vor allem natürlich die Struktur der Rephaim. Ohne zu viel zu verraten, handelt es sich um Außerirdische, die durch eine bösartige, fremde Macht aus einer anderen Dimension korrumpiert wurden. Klingt nach Event Horizon? Stimmt. Insgesamt hat man beim Lesen immer wieder das Gefühl, dass das Setting aus Versatzstücken anderer Settings, Büchern und Filmen besteht. Das ist sicherlich naturgegeben, aber leider fehlen so die wirkliche Überraschungen und unerwarteten Wendepunkte.

Plot-Point-Kampagne
Plot-Point-Kampagne

Mit der „Schlacht um Neu Budapest“ bietet das Buch eine vollständige Plot-Point-Kampagne an. In dieser starten die Spieler in der ersten Mission „Vorstoß“ und, je nachdem, ob diese erfolgreich war oder gescheitert ist, geht es zu einem anderen Missionsabschnitt weiter. Das legt natürlich nah, dass die Missionen klar beschrieben und klar gelöst werden müssen. Und zwar mit militärischer Klarheit: Zwischenlösungen sind nicht gefragt, aber von einem erfahrenen Kriegsmeister (SL) sicher zu händeln. Selbst im schnellsten Fall – sieben Missionen – wird die Plot-Point-Kampagne sicherlich Stoff für etliche Spielsessions und Monate bieten. Das hängt stark davon ab, wie viel Zeit die Charaktere mit der Planung zubringen wollen: Wo sollen die Minen hin, wo liegt Stacheldraht, von wo werden welchen Truppenteile kommen und so weiter. Die eigentlichen Kämpfe sind trotz einer hohen Zahl von Beteiligten, Dank des Savage-Worlds Regelwerks, ziemlich flüssig abzuhandeln.

Zusätzlich dazu stehen noch vierzehn Savage Tales, also Kurz-Abenteuer, für den Kriegsmeister bereit. Fast jedes Abenteuer, wie auch die Missionen der Plot-Kampagne, verfügt über eine kleine Karte, die im Anhang nochmals größer dargestellt wird. Natürlich auch dann nicht so groß, dass man darauf spielen könnte. Diese Karten dienen mehr dazu, den Spielern und der Spielleitung einen Überblick zu verschaffen.

Insgesamt sind beide Teile des Buches gut und interessant geschrieben, setzen aber einen sehr strikten, von oben diktierten Spielstil voraus. Man kann wirklich mehr von einem Taktikspiel reden, als von einem klassischen Rollenspiel. Das macht das Setting nicht schlechter, ist aber etwas, was man nicht deutlich genug betonen kann, da es sonst schnell zur Enttäuschung wird. In den Regeln selbst wird dies als Stärke hervorgehoben, da so auch mal ein Spieler, der sonst eher ruhig und passiv ist, die Führung übernehmen kann. Und dies ohne dass der sonstige Alpha-Spieler ihm ins Wort fällt. Definitiv Geschmackssache.

Aus Sicht des Spielleiters ist das natürlich sehr bequem. Szenarien sind schnell erdacht und wenn das nicht ausreicht, bietet das Regelwerk einen wunderbaren Missionsgenerator mit allem, was man sich wünschen könnte: Ziele, Aufträge, Gelände, Gegner, Komplikationen und und und.

Preis-/Leistungsverhältnis

Ritter mit Schwert? Von gestern!
Ritter mit Schwert? Von gestern!

Beschränkt man sich nur auf das gelieferte Buch, dessen Qualität und Darbringung, so sind die gut 30 EUR wirklich berechtigt. Das Buch ist äußerst stabil und wird sicherlich lange Jahre schadlos überstehen. Das Setting dagegen vermag mich in seiner eigentlichen Form nicht so recht zu fesseln. Wobei schon die Listen futuristischer Waffen, Fahrzeuge und Untoten es zu einem hervorragendem Nachschlagewerk machen.

Erscheinungsbild

Necropolis 2350 ist als Hardcover-Ausgabe erschienen. Zwischen den zwei wirklich stabilen Deckeln verstecken sich über 280 Seiten. Anstatt eines Vorsatzpapiers, wird vorn und hinten eine Karte des Planeten Salus gezeigt. Der zweispaltige Druck ist trotz des kleinen Taschenbuchformats gut lesbar und reichlich bebildert. Die meisten der Illustrationen entsprechen dem Niveau des Titelbilds, einige hängen dem aber auch etwas hinterher und vermögen es nicht, die dunkle Atmosphäre zu unterstützen. Seiten und Ränder des Buches sind passend gestaltet und sollen wohl eine Art futuristisches Gebetbuch darstellen. Das Buch selber ist sehr kompakt zu halten und hat durch die hohe Seitenzahl und das schwere Papier ein gutes Gewicht.

Lektorat und Stil sind gut und nur eine Hand voll kleiner Fehler haben es noch in die fertige Druckversion geschafft.

