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Wie lange ist es her, dass du von jemand anderem so richtig gedemütigt wurdest? Vom Herold vielleicht, einem impertinenten Mitglied des Clans Brujah, oder sogar deinem eigenen Kind? Oder warst du selbst der Täter? Ob Erziehung, Dezimierung der Konkurrenz oder längst überfälliger Aufstieg, die Gründe, ein Opfer anzugehen, sind zahllos. Und dies ist auch schon der Knackpunkt: Das Opfer.

Denn sowohl offene Gewalt als auch eine lang geplante Intrige, jede Tat braucht ein Opfer. Und zwar möglichst eines, das auch anständig leidet, wenn es von uns in den Staub getreten wird. Wenn das Ziel der eigenen Bemühungen nur mit den Schultern zuckt, macht die schönste Grausamkeit keinen Spaß mehr. Unsere Ansprüche an die Opfer unserer genialen Pläne sind also entsprechend hoch, denn immerhin misst sich der Wert unserer großartigen Intrigen ja an dem Leid, das wir dem jeweiligen Opfer damit zufügen und wie sehr man ihm das Leiden ansieht.

Wenn es aber darum geht selbst das Opfer zu sein, schrecken viele zurück oder verweigern sich ganz. Ein Opfer zu sein ist schließlich ziemlich uncool, denn Opfer sind schwächer als andere, unterliegen in Konflikten und müssen erdulden, dass man auf ihnen herumtrampelt. Alles in allem keine sehr erstrebenswerte Position. Leider, denn gerade die Erfahrung zu unterliegen birgt oft ungeahntes Spielpotential. Auch, wenn viele es nicht glauben wollen: Es kann verdammt viel Spaß machen, das Opfer zu sein.

Das Rennen der roten Königin

Die kainitische, also vampirische, Gesellschaft gleicht dem Rennen der roten Königin aus Alice hinter den Spiegeln. Man muss alles geben, um den jetzigen Stand zu halten, und noch wesentlich mehr leisten, wenn man weiter aufsteigen will. Es wird, ohne Pause, um jedes bisschen Macht und Einfluss gekämpft. Kein schmutziger Trick ist zu verabscheuenswürdig, um nicht von irgendwem angewendet zu werden. Erpressung, Rufmord und Folter finden mehr oder weniger offen jede Nacht statt. Vampire Live ist immer auch ein Spiel um die Macht über andere, egal ob diese körperlich, geistig oder emotional ausgeübt wird. Und seien wir ehrlich: Es fühlt sich richtig gut an, erfolgreich einen anderen Charakter niederzumachen und zu sehen, dass die ganze Arbeit für diesen Sieg sich gelohnt hat.

Kainiten sind in dieser Hinsicht wie Fahrradfahrer. Jeder Kainit lernt eher früher als später, dass er nach oben buckeln und nach unten treten muss, um zu überleben. Wer sich nicht durchsetzt, bleibt zurück und wird zur Spielfigur derjenigen, die mehr Macht und Einfluss haben. Friedliche Einigungen existieren höchstens kurzfristig und jede Partnerschaft wird wieder zerbrechen. Ob offene Gewalt oder perfide Intrige – jeder Vampir wird getrieben durch eine pervertierte Gier andere zu erniedrigen und leiden zu sehen. Je verwundbarer ein anderer Kainit ist, desto verlockender ist es, noch einmal nachzutreten. Die Blutsauger unterscheiden sich in diesem Verlangen nur darin, wie sehr und wie oft sie diesen Einflüsterungen ihrer inneren Bestie nachgeben. Aber bösartig sind sie irgendwo alle.

Was schnell übersehen wird: Dieses Konstrukt aus permanenten Vielfrontenkriegen funktioniert nur, weil es immer Opfer gibt. Für jeden Kainiten, der einen seiner Kämpfe gewinnt, muss mindestens ein anderer unterliegen. Damit es Gewinner geben kann, muss es immer auch Verlierer geben. Und es ist absolut kein Charakter davor gefeit, selbst auf einmal auf der Verliererseite zu stehen. Ein Spieler, der nicht bereit ist mit seinem Charakter auch eine Niederlage zu spielen und sich diesem Teil des Vampire Live verweigert, sabotiert die Grundmechanismen des gesamten Spiels.

