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Numenera ist ein abgedrehtes Far-Future-Rollenspiel von Monte Cook und eine Kickstarter-Erfolgsgeschichte aus den USA. Wir haben das englische Regelwerk im August 2013 besprochen. Nun hat der Uhrwerk Verlag eine deutsche Übersetzung ins Auge gefasst. Deren Finanzierungsphase auf Startnext ist bereits erfolgreich: Die Übersetzung ist gesichert und das Projekt schaltet nach und nach zusätzliche Abenteuer als Dreingaben frei.

Dem Käufer kommt dabei das Crowdfunding-Prinzip zu Gute: Wer das Grundregelwerk als Box oder (Startnext-exklusiv) als Hardcover bis zum 10.01.2015 vorbestellt, erhält alle bis dahin finanzierten Erweiterungen dazu. Wir trafen uns mit der Haupt-Übersetzerin des Projektes, Mhairé Stritter (von Orkenspalter TV), zu einem Interview.

Wieso Numenera?

Teilzeithelden: Danke, dass du so kurz vor Weihnachten Zeit für uns hast. Lass uns ganz vorne anfangen. Wie bist du auf Numenera gestoßen?

Mhairé: Gerne. Numenera habe ich über den ursprünglichen Kickstarter gefunden, weil ich ja generell ein Auge auf Kickstarter und andere Crowdfunding-Projekte habe und ich es ungewöhnlich fand, dass für ein Pen&Paper-Rollenspiel so viel Geld zusammenkam. Der Name Monte Cook hat natürlich auch gezogen – was ich bisher von ihm kannte, taugte alles. Ich habe lange die 3. Edition von Dungeons & Dragons gespielt und natürlich Planescape Torment. Mich sprach das Setting von Numenera dann gleich an. Das ist sowieso etwas, das ich gerne mag: einen ungewöhnlichen Ansatz zu nehmen und dann zu schauen, wie man darin spielen kann.

Teilzeithelden: Magst du das Setting kurz vorstellen?

Mhairé: Numenera sieht für die Leute, die darin leben, vielleicht aus wie Fantasy. Dabei ist es eigentlich eine Far-Future-Science-Fiction, die eine Milliarde Jahre in der Zukunft spielt. In der Zwischenzeit ist natürlich einiges passiert. Die Menschen (die es wieder gibt), leben in den Ruinen von Zivilisationen, haben die Sterne bereist, parallele Dimensionen erobert und überall Nanotechnologie zurückgelassen. Dabei verstehen die Menschen die fortschrittliche Technologie nicht, können sie aber zum Teil nutzen. Manche Figuren denken von sich als Fantasy-Helden, dabei ist alle „Magie“ mit fortschrittlicher Technologie erklärbar; wie im berühmten Satz von Arthur C. Clark. „Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden“. Der wird ja auch am Anfang des Regelwerkes zitiert. Darüber hat das Setting auch etwas von Dying Earth und von Michael Moorcocks Romanen um den Ewigen Helden.

Teilzeithelden: Was genau fasziniert dich denn am Setting?

Mhairé: Was Numenera für mich einzigartig macht, ist das Cypher-System. Cypher sind Gerätschaften vergessener Technologie, die die Spielercharaktere in Ruinen finden können und die quasi einmalig-einsetzbare Superkräfte sind. Da man beständig neue Cypher findet, gibt es auch kein Problem damit, diese regelmäßig zu benutzen. Cypher können jede Spielsituation völlig verändern – unvorhergesehene Lösungsmöglichkeiten für Probleme oder Kämpfe. Das kann natürlich auch nach hinten losgehen und trotzdem Spaß machen.

Teilzeithelden: Hast du denn ein Lieblingsabenteuer?

Mhairé: Ich hatte viel Spaß mit Into the Violet Vale, einem der nun freigeschalteten Abenteuer, das eigentlich für die GenCon geschrieben wurde. Die Gruppe befindet sich dabei auf dem Rückweg von einem Auftrag und stolpert dann ins namensgebende Violet Vale, einer Ansammlung von Pflanzen, die in mehreren Orten und Zeitströmen gleichzeitig existieren. Sie müssen dann in einem Tal zurechtkommen, in dem sie immer wieder hin- und her-teleportiert werden. Dazu werden sie noch von einem Monster verfolgt, dass sich ebenfalls ins Tal verirrt hat und sie als Nahrung ansieht.

