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Eine neue Ära beginnt. Zumindest für mich. Das Hobby LARP offeriert viele unterschiedliche Szenarien, und ich stehe an der Schwelle einer für mich völlig neuen Welt. Begleitet mich auf meiner Reise aus dem Mittelalter in die Welt von Mad Max und Fallout.

Dieser Artikel ist Teil der Serie „Der Anfang vom Ende„, ein Erfahrungsbericht praktischer Natur rund um den Einstieg ins Endzeit-LARP

Mit 47 Jahren wieder ein Anfänger

Jedes Alter hat im wahren Leben seine Vor- und Nachteile. Das betrifft auch mein Hobby LARP.

Mit Mitte 40 ist es gar kein Problem, einen Großmeister eines Handwerks oder der Magie darzustellen. Ein älterer Ritter oder höherer Adliger wirkt jetzt glaubhaft. Und einem in die Jahre gekommenen Geschichtenerzähler kauft man leichter ab, einiges erlebt zu haben, das erzählenswert ist. So weit so gut. Wenn es aber darum geht, einen neuen Charakter zu erschaffen, stößt man auf Probleme. Die klassischen Anfänger-Rollen sind für mich nicht mehr darstellbar. Niemand wäre bereit einen Lehrling in diesem Alter in seine Dienste zu nehmen. Ein Jüngling, der hinauszieht, um Abenteuer zu suchen, bringt selten ergrautes Haar mit. Und wenn ein Knappe alt genug ist, um der Vater seines Ritters zu sein, schleichen sich doch gewisse Zweifel beim Betrachter ein. Da ich seit 20 Jahren Fantasy-LARP betreibe, kann ich diese Klippen jedoch umschiffen. Es kommt der Moment im Leben eines Spielers, in dem jeder Dämon erschlagen, jeder Schatz gehoben und jede Prinzessin geschän… – ähm – „gerettet“ wurde. Man bringt genügend Lebens- und Spielerfahrung mit, um jederzeit den alten, erfahrenen Mann darstellen zu können. Auch wenn er in einem anderem Gewand und mit neuem Beruf auftritt.

Nun steht jedoch ein völliger Bruch mit meinen bisherigen Erfahrungswerten an. Im Frühjahr des nächsten Jahres fahre ich auf meinen ersten Endzeit-Con: Bunker Springs; Für einen Becher Wasser, veranstaltet von der Ödland-Orga. Ich habe keine Ahnung von der Welt, ihren Gefahren, den möglichen Gegnern oder Verbündeten. Wie erklärt man, dass man in meinem Alter gerade die ersten Schritte in dieser für mich völlig neuen Welt macht? Und wie hat man es, derartig unerfahren, geschafft, so alt zu werden?

Die Vorgeschichte oder „Wo kommt plötzlich der alte Mann her?“

Mit 30 Jahren Tabletop-Erfahrung, geistig gestählt durch unzählige Abende mit Fantasy- und Science-Fiction-Filmen waren Lösungen schnell gefunden.

  • Lösung A: Ich wurde in Carbonit eingefroren, und lasse mich auf dem ersten Con von einer Kopfgeldjägerin befreien.
  • Lösung B: Ich bin ein Vampir, und mein Sarg wird zufällig durch einen Erdrutsch freigelegt. Durch die radioaktive Strahlung wurde ich lichtresistent, durch chemische Abfälle immun gegen Silber.

 

Die freudige Weitergabe meiner Start-Szenarios an die Orga endete jedoch, gelinde gesagt, ernüchternd. Bei A war ich mit der Idee leider im falschen Universum gelandet. Und bei B fiel die Raumtemperatur fast auf Werte, die man nur von der Begrüßung durch seine Schwiegermutter gewohnt ist. Mir wurde dringend geraten, mich mit dem Spiel Fallout auseinanderzusetzen, um ein Gefühl für das Genre zu bekommen. Nach einem zweiwöchigen Intensivkurs in dieser Spielwelt war mir klar, dass für mich nur ein Charakter für den Einstieg logisch und glaubhaft darstellbar ist: Ein Vault- oder Bunkerbewohner, der gerade die ersten Schritte an der verstrahlten und giftigen Oberfläche macht.