Dabei geht es nicht immer gleich um die öffentliche Demütigung durch einen Fürsten. Sehr viel häufiger kommt es zu kleinen Opfern, die jedem immer wieder aufgezwungen werden. Sei es, dass man zum Opfer einer Disziplin wurde und Dinge tut, die man hinterher bitterlich bereut, oder der eigene Ahn einen zwingt, mit einem verhassten Kainiten zusammenzuarbeiten. Auch diese Kleinigkeiten bringen Würze ins Spiel.

Immer auf die Kleinen?

Eine beruhigende Information für die Spieler junger Charaktere: Die Alten über euch können genauso schnell das Opfer einer Intrige werden wie ein frisch geschaffener Kainit. Alter mag vielleicht Macht und Einfluss bedeuten, aber ein hohes Alter ist kein Garant für ständigen Erfolg. Tatsächlich laufen mächtigere Kainiten wesentlich öfter Gefahr zu verlieren. Denn je höher ein Kainit aufsteigt, desto begehrter wird seine Position, desto mehr hat er zu verlieren und desto höher wird die Messlatte für seine Leistungen gehängt. Status oder Alter sind also kein Garant dafür, nicht erfolgreich von Jüngeren angegangen zu werden.

Ein einfaches Beispiel: Ein verbaler Schlagabtausch zwischen einem Neugeborenen und einem Ancilla, einem erfahrenen Kainiten in den Diensten eines Ahnen. Sehr wahrscheinlich wird der Neugeborene unterliegen und einen Rüffel kriegen. Wirklich etwas verlieren kann er aber nicht, denn es wird erwartet, dass er gegen den älteren Kainiten unterliegt. Der Ancilla allerdings darf sich keinen Fehler erlauben, denn sobald er sich nicht gegen den Jüngeren durchsetzen kann, bröckelt sein Ansehen. Beruft er sich nur auf seinen Status, um die Diskussion zu beenden, kann es ihm sehr schnell passieren, dass er als Drückeberger gebrandmarkt wird, der sich nicht wirklich selbst behaupten kann, sondern sich nur hinter seinem Status versteckt. Es sind schon zahllose ältere Kainiten das Opfer ihrer Überzeugung geworden, dass so ein Neugeborener ihnen schon nicht schaden kann.

Warum sollst ausgerechnet du das Opfer sein?

Unabhängig davon, wie der Charakter zu seiner Erniedrigung steht, kann eine Niederlage für den Spieler zu den intensivsten Spielmomenten überhaupt gehören. Eins ist offensichtlich: Zu verlieren ist höchst emotional, und genau um erlebte Emotionen geht es im Spiel. Natürlich macht es im ersten Augenblick nicht wirklich Spaß, unterdrückt oder sogar öffentlich gedemütigt zu werden. Das ist gut so – keinem Kainiten gefällt das, und das sollte jeder Spieler spüren. Aber in zweiter Instanz, auf der OT-Ebene, kann der Spieler die Tatsache genießen, eine solch extreme Situation als Beteiligter erlebt zu haben. Wenn wir ehrlich sind, sind es genau diese Momente, über die man auch Jahre später noch spricht, während der eine Domänenabend, auf dem man emotional unbeteiligt einfach so da saß, kaum für eine Anekdote reichen wird.