Deutlich zu klein sind dagegen die Karten der Missionen geraten, auch wenn diese im Anhang nochmals auf voller Seitengröße zu finden sind. Diese können bestenfalls eine grobe Idee des Geländes vermitteln, würden aber bei einem Vergrößern per Scanner oder Kopierer viel zu stark an Qualität verlieren. Durch den Tabletop-Charakter des Settings geht es aber auch nicht ohne. Hier wäre es sicherlich gut, wenn man die Karten zusätzlich herunterladen könnte, um diese auf DIN-A3 oder größer drucken zu können.

Necropolis 2350 CoverDie harten Fakten:

  • Verlag: Prometheus Games Verlag
  • Autor(en): Paul Wade-Williams
  • Erscheinungsjahr: 2009
  • Sprache: Deutsch
  • Format: 17,2 x 2,5 x 24,7 cm
  • Seitenanzahl: 284 Seiten
  • ISBN: 978-3941077195
  • Preis: 29,95 EUR als Buch / 14,95 EUR als PDF
  • Bezugsquelle: Amazon

 

Bonus/Downloadcontent

Auf der Homepage des Prometheus Verlags kann man unter anderem Charakterbögen und einige Extras herunterladen:

 

Fazit

Ritter vom Ordo Templi Novi
Ritter vom Ordo Templi Novi

Necropolis 2350 ist ein Setting, das man, je nach gepflegtem Stil am Tisch, lieben oder hassen kann. Das Setting ist extrem militaristisch, mit allem, was das so nach sich zieht. Sicherlich wird sich nicht jeder Spieler ohne weiteres damit abfinden, dass ein anderer Spieler die Führung übernimmt. Dabei reden wir nicht etwa vom bekannten Problemspieler. Die strikte Hierarchie in der Kirche bzw. in den fünf heiligen Orden erzwingt diese Spielweise. Keine Diskussion – Befehl und Gehorsam.

Das führt auch schon direkt zum zweiten Knackpunkt: Wenn man Savage Worlds oftmals eine starke Tendenz zum tabletop-artigen Spiel unterstellt, so ist Necropolis die maximale Steigerung des Konzepts. Die Auswahl an Waffen, Fahrzeugen und Ausrüstung legt ein solches Verhalten einfach nahe. Für mich ist Nekropolis mehr ein Tabletop mit Rollenspiel-Elementen, denn ein taktisches Rollenspiel. Dafür bietet es den Spielern einfach zu wenig Möglichkeit, ihren Charakter auszuspielen. Auf Tabletop-Ebene ist dagegen jeder ein Spezialist und wird sicherlich so seine Spotlights erhalten.

Auch wenn das Regelwerk die Kirche gut beschreibt, muss man doch sagen, dass vieles eben nicht in der Tiefe erklärt wird. Hier muss jede Gruppe selber entscheiden, wie der Glauben gelebt wird. Je nachdem, wie intensive man sich mit der Kirchengeschichte auskennt, fallen einem diese Lücken mehr oder weniger auf. Als ehemaliger Theologiestudent in meinem Falle also eher mehr.

Meiner Vorstellung einer Rollenspiel-Runde entspricht das Setting in der vorgegebene Art und Weise leider nicht so wirklich, aber es gibt ja auch mehr Fraktionen als nur die heilige Kirche auf Salus, die man gegebenenfalls ausarbeiten könnte.

Generell möchte ich jedem Interessierten vorschlagen, vor Ort mal selber einen Blick ins Buch zu werfen, soweit möglich. Alternativ bietet die Savagepedia eine gute Zusammenfassung weiterer Reviews von Necropolis 2350.

Daumen3maennlich

Artikelbilder: Prometheus Games

 

 

3 Kommentare

  1. Klingt für mich wie „Hellgate: London“ meets „Warhammer 40k“ und wäre eigentlich eher als TTG/Dungeonhack geeignet statt als ein RPG. Als „Doom“-Variante fände ich „Necropolis 2350“ ganz gut, wobei mich aber auch die etwas zu klassischen Untoten in dem Setting etwas stören. Man könnte einfach mehr daraus machen. So wirkt es irgendwie sehr zusammengeklaut.

    • Man könnte neben dem sehr treffend beschriebenen „Hellgate London/WH40k“ Setting das man ja auch durchaus noch erweitern kann um neue Welten und Bedrohungen einzubauen, wenn einem der reine Hellgate Aspekt zu stark ist, sehr gut als Ausgangspunkt für andere Taktische Scifi Szenarien nehmen. Es ist in der Tat nur ein wenig Arbeit für eine Runde Starship Troopers nötig. Und im Prinzip alles in richtung „Space Gothic“ lässt sich auch gut umsetzen.
      Damit will ich nichts gegen das Ursprüngliche Setting sagen, das find ich garnichtmal schlecht, ich bezweifle nur das es mich persönlich lange fesseln könnte, ist es doch relativ einseitig. Daher würd ichs warscheinlich früher oder später ausweiten, oder gleich größer anlegen, oder eben von beginn an nicht für lange einplanen, dann ists wie es ist sicher ne nette Abwechslung.

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