Nur so ist es ohne größere Erklärungen und Verrenkungen verständlich, dass ein derart unerfahrener und behütet aufgewachsener Charakter ein so hohes Alter erreichen konnte. Alles in dieser Welt wird für mich IT wie OT neu sein, aber mit diesem Ansatz kann ich trotzdem die Immersion anderer verstärken. Mein Unverständnis, meine Unerfahrenheit, mein „Nicht-Wissen“ um die verschiedenen Fraktionen ist durch meinen Hintergrund leicht nachvollziehbar. Auch Fragen, Naivität und Dummheit sind ein Spielangebot. Nachdem also der Hintergrund des neuen Charakters festgelegt war, ging es nun an die grobe Planung.

LARP lebt von Klischees

Unter der Prämisse, dass mein Bunkerbewohner auf den ersten Blick als solcher erkennbar sein soll, entstand aufgrund des Spieles Fallout folgende To-Do-Liste:

  • Ein Vault-Overall: Ein Overall, dem man ansehen muss, dass er schon einige Zeit in Gebrauch ist. Da ich im Rollenspiel bekennender Rüstungs-Fetischist bin, soll dieser Overall leicht gepanzert sein. Zumindest soll er gegen Kratzer, Schnitte und Bisse schützen. Ich kenne die Welt, die ich betreten werde zwar nicht, aber die Erfahrung hat mich gelehrt, dass es nie verkehrt ist etwas hartes anzuziehen. Es sei denn, man geht schwimmen.

  • Eine Gasmaske mit Filtersystem: Stilistisch passend zum Overall, meine Lebensversicherung in dieser feindlichen Welt. Da ein unerfahrener Bunkerbewohner übervorsichtig ans Werk gehen würde, soll sie bequem sein und sich lange tragen lassen.

  • Stiefel: Weil, barfuss ist doof. Auch und vor allem in unbekanntem Terrain. Wasserdicht und strapazierfähig, mit einem auch für unwegsames Gelände geeignetem Profil.

  • Ein Mantel mit Kapuze: Hält im besten Fall Regen und radioaktiven Niederschlag draußen und Körperwärme drinnen. Ein Mantel sollte bei keinem Charakter, der sich draußen aufhält, fehlen, egal in welchem Szenario.

  • Taschen und Beutel: Das ist selbsterklärend: Wenn man weiß, was man alles dabei hat, hat man zuwenig dabei. Vorzugsweise wasserdicht und universell einsetzbar. Merksatz: Im LARP hat man immer zuwenig Stauraum.

  • Bewaffnung: Eine Minimalausstattung für den Anfang: ein Messer und/oder ein Beil, eine Schaufel und eine Armbrust. Munition sollte in meinen Augen selten und kostbar in einem solchen Szenario sein. Also brauche ich Waffen, die keine teuren Patronen benötigen.

  • Anderen Kram: Eine leichte, tragbare Überlebensausrüstung. Gebraucht, verkratzt, improvisiert und OT benutzbar. Essgeschirr, Wasserflasche, Nahrungsmittel, Seil, Toilettenpapier, Wäsche zum wechseln, eine Gummiente und so weiter. Alles, was man eben für ein Leben draußen braucht.

 

Endlich Zeit für LARP, ich gehe dann mal arbeiten

Von irgendetwas muss mein Charakter leben. Da viele Endzeit-Settings nach dem Prinzip DKWDDK oder DKWDK ablaufen, werde ich auf meine OT-Kenntnisse zurückgreifen. Beruflich arbeite ich in der realen Welt als Maschinenbautechniker. Und ich bastele, baue, entwerfe und tüftele seit meiner Jugend. Vor dem Hintergrund eines Bunkerbewohners sollte mich das mit etwas Werkzeug in die nachvollziehbare Lage versetzen, Dinge zu reparieren. Also brauche ich einen zerschrammten, alten Werkzeugsatz. All dies natürlich, ohne Strom oder Batterien verwenden zu müssen. Zusätzlich hege ich die Hoffnung, dass mein Charakter damit ungefährlich und nützlich genug ist, um nicht umgebracht zu werden.