Nie unterschätzen sollte man den emotionalen Kick den es bringen kann, das Opfer zu sein. Kaum etwas beflügelt einen Kainiten so sehr wie das schwelende Verlangen nach Rache. Dem Peiniger immer wieder zu begegnen und gleichzeitig zu wissen, dass man ihm (noch) nichts entgegenzusetzen hat, kann einen Spieler zu Höchstleistungen antreiben. Jedes Aufeinandertreffen erinnert an die Schande der Niederlage, an die Demütigung, und das brennende Verlangen die wohlverdiente Rache zu nehmen. Vielleicht feuert der Widersacher die Rachegelüste sogar noch weiter an, indem er dem Opfer das Versagen immer wieder unter die Nase reibt und es weiter demütigt. Besser kann das Opfer es gar nicht treffen! Je weniger der Verlierer den Peiniger ausstehen kann, desto intensiver kann er ihn hassen.

Das Opfer kann beginnen Pläne zu schmieden, sie verwerfen und neue, noch bessere Pläne entwickeln. Es kann nach jedem Schwachpunkt des Gegners suchen, jeden seiner Fehler in Erfahrung bringen und die richtigen Personen kaufen oder überzeugen es zu unterstützen, um schließlich die Falle zuschnappen zu lassen. Oder es kann jeden, der dem Gegner lieb und teuer ist, ins Unglück stürzen und sie wissen lassen, dass ihre Qual erst endet, wenn der verhasste Widersacher zu Kreuze kriecht. Die bloße Hoffnung auf einen Sieg, gepaart mit dem ständigen Bewusstsein um die eigene Erniedrigung, wird einen Kainiten anfeuern wie nichts anderes.

Sicherlich kann man solch eine Niederlage auch einfach in den Hintergrund schreiben. Aber gegen das tatsächliche Erlebnis zu unterliegen, kommt selbst der detaillierteste Hintergrund nicht an. Nichts fühlt sich so echt an, wie etwas auch tatsächlich erlebt zu haben. Demütigungen nur im Charakterhintergrund aufzuschreiben, aber im tatsächlichen Spiel kein Opfer sein zu wollen, ist eine Ausflucht.

Ein weiterer Aspekt, der fast nie bedacht wird, ist, wie unglaublich befreiend es ist, der Unterlegene zu sein. Das Opfer kann kaum etwas falsch machen und ist befreit von Zwängen und Erwartungen. Was im ersten Moment eigenartig klingt, macht bei der zweiten Betrachtung Sinn. Es ist sehr viel leichter unterlegen zu sein, als aktiv einen anderen Kainiten zu unterwerfen. Derjenige, der sein Opfer niedermachen möchte, darf sich keinen Schnitzer erlauben, wenn er Erfolg haben will. Er muss alles geben, damit sein Opfer keinen Ausweg mehr hat. Das Opfer hingegen ist von diesem Leistungsdruck befreit. Es wird nur so tief fallen, wie der Gegner sich Mühe gibt. Wenn dem Täter auf halber Strecke die Puste ausgeht, läuft er sogar Gefahr, selbst zum Opfer seines gescheiterten Angriffs zu werden. Deshalb muss er viel Zeit und Energie investieren und selbst ständig aktiv sein, wenn er Erfolg haben will, während das Opfer die Freiheit hat, nur reagieren zu müssen.

Was im ersten Moment beängstigend ist, kann deshalb im zweiten Augenblick sehr befreiend für das eigene Spiel sein. Wer bereits richtig in der Tinte sitzt, kann fast nur gewinnen, wenn er etwas tut. Sehr viel schlimmer kann es wahrscheinlich kaum noch werden, aber besser auf alle Fälle. Ein guter Gegner wird eh alles, was das Opfer in diesem Moment tut, als Waffe gegen das Opfer einsetzen. Je weiter unten in der Nahrungskette der Gesellschaft ein Kainit steht, desto weniger hat er durch einen Fehler zu verlieren. Und wer nichts mehr zu verlieren hat, kann vollkommen darin aufgehen den Verlust zu erleben und sich wieder hochzukämpfen.