Teilzeithelden: Und wie bist du dann auf die Idee einer Übersetzung gekommen?

Mhairé: Ich kenne Leute, für die ist ein englisches Regelwerk einfach zu viel. Ich selbst habe auch Abneigung dagegen, „Denglisch“ am Spieltisch zu benutzen. Deshalb habe ich angefangen, für mich selbst Spielbegriffe zu übersetzen. Eine Gesamt-Übersetzung von Numenera war dann ein Running-Gag … bis dann Monte Cook tatsächlich jemanden gesucht hat, der eine deutsche Übersetzung macht. Nun habe ich ja schon ein paar Übersetzungsarbeiten gemacht und auch ein gutes Verhältnis zu Patric Götz vom Uhrwerk Verlag. Der konnte das Projekt aber nicht stemmen, weil sie genug andere Baustellen haben. Wir haben uns dann darauf geeinigt, dass ich selbst alle redaktionelle Arbeit übernehme und Monte Cook Games war damit einverstanden und gab die Lizenz. Crowdfunding auf Startnext war dann ein Versuch, das finanziell zu realisieren und ins Rollen zu bringen.

Das Crowdfunding

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Teilzeithelden: Und es hat offensichtlich funktioniert. Soeben wurde die 30.000 Euro-Marke geknackt und damit nicht nur die Übersetzung finanziert, sondern schon das vierte Abenteuer als Erweiterung erreicht. Glückwunsch! Warst du vom Erfolg überrascht? Womit hast du gerechnet?

Mhairé: Ich hab ehrlichgesagt mit gar nichts gerechnet – das hätte alles werden können. Ich freue mich natürlich, dass es so gut läuft, wie jetzt! Mit den Orkenspalter-Let’s-Plays haben wir schon gemerkt, dass es ein paar Leute gibt, die sich dafür interessieren, aber da war nicht klar, ob die schon die englische Version haben und es Bedarf nach einer deutschen gibt.

Teilzeithelden: Wenn jemand das Projekt noch unterstützen möchte, kann er bis Januar einen beliebig großen Beitrag angeben. Das geht von einem Euro bis fünfhundert. Was bekommt er denn dafür?

Mhairé: Ab 25 Euro erhält man die Regelwerke als PDF und ab 49,95 Euro das Boxed-Set oder das Hardcover – zusammen mit den freigeschalteten Erweiterungen. Der Inhalt der Versionen ist gleich, wird nur anders aufgeteilt. Das Hardcover-Grundregelwerk ähnelt der amerikanischen Version als 400-Seiten-starkes Buch. In der Box wird es das Grundregelwerk als drei einzelne Bücher geben. Die Erweiterungen werden dann als Softcover dazugelegt.

Teilzeithelden: Das Hardcover ist dabei Startnext-Exklusiv?

Mhairé: Richtig. Das Hardcover ist limitiert für die Leute, die sich bei Startnext beteiligen. Die Boxed-Version ist die, die auch später im Handel erhältlich sein wird. Beim Hardcover überlegen wir auch gerade, ob wir die Bonus-Abenteuer nicht in einem zweiten Buch zusammenfassen.

Teilzeithelden: Ab 100-Euro gibt es als auswählbares „Dankeschön“ sogar eine private Numenera-Rollenspielrunde. Wie funktioniert das?

Mhairé: Ich habe einfach viel Spaß daran, zu leiten und einige Erfahrung darin. Normalerweise habe ich auf Conventions nicht die Zeit dafür, aber da würde ich mir die Zeit nehmen. Das Angebot gilt für ein Kurzabenteuer für den Unterstützer und eine Gruppe von Freunden, die er dabei haben möchte. Beim Abenteuer hat derjenige die Auswahl, entweder ein offizielles Abenteuer oder etwas Selbstgeschriebenes von mir. Wenn man das nicht auf einer Convention hinbekommt, dann bleibt noch notfalls eine technische Lösung wie Google-Hangout. Wer sogar 500 Euro oder mehr in die Kampagne steckt, sorgt dafür, dass ich sogar zu den Leuten hinfahre und dort spielleite – zusätzlich natürlich zum limitierten Hardcover in ockerfarbenem Echtleder mit Messingnieten und geprägtem Zierknoten. Nur bei Orten außerhalb von Deutschland müsste man dann schauen, wie das Treffen realisierbar ist.

Die Arbeit am Projekt

Teilzeithelden: Kommen wir zur Übersetzung selbst. Wie sieht da dein Team aus?