Weltuntergang leicht gemacht oder: „DOOM it yourself“

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen werde ich in den nächsten Wochen und Monaten die Ausrüstung entwerfen, bauen, nähen, klöppeln und zusammenstellen. Meine Erfahrungen, meine Erfolge, aber auch die von mir fabrizierten Fehlschläge werden hier veröffentlicht, um so vielleicht anderen den Einstieg in das Genre Endzeit zu erleichtern. Angedacht ist eine Low-Budget-Produktion, da mir noch nicht ganz klar ist, ob mir dieses Spielumfeld zusagt. Auch wurde ich gewarnt, dass die Sterblichkeit auf Conventions, die sich auf die Zeit nach dem großen Knall beziehen, sehr hoch sein soll. Es ist also durchaus möglich, dass mein erster Auftritt mit diesem Outfit auch gleichzeitig mein letzter sein wird. Zur Kostenminimierung werde ich bei der Erstellung dieser Gewandung zum großen Teil auf bereits vorhandene Materialien zurückgreifen. Weitere, immer wieder von mir gern genutzte Quellen sind auch für dieses Projekt Schrottplätze, Secondhand-Läden und Flohmärkte. Um das ganze Outfit finanziell trotzdem möglichst transparent und nachvollziehbar zu halten werde ich, so weit möglich, Preise und Bezugsquellen nennen.

Ein wesentlicher und nicht zu unterschätzender Schritt wird das „Verendzeitlichen“ oder unter Hobbyisten auch „Verorken“ der Ausrüstung sein. Damit ist das mutwillige Zerstören, dauerhafte Verdrecken, Verschleißen und wieder Flicken der Gewandung gemeint. Gerade dieser Schritt verleiht dem Outfit das gewisse Etwas, das die Erscheinung realistisch und glaubhaft macht.

Für Interessierte: Im großen Rahmen wurde diese Technik erstmals bei der Produktion von Star Wars IV angewendet. Die Raumschiffe und Kostüme hatten dort, im Gegensatz zu Darstellungen in Sci-Fi-Filmen früherer Jahre, alle eine gewisse Patina. Dies verstärkte die Glaubwürdigkeit dessen, was der Zuschauer sah, immens.

Somit ist der erste Teil, die Vorplanung für meinen neuen Endzeitcharakter, abgeschlossen. Ich hoffe, der geneigte Leser wird mich bei der Umsetzung und Verwirklichung dieses Planes begleiten. Lassen wir also die Bastelei beginnen.

Fazit

LARP ist ein Gemeinschaftshobby. Das Spielerlebnis und die Immersion der Teilnehmer hängen zum großen Teil davon ab, wie glaubhaft die dargestellten Charaktere sind. Es ist nicht schwer, mit 47 Jahren seine Rolle und seinen Platz in einem bekannten Szenario zu finden. Ich stelle mich jetzt aber der Herausforderung, als Neuling in ein völlig fremdes, unbekanntes Universum einzutauchen. Nun glaubhaft zu vermitteln, das der von mir dargestellte Spielcharakter zwar keine Ahnung von der Welt hat, jedoch trotzdem so alt werden konnte, ist recht anspruchsvoll.

Diese Hürde nehme ich, nach einigen Überlegungen, mittels der Auswahl eines geeigneten Hintergrundes. Meine Planungen bezüglich der zu dem Charakter passenden Gewandung, der Ausrüstung und des Berufes schaffen den Rahmen für zukünftige Artikel.