Auf das Umfeld kommt es an

Natürlich wird kaum ein Kainit ein Treffen mit dem Vorsatz besuchen, in dieser Nacht endlich einmal richtig auf die Schnauze zu fallen. Und auch der Spieler hinter dem Charakter braucht das passende Umfeld, um zu verlieren. Dies gilt auch für die andere Seite: Wer in der Position ist, einen anderen Charakter zu demütigen, kann ganz entscheidend dazu beitragen, dass dieser die Opferrolle ausspielt und der Spieler dahinter auch Spaß daran hat.

Zu allererst braucht man einen würdigen Gegner, wobei „würdig“ sich darauf bezieht, dass er mächtig und motiviert genug ist, einem wirklich Schwierigkeiten zu machen. Ohne einen ebenbürtigen oder sogar mächtigeren Gegner wird man nur dann das Opfer sein, wenn man sich dümmer stellt als man ist. Das ist kein sehr befriedigendes Gefühl und auch wenig spielförderlich, da man den Eindruck gewinnt, nur der Endgegner für andere Spieler zu sein, der gefälligst anständig zu verlieren hat. Ein guter Gegner ist hingegen eine wirkliche Herausforderung, der einem oft genug Kopfzerbrechen bereiten wird. Im Idealfall entstehen Fehden, die sich über Jahre hinziehen und die keiner von beiden je endgültig für sich entscheiden kann. Dann kann es schon zum Lebensinhalt eines Charakters werden, den nächsten Schritt gegen seinen Erzfeind zu planen und den andauernden Konflikt zu genießen.

Ebenso wichtig ist aber auch, dass man als Opfer an einen verantwortungsvollen Gegner gerät. Das Spiel zwischen Opfer und Täter beruht auf Wechselseitigkeit: Wirklich intensives Spiel entsteht nur, wenn beide alles geben können. Wer in einer Situation die Oberhand hat und dabei ist, sein Opfer richtig leiden zu lassen, trägt zugleich die Verantwortung dafür, dass der Spieler des Opfers die Situation ebenso genießen kann. Nichts ist für ein Opfer langweiliger und frustrierender, als aller Spielmöglichkeiten beraubt zu werden, weil es z.B. nur gepflöckt in einer Ecke liegt. Selbst wenn es um das endgültige Ende eines Traditionsbrechers geht, sollte das Opfer die Chance erhalten um Gnade zu flehen, zu geifern oder zu versuchen, eine mildere Strafe zu erbitten.

Nicht zuletzt ist es wichtig, dass außerhalb des Spiels das richtige Umfeld existiert, um zu verlieren. Kaum ein Spieler hat Spaß daran seinen Charakter auch einmal richtig dumm aussehen zu lassen, wenn er nach dem Spiel das Ziel von Spott ist. Jeder Spieler kann eine Teflon-Pfanne mimen und regungslos jeden Angriff von sich abperlen lassen. Das ist aber kaum eine Bereicherung für das Spiel, weshalb im Grunde jeder Spieler ein Interesse daran hat dafür zu sorgen, dass die Bereitschaft, ein gutes Opfer zu sein, OT gewürdigt wird. Nicht zuletzt, weil es jederzeit einen selbst treffen kann, und jede Niederlage im Spiel wesentlich besser zu ertragen ist, wenn man OT positives Feedback erhält.

Auch wenn man gerade selbst einen Höhenflug im Spiel hat, kann man viel dazu beitragen, das richtige Umfeld für das Opferspiel zu schaffen. Ein paar anerkennende Worte nach dem Spiel, wenn jemand richtig aus sich herausgegangen ist, wirken wahre Wunder. Wichtig ist, dass alle Spieler sich eines bewusst machen: Jeder wird eines Nachts das Opfer sein. Aber zum Glück ist verlieren nichts Schlimmes.

Fazit

Vampire Live ist kein Kaffeekränzchen. Es wird gekämpft und es gibt Opfer – und die haben meistens das intensivste Spiel von allen. Auch wenn es zuerst nicht sehr verlockend klingt, kann es für das eigene Spiel eine sehr wertvolle Erfahrung sein, einmal der Verlierer zu sein. In kaum einer anderen Position kann ein Spieler sich so sehr ganz in die Situation fallen lassen. Gegen einen überlegenen Gegner zu verlieren, kann das eigene Spiel mehr anfeuern, als du zuerst glauben magst.