Mhairé: Naja, der Kern des Teams bin ich. Ich werde das Grundregelwerk alleine übersetzen, damit die Glossar-Arbeit in einer Hand liegt und die Kapitel untereinander von einem Übersetzer abgestimmt werden und wir eine möglichst saubere Arbeit abliefern können. Darüber hinaus gibt es mehrere Anfragen von Unterstützern, die gerne mitarbeiten würden – alles bekannte Autoren, Übersetzer oder Journalisten der deutschen Rollenspielszene. Zwei der Erweiterungen haben wir so schon verteilt, bei zwei suchen wir noch einen Übersetzer. Wenn also jemand noch Teil des Teams werden möchte, soll er sich einfach bei uns melden.

Teilzeithelden: Wie hältst du die Unterstützer während der Übersetzung auf dem Laufenden?

Numenera boxedMhairé: Es wird regelmäßige Updates zu dem Projekt geben, als geschriebener Blog und größere Meilensteine als Video. Wer das Projekt mit einem Euro unterstützt, wird Mitglied der Numenera-Community, die mitbestimmt, wie das Endergebnis aussieht. Wir haben vor, ein Forum einzurichten und einige Abstimmungen über die zentralen Begriffe der Übersetzung zu machen. Natürlich behalten wir uns ein gewisses Veto-Recht vor, damit insgesamt das Ergebnis stimmig wird.

Teilzeithelden: Wird es eine Möglichkeit geben, das Projekt auch nach Ende der Kampagne zu unterstützen oder noch mit allen Erweiterungen nachzubestellen? Eine klassische Slacker-Backer-Option?

Mhairé: Ich bin mir sicher, dass wir das einrichten werden und eine klare Regelung finden. Wer kurz nach dem 10. Januar noch unterstützen möchte, soll uns einfach anschreiben.

Teilzeithelden: Glaubst du, dass Startnext hierzulande im Bereich Rollenspiele auch in Zukunft für Erfolgsgeschichten sorgen wird?

Mhairé: Das kann ich mir schon vorstellen, weil sich die Einstellung zu Crowdfunding ändert. Den Leuten wird langsam klar, dass die Verlage nicht die Finanzierung dadurch „abschieben“, sondern Projekte ermöglicht, die es ohne Crowdfunding gar nicht gäbe. Im Endeffekt ist das ja eine Vorbestellung, nur mit mehr Optionen. Natürlich hängt jetzt viel von uns und Jan Christoph Steines Berge des Wahnsinns-Kampagne ab, das Vertrauen in Startnext-Projekte zu stärken.

Die Zukunft

Teilzeithelden: Kannst du dir denn persönlich vorstellen, ein weiteres Startnext-Projekt anzubieten? Etwa The Strange von Monte Cook? Das wäre ja naheliegend.

Mhairé: Wir sehen ja jetzt: Die Nachfrage für Übersetzungen ist da. Wenn Numenera auch im Handel Abnehmer findet, werden wir sicher nicht aufhören, sondern weitere Produkte nachliefern. Ob wir The Strange dann vom Numenera-Topf finanzieren, oder noch einmal ein Crowdfunding machen, das steht natürlich noch offen. In den nächsten Jahren vielleicht … aber das sind noch ungelegte Eier.

Teilzeithelden: Der Erfolg gibt euch auf jeden Fall Recht. Dabei ist der besonders bemerkenswert, wird doch häufig behauptet, die deutsche Rollenspielszene sei „übersättigt“ und „überaltert“.

Mhairé: Es hieß ja immer, die Leute wollten nichts Neues, sondern nur das was sie „seit zehn Jahren“ schon kennen und spielen. Aber seit etwa zwei Jahren bemerke ich eine Bewegung in die entgegengesetzte Richtung, sehe Leute, die das erste Mal spielen, die über andere Wege ins Hobby kommen. Und es gibt mehr Leute, die sich für kuriose und exotische Rollenspiele interessieren, etwa Los Muertos oder Monsterhearts. Das sind aber nicht die Leute, die laut in Foren sind oder auf Conventions gehen. Ich glaube, dass es mittlerweile einen großen Teil der Rollenspielszene gibt, den man gar nicht sieht, der aber durchaus aktiv werden kann.

Teilzeithelden: Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg mit dem Projekt!

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Artikelbilder: Monte Cook Games, Uhrwerk Verlag

 

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