Artikelbild: Michael Sierig

 

8 Kommentare

  1. Michael, das hast du toll geschrieben. Wir freuen uns sehr auf dich und sind uns sicher, dass du, wo du dir so tiefe Gedanken vorweg machst, richtig gut in der Endzeit ankommen wirst. Ja, die Charsterblichkeit ist in diesem setting vergleichsweise hoch, aber du gehst es richtig an! Auf dass du mit einem grossen verstrahlten knall am Ende der Welt landen mögest. ;)

    Kerstin von der Ödland Orga :)

  2. Lieber Michael, das hast du wirklich ganz hervorragend geschrieben. :-)

    Wer sich solche Gedanken vorweg macht, der wird mit Sicherheit sehr gut in der Endzeit ankommen. Wir freuen uns schon alle sehr darauf, dich auf Bunker Springs in der Post-Apocalypse willkommen zu heißen! Ich werde deine Fortschritte hier mit Freude verfolgen und wenn du magst auch hier und da meinen Senf drunter streichen. ;-) Zwar ist die Char-Sterblichkeit im Endzeit-Setting tatsächlich vergleichweise hoch, aber du machst mit deinen tiefen Überlegungen erstmal alles richtig, um deine Chancen möglichst zu verbessern. Vielleicht in Hinblick darauf noch einen Rat: Bei so ziemlich allen Endzeit-LARPs, vom Modrovgorod über das Fate bis zu Bunker Springs, sind Freunde das wichtigste Gut. Wichtiger als jede Ausrüstung, wichtiger als jeder Skill und jede Bewaffnung. Wenn die Konsequenz deines Chartodes die Vendetta deiner ganzen „Gang“ ist, dann wird sich jeder drei mal überlegen, ob er dir ans Leder will. Und Vendetta nehmen wir in der Endzeit sehr ernst… :-D
    Übrigens gibt es so einige „reifere“ Endzeitler. Das raue Setting zieht gerne mal „alte Männer“ an. ;-)

    In diesem Sinne wünsche ich dir einen schwer verstrahlten, dreckigen und möglichst explosiven Start in das Ende der Welt!
    Kerstin von der Ödland Orga

    • Hallo Munchkin.
      Du hast recht, die Ausrüstung ist für beides im Grunde genommen gleich.
      Nur wiegt die für das Endzeitsetting um Längen weniger.
      Und im Gegensatz zum Metall ist das die reinste „Kuschel-Rüstung“.

  3. Hey jap is echt gut geschrieben aber das mit der Waffenausrüstung, da solltest du min. noch ne Nerf Pistole (endzeitlich mit Leistung’s modding z.B. von Blasterpart’s oder so) machen weil ich mir Vorstellen könnte das du nur mit Armbrust und Beil/Messer (nimm beides) ziemlich schnell und oft erschossen wirst musst ja nicht immer voll sein einfach gut und gefährlich aussehen (also das es so aussieht als ob die Ausrüstung gleich auseinanderfehlt und so es nur ein überflüssiges Risiko wäre
    anzugreifen)

    Vlt. konnte ich dir ja helfen (=
    Dustin

    • Hallo Dustin.
      Ich gehe da erstmal ganz optimistisch zu Werke.
      Warum sollte mich jemand erschießen, wenn ich lebend nützlicher bin?
      Warum sollte mich jemand erschießen, wenn ich nichts wertvolles dabei habe?
      Warum sollte mich jemand erschießen, wenn ich durch fehlende Bewaffnung keine Gefahr darstelle?
      Ich werde allein dort hin gehen, und erstmal schauen ob ich Anschluß finde.
      Die beste Verteidigung sind immer noch eine schnelle Zunge, massig Ausreden und die richtigen Verbündeten.
      Und…
      Ich ahbe ja noch nichts über die Munition für die Armbrust gesagt.
      Bolzen sind so… Mainstream. :-)
      Lass Dich überraschen.
      Gruß;
      Michael

      • im ödland sind auch viele raider kanibalen und sonstige aggresieveren getsalten unterwegs. extra bewaffnung ist immer gut damit sich die leute 2mal überlegen ob es sich lohnt dich einfach aus lust und laune heraus anzugreifen

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