Sicher macht es im ersten Moment mehr Spaß derjenige zu sein, der über andere triumphiert. Aber die Erfahrung zu verlieren verleiht dem eigenen Spiel sehr viel Tiefe, vorausgesetzt man lässt sich darauf ein. Deshalb lohnt es sich auf jeden Fall, einmal über den eigenen Schatten zu springen und sich zu trauen, einen Kampf zu verlieren.

Artikelbild: Nabil Hanano

10 Kommentare

  1. Hallo,

    nur in ganz kurzen Worten:

    Mir aus der Seele gesprochen!
    Lob und Anerkennung in verschärfter Form für diesen super Artikel.
    Vielen Dank dafür.

    All the best

    William (aka Redburn aka Storm)

    • Hi
      Klar, es gibt gute Gründe, weshalb man dieses Thema nicht noch im Hobby erleben will. Es ist schließlich ein Hobby und soll Spaß machen.
      Für mich gehört der Opfer-Part eindeutig zum VampireLive dazu, weshalb in meinen Augen jeder Vampire Live Spieler die Bereitschaft mitbringen muss, auch zu verlieren und zu unterliegen.

    • Genau. Das war eine erste Generalreaktion, weil ich irgendwie einen anderen Artikel erwartet hatte (Serie Emotionen). Im Nachhinein hätte ich das wohl wieder gelöscht, nur leider gibt es hier keine Löschfunktion.

      Vampire ist ja auch dezidiert ein Intrigenspiel… man kann also auch sagen: Vampire ist nicht für jeden was, wobei ich tatsächlich das Opfer-Sein meinte, insbesondere spezielle Varianten davon (mich hatte v.a. das Eingangsbild massiv irritiert, das, mal wieder eine sexualisierte Frau zur Opferrolle zu machen schien… ganz ganz miese Assoziationen *sigh).

    • Ah, verstehe. Ein passendes Bild für das Thema zu finden ist schwierig. Ich hoffe, im Artikel wird deutlich, dass es generell um die Opferrolle im Vampire Live geht und nicht nur speziell um Frauen in der Opferrolle.
      Aber es freut mich, dass Dir der Artikel gefällt. Und es tut mir Leid, dass Du so negative Erfahrungen im Vampire Live gemacht hast. Das wünsche ich wirklich niemandem, denn das versaut einem das Hobby schnell endgültig.

  2. Aber danke für den netten Artikel, für alle die noch Vampire spielen ;)
    Unterstreichen sollte man vor allem auch dies: Opfer sein macht besonders dann am Meisten Sinn im Vampire, wenn das Opfer hinterher noch Pläne schmieden kann. Wenn einer einfach aus dem heiteren Himmel einfach nur Bauernfang wird samt sofortiger Köpfung, bringt das nichts außer OT-Ärger. Insbesondere wenn es so wirkt, als sei es eine reine OT-Sache gewesen, weil es IT schlichtweg keinen Anlass dazu gab (und am Besten ne SL für nen Freund noch die Regeln gebeugt hat).
    Ja, das hängt einem auch Jahre an – aber NICHT im Sinne positiven(!) Gesprächsstoffes, den man viel lieber hätte…

    • Ja, das ist auch mein Ansatz. Ich bin absolut kein Freund von Charaktertoden, wenn diese vermeidbar sind. Klar, wenn jemand offen eine Tradition bricht oder so deppert ist sich dabei erwischen zu lassen, einen sehr mächtigen Charakter aus dem Weg räumen zu wollen, ist er selbst Schuld. Aber bei fast allen Konflikten gibt es deutlich schönere Spielmomente für alle Beteiligten, wenn man keine finale Lösung herbeiführt, sondern auch dem Opfer die Chance gibt damit zu spielen. Charaktertode bringen im Nachhinein nämlich allen Spiel – außer dem Opfer, denn das ist tot.

      Ich finde zu häufige und schnelle Tode auch relativ unrealistisch für eine Vampirgesellschaft, in der eigentlich kein Kainit ein Interesse daran hat dass es vollkommen normal ist, wegen Lappalien hingerichtet zu werden. Schließlich kann es auch sehr schnell einen selbst erwischen. Schon aus Selbstschutz sollte ein Kainit es besser finden, wenn „normale“ Verbrechen mit Bestrafungen, aber nicht mit Vernichtungen geahndet werden.

      Ich meine es gibt dazu ein schönes Scheibenweltzitat, das ich ganz passend finde. Ich kriege es nicht mehr ganz zusammen, aber inhaltlich lief es darauf hinaus, dass man einen besiegten Gegner schon allein deshalb am Leben lassen sollte, damit er sich den Rest seines Lebens bewusst ist, dass er dir unterlegen ist, und Du Dich an Deinem Sieg ergötzen kannst. ;)

    • Tötungen: Machen dann besonders Sinn (aus Sicht des betroffenen Spielers), wenn es außer der Tötung als solcher irgendwas vorher noch auszuspielen gibt – eine lange Befragung beispielweise, die ganze verdeckte Moraste im Hintergrund zu Tage bringen (könnten).

      Anstatt dass der ganze lang gebaute Charakter einfach mal so eben hopps geht, ohne dass irgendwen Anwesenden was anderes zu interessieren scheint als das Verdikt und endlich Ende damit, ohne dass man viel mehr bekäme als 3-5 Worte, die einem die WP im gestakten Zustand noch zulassen.
      „Bin unschuldig“ – kann ein super Aufhänger für *alle anderen* sein, toll für den Plot – daher ggf. super wenn es ein NPC ist..
      Als relativ neuer SC hingegen… Eher weniger, erst recht, wenn der Eindruck entsteht, irgendwer habe einfach nur was gegen deine Nase gehabt.

      Charakter*tode* sollten m.E. immer noch so sinnvoll wie möglich ablaufen, auch im Vampire.

      Vampire geht ja sehr um den Schrecken, das Erleiden etc. – Ganz schlimm ist es dann also, wenn so sehr verkürzt wird (es würde ja teilweise schon reichen, wenn man den SC noch ein wenig alleine im Verlies schmoren ließe, Zeit zum Nachdenken), dass dem Spieler dabei auch noch beinahe jeder Versuch inneren Nachempfindens der ganzen verworrenen Geschichte direkt geschrottet wird.
      Wenn in gefühlt paar Sekunden Schluss mit allem ist, dann ist da nicht unbedingt viel Gefühl durch den Charakter, allenfalls Gefühl hinterher beim Spieler (OT) und leider hochwahrscheinlich Emotionen, die man m.E. *nicht* unbedingt im OT haben sollte.

      Was du beschreibst in Richtung Fehde und „wer unten ist, kann nur nach oben“ bzw „nichts zu verlieren haben“ etc. – SO wäre das super ! Aber hallo. ;)

    • Bei was erwischen lassen: Das wäre ja ein IT-Grund. ;)

      Und bei frappanten Vorkommnissen sind entsprechende IT-Hinrichtungen ja auch durchaus angebracht. Blöder wird’s wenn wem was untergeschoben wird – auch dazu kann es aber IT-Gründe geben (bspw. eine Fehde zwischen X und Y). Auch dann wäre es völlig verständlich.

      Selbst wenn wer sich einen Posten erhofft und den Amtsträger dazu abschießt – okay, IT-Grund, immer noch, auch wenn „nothing personal“.

      ——————–
      Mein spezieller Erinnerungsfall war aber leider noch deutlich fragwürdiger..

      Woran ich mich grade erinnerte beim Thema Vampire und Opfer war eine Szenerie, in der jemandem etwas schlichtweg untergeschoben wurde – und zwar ohne dass jemand auch nur dringend einen Sündenbock gebraucht hätte (was ja noch verständlich wäre, wenn auch scheiße für den betroffenen Spieler, wenn einfach irgendwer völlig zufällig ausgewählt wurde, ohne dass es vorher IT Animositäten gegeben hätte).

      Das Ganze wurde allem Anschein nach nur inszeniert um den Charakter des betroffenen Spielers zu killen (in dem Fall meinereiner) und zwar ohne dass der dahintersteckende SC überhaupt IT auch nur großartig mit dem eigenen Char zu tun gehabt hätte.

      Oder andersrum besehen: Es gab einfach keinerlei plausiblen IT-Grund, außer dass wer eine Intrige gegen IRGENDwen spinnen und gewinnen wollte. Ohne dass es IT dem Intrigenspinner auch nur irgendwelche Vorteile erbracht hätte. DAS ist sinnfrei und entsprechend sind relativ wenige Ansätze da, die dem Opfer irgendwas bringen können außer über das Unrecht der Welt zu sinnieren – und das geht nunmal nur, wenn man dazu Zeit gewährt bekommt, nicht wenn alles Schlag auf Schlag geht.. Dann kommt es nur im Nachhinein und das dann OT als OT-Handlung (miss)verstanden. Mies.

    • Ja, solche Charaktertode sind Müll. Im Idealfall ist der betroffene Spieler hinterher zufrieden mit dem Tod seines Charakters, wobei es auch die unbelehrbaren Fälle gibt, die sofort Betrug wittern, wenn ihre nicht so wirklich berauschend getarnte Intrige zum Kill eines Ahnen auffliegt und ihre Charaktere dafür dran glauben müssen.

      Das ist ein sehr schwieriges Thema, weil man letzten Endes immer jede IT-Handlung total logisch sowohl begründen als auch widerlegen kann. Und es ist nichts anstrengender als Leute, die einem hinterher erzählen, wo man den eigenen Charakter falsch gespielt hat… Es kann rein IT gesehen natürlich Sinn machen, als Symbol der Stärke einen Kainiten hinzuhängen um zu zeigen, dass man die Macht hat es zu tun. Ist nur blöd für den hingehängten Charakter. Allerdings bin ich solchen Fällen immer für nicht finale Lösungen, weil es eben deutlich mehr Spiel bringt auch die Opfer einzubinden. Und es mehrt den eigenen Ruhm viel mehr, wenn es Opfer gibt, die überall erzählen wie fuchtbar man ist ;)

      Ich für mich sehe Charaktertode als Teil des Spiels, aber eben nur, wenn der Charakter wirklich selbst verantwortlich dafür ist (Tradition gebrochen o.ä.). Daran habe ich auch durchaus IT ein Interesse, denn mein Charakter möchte keine Gesellschaft, in der einem Verbrechen untergeschoben werden und man sofort vernichtet wird. Das geht nämlich sehr schnell mal nach hinten los und man hat eine wundervolle Hexenjagd, bei der niemand mehr sicher ist, ob er überleben wird.
      Und ehe es wirklich final wird, hat man ja noch eine große Bandbreite an Bestrafungen und Demütigungen für das potentielle Opfer. Lass es ein Blutband sein, erzwungene Dienste oder die Rolle des Pariers in der Domäne, an dem sich jeder austoben darf, der schlechte Laune hat.

      Ich bin froh, dass in meiner Gruppe keine sinnlosen Charaktertode vorkommen. Meiner Erfahrung nach fällt es den meisten Leuten auch wesentlich leichter frei und offen zu spielen, wenn sie nicht ständig das Gefühl haben, sofort umgebracht zu werden. Deshalb finde ich ein gewisses „Sicherheitsnetz“ durchaus förderlich fürs Spiel. Stunk und Konflikte haben wir trotzdem in ausreichender Menge.

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